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Ein Rückschlag kann sich als Segen entpuppen
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Ceylin'Tyrs





 Beitrag Verfasst am: 27 Jul 2021 23:56    Titel: Ein Rückschlag kann sich als Segen entpuppen
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    塞翁失马,焉知非福。


    Blessings come in disguise



    Unruhig drehte sich die Lethra von einer Seite auf die andere. Immer wieder; doch wie sie sich auch wenden mochte, in diesem Zustand tiefer, bleierner Müdigkeit, der all ihren Gliedmaßen zu erfassen schien - ihr Körper vermochte, hier an der Oberfläche, nicht zur Ruhe zu kommen. In einem Zustand, da ihr die Gedanken zu entgleiten schienen, dem ersehnten Schlaf so nah - nur um doch wieder beim kleinsten Geräusch das Adrenalin durch ihre Venen zu pumpen. Sie hatte längst ihr Zeitgefühl verloren und konnte unmöglich sagen, ob sie erst seit wenigen Minuten oder bereits über Stunden erfolglos versuchte einzuschlafen.
    Zunächst war es das Sonnenlicht. Dieser gleißende Feuerball am Himmel, der zu diese Jahreszeit nur widerstrebend der Nacht zu weichen schien, hatte ihr in den ersten Tagen in der Zitadelle den Schlaf geraubt. Schon der Gedanke daran, in den frühesten Morgenstunden von gleißendem Licht und einer Kaskade an Vogellauten aus dem Schlaf gerissen zu werden, kam für sie einer Folter gleich. Doch diesem Umstand hatte sie Abhilfe schaffen können, indem sie schon bald ein neues Quartier, im hintersten Winkel der Kellergewölbe bezog. Doch nun sah sie sich einem weiteren Hindernis gegenüber, das zwischen ihr und einer handvoll Stunden Schlaf stand: Die Zitadelle platzte aus allen Nähten. Überall tummelten sich ihre Geschwister und es schienen von Tag zu Tag mehr zu werden. Obwohl schon lange keine Überlebenden mehr aus dem Axorn geborgen wurden, entdeckte sie täglich neue Gesichter. Und sie alle schienen permanent einer immanent wichtigen Aufgabe nachzugehen, die unmöglich geräuschlos zu absolvieren war.
    Doch anstatt mit ihrem Schicksal zu hadern, war es stattdessen eine tief sitzende Unzufriedenheit mit sich selbst, die das bleierne Gefühl in ihren Gliedern noch zu verstärken schien. Unzufrieden darüber, dass sie an diesem Ort Schwächen offenbarte, der sie sich in der Abgeschiedenheit ihrer Höhle im Axorn nie bewusst geworden war. Vor allem aber war es ihr eigenes Unvermögen zu begreifen, weshalb sie der Vater nach so langer Zeit wieder in den Axorn entsandt hatte, das langsam Selbstzweifel in ihr aufkeimen ließ.
    Zunächst erschien alles zweifelsohne Sinn zu ergeben. In einer Zeit größter Not, in der alles Leben vom Nichts bedroht wurde, in der ihr eigenes Volk führungslos und orientierungslos dahinzutaumeln schien, hätte sie ihre Geschwister erneut führen können. Doch Vater ließ sie schnell erkennen, dass er dieses Mal andere Pläne für sie hatte. Und so schloss sie sich den vereinten Streitern der drei Götter an, um mit ihnen gegen das Nichts zu kämpfen. Doch auch hier offenbarte sich ihr, dass Vater sie nicht mehr in seinem Namen, an vorderster Front, kämpfen sehen wollte. Ihre Gebete nach Flammensäulen, Kettenblitzen oder Feuerpfeilen blieben allesamt unerhört. War all dies Teil einer weiteren Prüfung an sie - oder aber gar nicht der Kampf, den sie zu führen hatte. Zwar konnte das Bündnis der Drei die entscheidende Schlacht für sich entscheiden - und auch sie trug zweifelsohne einen Teil dazu bei - doch war ihre Rolle von geringer Signifikanz. Den Sieg hätte man auch ohne sie errungen - ihr Fehlen nur Wenigen aufgefallen. Doch worin sah Vater ihren Wert, dass er sie abermals in diesen Axorn entsandte, den sie vor so vielen Jahren in dem Gewissen verließ, hier ihre Aufgabe erfüllt zu haben. Und weshalb blieben viele ihrer Gebete weiterhin unbeantwortet.
    Schon oft hatte sie sich darüber den Kopf zerbrochen und war dennoch immer zu derselben, für sie einzig logischen, Antwort gelangt: Es war bisher nicht notwendig, auf ihre Gebete zu antworten. Die Zeit dafür war noch nicht gekommen.

    Ein Weiteres Mal drehte sie sich herum. Nunmehr mit dem Gesicht zur Wand, die Nasenspitze nur einen fingerbreit vom kalten, feuchten Gemäuer des Kellergewölbes entfernt. Doch auch dieser Versuch dem ausgelaugten Körper die ersehnte Erholung zu gönnen wurde jäh zunichte gemacht, als jemand ein Tränkefass vor ihrer Tür hin und her zu rollen begann. Schon saß sie ein weiteres Mal aufrecht im Bett. Ihr Herz pumpte im Stakkato gegen ihre Rippen, der Kopf war wie wund, jeder Gedanke schmerzte. Auch diese Nacht - oder war es bereits Morgen - würde sie unausgeruht zu Ende bringen. Wankenden Schrittes erhob sie sich von der Pritsche. Die feuchte Kälte des Gewölbes ließ sie schaudern - oder war es nur der Mangel an Schlaf? Ein Rundgang über die Zinnen würde ihr hoffentlich dabei helfen, einen klaren Kopf zu bekommen und die Aufgaben des Tages mit neuer Frische anzugehen.
    Ein Wunschdenken, so stellte sie schon bald fest, als ihre schlurfenden Schritte die Treppen hinauf immer schwerer wurden. Tatsächlich hatte sie den Sonnenaufgang bereits verpasst, im Hof der Zitadelle herrschte reges treiben. So zusammengepfercht, wie auf dem Präsentierteller, konnte es sich kein Lethar erlauben beschäftigungslos zu erscheinen. Sicher waren auch Geschwister dabei, die lediglich Gegenstände hin und her schleppten, um einen möglichst engagierten Eindruck auf die hohen Geschwister zu machen. Doch Ceylin war nicht in der Stimmung sich einen von ihnen herauszusuchen, um vor den Augen aller ein Exempel zu statuieren. Stattdessen beschlich sie ein sonderbares Gefühl bei diesem Anblick. Es dauerte einen Augenblick ehe sie sich sicher war, dass dies keine Folge des Schlafentzuges war.
    Nein, dieser Anblick kam ihr mit einem Mal vertraut vor. Das Gefühl, tief in ihrem Innern, der Heimat beraubt worden zu sein. Diese Mischung aus Zorn und Ohnmacht, weil sich Ereignisse um sie herum außerhalb ihrer Kontrolle befanden. Sie konnte mit verschlungenen, steinigen Pfaden umgehen. Doch wenn sich diese hinter einer Nebelwand befanden und sich ihrem Auge verwehrten, kroch jenes Gefühl in ihr hoch, das sie an ihre ersten Tage im Dienste des Tempels denken ließ.
    So vertraut und doch so weit entfernt. Ihr wurde langsam bewusst, dass es sich nicht um ein Déjà-vu handelte und sie diesen Anblick tatsächlich bereits zu ihren Erinnerungen zählen durfte.
    Damals war der Verlust der Heimat umso schändlicher gewesen. Sie alle empfanden zunächst Schmach und Niederlage. Viele sahen darin eine Bestrafung durch den Vater. Doch was der Verlust des ersten Axorns wirklich für sie bedeutete, wurde ihnen erst nach und nach bewusst. Ein Neuanfang. Ein Schritt vorwärts, entlang des Weges, den der Allmächtige für sie vorgesehen hatte.
    Der neue Axorn bot ihnen nicht bloß für die vertriebenen Geschwister Platz. Mehr und mehr Letharen, aus den verschiedensten Axorns, fanden ihren Weg dorthin und nannten es fortan ihr Zuhause. Vom Turm der Lethyren, über die Arena der Lethrixoren bis zum Tempel des Allmächtigen. Der neue Axorn gab jedem Letharen die Gelegenheit, seine Talente zu erforschen und an ihrer Perfektion zu feilen. Viele Jahre hatte der erste Axorn ihnen als Unterschlupf gedient und man hatte sich dort bestmöglich mit den begrenzten Möglichkeiten arrangiert. Doch um das Potential eines Volkes auf ein neues Niveau zu heben, war ein Schritt entlang des vorbestimmten Weges nicht ausreichend. Dafür bedurfte es eines großen Sprungs vorwärts, den nur der Allmächtige selbst hatte initiieren können - da war sich Ceylin sicher.

    Als Vater sie zurück in den Axorn schickte, war von alldem nicht mehr viel übrig. Einer Zeit der Stagnation hatte der Verlust von Macht und Einfluß im Reich gefolgt, der Axorn lag brach - kraft- und führungslos. Nicht nur das Potential des Axorns, auch das vieler Geschwister schien erschöpft oder auf Wege geleitet, die sie nicht verstand.
    Sie war noch jung, als der erste Axorn fiel und hatte nicht die Erfahrungen und Einsichten in die Entwicklung des Volkes, um das Geschehene damals in Gänze zu erfassen. Heute war dies anders. War es möglich, dass seinerzeit ebenfalls die Entwicklung stagnierte und es eines Neuanfangs bedurfte, um einen weiteren Schritt nach vorne zu gehen? Mussten sie erst Verlust erfahren, um bereit dafür zu sein, etwas Neues dazu zu gewinnen? War der Verlust gar ein versteckter Segen?

    Wie lange sie schon regungslos an derselben Stelle stand, die Hände um die steinerne Brüstung gekrallt, während sich ihr Blick irgendwo in der Weite des Hofes verlor, konnte sie unmöglich sagen. Doch das Gefühl, welches sich langsam in ihr breit machte, wusste sie sehr wohl zu beschreiben: Grenzenlose Zuversicht und Einsicht darum, dass sie sich auf dem rechten Weg befanden.

    Geschichte würde sich wiederholen.
    Sie würden eine neue Heimat finden, weil es Vaters Wille war.
    Abermals würde das Volk der Letharen erneuert und gestärkt aus einer empfundenen Niederlage hervorgehen. Sie alle würden gemeinsam einen Sprung vorwärts machen, entlang des Weges, den der Vater für sie vorgesehen hatte.

    Ebenso wurde ihr klar, dass es kein Zufall war, der sie heute an diesen Ort geführt hatte. Zum zweiten Mal führte ihr Weg sie in einen Axorn, der dem Untergang geweiht war, um sie mit den Herausforderungen, eine neue Heimat zu finden zu konfrontieren. Ein weiteres Mal musste sie dafür sorgen, dass die innere Sicherheit gewahrt wurde und das auserwählte Volk gestärkt und geeint das volle Potential ihrer neuen Heimat ausnutzen konnte.

    Wie hatte sie nur so blind sein können! Natürlich wurden ihre Gebete erhört. Doch ihre Beantwortung war bisher nicht notwendig gewesen. Denn ihre Zeit war weder vorüber, nach war sie bereits gekommen. Sie stand erst kurz vor ihrem Neuanfang.


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