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Yolines Liederbuch
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Yoline Uhlenhag





 Beitrag Verfasst am: 08 Jun 2021 23:12    Titel: Yolines Liederbuch
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Es war bereits sehr still geworden im Rathaus von Düstersee, als Yoline sich an den kleinen Tisch setzte und eine Kerze anzündete. Ein Blick nach links, einer nach rechts: Ihr kleines Heim! Ja es war nur ein einzelnes Zimmer, aber für den Anfang schon mal nicht schlecht. Nun in der Nacht hatte sie auch mal Zeit sich um andere Dinge zu kümmern. Zum Beispiel um das leere Blatt Pergament, das vor ihr lag. Schon eine Weile lang lag es da und starrte mit seinem weißen Abgrund zu ihr hoch. Vor ein paar Tagen hatten sie es noch munter hervorgezogen und dann begonnen es anzustarren. Bisher hatten weder Yoline, noch das Pergament gezuckt. So blieb es also erstmal leer und mahnend.

Ein paar Tage war es nun her, dass sie dem exzentrischen Rumbrenner begegnet war. Amthu hieß er und führte einen Hof im Ort Düstersee. Alles an dem Nachmittag war ausgefallen und ereignisreich gewesen und Yoline schwirrte immer noch der Kopf davon. Wo sollte sie nur anfangen? Die bunten, grantigen Vögel in ihrem Käfig hatten sie begeistert! Aber dann wurden die auch gebraten und gegessen und waren auch noch richtig lecker. Das Lied der kleinen Smula von der Möwe hatte sie sich gemerkt und natürlich der lustige Dialekt von Amthu. Ob sie ihn wohl je ganz verstehen würde?

Aus all diesen Erlebnissen würde sich doch ein Lied machen lassen! Davon war sie überzeugt und auch gleich voller Eifer gewesen, aber jetzt fiel es ihr erstmal ganz schön schwer. Sie hatte nun schon einige Barden getroffen und die waren alle so geübt im Reimen und Verse zusammenfügen. Bisher hatte Yoline viele Lieder einfach nach- und mitgesungen und weniger selber gedichtet. Aber das würde sie schon noch hinbekommen.

Vielleicht war es sinnvoll sich erstmal Notizen zu machen und mit einem Titel anzufangen? Das ganze Geschreibsel war nötig aber eine echte Plage! Die Melodie zu ihrem Lied konnte sie die ganze Zeit durch ihren Kopf jagen, summen während sie irgendwo hin ging, nachschärfen während sie schlief und dann doch wieder über den Haufen werfen. Aber der Text musste ja wohl niedergeschrieben werden! Nach einer ganzen Weile war das leere Pergament schon zumindest mal ein wenig mehr vollgekritzelt. Viele der Dinge ergaben nur für sie einen Sinn, doch daraus würde sich schon etwas machen lassen.


    Singende Kugelrobbe
    Kugelige Seekuh
    Grantiger Rumbrenner
    Erschossene Möwe
    Bunte Papageien
    Gekochte Papageien (daneben finden sich Kritzeleien von einem traurigen, toten Papagei)
    Pirateninsel
    Rum
    Knusperkrabbe


Das letzte Wort war mehrmals durchgestrichen und dann doch wieder hingeschrieben worden. Knusperkrabbe! In ihrem Leben hatte man sie schon als vieles bezeichnet, manches charmanter, manches weniger charmant. Männer hatten ihre Haare gepriesen und von ihren Augen geschwärmt und dabei doch auf ihre Rundungen geschielt. Mal waren sie feiner gewesen und mal gröber in ihren Worten. Doch beim Herrn, ein Wort wie „Knusperkrabbe“ hatte noch kein Mann für sie gebraucht! War das überhaupt ein Kompliment, oder hatte er sich über sie lustig gemacht? Vermutlich so frech wie der Kerl war, irgendwas von beidem.

Noch eine ganze Weile starte Yoline auf ihre Notizen, bis sich Zeile um Zeile etwas formte. Fertig war es noch lange nicht, aber ein Anfang.


Das Herz des Rumbrenners

An fernem Ort ganz nah am Strand,
wo das Meer so herrlich rauscht,
ja da wird köstlich‘ Rum gebrannt,
und dem Lied der See gelauscht!

Oh Kugelrobbe, faulenzt frech auf deinem Stein,
du singst und lachst in hellem Sonnenschein!
Jahrelang leidgeprüft, durch der Weiber Schmerz,
Dir allein‘ erliegt des Rumbrenners eisig Herz!

Tag ein Tag aus da singen sie,
für den grantigen alten Rumbrenner,
voller Wonne lauscht er der Melodie,
Erliegt auch er ihr wie alle Männer!


Oh Kugelrobbe, faulenzt frech auf deinem Stein,
du singst und lachst in hellem Sonnenschein!
Jahrelang leidgeprüft, durch der Weiber Schmerz,
Dir allein‘ erliegt des Rumbrenners eisig Herz!

Laut und grob da schimpft der Kerl,
pfeift auf feines Wort und Etikette,
an seiner Seite nie ein Schneckerl,
Wenn er doch nur Manieren hätte!

Oh Kugelrobbe, faulenzt frech auf deinem Stein,
du singst und lachst in hellem Sonnenschein!
Jahrelang leidgeprüft, durch der Weiber Schmerz,
Dir allein‘ erliegt des Rumbrenners eisig Herz!

Bunt und farbenfroh der Papagei,
heiter fliegst du um uns herum,
hört man bald deinen letzten Schrei,
Selbst dir dreht er den Halse um!

Oh Kugelrobbe, faulenzt frech auf deinem Stein,
du singst und lachst in hellem Sonnenschein!
Jahrelang leidgeprüft, durch der Weiber Schmerz,
Dir allein‘ erliegt des Rumbrenners eisig Herz!


Kritisch wurde das ganze immer wieder durchgelesen und nachgeschärft. Noch ein paar Reime waren holprig und der Mittelweg zwischen Freundlichkeit und Schelmerei fiel ihr noch schwer. Wollte sie ihn nun mehr ärgern oder doch auch ein wenig schleimen? Am besten sie würde es ihm mal vorführen. Doch so einiges war auch unerzählt geblieben. So wurde noch ein weiteres Blatt herausgezogen und schon mal eine Überschrift darauf geschrieben. Verwegen und mutig sollte es klingen und doch auch neugierig machen. „Die Abenteuer der Knusperkrabbe“ stand da dann. Ja, das war ein guter Anfang für eine Geschichte!
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