Raia Lathaia
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Verfasst am: 06 Nov 2020 19:25 Titel: Wenn Schwingen die Schritte tragen – Endlich daheim |
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Der kühle Wind wehte um ihre Nase und die roten Strähnen flogen ihr durchs Gesicht. Sie stand – wie vor langer Zeit – wieder am Bug des Schiffes, welches sie vom Festland und ihrer langen Pilgerreise zurück brachte. Zurück..
Vor jener Zeit wusste sie nicht mal, was jenes Wort bedeutete. Doch jetzt und hier spürte sie, dass es sie so anzog, wie der Mond die Flut. In Raia wuchs eine innere Kraft empor, eine Euphorie, die sie kaum zu bändigen vermochte. Wäre sie alleine auf dem Schiff gewesen, hätte sie wohl laut gesungen, getanzt oder gelacht – wer vermag es zu sagen.
Doch in ihrer selbst auferlegten Ruhe und Besonnenheit stand sie einfach nur da. Die Hände fest um das feuchte Holz der Reling gelegt und die sehnsüchtigen Augen auf Alathair gerichtet. Es war lange her, dass sie von solchen Gefühlen ergriffen worden war. Und sie wusste genau, wann das gewesen war. Für einen Moment durchzog sie der Schmerz als sie die Bilder vor Augen hatte, da ihre Heimat Varuna in Flammen stand und Kryndlagor seine zerstörenden Schwingen über der Stadt ausbreitete. Jener Tag als Raia Varuna und die Insel verließ war das letzte Mal, dass sie sich heimisch fühlte.
Mit dem nächsten Windhauch verabschiedete sich der alte Schmerz so schnell wie er gekommen ward und nur kurz atmete Raia einmal durch.
Jetzt sah sie eben jener Heimat wieder entgegen und sie wusste, dass sie daheim war. Hier und nirgends sonst konnte ihr Zuhause sein. Das Lächeln auf ihren Lippen manifestierte sich.
Das Kloster der Lichteinigkeit war wahrlich zu ihrem Zuhause geworden und doch wäre der Ort an sich ersetzbar – bis auf den Baum des Lichts gewiss.
Es waren die Menschen, die dort lebten oder den Ort belebten, die jene Sehnsucht in ihr auslösten. Sie machten die Gemäuer zu ihrem Zuhause und dem schönsten Ort der Welt – Raias kleiner Welt.
Langsam tauchten sie vor ihr auf, die Gesichter jener wunderbaren Gefilde. Johanna, Antorius, Aurael, Berenguer, Beak... Andra, Darius, Cyrius und die anderen Wächter und Bewohner Schwingensteins. Raias rehbraunen Augen funkelten inniglich als sie an jene Menschen dachte und ihre Lippen verließ das intensive Lächeln nicht.
Endlich konnte sie sie sehen, die Ufer Bajards und langsam tat sich der Hafen vor ihr auf! Nun entglitt ihr doch ein kleiner Juchzer, so sehr stieg die Vorfreude in ihr auf! Endlich daheim!
Kaum waren die Planken hinabgelassen, sprang die zierliche Akoluthin freudstrahlend von Bord des Schiffes. In Bajard verteilte sie noch einige Gabe an Bedürftige, ehe sie, der Sehnsucht nicht mehr trotzen könnend, nach Schwingenstein aufbrach.
Dort angekommen... war niemand da... Temoras Prüfungen – gerade was Raias mangelnde Geduld anging – waren immer wieder äußerst anspruchsvoll...
Am frühen Abend, während Raia erst durch das Kloster und dann durch Schwingenstein geschlendert war, traf sie – nicht minder überrascht- Beak und die Freude über jenes Wiedersehen entfachte die Euphorie und den kindlichen Enthusiasmus aufs Neue.
Die Nachrichten des Kommandanten und schon ewigen Bekannten... Freund... waren nicht erbaulich, doch konnten sie Raias Tatendrang und den Wunsch zu helfen, wo eben möglich, nicht mindern.
Temora hatte sie nicht ohne Grund zu jener Zeit nach Hause geschickt.
Und doch.. in der Nacht träumte sie sehr intensiv von Varuna und sie war sicher, dass es die Projektion mit Berchgard war.. Temora möge allen beistehen, dass es anders enden würde. Und so stand Raia im Morgengrauen vor der Lichtherrin Antlitz und betete viele Stunden für Berchgard, für eine Lösung und insbesondere für die Menschen! |
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