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Irgendwo anders
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Niamh Laval





 Beitrag Verfasst am: 11 Mai 2020 18:12    Titel: Irgendwo anders
Antworten mit Zitat

Adieu
(Lenzing 262)


Wenn ich nicht gehe,
kann ich nicht zurückkommen.

(Walter Ludin)


Schon wieder. Worte, die in dem kleinen Kopf herumsprangen und deren Bedeutung sie doch erfassen konnte. Schon wieder saß sie auf dem Arm ihres Vaters, hatte die Arme um seinen Hals gelegt und beobachtete, wie das Schiff am Horizont immer kleiner wurde. Meistens mochte sie Schiffe, liebte es, sie zu beobachten, wenn sie denn mal Gelegenheit dazu hatte. Es war spannend, es war aufregend und es war etwas von ihrem Vater, was ihr so nahe war. Sie wusste einiges über Schiffe und Boote. Kannte ein paar Namen, wusste, wo links und rechts war, back und steuerbord, so hieß das auf Schiffen.
Meistens liebte sie sie. Nur heute nicht. Heute fand sie Schiffe richtig, richtig blöd.

"Tha gaol agam ort, Niamh." Die letzte Umarmung war schwer, wenn man nicht loslassen wollte und doch wusste, dass man musste. Und auch wenn die Umarmung direkt in den Schutz der Arme führte, die immer da sein würden, war es so schwer, die Tränen zurückzuhalten. Sicherlich sah man dem kleinen Gesicht alles an, den lavendelfarbenen Augen die Tränen, die darin schwammen, aber nicht herauskullern sollten, der kleinen Stirn die Falten, die dort nicht hingehörten, aber vor Anstrengung trotzdem da waren und dem kindlichen Mund das Beben, das die Gefühlswelt nur allzu deutlich spiegelte.
Es war Gewohnheit, dass ihre Mutter viel zu tun hatte, es war Gewohnheit, dass sich die Welt ihrer Mutter nicht nur um sie drehte. Das war meistens in Ordnung, denn sie kannte ja die Aufgaben und verstand so einigermaßen, warum es so war. Manchmal fand sie das alles ziemlich blöd, aber nörgeln und quängeln nützte nichts. Bittere Tränen auch nicht. Außerdem musste sie ja jetzt sowieso auf Papa aufpassen, bis Maman wieder da war. Wenn man aufpasste, durfte man nicht weinen. Und sowieso weinten Piraten nicht. Und Ahads auch nicht. Sie standen noch eine ganze Weile schweigend, als das Schiff am Horizont schon längst nicht mehr zu erkennen war. Erst kleine Ewigkeiten später drückten die kleinen Arme noch einmal fester zu, als sie genauso fest gehalten wurde. Hier war sie sicher. Hier konnte ihr nichts passieren und doch rüttelte etwas an ihrer kleinen Welt.


„Papa, j’aimerais bien jouer maintenant.“
Ihr Wunsch wurde auch recht schnell erhört, so wie eigentlich immer in den folgenden Tagen und sogar Wochen. Sie verbrachte die meiste Zeit damit, zu spielen und genoss die viele Zeit, die sie mit ihrem Vater verbringen konnte und in denen sie jegliche Dummheiten lernte, die ihnen beiden so einfielen. Da war zum Beispiel der Wettbewerb, wer Kerne am weitesten spucken konnte. Oder der Kampf darum, wer die Angel, die nicht einmal eine war, sondern ein krummer knorriger Stock mit einer daran geknoteten Schnur und einem selbst gebastelten Köder, am besten auswerfen konnte. Auf Mauern balancieren oder auf Bäume klettern gehörte auch dazu. Manchmal lagen sie nach den kleinen Schwertkämpfen einfach im hohen Gras, wo niemand sie sehen konnte, auch Deirdré nicht, und beobachteten die dicken Wolkenformationen, die der Wind voran trieb und immer wieder zu neuen Abbildern formte, und dachten sich dazu Geschichten von Piraten und Schiffen und von Rittern und Ahads aus.

Die übrige Zeit verbrachte sie mit ihrer Tante, Caoimhe, die so anders war, als ihre Mutter. Manchmal lauschte sie einfach ihren ruhigen Worten und saß an ihrer Seite über Büchern, um weiter lesen zu lernen. Sie hatte nicht so lustige Bücher wie Gabriella. In den meisten waren Zeichnungen von Blumen und Kräutern mit vielen schweren Wörtern. Aber sie mochte Caoimhe. Sie war lieb und geduldig und schaffte alles mit ihrer Ruhe, ohne zu schimpfen oder laut werden zu müssen.
Und wenn Caoimhe keine Zeit hatte, weil sie Heilerin und Ärztin war und ihren Patienten helfen musste und auch Jean nicht greifbar war, dann verbrachte sie einfach die Zeit mit Deirdré in der Küche. Sie war laut und oft ganz ganz streng zu Jean. Manchmal drohte sie ihm sogar mit dem großen Holzlöffel, mit dem sie eigentlich sonst die dicken Eintöpfe umrührte. Sie hob ihn dann an und wedelte mit ihm bedrohlich in der Luft. Ganz bestimmt bekam Jean den auch ab und zu ab. Niamh dagegen verfiel jedes Mal, wenn der Holzlöffel durch die Luft zischte in ein helles Kichern – er wurde ja aber auch nie wegen ihr geschwungen, sondern immer nur wegen Jean, selbst wenn Niamh an der vermeintlichen Übeltat beteiligt war. Deirdré war ihr, abgesehen von ihrem Vater, hier der liebste Mensch. Laut und nett und lustig.

Trotzdem fehlte etwas. Jemand.


Zuletzt bearbeitet von Niamh Laval am 11 Mai 2020 18:17, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Jean Laval





 Beitrag Verfasst am: 20 Mai 2020 12:44    Titel:
Antworten mit Zitat

Frühjahr 262 - Duthaich

I


Mit der Schulter an den Fensterrahmen gelehnt, stand Jean im oberen Stockwerk des beschaulichen Anwesens. Der Blick von hier aus gab freie Sicht in Richtung der Stadt, zumindest wenn kein Nebel die Wiesen und Felder bedeckte. In der Ferne konnte er den schmalen Fluss rauschen hören, der das Anwesen von den Außenbezirken der Stadt trennte. Ein Geräusch, das ihn für gewöhnlich immer beruhigt hatte. Aber Ruhe wollte sich in seinem Inneren nicht einstellen. Mit den Fingerspitzen zupfte er an seinem Kinnbart und starrte die Küste entlang in Richtung des Hafens der Stadt. In der Ferne meinte er, Segel erkennen zu können. Leise schnalzte er mit der Zunge und zog die Augenbrauen zusammen.

Es war erst einige Tage her, dass Muireall die Insel von diesem Hafen verlassen hatte. Aus dem Innenhof des Anwesens konnte er leise Stimmen vernehmen. Caoimhe, Muirealls Schwester kümmerte sich tagsüber so gut sie konnte um jeden, der bei ihr um Hilfe ersuchte. In den ersten Tagen hatte Jean sich vorgenommen, ihr dabei zur Hand zu gehen. Er musste jedoch schnell erkennen, dass es keine Aufgabe war, die ihn mit großer Freude erfüllte. Jegliche Leidenschaft für das Handwerk fehlte ihm. Auch wenn er den Einsatz und die Tatkraft Caoimhes respektierte, konnte er sich kaum einen furchtbareren Gedanken ausmalen, als für immer an einem solchen Ort zu verweilen. Die hustenden und keuchenden Gestalten um ihn herum. Dort wo ihn niemand sehen, niemand hören und niemand von ihm wissen würde.

Doch genau das war der Punkt um den es hier ging. Dass niemand um seine Anwesenheit wusste. Sich zwischen denen zu verbergen, von denen die meisten gesunden Menschen nur all zu gern Abstand nahmen, schien für den Moment die beste Idee zu sein. Niamh hatte sich nach einigen Tagen entschieden, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Jean wusste, dass sie es vermied, zu viele Fragen zu stellen. Sie vermied es, sich all zu sehr ansehen zu lassen was in ihr vorging. Stattdessen krempelte sie die Ärmel hoch und versuchte, ihrer Mutter nachzueifern. Nicht nur was Pflichtbewusstsein anging. Vielleicht war es in diesem Momant sogar Niamh, die ihrem Vater die Situation etwas leichter machen wollte, da sie seine Art zu lesen wusste. Sie setzte sich Ziele, bat Jean um Hilfe, versuchte ihn dazu zu animieren, das Anwesen zu verlassen und ihr dabei zu helfen, eine ganze Kolonie von Ziertabak anzupflanzen. Alles in dem Versuch, Ablenkung zu verschaffen. Sich selbst und ihrem Vater.

Mit jedem Tag der verging, beschlich Jean ein Gefühl, dass er schon lange nicht mehr gekannt hatte. Das Gefühl, gefangen zu sein. Früher schien es ihm recht einfach, der Beklommenheit zu entkommen. Es gab immer irgendwo einen Hafen oder ein Schiff, das gerade auslief. Eine Stadt in der Ferne oder eine Reise die man antreten konnte. An Land gebunden zu sein war nie seine Art gewesen seit er sich damals einem neuen Leben zugewandt hatte. Dieses Damals war lange her, denn in den Jahren auf Gerimor hatte er diesen schleichenden Schatten nie in seiner Gegenwart gespürt. Hier aber ohne Ziel festzusitzen, das war ihm mehr zuwider als er es Caoimhe oder Niamh hätte erklären können. Muirealls Schwester tat ihr Bestes, um Jean so gut es ging zu integrieren ohne ihn dabei zu sehr zu fordern. Kübel tragen hier, einfache Reparaturen dort. Selbst mit Gartenarbeit hatte sie es schon versucht, musste jedoch schnell erkennen, dass die armen Pflanzen unter der tyrannischen Herrschaft von Jeans unfähigem grünen Daumen nur leiden würden. Sie äußerte ihre Bestürzung darüber, dass ein Mann, der aus einer Familie von Bauern kommt, derart ungeschickt mit allem was wächst und gedeiht sein kann.

Die abendlichen Gespräche am Kaminfeuer blieben oberflächlich. Nur selten kam etwas Bedeutsames über die Lippen der Anwesenden. Aus Mangel an gutem Rum auf der Insel, begnügte Jean sich mit den verschiedenen Kräuterschnäpsen und Likören die es zur Genüge in der Speisekammer gab. Allesamt gewiss mit heilsamem Effekt, der sich jedoch für das Gemüt nicht so recht einstellen wollte. 'Man erkennt das, was einem wichtig ist, immer erst wenn es fort ist', dachte Jean mit Blick auf die Segel am Horizont, die sich tatsächlich als solche herausgestellt hatten. Ein weiteres Schiff verließ den Hafen der Insel.

Seine Gedanken kreisten um Muirealls Abreise. Verkehrte Welt, dass sie ein Schiff bestieg und er an Land zurück blieb. Er erinnerte sich genau an ihren Rücken, ihre Haare, ihren Hintern. Jean schnaubte und kniff kurz die Augen zusammen. Sein Blick ging vom Fenster zur Schnapsflasche neben seinem Bett. "Ich muss hier raus", stellte er schnaufend fest.
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Niamh Laval





 Beitrag Verfasst am: 23 Mai 2020 11:07    Titel:
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Derweil irgendwo anders...


Printemps
(Frühjahr 262)

Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.
(Henri Matisse)


„Pst, Niamh!“ Sie blinzelte den Schlaf weg und rieb sich einmal mit der flachen Hand über die kleine Nase, als sie ihrem Vater entgegen blickte, der einen Finger auf die Lippen gelegt hatte, auf denen ein verschmitztes Grinsen lag, das sich direkt auf ihrem Gesicht spiegelte, weil sie wusste, was das bedeutete. Ein Geheimnis! Der Schlaf war schon vergessen und mit ihm direkt das morgendliche Haarekämmen, als sie schnell in ihre Draußenkleidung schlüpfte, während sie dem leisen Plan lauschte, den ihr Vater ihr mitteilte. Sie hatten Tabaksetzlinge, eine kleine Schaufel und eine Gießkanne – oh und Proviant. Der war besonders wichtig. Sie würden ja schließlich den ganzen Tag über weg bleiben. Als sie sich vom Anwesen geschlichen hatten, hörten sie hinter sich Deirdrés Stimme laut und es war ganz sicher, dass der hölzerne Kochlöffel durch die Luft surrte. Sie begannen zu rennen und fielen erst ein ganzes Stück später ins hohe Gras, außer Atem, aber lachend. Sie waren trotzdem nicht weit weg vom Anwesen, aber dort war der perfekte Ort. Niamh konnte nicht abwarten und machte sich direkt an die Arbeit. Einige der sattgrünen hohen Grasbüschel wurden mit aller Kraft aus dem Boden gezerrt, oft unter Hilfe ihres Vaters und das kleine, beinahe quadratische Fleckchen, unweit der Küste von kleinen Schaufelstichen halbwegs umgegraben.
Schließlich mussten die kleinen Setzlinge irgendwie in den Boden gebracht und zu guter Letzt noch ordentlich gegossen werden. Ganz objektiv betrachtet, waren die knorrigen Pflanzen hässlich. Sie hatten weder eine schöne Form, noch eine schöne Farbe, nicht als Setzling und sicher auch nicht später. Das war aber vollkommen egal, denn zuhause stand eine genauso hässliche Pflanze. Zuhause in Düstersee, direkt hinter der Tür. Sie hatte sie sich damals ausgesucht, weil sie fand, dass die bunten, tollen Pflanzen eh jeder kaufen würde. Und dann würde sie vielleicht ganz alleine da bleiben, weil niemand sie schön fand. Die Fünfjährige fand den Ziertabak schön. Weil es ganz egal war, dass er nicht bunt und sattgrün war. Es war ihr Ziertabak, der in ihrem Zimmer im Haus in Düstersee stand und der immer ein bisschen wie Papa roch und der immer raschelte, wenn Maman die Tür leise aufschob. Schon allein deshalb war er toll. Und jetzt hatte sie hier eine ganze kleine Plantage von Ziertabak. Ganze zwölf Stück.

Erst als es dunkel wurde und die Sonne, die jeden Tag etwas länger über dem Horizont verweilte, kehrten sie wieder auf das kleine Anwesen zurück. „Papa könne wir Gabriella besuchen fahren? Und Graham? Und Nillet?“ Die Frage kam unverhofft, weil sie eben gerade im Kopf des Mädchens auftauchte und brachte Jean kurz ins Stocken. Eigentlich kannte sie die Antwort ja auch schon. Sie hatte gerade in einem der Bücher geblättert und geschrieben, die ihr Gabriella gegeben hatte, als sie anfing, lesen zu lernen. Es war eines jener Bände, die die einzelnen Buchstaben beinhalteten, die sie ja nun schon alle kannte. Mehr oder weniger. Das mit dem B und wohin nun der Bauch immer musste, war manches Mal immer noch ein Rätsel. Genauso das D. Manchmal landeten die Bäuche eben auf der linken Seite, statt auf der rechten. Papa konnte es ja trotzdem lesen und verstehen. Darin war er wirklich, wirklich gut. Er konnte auch die ganz schweren Wörter verstehen, auch mit Bäuchen, die verkehrt herum waren oder zu vielen Bögen an Ns und Ms. Und er wusste auch fast immer sofort, was sie gerade auf Bildern malte. Ob das nun ein Dreimaster war oder eine Fregatte oder auch ein Panther oder Rahal mitsamt der Garde oder auch eine große Schlacht mit ganz vielen Ahads. Manchmal dachten sie sich auch gemeinsam Geschichten dazu aus. Zu dem Bild, das sie ihrem Vater ganz stolz gezeigt hatte, auf dem sich eine Figur ohne Kopf befand und eine Blaue mit spitzen Ohren, grüner Robe und erhobenem Schwert, erfanden sie eine ganze Geschichte um den Alatraktor Jayandolo, den Meister Aron, die Clerica Anwaquakklack und den Mekaner ohne Kopf, der nicht an Alatar geglaubt hatte. Das Bild war wirklich wunderschön.

Trotzdem fehlte etwas. Jemand.
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Niamh Laval





 Beitrag Verfasst am: 11 Jul 2020 12:28    Titel:
Antworten mit Zitat

Derweil irgendwo anders...



En Été
(Sommer 262)

In einem Meer von Schmerz ertrinken die einen, die Anderen lernen darin schwimmen.
(Kyrilla Spiecker)



„Tha gaol agam ort, Papa! Et Maman aussi.“ Ein kleines Kauderwelsch der Sprachen ihrer Eltern brach ab und zu aus ihr heraus. Jean hatte den Vorteil, dass er mindestens die Hälfte verstand und die paar Worte, die er von Muireall gelernt hatte. Der Rest im Haus die andere Hälfte. Sie kannte den Blick, wenn nicht alles ankam bei ihrem Vater, aber dann hatte sie ja immer noch die Mischung aus den anderen beiden Sprachen, um es zu erklären. Nur, wenn sie wirklich, wirklich wütend war auf ihren Vater, was glücklicherweise nicht allzu oft vorkam, erklärte sie es nicht. Sie nutzte dann schlicht die Worte, von denen sie wusste, was sie bedeuten und mit denen sie ihrem Ärger Ausdruck verleihen konnte. Manchmal war es auch einfach eine Mischung aus Mamans Worten und Papas Akzent. Den übrigen Damen im Haus entlockte das oft ein Schmunzeln und bescherte ihr selbst ein Wuscheln durch die dunklen Locken, die oft ungebändigt in alle Richtungen abstanden. Papa gab sein Bestes, doch konnte er mit Pistolen weitaus besser umgehen, als mit einem Kamm. Und wenn das Geziepe und das damit einhergehende Gequängel losging, gab er schlichtweg manchmal auf. Nicht, dass es schlimm war. Sie beide störte das wenig. Caoimhe versuchte dann in ihrer ruhigen Art die Fünfjährige davon zu überzeugen, dass es sonst beim nächsten Kämmen nur noch schlimmer würde und Deirdré schnappte sich das Mädchen manchmal einfach, wenn was Wirrwarr auf dem Kopf zu viel wurde und ließ sie zetern und schimpfen, bis die Haare ordentlich gekämmt waren. Eigentlich könnte man meinen, dass Haare kämmen kein großes Talent fordern würde. Es gab trotzdem Sachen, die man in den Augen eines Kindes falsch machen konnte. Benennen konnte man die nicht. Aber es gab immer jemanden, der es besser machte. Maman konnte das perfekt. Und auch wenn sie manchmal schimpfen musste, bis man es über sich ergehen ließ, konnte niemand so gute Haare bürsten, wie sie.

Das Kämmen wurde besonders dann zum unangenehmen Problem, wenn man vom Meer zurück kam und das Salzwasser und der Sand und der Wind, der hier auf Duthaich nie aufzuhören schien. Dann waren die dunkelbraunen Haare, die die gleiche Farbe trugen, wie die des Vaters, nämlich ein absolutes Wirrwar an unbändigen Locken. Das lohnte sich aber dann doch irgendwie, weil man das dafür hinnehmen konnte, dass man im Meer schwimmen konnte. Immer Jean an der Seite, der es nicht einmal zuließ, dass sie Salzwasser schluckte und selbst wenn das mit dem Schwimmen gerade mal nicht perfekt klappen wollte und das Kind abzusaufen drohte, war die Hand immer rechtzeitig da, um sie über Wasser zu halten. Und noch viel toller war ja tauchen. Das durfte sie erst, als sie einigermaßen sicher schwimmen konnte, aber sie hatten ja nun auch schon einen ganzen Mond lang geübt. Und dann tauchten sie um die Wette – nicht im tiefen Wasser, sondern einfach dort, wo man noch stehen konnte – zumindest als Erwachsener. Niamhs Füße erreichten den Grund nur, wenn sie abtauchte.

„Papa, on peut encore se baigner dans la mer demain?“ Die Frage war eigentlich jeden Tag die gleiche und wenn ihnen das Wetter mit einem gewaltigen Gewitter keinen Strich durch die Rechnung machte, lautete die Antwort auch schlichtweg „Oui, ma petite!“ Dann wurde sie geschnappt, in ein Tuch gewickelt und oft schlief sie schon, halb über die Schulter gelegt, auf dem Nachhauseweg ein. Manchmal lugte sie auch zum Meer hin und fragte leise „Papa, wann kommt Maman wieder und holt uns ab?“. Die Antwort fiel dann meistens recht kurz aus und das kleine Seufzen war doch zu spüren „Bald, ma petite.“ Es war ja auch nicht so, dass Duthaich ihr nicht gefiel. Sie mochte das Wetter hier und die Landschaft und die Küste und die Menschen.

Trotzdem fehlte etwas. Jemand.


Zuletzt bearbeitet von Niamh Laval am 11 Jul 2020 12:30, insgesamt 2-mal bearbeitet
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