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Sowas wie Rückgrat
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Garvin Wolfseiche





 Beitrag Verfasst am: 11 Sep 2018 12:43    Titel: Sowas wie Rückgrat
Antworten mit Zitat

Frühling, Irgendwo, 261

"Interessiert mich nicht." Meine rechte Hand ging in die Höhe und ich konnte es knacken hören. Ich war mir nicht sicher ob es meine Hand war oder die Nase des Gegenübers aber es war mir auch gleich. Der Schmerz war immer gleich. Er zog sich durch die Brust, bis hin zum Kopf und mischte sich mit dem Rausch den ich mir selbst nicht genau erklären konnte. Die Beerdigung war gut, sie war angemessen, sie war lediglich zu früh und so brauchte ich einen Anker, irgendwas wo ich so tun konnte als würde es einen Sinn machen, als würde es die Wunden heilen und dieses Gefühl beenden welches mir fremd war. Dieser Druck auf Herz und Lunge musste ein Ende finden.

"Ich habe ihm nur ein Pferd verkauft, er hatte Gold, ich brauchte Gold, meine Kinder..." Flehend hob der Kerl, dessen Namen ich nicht einmal wusste oder mir einfach nicht merken konnte, die Hände an, wollte sein Gesicht schützen oder irgendwas tun was an Beten erinnerte. "Deine Kinder..." Mit einem Ruck löste ich mich von ihm, ließ ihn mit blutigen Gesicht in seinem Stall zurück und wendete mich ab. Der Rausch verflog und das Blut an meiner Hand trocknete. Der Schmerz blieb, überall, es hätte mich auch gewundert wenn nicht. Ich glaube er war der Dritte in meinem Dauerlauf, er war der Dritte wo ich annahm das Ziel zu erreichen. Doch ich irrte, ich irrte mich oft. Es fühlte sich nicht mehr wie damals an, früher konnte ich einfach meine Wut irgendwo heraus prügeln, mir einige Bier hinterkippen und dann hörte das Gefühl auf. Aber ich war nicht wütend. Als ich auf die Beerdigung wartete und mit niemanden sprach, als ich der Zeit beim Ziehen zusah und versuchte zu realisieren das es kein Traum sei, da war ich wütend. Meine Halsader pochte und ich konnte nicht einmal meiner Mutter irgendwas bieten, weder Worte noch Gesten. Aber als es dann vorbei war, als der Pfeil in die Luft ging und das Feuer im Wind flog, wie vorbeiziehende Vögel, da war es keine Wut mehr. Ich wartete bis zu diesem Moment auf einen schlechten Scherz, auf irgendeinen Hinterhalt, irgendeine List, aber es kam nicht. Es war die Realität, kein Traum und Wut wurde zu Trauer. Etwas womit ich nicht umgehen konnte. Also versuchte ich weg zu laufen, wie ich es immer tat.

Mal hier, mal da, ohne irgendein Wort darüber zu verlieren und doch musste ich feststellen, dass es nicht mehr funktionierte. Es war nicht mehr wie vor fünf oder zehn Jahren, wo man so seinen Problemen entkam. Es war nichts was man irgendwo lassen konnte, es klebte an mir wie Dreck und ich versuchte das Unbekannte in etwas Bekanntes zu verwandeln. Wie ein Taugenichts steuerte ich eine Schenke nach der Anderen an, brach eine Nase nach der Anderen - die Abende wo ich gebrochen irgendwo lag, weil der den ich anmachte noch ein paar Freunde bei hatte, die erwähnte ich natürlich nie - aber ich erwähnte für gewöhnlich generell nichts. Ihr hatte ich bereits einige Zeit nicht mehr geschrieben und ich hatte es auch nicht vor, ich musste der starke Teil sein, von irgendwas - also ließ ich sie stehen, schon wieder und vermutlich hatte sie, schon wieder, Verständnis.

Wie lebt man ohne einen Bruder? Es ist wie als hätte man einem den dritten Arm abgenommen, den man sein Leben lang hatte, egal ob er einen manchmal eine scheuerte, er war da, immer. Frauen weinten in solch Momenten immer, ich entschied mich für andere Dinge.

"Eh, deine Zeche musst du bezahlen!" Er griff mich an der Schulter und ich wusste was folgte, ich hob meine Mundwinkel an, ließ mich ziehen und dann knackte es wieder und für kurze Zeit war der eine Schmerz ein Anderer.

Sommer, Bajard, 261

Der Steg knarzte unter meinen Füßen und ich nahm ein, zwei große Schritte um den festen Boden zu fühlen und doch, in dieser bekannten Gegend, fühlte er sich weicher an als die Dielen auf dem schwankenden Schiff. Ich wusste nicht warum ich mich für dieses Schiff entschieden hatte und doch stand ich nun hier, an Orten wo ich an jeder Ecke mir altbekannte Gesichter sah, die aber nicht da waren und nur in meinen Erinnerungen herrschten. An jeder Ecke hörte ich die Rügen aus der Vergangenheit und ich wusste noch nicht genau ob es sich befreiend anfühlte oder es einen zerdrückte.

"Willkommen in Bajard!" Rief irgendeiner auf dem Steg, vermutlich nicht einmal in meine Richtung, so erfreut als würde er alte Bekannte begrüßen, Freunde, Familie.
Willkommen in Bajard...
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Mairi Wolfseiche





 Beitrag Verfasst am: 23 Sep 2018 15:24    Titel:
Antworten mit Zitat

Der Anfang des Jahres 261

Monate waren vergangen und ich hatte seit langer, langer Zeit nicht mehr an Gerimor gedacht. Das Leben hier war einfach, aber gut. Familie hatte hier eine Bedeutung und Arbeit war etwas, das den Tag ausfüllte. Man hatte hier alles, was man brauchte und ich war... glücklich.
Erst dann, als meine Hand nicht mehr in jener von Aalya lag, weil sie sie die letzten Meter zu ihrem Sohn losgelassen hatte und ich mitten auf dem Feld zum Stillstand kam, bekam ich den Hauch einer Ahnung, dass es nicht mehr anhalten wollte. Vielleicht war es schlichtweg verbraucht, das Glück. Oder es hatte schlichtweg die Angewohnheit, zu kommen und zu gehen, wann es wollte.
Ich beobachtete noch, wie die sonst so starke Frau in den Armen ihres Sohnes ein Stück weit zerbrach. Und wir alle mit ihr. Ich sah noch, wie er die Worte aufnahm und dann entschied ich, dass es besser war, den Blick abzuwenden, also starrte ich vor mir auf den dunklen, umgegrabenen, durchfurchten Boden, der für den Moment verschwimmen wollte und versuchte mit aller Macht zu unterdrücken, was auf mich herein prasselte. Die Geräusche der Mutter, die gerade einen Sohn verloren hatte, der Gesichtsausdruck des Mannes, der gerade seinen großen Bruder verloren hatte oder meine eigenen Gedanken, die sich für Bruchteile darum drehten, ob ich etwas tun konnte, ob man jemanden einfach zurück ins Leben holte. Und dann entschied ich mich dagegen.

Trage meinetwegen zwei Masken übereinander, eine für die Welt und eine für deine Geschwister.

Ich erinnerte mich ganz genau an den Klang seiner Stimme, als seine Worte durch mein Bewusstsein zuckten. Doch es war nicht die Zeit für ihn, es war nicht die Zeit, an jemanden zu denken, den man irgendwann wiedersehen würde. Also straffte ich meine Schultern, wischte die Tränen weg, die für meinen Schwager bestimmt waren, aber warten mussten und kümmerte mich darum, dass der Rest der kleinen Welt hier nicht völlig auseinander brach. Er konnte sich jetzt nicht noch Sorgen um mich machen. Und ich wusste, dass er das tat, wenn er meine Tränen sah.
Und so stand ich, auch als der Pfeil entzündet wurde und Fann ihrer Aufgabe nachkam, beinahe regungslos mit zusammengepressten Lippen und beobachtete, wie die Flammen ein Stück unseres Lebens nahmen.

Du weißt nicht, wie schön es ist, etwas zu spüren.

Ich fragte mich, ob es sich lohnen würde, zu tauschen. Ob man Trauer, Schmerz, Hass und all die negativen Emotionen eintauschen sollte, für das, womit andere gesegnet – oder verflucht – waren. Nur kurz wanderte mein Blick über die Gesichert der Trauernden, der Familie und ich war mir sicher, dass einige es tun würden. Diejenigen, die es nicht besser wussten. Ich glaubte, dass auch Fann eine derjenigen wäre, die lieber die Leere in Kauf nahmen, als das, was sie jetzt fühlten. Wir hatten uns nie sonderlich gemocht, aber das hier wünschte ich nicht meinem schlimmsten Feind. Doch so konnte ich wohl besser hinnehmen, dass sie wieder abreiste und ihr Kind dort ließ. Diese kleine, unschuldige Seele, die noch nicht verstand, dass sie ohne Vater aufwachsen musste.
Und auch Garvin konnte ich gehen lassen. Schon wieder. Es war in Ordnung, wenn er damit besser heilte. Und das würde er vermutlich an jedem anderen Ort, als an diesem hier, der viele viele Jahre der Erinnerung an den großen Bruder barg.

Es vergingen Wochen, in denen ich tagsüber so gut es eben ging Aalya und Kaladin ihre Aufgaben abnahm, immer mit der kleinen Iyda auf dem Arm oder an der Hand. Anfangs kamen noch Briefe, aber auch sie hörten nach und nach auf. Und irgendwann wusste ich schlichtweg, dass es Zeit war. Ich versicherte mich hundertmal bei Aalya, ob es in Ordnung wäre, zu gehen, die Enkelin bei ihnen zu lassen und erst dann verabschiedete ich mich von dem Kind, das ohne Vater, aber gewiss nicht ohne Familie groß werden musste.
Eine Woche. Sieben Tage erlaubte auch ich mir dann, zu trauern. Ich blieb eingeschlossen in meiner Kajüte, ließ alle Gedanken an die vergangenen Wochen und die Erinnerungen an meinen Schwager zu. Doch schon eine Weile bevor ich von Bord ging, hatte ich mich wieder gesammelt und die Aufgaben vor Augen, die ich hier zu erledigen hatte. Ich wusste, dass er hier war. Und als das rege Treiben des Fischerdorfes an meine Ohren drang, atmete ich tief ein und war dort, wo ich seit Jahren hingehörte.
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