Mona Fehdekind
|
Verfasst am: 30 Jun 2022 08:05 Titel: Nennt mich Fehdekind! |
|
|
Dass Matin nicht lange nach seiner Geburt einer anderen Familie zur Obhut übergeben wurde, war weder seinem Wunsch noch dem Umstand geschuldet, dass sich seine Eltern nicht um ihn kümmern wollten, sondern viel mehr dem Fehlen von flüssigen Geldmitteln angesichts eines sich fortwährend durch Zinsen und Zinseszinsen vermehrenden Schuldenbergs.
Die verarmte Adelsfamilie derer von Griepensteyn beendete mit dem Weggeben ihres bis dahin einzigen Sprosses eine jahrelange Fehde. Man zeigte sich allerseits zufrieden mit der gefundenen Lösung, waren die Griepensteyns doch reich Schulden und die Sturzbachs, zwar reich an Gold, kinderlos geblieben.
Lange Verhandlungen waren der schließlich getroffenen Vereinbarung nicht vorangegangen, wünschten sich die Sturzbachs doch dringend einen Sohn und Erben. Demgegenüber hatten die Griepensteyns wenig Aussicht ihre Schulden noch in diesem Leben zu begleichen. Das Einkommen, das ihnen seit Generationen ihren Reichtum beschert hatte, war mit der Erzader im Berg erschöpft.
Die Griepensteyns hatten im fortgeschrittenen Alter wenig Anlass auf die Geburt eines neuen Erben zu hoffen. Dass Frau von Griepensteyn dann doch allen Erwartungen zum Trotz in andere Umständen geriet, schrieb man dem anhaltenden Gebet der gottesfürchtigen Kindsmutter zu.
Umso größer war dann die Enttäuschung darüber, dass statt des ersehnten Erben ein Mädchen das Licht der Welt erblickte - schloss doch das geltende Recht eine Tochter von der Erbfolge aus. Da die Eltern mit der Enttäuschung über die Geburt von Mona keinen Versuch mehr unternahmen, ihr Vermögen zurückzugewinnen, gab es schließlich auch nicht mehr viel zu erben, als diese von einer Seuche hinweggerafft schließlich das Zeitliche segneten.
Mona, von ihren Eltern stiefmütterlich behandelt und in Erinnerung an die unglücklichen Umstände ihrer Geburt nur "Fehdekind" gerufen, verließ das Festland nach Gerimor mit gerade noch genügend Gold in der Tasche für eine Passage im Bauch eines Handelsschiffes.
Auf Gerimor - so hatte sie gehört - fragte niemand nach der Herkunft und fleißige Hände hätten die Aussicht auf ein gutes Leben.
Anders als Mona war Matin mit allen Annehmlichkeiten eines begüterten Elternhauses aufgewachsen. In den vollen Rechten des Nachfolgers stehend, wuchs er unbekümmert und umsorgt in Mitten von gütigen und freundlichen Eltern auf. Die Sturzbachs verheimlichten zwar nicht, dass er nicht ihr leibliches Kind war, aber erst auf dem Sterbebett des Stiefvaters erfuhr er von der Schande seines verschuldeten Elternhauses.
Nur für den Fall, dass sich jemand nach den Griepensteyns und den unglücklichen Umständen ihres Hinscheidens interessierte, kursieren im Dorf noch immer Gerüchte über eine Tochter, die von der Seuche verschont geblieben war. Über ihren Verbleib wusste niemand etwas zu berichten.
Zuletzt bearbeitet von Mona Fehdekind am 21 Jul 2022 11:37, insgesamt 2-mal bearbeitet |
|