Hinter orangeroten Blicken gefangen...

[Der Erzähler]

Ein Ort, der vollkommene Schwärze in den Ecken des Raumes barg, als habe man hinter dem letzten Glimmen der Kohlen grässliche Wesen abgestellt, die gierig jeden Hauch Licht verschlangen. Dort, außerhalb des glühenden Kreises, erwartete sie das Ende - welche Formen und Gestalten auch immer es annehmen wollen würde - und je länger sie ausharrte, desto sicher war sie sich, dass es lauerte... näher kam... sie beobachtete.

Alles Andere hätte auch keinen Sinn mehr ergeben, denn das Spiel hatte eine andere Routine gehabt, ehe die Stille gekommen war.

Am Anfang, da war der Schmerz, der sich nur mannigfaltig über der dunklen Haut ausgebreitete, je näher sie dem Kreis kam. Hunger und Durst, ja selbst der Schlaf wurde ihr genommen. Die Zeit stand wahlweise still oder hatte hier keinerlei Bedeutung, sollte wohl in dieser Schwärze auslaufen und verblassen, wie ein einzelner Blutstropfen in einem gigantischen See.
Doch die Pein des Körpers und des Geistes waren nicht das eigentliche Problem, nein, das Wissen um die Enttäuschung des Vaters, das war es, was das Innerste zermarterte. Sie hatte sich nicht nur einfach Mühe gegeben, sondern seinen Willen als ihr oberstes Ziel deklariert und doch wollte es zuletzt offenbar nicht ausreichen. Im Gegenteil, ihr Versagen schien seine Geduld ausgereizt zu haben und das war die Geburtsstunde des Spiels. Im Tempel, so glaubte sie sich zu erinnern, da war es geschehen - einen Moment noch hatte sie kniend vor dem Altar des Vaters verweilt und dann wurde es dunkel... schwarz, bis der orangerote Ring um sie herum zu glühen begonnen und ihr Gefängnis geworden war.

Es erschien ihr egal, wieviel Zeit seither vergangen war. Tage, Monate, Jahre oder mehrere Dekaden hätte sie hier ausgehalten, hätte er sich nur an sie gewandt und direkt geäußert wo der Fehler war, hätte ER es beendet. Doch stattdessen war ihre Existenz vom übellaunigen Fauchen und düsterem Knurren seines Unmuts gezeichnet, Fragen und selbst innige Gebete blieben unbeantwortet.

Bis die Stille kam.

Diesmal hatte sie nicht mehr gerufen, nicht geflucht und sich nicht dem Gebet hingegeben, sondern mit dem letzten Funken Würde still auf das Ende gewartet. Nicht wissend, dass sich das Warten bezahlt machen sollte.
Zeit, so vergänglich, so diffus verrauschte wieder, wie ein unaufhaltsamer Fluss aus pechschwarzem Sand in einer Dünenlandschaft, ehe sie IHN vernahm. Leise nur, von weit weit her schien die dunkle, samtene Stimme zu kommen:

"Ceylin'Tyrs - deine Zeit ist gekommen. Beende das, was du nicht vollbringen konntest. Stärke den Bund, doch sei gewarnt - Stütze sollst du sein und Kuppel des Zusammenhalts, die leitende Spitze des Speers aber ist nicht länger deine Rolle. Steh auf, Ceylin'Tyrs, und gehorche meinen Worten."

Das "Ja, Vater." kam auch nach all der dahinfleuchenden Zeit geschmeidig und vertraut über die Lippen, dann schien sie zu fallen...