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Diarium einer Verschleppten
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Diarium einer Verschleppten
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 25 Apr 2022 11:14    Titel: Diarium einer Verschleppten
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[Triggerwarnung - Posts enthalten Gewalt/Missbrauch/Entführung]


    ⧫ 26. Wechselwind 251 ⧫

    Nun sitze ich hier - verzwergt in einer Kajüte, gekettet wie ein ausgesetzter Hund am Wegesrand
    am Schreibtisch meines… ja, was genau eigentlich? Geiselnehmers? Entführers? Mörders?
    Vielleicht ersteres, irgendetwas anderes oder auch nichts davon. Hier, inzwischen Karten,
    Pergamenten und verdreckten Federkielen könnte man meinen, die Welt sei beinahe in
    Ordnung. Doch wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich die tosenden Wellen, die gegen
    die Klippen peitschen, während das typische Knarzen des Holzes unter mir unaufhörlich an
    meine Ohren dringt. Das Land zu verlassen, während eines aufkommendes Sturmes bereitet
    den Seemännern Unbehagen. So wie mir. Die Kliffküste meiner Heimat Cote de Sel - das
    letzte Stück Land, welches ich nun sehe. Und während die eigentlich große Insel nun immer
    kleiner zu werden scheint, bis sie wie von der Landkarte ausradiert wirkt, frage ich mich:
    Was jetzt? Die Blutergüsse an meinem Körper beginnen blau zu werden, veilchenblau. Aber
    der Schmerz dringt nicht zu mir durch. Mein Kopf, meine Gedanken sind noch woanders.
    Die Angst hemmt mich, sie bestimmt über mich und nimmt gänzlich meinen Körper ein. Ich
    fühle mich wie gelähmt, gepaart mit Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit. Wie lange werde ich
    nun auf See sein? Wann kommt er, um nach mir zu suchen? Wird er mich suchen?



    ⧫ 10. Eluviar 251 ⧫

    Erst heute traute ich mich wieder, in einen Spiegel zu sehen. Man sagt zwar, die anstrengenden
    Tage auf See würden einen deutlich altern lassen - aber was genau dies zu bedeuten hat
    wird mir wahrscheinlich noch klarer werden. Er macht Witze auf meine Kosten, betrachtet
    mich abwertend und bissig. Jede meiner Bewegungen ist eine zu viel. Mein Anblick bereitet
    ihm offenkundig Freude, er fühlt sich gut wenn er mich unterdrückt. Seine abstoßenden
    Berührungen erregen in mir Ekel und bereiten mir noch immer Gänsehaut. Ich erstarre,
    bin so fassungslos, dass ich kaum spüre, wie er mich am Arm packt. Mein Herzschlag dröhnt
    in meinen Ohren, und meine Lungen arbeiten, was das Zeug hält. Ob das jemals aufhört?
    Mein Gesicht allerdings fühlt sich schon besser an und auch die Schwellungen gehen zurück.
    Ich erkenne die Züge wieder, auch wenn sie noch angedeutet scheinen. Das immer anhaltende
    Schwanken des Schiffes löst keine Übelkeit mehr aus. Ob ich mich daran erfreuen soll, weiß ich
    allerdings nicht.



    ⧫ 22. Eluviar 251 ⧫

    Ein paar Fingerbreiten weiter rechts, und die Kugel wäre durch meinen Kopf gegangen, statt
    auf die Zielscheibe. Mein Herzschlag beschleunigte sich, mein Zittern wurde stärker. Meine Knie
    drohten unter mir einzuknicken, während ich die Erinnerungen tief in mir vergrabte, wo sie meine
    Kehle nicht wie ein Schraubstock zerquetschen können. Ich kann nicht darüber nachdenken, was
    passiert ist. Wenn ich das tue, werde ich zerbrechen – und er wird gewinnen. Fast hätte ich meinen
    Geburtstag vergessen. Mein Überleben ist mein Geschenk.
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 01 Mai 2022 18:29    Titel:
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    ⧫ 31. Eluviar 251 ⧫

    Die kargen Essensrationen, die ich erhalte, machen mich mittlerweile müde und träge. Zunehmend beschleicht mich das Gefühl, dass er mich entweder auf Probe stellten möchte, oder er beabsichtigt mich schwach zu machen. Er lässt mich dabei zusehen, wie er sein ausgewogenes Diner hinabschlingt, als würde ihm sonst etwas abhandenkommen. Er lacht immerzu, wenn er meinen lauernden Blick erkennt. Wie gerne würde ich meine Finger um seinen Hals legen, wenn ich ihn dabei beobachte, wie er sich nacheinander seine dreckigen Finger in den Mund steckt, um sie sauberzulecken. Doch ich kann nicht. Stattdessen sitze ich in meiner Ecke, wieder angebunden und bewacht von einem Matrosen, den er direkt vor der offenen Türe der Kajüte positionierte. Jedes Rascheln, jeder Ton, den ich von mir gebe, erregt seine Aufmerksamkeit. Zumindest so lange, bis er sie selbst schließt, um sich mir zu widmen. Auch heute werde ich mit knurrendem Magen einschlafen müssen.


    ⧫ 05. Schwalbenkunft 251 ⧫

    Mittlerweile versuche ich mich zu fügen. Meine Worte stoßen auf taube Ohren. Zwischenfragen werden scharfzüngig oder nicht weiterbringend beantwortet. Mein Aufenthalt auf der ‘La Lotte’ gestaltet sich zunehmend als schwierig. Ich spüre die ausziehenden und hungrigen Blicke der Seebären, selbst wenn ich nicht hinsehe. Sie versuchen mich unbemerkt zu betasten, mit widerwärtigen Floskeln meine Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Mein Entführer entpuppt sich als Beschützer und Täter zugleich - ein Verhalten, welches ich nicht von einem Seemann seiner Art erwartet hätte. Ich fühle zum ersten Mal so etwas wie Sicherheit, so abscheulich er sein mag.


    ⧫ 18. Schwalbenkunft 251 ⧫

    Heute durfte ich mich erstmals auf dem Schiff frei bewegen. Ausgestattet mit einem Brieföffner, den ich in einem unbeaufsichtigtem Moment mein Eigen nannte, traute ich mich mit meiner Begleitung auf das Achterdeck. Dort traf ich auf die, wie sich später herausstellte, einzige Frau neben mir an Bord. Im Laufe des Gesprächs zwischen ihr und dem Steuermann wurde mir schnell klar, dass es sich hierbei um die Schwester des Kapitäns handeln muss. Ich musste ein wenig schmunzeln, als ich feststellte, was für eine Augenweide sie war und welche Abscheulichkeit hingegen ihr Bruder. Gerne hätte ich mit ihr ein Wort gewechselt, aber es wurde mir untersagt. Dafür war ich hier nicht wert genug, was mir durch eine weitere Ohrfeige klarer wurde.


    ⧫ 27. Schwalbenkunft 251 ⧫

    Die Speisen hier sind wirklich grauenhaft, doch ich freue mich auf jeden Schub, den ich zusätzlich erhalte, wenn Philippe mir hinterrücks etwas zusteckt. Oftmals ist es derselbe Fraß, aber meine Arme beginnen wieder kräftiger zu werden und ich fühle mich tatsächlich gut. Solange ich mich nicht wehre, ist es hier einigermaßen ertragbar. Angelique ist für mich noch immer unnahbar, ich würde mich gar wagen zu behaupten, dass sie mir bewusst aus dem Weg geht. Ihre Blicke weichen mir aus. Wie kann eine Frau stillschweigend zusehen, wie eine andere unterdrückt wird?
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 04 Mai 2022 00:23    Titel:
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    ⧫ 02. Cirmiasum 251 ⧫

    Oft erinnere ich mich an diesen Tagen an die ‘furchterregenden’ Geschichten von Ma zurück. Sie hatte für die See nichts übrig und rede sich in Rage, wann immer es thematisiert wurde. Die Männer seien allesamt Nichtsnutze und zu faul, ehrliche und respektable Arbeit zu finden. Vielleicht war es schlussendlich das, was Julien umso mehr dafür begeisterte. Sein wilder Geist suchte Herausforderung, er wollte Erwartungen übertreffen und setzte alles in Bewegung, das Gegenteil von gesagtem zu beweisen. Für meinen Vater blieb er ein Herumtreiber, Taugenichts und Säufer. Sein plötzliches Verschwinden war, umso öfter ich darüber nachdenke, abzusehen. Ich nehme es ihm noch immer übel. Er verließ uns. Er verließ ‘mich’. Mein Fels in der Brandung. Weg. Es ist Tag 67.


    ⧫ 12. Cirmiasum 251 ⧫

    Heute zähle ich drei. Der dritte Mann, der meinetwegen den Tod fand. Die ersten beiden mussten Kielholen, der dritte wurde letztlich zum Gouverneur von ‘Picos gemelos’ ernannt. Noch bevor unser Schiff kehrt machte, drang der Gnadenschuss an mein Ohr. Die Crew wurde gewarnt, ihre Gesichter waren aschfahl. Cyrian weiß wie der Chaotenhaufen zu bändigen ist, aber es würde wieder nur vorübergehend den Wind aus den Segeln nehmen. Fast die Hälfte aller Männer wechseln sich hier mit jedem Landgang aus. Einige sterben bei Kaperei, andere werden nach der Laune des Kapitäns gefoltert und erliegen dort. Die meisten flüchten aber freiwillig, ganz gleich, ob er gute Bezahlung verspricht. Es ist eine Frage der Zeit, wann sich der nächste Vorfall ereignet. Ich fühle mich nicht gut dabei. Er liebt es.


    ⧫ 30. Cirmiasum 251 ⧫

    Mein eigener, erster Landgang. Kaum konnte ich mich noch erinnern, wie sich fester Boden unter den Füßen anfühlt. Seranyth gefiel mir. Sinael gefiel mir. Der Geruch des Salzes, welcher sich weit über den hiesigen Fischmarkt ausbreitete, erinnerte mich ein wenig an meine Heimat. So entsetzlich ich diesen Gedanken mittlerweile finde, so wird es doch immer ein Teil meiner sein. Dieser Ort ist so stark von Handel und Handwerk geprägt, dass es ein Leichtes war, die geplünderte Ware an den Mann zu bringen. Mein Begleiter und ich klapperten die Schmieden ab, um ein paar Kronen im Austausch für alumenisch gekennzeichnetes, goldenes Geschirr erhaschen zu können, welches nur noch zum Einschmelzen gut genug war. Ein paar der Münzen durfte ich behalten, um mir ein paar neue Kleider zu kaufen. Diese sollte allerdings nicht ganz meiner sonstigen Garderobe entsprechen…


    ⧫ 04. Ashatar 251 ⧫

    Gesellschaft! Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich mich darüber freue, obwohl ich eigentlich Mitleid empfinden sollte? Sie spricht nicht mit mir. Mit niemandem. Cyrian findet diesen Umstand löblich. Er schimpfte mit mir, ich solle mir ein paar ihrer Eigenschaften aneignen. Aber ich bin es nicht, die mich hier an Bord hält. Meine ‘Klugscheißerei’ brachte mir an diesem Tag Hiebe ein. Schnell merkte ich eine Änderung meines Alltags. Ich bin freier, muss nicht mehr jederzeit zur Verfügung stehen. Zwischendurch mache ich mich sogar nützlich und besehe die Waren, die sie erbeutet haben. Während ich mich an Deck bewege, machen sie einen Bogen um mich.
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 05 Mai 2022 20:52    Titel:
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    ⧫ 19. Ashtar 251 ⧫

    Manchmal denke ich, wenn ich stillhalte, mich gar nicht rühre und meine Lippen nicht bewegen würde, könnte sich alles verändern. Wenn ich erstarre, erstarrt vielleicht auch der Schmerz. Manchmal bewege ich mich stundenlang nicht. Keinen Fingerbreit. Manchmal denke ich, die Einsamkeit in mir wird durch meine Haut brechen und manchmal weiß ich nicht, ob ich die Hysterie durch Weinen, Schreien oder Lachen bezwingen kann. Solange diese Phasen anhalten, fühle ich mich leer.


    ⧫ 07. Searum 251 ⧫

    Die Neue heißt Camila. Nicht, dass sie es mir verraten hätte, aber ich habe ihren Namen auf einer Kette entdeckt, die Cyrian ihr am ersten Tag hier gewaltsam vom Hals gerissen hat. Sie macht sich bislang gut. Besser als ich zuvor. Sie beklagt sich nicht, gibt sich hin, wenn sie es muss und isst schweigsam, was immer ihr vorgelegt wird. Ich kühle ihre Wunden und helfe ihr bei den alltäglichen Dingen des Lebens. Erst ließ sie sich kaum von mir anfassen, zuckte von mir weg. Aber ich glaube, mittlerweile hat sie etwas mehr Vertrauen in mich. Ich gebe ihr Ratschläge, wie sie diese Scheiße hier am besten übersteht. Ob sie uns überhaupt versteht?


    ⧫ 12. Searum 251 ⧫

    Zwei Tage musste ich in der Zelle des Schiffes überstehen. Ohne Essen, wenig Wasser, kaum Licht, modriger Gestank. Camila hat einen Streit mit mir begonnen. Ich vermute, sie dachte, ich hätte ihre Kette gestohlen und ging auf mich los. Mit Sicherheit kann ich nun sagen, dass sie mich all die Zeit hindurch nicht verstanden hat. Es war die Sprache meines Vaters, die ununterbrochen auf mich einprasselte, während ich ihre Hände auf mich zukommen sah. Erst meine Faust beendete das einseitige Geplänkel und sie knallte mit dem Kopf gegen einen Pfosten unserer Kajüte. Seiner Kajüte. Unglücklicherweise hat er nur das gesehen und mich abführen lassen. Es grämte mich nicht. Für mich waren es zwei Tage in Freiheit. Ich habe die Zeit sehr genossen und überlege weiterhin so zu verfahren.


    ⧫ 19. Searum 251 ⧫

    Die Nächte sind zerfetzt von Schreien und Schluchzen, Jammern und Klagelauten, den Geräuschen von reißendem Fleisch und brechenden Knochen, durch Gewalt oder aus freiem Willen. Allgemein kann man sagen, dass die Gewaltbereitschaft die letzten Tage enorm zugelegt hat. Die Zusammenstellung der neuen Crew ist toxisch. Nachts werde ich von Schussgefechten geweckt, weiß nicht, ob ich träume. Erst am kommenden Morgen zeigt sich die bittere, blutige Realität.
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 06 Mai 2022 14:16    Titel:
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    ⧫ 11. Goldblatt 251 ⧫

    Jeder Hautkontakt brennt sich durch mehrere meiner Stoffschichten hindurch. Meine Knochen flehen um etwas, das ich nicht zulassen will. Seine Arme sind stärker als alle Knochen in meinem Körper. Er zieht mich an sich und ich zersplittere ein jedes Mal. Etliche Gefühlssplitter bohren sich in mein Herz und hinterlassen Narben auf meiner Seele. Ich versuche, gefasst zu wirken, standhaft. Ich bin auf das Schlimmste gefasst, aber die Realität ist beinahe übler. Er hat meine Welt mit Waffen angefüllt, die auf meine Stirn gerichtet sind und hat gelächelt, als er meine Jugend zerstörte. Meine Kindheitstage sind mit Betreten dieses Schiffes mit dem Wind hinfort geweht worden. Ich habe aufgehört, an das Gute in Menschen zu glauben. Diese Welt ist scheußlich.


    ⧫ 26. Goldblatt 251 ⧫

    Zunehmend ist der Himmel zu dieser Jahreszeit bewölkt, der Kältemantel schmiegt sich um die Oberfläche und beweht die Meere mit seiner kalten Brise. Hier, am Rande von Alrynes in noch großer Entfernung verweilen wir bereits seit drei Tagen, um zu beobachten. Die eingeholten Segel verraten keine Identität. Er zwingt mich in meiner knappen Garderobe Ausschau nach Handelsschiffen zu machen und zu überprüfen, ob die uns vorgelegten Handelsrouten der Alumener der Wahrheit entsprechen. Ich friere. Mir ist kalt. Ich kann mich nicht an die Wärme einer Umarmung erinnern. Dieses innige, wohlige Gefühl, das sich in der Brust ausbreitet und die Welt außerhalb vergessen lässt. Kalte Regentropfen erinnern mich daran, dass Wolken einen Herzschlag haben. Dass ich einen habe.


    ⧫ 28. Goldblatt 251 ⧫

    Hoffnung fließt in dieser Welt aus Gewehrläufen. Wie ausweglos muss das Leben eines Menschen sein, dass er sich dafür entscheidet, anderen für ein wenig Wohlstand das Leben zu nehmen? Wer gibt ihnen das Recht, Familien zu entzweien? Kinder zu Waisen zu machen? Sie sind Barbaren, kaltblütige Mörder, ungesittet und mitleidlos. Die Alryner sind bei der Kaperei gestern allesamt auf bestialische Art ums Leben gekommen. Sie gingen mit ihrem Schiff unter, nachdem wir jeglichen Besitz an Bord an uns genommen haben. Auch ich musste meinen Teil dort leisten und durch die Leichen spazieren, die wie verwehte Blätter an Herbsttagen verstreut umherlagen. Ich musste die Logbücher an mich nehmen, mich vor die breitschultrigen Männer stellen und vor ihnen behaupten. Er weiß wie sehr ich es hasse und sie mich einschüchtern, aber er ergötzt sich daran.


    ⧫ 06. Rabenmond 251 ⧫

    Shevanor. Mit vollen Taschen verließen sie das Schiff und machten sich auf direkten Weg in die Tavernen des Hafens. Angelique kam auf mich zu und drückte mir mit einem vielsagendem Blick, in einer ruhigen Minute von Ungestörtheit ein paar Dublonen zu. Es war das erste Mal, dass sie mich bewusst ansah und ihr Blick spiegelte so viel wider. Ich erkannte zum ersten Mal Gefühle in ihren hellbraunen Augen, so etwas wie Mitleid. Wollte ich das noch? Sieben Monde auf See und erst jetzt widmete sie sich mir? Sie beugte sich zu mir und flüsterte leise, dass Camila endgültig vom Schiff geht. Mein Hals wurde trocken, es glich einer Wüste an heißen Sommertagen. Ihre Worte schnürten mir die Kehle zusammen und ich rang nach Luft, während ich meinen Herzschlag hören konnte, so laut und intensiv wie es in meiner Brust schlug. Wie hatte Camila das geschafft? Wieso durfte sie gehen, wieso muss ich bleiben? Ich erfuhr, dass sie und Cyrian für einen Tagesausflug verschwinden würden, so lange hätte ich Zeit. Zeit für mich.



Zuletzt bearbeitet von Monique Diaz am 06 Mai 2022 14:55, insgesamt einmal bearbeitet
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 08 Mai 2022 16:25    Titel:
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    ⧫ 09. Rabenmond 251 ⧫

    Unser Aufenthalt hier in Firess geht schon länger als geplant. Ich beginne mich zu langweilen und streifte mit meinem starren Begleiter durch die Straßen. Inzwischen blende ich ihn aus. Wann immer ich für mich einkaufen gehen möchte, rattert er mir eine Liste mit Dingen runter, die ich nicht erstehen darf. Keine Messer, keine Waffen und NICHTS was ich als solche benutzen könnte. Heute Abend war ich bei einer Wahrsagerin und habe mir dank der Monotonie meiner Abende ein wenig Abwechslung gegönnt. Eigentlich verrückt, warum sie so in Verruf geraten sind. Ich bin immer noch der Meinung, Menschen bilden sich zu viel auf deren Aussagen ein und suchen geradezu nach einem wunden Punkt. Wer sucht, der findet meist. Sie legte mir die Karten, die ich so oder so hätte auffassen können. Meine restlichen Münzen vergeudete ich damit, dass sie mir diese ‘Kunst’ näher brachte. Ich bekam ein Buch mit. Ich hoffe, wir kommen wieder.


    ⧫ 28. Rabenmond 251 ⧫

    Ich genieße die kurzen Zeiten an Land, die wir immer mal für eine Rast nutzen und muss schmunzeln, wenn ich daran denke, wie versessen ich immerfort darauf war, wieder festen Boden unter meinen Füßen zu spüren. So sehr ich das wollte, umso mehr möchte ich wieder auf das Schiff zurück. Nicht wegen der Crew. Nicht seinetwegen. Ich liebe diese Art von Freiheit. Die meisten Menschen verstehen nichts davon, würden nie ein Wagnis eingehen. Sie verstehen nichts davon, die Welt auf der eigenen Haut zu spüren. Wie es ist, mit hoher Geschwindigkeit die Wellen zu durchbrechen, bis das Kribbeln im Inneren bis in die Fingerspitzen zu spüren ist. Es ist tatsächlich erstaunlich, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Das Wellenrauschen füllt jede Leere in mir aus. Ich schließe meine Augen und lausche. Tag ein. Tag aus.


    ⧫ 04. Alatner 251 ⧫

    Kerkeraufenthalte werden angenehmer. Ich habe aufgehört, sie mitzuzählen. Jean und ich lernen uns immer besser kennen. Hier ist der einzige Ort, an dem ich ungestört bin. An dem ich mich nicht fürchten muss. Kein körperliches Leid ertragen muss. Mein Aufpasser versorgt mich mit Grog und bringt mir bei, wie man Tabakstängel dreht. Der Geschmack dieser Dinger ist mir noch immer fremd. Während ich die Mannschaft am Deck umher brüllen höre, unterhalten wir uns friedlich und tauschen interessantes Wissen aus. Ich höre die Ketten der Kanonenkugeln klirren und den Knall, welcher sie explosionsartig aus dem Rohr fortschleudert. Es ist schon so alltäglich wie atmen, wie schlafen. Verdammt, schlaf ich hier gut. Trotz des schmalen Kissens, die hart Unterlage… Der verschlissene Decke, die kaum für meinen Körper reicht.


    ⧫ 16. Alatner 251 ⧫

    Er steckt mich nun ausschließlich in spärliche Monturen und lässt mich willentlich von der Crew begaffen, spielt mit der Provokation. Lässt mich während der eisigen Winterwinde auf dem Deck ausharren. Sie sollen sehen, was ihnen entgeht. Was er hat. Was sie nicht haben. ‘Ansporn’ schaffen, während er mich gleichzeitig in Gefahr bringt. Sie gieren nach einem warmen Körper, Zuwendung, ein paar ruhige Minuten in Zweisamkeit. Ich verspüre keine Zuneigung hier, zu niemandem. Nicht, dass ich mir schon zuvor Gedanken über so etwas gemacht hätte, aber nur die Vorstellung davon einen Mann in meine Nähe zu lassen, lässt mich erschaudern.
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 10 Mai 2022 10:36    Titel:
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    ⧫ 11. Hartung 252 ⧫

    Kreuz Ass. Die Deutung dieser Karte, die mir die Wahrsagerin auftischte, machte mich wütend. Ich könnte das Leben in vollen Zügen genießen, sagte sie. Es wird von spiritueller Befreiung sein. Sie sagt mir Glück und Erfolg voraus. Eine freudige Nachricht, sodass ich in Ruhe und Freude an meine Zukunft denken kann. In mir kochte Wut. Ich war so verletzt, so wütend, so entsetzt, so gedemütigt, so empört und so erschüttert, dass in mir ein Feuer tobte, ein Lauffeuer voller Enttäuschungen. Ich riss ihr in meiner Wut alle Gegenstände vom Tisch. Zum Höllenfürst mit dieser Dirne. Firess ist ein seltsamer Ort.


    ⧫ 13. Hartung 252 ⧫

    Mein räudiger Aufpasser machte sich heute mal nützlich. Wir besuchten diverse Tavernen und Etablissements. Ohne ihn wäre mir in manch einer der Zutritt verwehrt worden. Ich suchte nach Sängern, Geschichtenerzählern und traf auch auf Tänzerinnen. Tänzerinnen, anderer Art. Es entsinnt sich mir nicht, warum Frauen sich freiwillig für Männer ausziehen und ihnen die Brüste unter die Nase halten. Während ich die sabbernden Männer dabei betrachtete, wie sie nach ihren Körpern schmachteten und mit ihnen zusammen in Zimmern zurückzogen, empfand ich Unverständnis. Unverständnis und Abneigung. Marquise ließ es sich ebenfalls nicht nehmen, nach der ein oder anderen Ausschau zu halten. Ich versicherte ihm, ich würde warten und er verschwand mit der Blonden, die kaum Arsch hatte. Ich hatte großes Vergnügen, den leichten Mädchen beim Räkeln zuzusehen und verfolgte jeder ihrer Bewegungen. War es das, was Camila tat? Die Mädchen hier gaben mir keine Aufmerksamkeit. Es störte mich allerdings nicht. So konnte ich sie die Nacht über begaffen und ein paar Dinge verinnerlichen. Und wie schön sie waren.


    ⧫ 28. Hartung 252 ⧫

    Es erwies sich als keine gute Idee, die Tricks der Mädchen anzuwenden. Ich bin wieder wie betäubt. Machtlos. Schmelze im Inneren. Das Leben rinnt aus mir heraus, durch jede Pore meines Körpers. Ich fühle mich gebrochen, mühsam zusammengeklebt. Ich habe kaum die Kraft, ihm in seine Augen zu schauen. In jegliche Augen zu schauen. Ich bewirkte das Gegenteil. Eine Last, die zu schwer für meine Schultern ist. Jede meiner Bewegungen schmerzt, nahezu jeder Körperteil ist blau, lila, gelb. Ich verstecke mich hier in der Kajüte unter einer Decke, ziehe sie mir immer über die Schultern, bis ich umhüllt bin von dem Zittern, das meinen Körper erschüttert. Sie bedeckt mich. Sie blendet aus. Ich bewirkte das Gegenteil. Die einzigen Träume, in denen ich Ruhe finden konnte, sind verschwunden, und ich weiß nicht, wie ich sie wiederfinden kann. Ich träume nicht mehr. Er kommt jetzt öfter. Ich bewirkte das Gegenteil.


    ⧫ 03. Eisbruch ⧫

    Die letzten Tage nutzte ich, um zu ruhen, wann immer ich konnte. Angelique und Cyrian hielten sich während der kalten Tage zumeist hier im Warmen auf. Ich störe ihn mittlerweile kaum noch, er sieht mich nur dann, wenn er es möchte. Als wäre ich Beiwerk. Eine Statue, die hin und wieder zu Leben erwacht. Manchmal spricht er in meiner Anwesenheit über mich, als wäre ich nicht in unmittelbarer Nähe. Angeliques Blicke hingegen sind noch voller Misstrauen. Sie spricht leiser, wenn sie sich über dringliche Angelegenheiten austauschen. Vielleicht können mir die aufgeschnappten Wortfetzen irgendwann nützlich sein.


Zuletzt bearbeitet von Monique Diaz am 11 Mai 2022 14:09, insgesamt einmal bearbeitet
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Monique Diaz





 Beitrag Verfasst am: 18 Jun 2022 11:44    Titel:
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    ⧫ 21. Eisbruch 252 ⧫

    Meine Rippen schmerzen, ich bekomme kaum noch Hunger. Ich glaube, dass sie geprellt sind. Cyrian lässt mich das stramme Korsett ungeachtet meines Unwohlseins tragen. “Enger… fester…bis die Luft wegbleibt”. Das tut sie. Manchmal glaube ich beinahe umzukippen, wenn mir schwarz vor Augen wird. Ich stehe und laufe viel, sobald ich mich setze, fühle ich mich erdrückt. Zerquetscht. Beengt. Doch ich merke, wie meine Rückenschmerzen besser werden. Ein kleiner Trost.


    ⧫ 12. Lenzing 252⧫

    Ich kann die Bilder der letzten Tage nicht aus meinen Gedanken streichen. Ich kann sie nicht verjagen, nicht ausradieren. Sie sind wie festgewachsen und verfolgen mich bis in meine Träume. Phillipe, den ich als einen der Wenigen mochte, mit dem ich mich einigermaßen gut verstand - tot. Er oder ich. Leben oder Sterben. Es traf ihn. Ich traf ihn. Er ist tot. Ich lebe. Ich möchte nie wieder in der Zelle sein, in der er uns für den bitteren Kampf hineinwerfen ließ. Ein Raum, der mich einst vor seinen widerwärtigen Berührungen wahrte, mich ruhen ließ. Wo ich ungestört für mich sein konnte, zweifeln konnte, laut sein konnte, weinen konnte, mich wissentlich treiben ließ um hier herzu gelangen. Phillipe wollte mir helfen, hat als einziger gesehen wie es mir ging. Er zahlte den Preis. Meinetwegen. Er wurde erwischt. War ich zu unvorsichtig? War ich zu egoistisch? Wollte ich zu viel? Ich sehe noch immer das Blut… Sein Blut auf meinen Händen kleben. Ich habe sie nun schon unzählige Male gewaschen, aber der metallische Geruch haftet an ihnen wie das Salz an der See. Manchmal werde ich panisch, kehre in mein Inneres und wage es kaum auszubrechen. Ich möchte schlafen. Nie wieder aufwachen. Einfach nur tief einschlafen. Nie wieder aufwachen… Das Gewicht dieser Tage bricht auf mich nieder und ich fühle mich zerschmettert.


    ⧫ 09. Wechselwind 252⧫

    Mein Kalender verriet mir, es ist schon fast ein Jahr indessen vergangen. Und während wir hier nun um Buidheann segeln, mache ich mir viele Gedanken über meine Eltern. Meinen Bruder. Ich werde melancholisch. Vermissen sie mich? Suchen sie noch immer? Haben sie es je getan? Lebt Julien noch? Fragen, die meinen Kopf rund um die Uhr beschäftigen, mich unkonzentriert sein lassen. Cyrian flucht, beschimpft unsere Späher und droht ihnen gewohntes an. Man gewährt uns in unmittelbarer Umgebung keinen sicheren Hafen. Wir treiben auf dem Wasser, solange die Sachlage unklar ist, die Männer teilen sich ihre Kräfte und Reserven gut ein. Die Gewaltbereitschaft hat bereits zugenommen. Solange sie sich wie Wilde die Köpfe einschlagen, verschanze ich mich in der Kajüte und beobachte die Inseln aus den Fenstern, die sich mir präsentieren. Planlos, verzweifelt steuern wir neue Häfen an, aber bleiben nur in Entfernung auf Anker. Ich erkenne die Kliffküste von Cote de Sel. Doch mich zieht es dort nicht länger hin. Ein seltsames Gefühl. Bis eben noch wollte ich nichts anderes, als zurück. Und nun, möchte ich nichts lieber, als einfach wieder weit weg zu sein. Cyrian plant etwas, er muss zu Land. Genau hier. Ich weiß nicht, wann ich ihn das letzte Mal so zornig gesehen habe. Die Crew macht sich auf etwas Großes bereit. Doch es scheint nicht einfach zu sein. Er hat bedenken. Er ist so in seinem Zorn gefangen, dass er mir heute kaum Beachtung schenkt. Auch noch spät Abends sitze ich und starre in die Ferne, bis der Himmel herabstürzt und die Sonne ins Meer fällt. Ich mag es, wie die Welt sich hier vor diesem Fenster sprenkelt. Rot. Gelb. Orange.
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