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Geschichten aus der zweiten Reihe
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Anaq'sun





 Beitrag Verfasst am: 19 Mai 2022 10:09    Titel: Geschichten aus der zweiten Reihe
Antworten mit Zitat

Manchmal wird man mit einem besonderen Talent geboren. Einem Weg, vorausgezeigt und zugewiesen, den man nur zu betreten braucht, sobald man stehen und laufen kann. Für manche ist es das Führen einer Waffe. Für andere ein Ohr für den Klang der Stimme Alatars. Wieder andere vermögen es, Holz und Metall mit einer Leichtigkeit Form zu geben, die beinah den Naturgesetzen zu widersprechen scheint. Und dann gab es jene, die zu kochen wussten. In menschlicher Gesellschaft hatte man mit dieser Gabe wenigstens die Möglichkeit, Tavernen zu eröffnen und überteuerte Torten an Adlige zu verkaufen. Bei den Letharen, wo Geschmack kaum Bedeutung hatte, blieb selbst die feinste Mahlzeit eher unbeachtet.
Es sei denn natürlich, man aß etwas, was Anaq'sun zubereitet hatte. Ihr Essen brachte es fertig, selbst beim dunklen Volk Geschmacksknospen zu finden. Und diese dann mit der stumpfen Keule puren Entsetzens zu Tode prügeln.

Ihr Essen war nicht bloß schlecht, es war eine Naturkatastrophe mit ausgeprägter, eigener Giftatmosphäre, die noch über den Rand des Tellers hinausging. Wenn Anaq kochte, vermochte sie es, mit schlafwandlerischer Sicherheit die schlimmst anzunehmenden Texturen und Geschmackskombinationen hervorzubringen. Ihr Fleisch war innen verbrannt und außen roh. Ihre Maden tendierten dazu, plötzlich im Mund des unglücklichen Essers zum Leben zu erwachen. Ihre Spinnenbeine schmeckten ranzig, obgleich die gemeine Höhlenspinne - und da bestand allgemeiner Konsens unter sämtlichen Spinnenconoisseuren - überhaupt kein Fett besaß. Ihr Käse trug die Süße von etwas von sich, was unlängst verstorben war und nun irgendwo im Käsestück verfaulte, ihr Brot verwandelte sich im Mund in Zement, der tagelang an den Zähnen kleben blieb, ihr Hackbraten sah aus, als würde es den Esser beißen wollen (und bei mindestens einer Gelegenheit hatte es das auch getan).

Anaq'sun war, kurz umschrieben, die geborene Nemesis eines Sternenkochs, hätte es so etwas in den Letharennestern gegeben. Zum Glück gab es hier aber keine Sternenköche. Und so hatte ihre Karriere am Herd irgendwann lediglich damit geendet, dass man sie der Küche verwiesen und auf die Alchemie angesetzt hatte - dort wurden giftige Erzeugnisse ihrer Hände wenigstens erwartet und konnten, im besten Falle, sogar einem sinnvollen Zweck zugeführt werden.

Das hatte sich in der Tat nicht als die schlechteste Entscheidung erwiesen. Sobald es nicht um den Geschmack ging - oder die Frage, ob das Ergebnis von Anaq's Wirken jemanden versehentlich umbringen konnte - fand sich in ihrem Tun rasch eine nützliche Effizienz ein. Nein, eine geborene Alchemistin war sie nicht. Aber sie war auch nicht schlecht, durchaus in der Lage, gezielt zu arbeiten und sich zu verbessern, und vor allen Dingen mit dem Willen und der Geduld gesegnet, stundenlang etwas zusammenzumischen, was am Ende unter langsamem Rühren in den Abfluss gegossen werden musste. Das natürliche Nebenfeld der alchemischen Wirkens, die Anwendung des Hergestellten am lebenden Objekt, hatte sich mit der Zeit beinah unmerklich mit hineingeschlichen. Und auch da erwies sich Anaq's Tun als zumindest solide: Patienten, die sie mitversorgte, tendierten dazu in vernünftiger Anzahl zu überleben.

So war es kein Wunder, dass der ehemaligen Köchin zwar kein Talent, aber ein gangbarer Weg in die noch fernen Reihen der Lethrusar bestimmt wurde. Die Tragik der Existenz der jungen Lethra, und gleichsam ihr kleines, dreckiges Geheimnis bestand allerdings darin, dass sie die Kocherei mochte. Nein, nicht nur mochte. Irgendwo, tief verborgen, kam dieses Gefühl gar einer echten Leidenschaft gleich. Eine Pfanne in der Hand ließ sie die Welt um sich vergessen und beinah - aber nie richtig - so etwas wie den Schatten von Glück empfinden, auch wenn dieser schnellstens vertrieben wurde. Und so gehorsam sie den eigenen Exodus aus der Küche akzeptiert und sich neuen Aufgaben zugewandt hatte, so sehr musste sie sich doch zusammenreißen, nicht Ungehöriges wie Sehnsucht zu empfinden, kaum dass sie einen Herd aus der Nähe sah.

Manchmal, wenn niemand, nicht einmal sie selbst allzu genau hinsah, stellte sie sich beim Herstellen von Essenzen und Ansetzen von Schimmelkulturen vor, sie würde gerade kochen. An solchen Tagen kam aus ihren Kolben mit einer den Naturgesetzen widersprechenden Sicherheit ausschließlich Gift heraus.
Gift, das irgendwie ranzig roch.


Zuletzt bearbeitet von Anaq'sun am 19 Mai 2022 10:17, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Anaq'sun





 Beitrag Verfasst am: 26 Mai 2022 12:59    Titel:
Antworten mit Zitat

Er hatte sich natürlich stechen lassen. Anaq versuchte das widerliche Quietschen und Klacken der Riesenspinne zu ignorieren. Das Ding hatte die Größe eines ausgewachsenen Hundes und lag nun mehr, in einem stabilen Netz verheddert auf dem Rücken, versuchte aber dennoch, mit seinem Stachel einen der beiden Letharen zu erreichen. Die Lethra unterdrückte das Bedürfnis, ein, zwei Flaschen mit Brandsatz auf das Vieh zu werfen und kramte stattdessen einen glatt polierten, stumpfen Bolzen, zwei Verbandsstreifen, und ein Fläschchen und ein Döschen aus ihrer Tasche hervor.

Shar'trax saß auf einem Stein vor ihr und sah erhaben in die Ferne - allein der blutende Stich in seinem Unterarm störte das Bild etwas. Natürlich der Unterarm, dessen Hand am Vortag so sinnlos verletzt worden war. Natürlich. Als gäbe es nicht weitaus effizientere Methoden... Sie fing den eigenen inneren Monolog ab und schluckte ihn herunter. Klappe halten. Tun, was befohlen wird. Die Letharfen wissen es besser. Die Runenträger ohnehin. Irgendein Stimmchen in ihrem Hinterkopf versuchte gewisse Zweifel ob dieser Wahrheiten anzumelden, aber am Ende blieb es viel zu leise.

Anaq zog ein Schwämmchen aus getrocknetem Höhlenmoos hervor und drückte es auf die Wunde. Das erhabene Gesicht des Letharfen zuckte kurz. Höhlenmoos hatte viele gute Qualitäten. Erstens wurden saugfähige Schwämme daraus. Zweitens entzündeten sich Wunden bei dieser Behandlung deutlich seltener als ohne. Drittens roch es wie alte Ziegenscheiße und schreckte daher alle ab, die nicht wussten, wozu es gut war. Höhlenmoos war eine prima Sache.
Sie band das Schwämmchen mit einem Verbandsstück fest, und fertigte mit dem Bolzen und dem verbliebenen Stoffstück einen Druckverband oberhalb der Wunde an, um dann schließlich zur eigentlichen Behandlung zu schreiten: Dem Verabreichen des Antidots.

Sie öffnete das Fläschchen und in den bis dato demonstrativ ungerührten Blick des Letharfs traten unwillkürlich Tränen. Anaq selbst versuchte nicht zu tief einzuatmen, geriet aber dennoch ins Husten. Sogar das hohe Quietschen der Spinne klang plötzlich irgendwie empört auf.

"Was in Vaters Namen ist da drin??"

"Gegengift."

"Bist du dir SICHER?"

"Ja."


Anaq blies die Wangen auf. Sie wusste sogar auf den Skrupel genau, was darin war. Ihre alte Lehrerin hatte ihr jedes Mal eine Ohrfeige verpasst, wenn sie die Zutaten nicht selbst im Halbschlaf auswendig aufsagen konnte. Es war ein Gegengift das Kor'masha selbst erfunden hatte (zumindest behauptete sie es), und auf das sie gehörig stolz war.

Die Basis war natürlich das Übliche: Ginseng und geriebener Knoblauch, viel davon, in dünnem Wein und Essig eingelegt. Dann jedoch kamen die eigentlichen Zutaten dazu, Zutaten, die aus dem handelsüblichen Mittel gegen verdorbenen Magen (und manchmal auch allzu starken Kater) das Antidot machte. Kor'masha nannte es zumindest so. DAS Antidot. Anaq zog das nie in Zweifel.

Um ein Fläschchen Antidot herzustellen brauchte man:

    4 Skrupel Gerberstrauch
    2 Skrupel Tragant
    3 Skrupel Pfeffer
    1/2 Skrupel geriebene Schlangenschuppe
    2,5 Skrupel Bilsenkraut und Steckenkrautsaft
    1 Skrupel Liebstöckel
    1 Blättlein Nachtschatten
    1 Teelöffel Wolfsmilch
    1 Skrupel Kostwurz
    1,5 Skrupel Schwefel
    und ein bisschen Salz


Die Zutaten wurden mehrfach, gründlich zusammen mit der Basismischung in einem Mörser zerrieben, in einer Flasche bis zum Rand mit mehr Wein aufgefüllt, verschlossen, und mindestens 20 Tage in Wärme zum digerieren stehen gelassen. Auf den Verschluss der Flasche war dabei eine tote Ratte zu legen und regelmäßig auszutauschen - dieser Schritt war, soweit man Kor'masha glauben wollte, fast der Wichtigste.

Sie reichte den Trank dem Sitzenden.

"2 große Schlucke brauchst du. Das wird reichen."

Der Letharf hielt den Atem an, schenkte ihr einen letzten, skeptischen Blick, und trank. Anaq musterte die Veränderungen in seinem Gesicht dabei und beschloss spontan, ihm das mit der Ratte lieber nicht zu erzählen.



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Zitat:
"Versuchstag 1

Heute trete ich an, die Aufgabe des Alathraxors zu erfüllen und Versuche mit den gefangenen Objekten im Kerker durchzuführen. Zu Beginn empfahl er eine schwarze Perle, und jene habe ich verabreicht.


Objekt 1 (Ork) hat hernach lange gespuckt und sich erbrochen.
Objekt 2 (Goblin) lief zeternd im Kreis bis er gegen die Wand prallte und sich den Kopf anschlug.


Des Abends meldeten beide Objekte, wenn auch etwas neben sich wirkend, Hunger an. Als ich ihnen einen selbstgebackenen Madenauflauf zur Belohnung brachte, verweigerten sie die Nahrung jedoch.

Offenkundige Wirkung der schwarzen Perle folglich:
- Übelkeit
- Verwirrung
- Appetitlosigkeit"


Aus dem Arbeitstagebuch Anaq'suns


Zuletzt bearbeitet von Anaq'sun am 26 Mai 2022 13:04, insgesamt 3-mal bearbeitet
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