Die Leidensgeschichte des Zweikopf-Fürsten

[Sraro'thassa]

Es war ein ganz gewöhnlicher Tag im alten Tunnel - Sraro hatte das imposante zweiköpfige Ungetüm an die Höhlenwand bugsiert und ließ in stoischer Manier immer wieder seine leichte scharfe Klinge hinter der Deckung des Schildes hervor schnellen.
Auf den Ersten Blick scheint es ein ungleicher Kampf zu Gunsten des riesigen Zweikopfs zu sein, denn dieser doppelte den Letharen in der Körpergröße. Es gab keinen Zweifel daran, dass das grobschlächtige Monster in seiner Masse und Kraft überlegen war.
Doch schon nach wenigen Herzschlägen des Streitens war klar, die Überlegenheit und somit die Kontrolle hatte der agile finstere Lethar.
Sraro konnte den Hieben der mächtigen Keule nach Belieben ausweichen, oder sie einfach mit seinem Schild ablenken. Auch die eingestreuten Zauber konnten den Letharen nicht ernsthaft schaden. Denn die brodelnde Hitze der Feuerbälle und Energieschübe kompensierte Sraro problemlos mit raffinierten Tränken und einem leichten Schwitzen.

Der ungleiche Kampf ging bereits sehr lang und der Lethar nutzte den widerstandsfähigen Körper des Riesen, um sein Waffengeschick zu stärken. Darüber hinaus schulte Sraro gleichzeitig in effektiver letharischer Manier seinen Fanatismus und sein Wissen. Für jeden Grundsatz der Sieben hatte er sich eine Stelle des Körpers seines Trainingsobjektes ausgesucht. So war die Bauchregion des Fürsten dem Hass verschrieben und immer wenn er einen Schnitt setze, dann erinnerte er sich an Vors'qual und dessen Tugend.
Drei der vier Augen des Zweikopfes wurden der Perfektion der Stärke, Beherrschung und Unterwerfung zugeordnet. Ein Auge ließ er ihm aber, damit die Gegenangriffe zumindest noch eine kleine Herausforderung blieben. Der Brustkorb, Hals und die linke Kniekehle standen für die verbleibenden drei Grundsätze.

Die sieben lehrreichen Trefferzonen waren bereits vollkommen zerschnitten. Eingeweide hingen aus dem Bauch bis auf den Höhlenboden, die drei Augen waren ausgelaufen und blind, der Brustkorb mit tiefen Schnitten übersät, die Kniekehle soweit eingeschnitten, dass sich der Fürst kaum noch auf den Beinen halten konnte und aus dem Hals floss durchgehend Blut am Körper hinab. Der Zweikampf hatte sich zu einem Martyrium für das Monstrum entwickelt und ein Ende war noch nicht in Sicht.

In den kurzen Angriffspausen, meistens dann wenn der Zweikopf einen unbeholfenen Gegenangriff begann, nutzte der Lethar die Zeit zum Nachsinnen und verbesserte das Verständnis für seine Waffe. Denn erst vor Kurzem hatte er sich mit Ony'xwhae, auf Geheiß des Ala'tharxor, getroffen. Um durch ein Gespräch mit der Schmiedin die unheilbringende Pantherklaue im Detail zu verstehen und so in Perfektion nutzen zu können.
Ony war die entschlossenste und beständigste angehende Letherixae des Axorns. Ihr aufopferungsvollen Streben war unverkennbar. Die Geräusche ihres Handwerks hörte man Tag und Nacht in der Nähe des Bankturm des Axorns – Hammerschläge und neuerlich auch das Rascheln von Stoff.
Anfänglich dachte Sraro ihre ewig geschäftige Einsamkeit hätte sie abgestumpft und und ein wenig verrückt werden lassen. Doch es ging genau in die andere Richtung, sie hatte viel Weisheit erlangt und konnte die Essenz einer Lektion Vaters in wenigen Worten wiedergeben. Und so war sie in diesem Kampf für Sraro die Lehrmeisterin - immer wieder rezitierte er vor seinem inneren Auge ihre Worte:

„Diese Klinge. Für Volk Vaters.“
„Besonders, angepasst.“
„Entsprungen aus uns. Für Vater.„
„Klinge gemacht für Vaters Weg.“
„Eine Klinge, viele Stärken. Wie wir.“
„Klinge schneidet. Sticht auch - nicht meistens. Aber auch.“
„Stärke von Kind Vaters - Waffe angepasst.“
„Passendes Werkzeug stärker, nützt mehr.“
„Sieh die Klinge. Auge auf Schliff. Feine Linien auf Metall. Gefaltet! Viele Schichten!“
„Schliff... Schneidet wie mit Zähnen. Wie Biss von Echse... heilt schlecht. Brennt, in...fiziert leicht. Feind stirbt nicht von Wunde.Nicht von Schnitt. Stirbt später.“
Die letzten Worte der angehenden Letherixae waren brüchig und heiser, denn sie ist selten gezwungen so viel zu reden.
„Pantherklaue... passt zu allen.... Stärken... von Kindern Vaters. Wenn... stark.“

Der Kampf gegen den Zweikopf-Fürsten glich inzwischen einer Folter. Das Ungetüm war nur noch verzweifelt damit beschäftigt sich auf magischem Wege zu heilen und irgendwie die unzähligen klaffenden Wunden zusammen zu halten.
Sraro nutzte den geschundenen Leib bis zum letzten Widerstand für seine Zwecke und schließlich brachte ein weiterer tiefer Schnitt an der Kniekehle den massigen Körper zum kollabieren.
Im letzten Augenblick seines Daseins floss eine Träne des Glücks aus dem verbleibenden Auge des Zweikopf-Fürsten, denn seine Qualen würden nun ein Ende nehmen. Dann brach er zusammen und sein wuchtiger Leib prallte auf den harten Höhlenboden. Der Aufprall ließ die Wunden aufreißen und einige Knochen bersten. Leblos und entstellt blieb der Fürst liegen. Sraro plünderte routiniert die wenigen Habseligkeiten und ging ein paar Schritte weiter durch das Gewölbe und widmete sich dem nächsten Zweikopf-Fürsten.