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Die Suche nach dem verlorenen Lachen
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Die Suche nach dem verlorenen Lachen
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Nahlah Hibah Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 21 Mai 2017 21:35    Titel: Die Suche nach dem verlorenen Lachen
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    Seit mehreren Tagen hatten wir nun den Markt vorbereitet. Chalid stand mir bei allen Aufgaben geduldig und strebsam zur Seite und es überraschte mich, wieviele Mitglieder des Basars sich uns an diesem Abend angeschlossen hatten. Wir hatten den Thyren schon vorab eine Nachricht geschickt, denn wir hielten es für angemessen uns anzukündigen und ihr Willkommen zu erbitten. Ihre Antwort, eine gastfreundschaftliche Einladung, ließ nicht lange auf sich warten und brachte mein Herz zum Schlagen. Damals wussten wir zu diesem Zeitpunkt nichts von den Schlachten, die auf dem Land der Thyren und vor ihren Brücken ausgetragen wurden. Es waren die Hüter des Nordlichts gewesen, die uns überhaupt darüber in Kenntnis setzten. Innerhalb von MenekUr wurde es erst laut, als der Emir zur Schlacht aufrief, die Krieger heranholte. Doch die Thyren lehnten weiterhin unseren geplanten Marktbesuch nicht ab. Und so kamen wir. Begleitet von Bewaffneten, gingen wir den mit reichen Schätzen beladenen Tieren voran. Wir hatten uns wirklich Mühe gegeben Stücke zu entwerfen und zu verzieren, welche die Kultur er nordischen Krieger ehrte, die unsere Welt mit der ihren verband. Wir wurden mit offenen Armen, mit einem breiten Lächeln und mit einem Krug Met willkommen geheißen. Die thyrischen Frauen wirkten groß und grob und gewiss hatten sie allesamt einen wehrhaften Charakter, aber als ich das Leuchten in ihren Augen sah, die Freude und Begeisterung für die feine Zier der Kleider - empfand ich Wonne in der erkannten Gemeinsamkeit. Auch die thyrischen Männer haben etwas an sich, dem ich viel Sympathie abgewinnen kann. Ich erinner mich auch gerne an den Nordmann zurück, mit dem ich noch im Haus der Familie Ryzan über den Boden kroch um mit ihm gemeinsam ein Kleid für seine Verlobte zu nähen. An die Thyren, die bei mir im Basar saßen, schwitzten und schnauften und mir geduldsam die Tradition des ersten Schlucks zu Ehren der Ahnen erklärten. Soviel Achtung war in ihrer Lautheit, soviel Achtsamkeit den zarteren Wesen gegenüber... und dabei so wenig Zweifel daran, dass sie zu den ehrbarsten und stärksten Kriegern gehörten. Norwin, einer der größten unter ihnen, kam noch an meinen Stand um sich zu bedanken, für unsere Anwesenheit, die mitgebrachte Hoffnung, das Leben und für meine Worte, die er selbst in seiner Höflichkeit 'groß' nannte. Es war gut, dass wir zum Markt kamen, das war es.
    Und ich liebe diese Reisen, genieße sie mit einer undefinierbaren Freude. Und je weniger Menekaner wir sind, desto mehr blühe ich in der Freiheit der Fremde auf. Von der massigen Anwesenheit meines eigenen Volkes fühle ich mich erdrückt, hineingezogen in die pressende Masse. Bedroht und beschützt. Ich weiß es nicht.
    Ich wusste auch nicht, woher die anderen Menekaner von der Beerdigung erfuhren, die heute Abend in Wulfgard stattfinden sollte. Ich hatte keine Aushänge in MenekUr gefunden, aber manchmal war ich auch blind dafür. Aber sie kamen nach und nach herbeigeströmt. Ob der Basar dazu etwas beigetragen hatte? Vielleicht ja oder nein, aber wir waren ein guter Anfang gewesen, ein deutliches Zeichen.
    Wir lernten an dem Abend, dass die Thyren schwarz zur Trauer tragen, dass sie sich in die Kilte ihrer Rudelsheuler..? kleideten. Sie feierten den Kampf, sie feierten den Weg der Gefallenen an den Tisch der Ahnen. Blut der Feinde, die schwarzen Federn, die Wegbegleiter, die Raben und goldenen Reiter. Schellenkränze. Sie feierten den Raben als den Wächter der Toten, den Führer der Seelen. Den eingewickelten Toten auf dem Scheiterhaufen legten sie ihre Waffen bei, die sie im Leben stolz getragen und auch an der Tafel noch mit sich führen sollten, als setzten sie dort ihre Aufgabe fort. Auf ein Kaltblut steigen sie, reiten hinweg, werden Saufen, Fressen und Kämpfen. Ich versuchte wie aufgesogen von dieser fremden Szenerie so viel zu verstehen wie möglich, aber der Akzent machte es mir manchmal schwer. Dennoch: Die Thyren redeten in der Handelssprache um ihren Freunden die Möglichkeit zu folgen zu geben. Und sie ließen sie teilhaben. Auch mich. Meine kleinen zitternden Hände hielten den grob geschnitzten Griff einer Fackel, wie sie auch links und rechts von mir gehalten wurde. Dutzende von uns standen in einem weit reichenden Halbkreis und sollten das Feuer weiterreichen, zu einer Lichterkette und die Flammen mit den Toten teilen. Es war atemberaubend, es fühlte sich bedeutsam an. Und obgleich mein Leben von soviel Trauer erfüllt war, empfand ich eine Erleichterung, wie lange nicht mehr. Sie alle wirkten nicht verzweifelt, sie waren stolz. Und dieser Stolz war ansteckend.
    Und dann ging alles in einem Meer aus Flammen auf. Und der friedliche Gedanke lebte für wenige Augenblicke auf hinein zu steigen und ihnen zu folgen...


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Nahlah Hibah Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 24 Mai 2017 00:45    Titel: Re: Die Suche nach dem verlorenen Lachen
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    Es gab kein Rauschen, kein Rascheln. Nur Stillstand, bis auf das Plätschern des Wasserfalls, der sich mit seiner Schwere und Gewalt im See ergoss. Einige kleine Vögel, von exotischer Art, genossen ihr Paradies in der Oase um auch selbst noch im Schein der Sterne zwischen den Blättern entlang zu springen. Nahlah hatte sich noch eine Weile damit abgelenkt Briefe zu schreiben, wie sie es eh vor gehabt hätte. Eigentlich erst in ein paar Tagen, um Abstand zwischen dem letzten und dem angesetzten Markt zu belassen, aber die Arbeit war ihr schon immer eine Ablenkung gewesen. Nun saß sie auf den kühlen Stufen, die schon glattgerieben waren von den vielen Füßen und Sitzenden. Einiges davon mochte sie dazu beigetragen haben. Und auch jetzt wieder, in dieser Nacht, schloss die sensible Natifah ihre Augen vor der Welt und lauschte tief in sich hinein, doch nicht um sich selbst zu hören. Da war es wieder, das Geräusch, das Gefühl. Ein Hauch von Wärme, die Idee einer Berührung an ihrer Taille. Eine Erinnerung, eingebrannt in ihre Seele, geformt in so vielen Abenden, Jahren.
    „Ist es deshalb?“, wispert sie leise und sie glaubt zu wissen, wie sein Gesicht sich leicht gequält verzieht und sein Blick sich zum Wasser hinaus richtet. Unzufriedenheit würde sie darin finden, doch kein Zorn, wie sie ihn zu oft nun in Augen anderer erblickt hatte. Er hätte damals wie heute nicht zu antworten gebraucht. So versuchte die junge Frau sich an das Gefühl zu erinnern wie es war, wenn er tröstend seine Lippen auf ihr Kopftuch setzte, sie den kitzelnden Druck seiner Nasenspitze fühlte, wenn er ihren Duft aufnahm. Eine so vollkommen reine Geste der Zuneigung. So unverdorben, ohne Schuld.
    Als sie die Augen zur Hälfte öffnete zogen ihre Lider den Schleier aus Tränen mit hinauf, der warm und salzig war. Durch das Flackern des darin gefangenen Sternenlichts hinweg suchte sie nach den Erscheinungen der anderen. Sie wünschte sich zu sehen, wie sie beieinander waren. Nabil und Razyr über dem Schachbrett mit Faruks Blick über ihrer Schulter. Aaminah, wie sie Nadim unter ihrem bezaubernden Lächeln den Kragen des Hemdes richtete, das wieder ein wenig zu spannen begann. Razyr würde sich durch seinen Bart reiben und Nabil sich im Wissen ob seines geschickten Zuges gerader aufsetzen, die Hände auf den Beinen abgelegt. Und auch Anisa wäre da, mit Nahlahs anderen Freundinnen, die bereits den Weg gegangen waren. Es hatte damals soviel Güte gegeben, soviel Liebe, Hoffnung.
    „Oder ist etwas an mir nicht richtig...?“, zittert es so unbeholfen in ihrer Kehle. Und sie wusste, wie Razyr sie nun anblicken würde, wie Faruk mit zusammengepressten Kiefern da stände. Aaminah hätte unlängst ihre Arme um die zarte Gestalt gelegt, die in den letzten Jahren soviel an Gewicht verloren hatte. Unbill und Strafe hätte sie für ihre Gedanken darin erkannt. Nichts von dem, was gerade in ihrem Leben passierte war je wieder zu richten. Die Schmach und Schande, die Ablehnung... sie würde nie wieder einen Fuß auf den Boden bekommen, denn sie hatte nur noch die Gelegenheit zu beweisen nicht derart unwürdig und unfähig zu sein, wie sie es empfand betrachtet zu werden. Was nutzte ihr die Zuneigung der Familie, der Mitglieder des Basars, all dieser Menschen, Elfen, Thyren, Zwerge... wenn eine Anklage sie letztendlich das Leben hier kosten würde? Was für ein Leben wäre das noch?
    „Wissen sie was sie tun?“
    „Weißt du, was du machst?“, hörte sie es in ihrem Hinterkopf, ganz leise... Imraans Stimme. So wischte sie sich die Tränen von den Wangen und legte die scharfen Kräutermesser zurück in ihre Tasche.
    Sie hatte den Mut nicht. Noch nicht.
    Es gab glücklicherweise noch Arbeit...


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Nahlah Hibah Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 04 Jun 2018 15:44    Titel: Re: Die Suche nach dem verlorenen Lachen
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    "Auf Gerimor nennen sie es den Monat des Rabenmondes, doch hier benutzen die Bewohner der Region ihren eigenen Kalender, bemessen an den Gezeiten, an den Winden und den Wegen der Tiere. Es ist die Zeit des roten Sandes, der sich wie ein dünner Teppich über die trockenen, rissigen Böden legte und uns auf unserer Reise über den Handelspfad Saha’Tariq verfolgte. Schleichend und leise raschelnd wie der bodenlange Schleier einer Braut. Den Wind hatten wir in unseren Rücken und er beflügelte uns auf unserer Strecke nicht müde zu werden. Acht Tage durchquerten wir die Öde, bis wir hinter dem Felsen TabaSijada endlich die ersehnte Oase fanden, die uns Rast und Ruh versprechen sollte. Ich möchte es nicht versäumen über diesen Felsen zu sprechen, der soviel mehr Farbenpracht aufwies als alle Pflanzen, Blüten und Vögel es im Grünstreifen vermocht hätten…“

    Leise schlug die mit Metall verstärkte Spitze ihrer Schreibfeder gegen den Rand des Tintenglases, als sie einen überschüssigen Tropfen abstreifte. Die Luft in ihrem Zelt war warm und stickig, obwohl ein leichter Windzug immer wieder von außen gegen die Plane drückte und doch nur noch schwacher Vorbote der abendlich erwarteten Abkühlung war. Nahlahs Zelt war ausgelegt mit Teppichen und ein besticktes Kissen hatte sie sich unter die Brust bedrückt und mit dem linken Unterarm dicht herangezogen. Trotz aller Kargheit, welche die Handelsreise mit sich brachte, fand sie noch eine Süße an Bequemlichkeit.

    Die nach oben abgewinkelten Beine waren an den Fußknöcheln verschränkt und neigten in spielerischer, gedankenverlorener Weise dazu ein wenig nach oben und unten zu neigen, wenn es der Menekanerin gerade an den rechten Worten fehlte. Doch ihr plötzliches Aufschrecken nun rührte nicht her, dass ihr gar ein Gedanke in den Kopf gekommen sei – nein, es war eine feuchte Kälte in ihrem Nacken, die sie mit einem Schnappen etwas auffahren ließ. Ihr zarter, geschmeidiger Leib rollte auf die Seite und ein Blick des Empörens legte sich auf das Gesicht ihres Vetters, der in beiden Händen tropfende Pflaumen trug, frisch gewaschen und gekühlt in einem schattigen Wassereimer. Mit einem theatralischen Seufzen ließ er sich mit einer halben Armlänge Abstand neben ihr auf dem Teppich nieder und rollte das Obst zwischen sie beide aus, damit er den Kopf in seine Hand stützen konnte. Noch immer funkelte der Schalk in seinen kohleschwarzen Augen.

    „Lass mich raten, du hast wieder beim Würfeln gewonnen?“, oblag es nun Nahlah mit einem leisen Lachen auf ihren freiliegenden Lippen zu entgegnen und sich dabei eine der über sie gekullerten Pflaumen aufzupicken. Bevor es ihr aber möglich war in die süße Frucht zu beißen gelang es Mehrad nach ihrem schmalen Gelenk zu greifen und im Vertrauen darauf, dass sie nicht loslässt, ihr selbst die Hälfte mit einem Happen zu stehlen.

    „Irgendwie muss ich mich beschäftigen, wenn sich unser kleiner Goldesel wieder vor der Nachmittagssonne versteckt.“ Neckte er sie schmatzend und wischte sich den Obstsaft von den Lippen. Mehrad wurde trotz seines Alters von fast dreißig Jahren stets zum wilden Burschen, wenn er noch auf den Wellen der Euphorie eines gewonnen Spiels oder auch guten Handels schwamm.

    Vor einem viertel Jahr war sie mit der Karawane der Bashir aufgebrochen, als einzige Frau, und bekam damit ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt, der schon seit vielen Jahren ihre Seele gefesselt hatte. Die Welt zu sehen. Mehr zu sehen. Mehr zu sein. Es war eine Freiheit, die an viele Bedingungen gebunden war, und doch schmeckte sie so köstlich, dass sie die einzige Medizin gewesen war um ihr Lachen wiederzufinden. Mehrere Jahre hatte Nahlah bereits als junge Natifah das größte Handelshaus der goldenen Stadt geführt, mehrfach als Assistenz der Statthalter und Handelsminister gedient und eine wohle Erziehung aus dem Palast des Erhabenen mitnehmen dürfen. Nahlah hatte Erfahrungen mit Kulturen und Völkern und war – im Auge ihrer Familie - auffällig wortgewandt in Sprache und Schriftbild – und dies zweisprachig. Bis auf ihr Geschlecht, ihre Geburt in die Rolle einer Frau, hatte es keine Argumente gegeben sie nicht als qualifiziert für den Aufbau der neuen Handelsbeziehungen zu betrachten. Dass sie auch noch eine ausgebildete Tuchweberin mit Geschick und Liebe für die Feinheiten ihrer Arbeit war, sich auf das Kochen und Züchten von Lamas verstand, wog schon fast weniger als dieser zutiefst unglückliche Dorn in ihrem gebrochenen Herz, welcher den Vater erweichte um das Leben seiner Tochter nicht an die Dunkelheit des Meeres zu verlieren.

    „Zwei Tage noch, dann sollen die Stürme weit genug fort sein, dass wir unseren Weg fortsetzen können. Und jetzt leg doch endlich deine Pergamente weg. Die anderen steigen uns gleich auf den Karren mit den Fässern, wenn du keinen Mocca kochst und eine Geschichte erzählst.“ Lachend zog er ihr den begonnenen Reisebericht fort und Nahlahs Arme waren zu kurz, um noch nach ihnen greifen zu können.

    Hier waren die Mauern fern. Hier war die Vergangenheit leise.


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Nahlah Hibah Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 07 Nov 2018 13:50    Titel:
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    Die Lebensform der Menekaner ist geprägt von den harschen Bedingungen ihrer Lebensumstände, der großen Prüfung der Schöpfungsmutter. Die einstmals ausgewogene Harmonie Alathairs bedeutet zu leben und zu sterben, zu vernichten und zu schöpfen. Feuer wärmt, Feuer verbrennt. Und so ist auch die Kultur meines Volkes gezeichnet worden. Um in der Wüste zu überleben brauchen wir eine starke Kultur, eine strenge Ordnung, einem unwiderruflichen Zusammenhalt in den Familien, der nach außen hin nicht gebrochen werden darf. Und gleichzeitig ist es auch die grausamste Form der erpresserischen Herrschaft über ein gesamtes Volk, nicht nur allein ausgeübt durch den Emir, sondern durch jeden Mann in seiner vorherrschenden Position. Der Familie Omar wird es ermöglicht durch Angst und die banale Hoffnung auf Gnade ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten und damit ein gesamtes Volk an den Zügeln zu führen. Mach einen Fehler, und du wirst öffentlich bloßgestellt. Sprich ein schlechtes Wort und deine Familie wird entehrt. Lass deine Finger einen Waffengriff nur streifen und deine Familie ist der Vernichtung versprochen. Im Namen der Mutter, im Namen des Erhabenen, im Namen eines erwählten Volkes. Was von oben beginnt zieht sich weiter herunter in alle Schichten unseres Volkes bis hinein in die jüngste Erziehung der Kleinsten: Alles was du tust kann denen, die du liebst, zu Schaden kommen. Es ist gleich, wie treu du gelebt hast, wie gut erzogen du gehandelt hast, was du den höheren geopfert hast. Ein Fehler und man versteht: deine verzweifelte Hingabe führte nur dazu den Untergang hinauszuzögern, nicht dich zu retten. Und trotzdem ist es wie das Werk unserer Mutter, der höchsten Göttin, die Leben und Tot geschaffen hat: Es bleibt dennoch die große Liebe zu unseren Herrschern, welche im Sonnenlicht der Durrah alle Schatten vergessen lässt. Und wir streben nach dieser Liebe auf unserem blutigen Pfad.“

    Nach nun fast fünf Monaten, die sie wieder in MenekUr weilte, fand sie die Kraft und Muße auch die letzte Reisetasche auszuräumen. Sie hatte sie die ganze Zeit über bereit in einer Nische versteckt gehalten um jederzeit fluchtbereit zu sein und sich zwischen den goldenen Stäben wieder heraus zu zwängen. Doch die Zeit war ereignislos vergangen. Es gab kein Interesse an ihrer Person, noch wurde die Farce der Vertreibung fortgeführt oder ihr absichtlich Steine auf den sandigen Weg geworfen. Es war friedlich und unverbindlich, zwanglos und befreiend. Die wenigen, die sie begrüßten, freuten sich über ihre Wiederkehr. Auch wenn ihr die Stadt wie ein Schatten aus der Vergangenheit ihrer Erinnerungen erschien: Alles, was unverändert geblieben war kam ihr so fremd vor wie alles, was neu errichtet wurde. Aber es war kein Neubeginn, irgendwo fand eine Anknüpfung wieder statt.

    „Du solltest die Seiten verbrennen.“
    Wie sie dort auf dem Kissen saß und ihr Reisetagebuch durchblätterte blieb ihr nichts übrig als zu Razyrs Einwand zu nicken. Er sagte immer seltener etwas, aber seine Stimme war ihr noch immer eine große Warnung, erfüllt von seiner Verbitterung und seinem Zorn.
    Mit einem gehauchten ‚Aiwa‘ trennte die Wüstenblüte langsam die zwei beschriebenen Seiten aus der Bindung des Buches und starrte sie noch lange aus ihren großen, dunklen Augen an. Es gab nur einen Mann, der sie eben dafür geliebt und nicht geächtet hätte. Imraan liebte sie für ihren Geist, ihre Gedanken und ihre Weisheit, wie er es nannte. Aber auch er schwieg immer häufiger, auch seine Stimme wurde leiser in ihrem Verstand, doch seine Gegenwart war noch immer warm und tröstend. Nahlah beugte sich zum Küchenfeuer und ließ die Pergamente in die Glut schweben, wo die Worte knisternd verkohlten.

    Schweigen und akzeptieren, verstehen und danach leben und lieben. Sie würde weiter arbeiten und ihrer Freiheit verborgen entgegen streben, im Versuch ihr Lachen festzuhalten.
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Nahlah Hibah Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 23 Dez 2018 17:21    Titel:
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    Während sie die Lamas im Gatter am Brunnenplatz versorgte, hatte sie Zeit. Sie hatte oft viel Zeit für sich und ihre Gedanken, für ihre Gespräche und Abwägungen. Untermalt wurden jene Worte, die so klar und weich in ihrem Kopf aufblühten, von dem Rascheln des braungoldenen Strohs, das sie in die Futtertröge füllte.

    Nahlah war nicht mehr die zarteste Knospe, nicht mehr der grünste Zweig, und doch fühlte sie sich mit zweiundzwanzig Jahren zu jung, um nun schon in so kurzer Zeitspanne den fünften Emir im Palast der goldenen Stadt zu erleben. Die Bekanntgabe durch die Schriftführerin des Kalifen kam überraschend, aber ihr Herz konnte keine vergleichbare Trauer spüren, wie sie bei Imraan und Nabil aufgekeimt war. Imraan war ihre größte Liebe gewesen, ließ sie wie eine Palastdame mit der Familie Omar leben, und Nabil war der Emir, der sie wie ein Vater zu ihrem künftigen Ehemann geführt hatte, der ihren Armen die Sorge um sein Kind anvertraut hatte. Abbas Vorgänger waren zuletzt am Ende ihres Weges im Kampf gegen dunkle Kreaturen gefallen, die aus der Erde gekrochen waren um Unheil über Eluives Schöpfung zu bringen. Aber Abbas und Raniya sollen einfach abgereist sein, den Palast, ihre Pflicht und ihre Aufgabe das Volk der Menekaner zu beschützen von sich geschoben haben? Wären es nicht die Omar, man würde schlecht darüber sprechen. Doch was wusste sie schon, was sollte sie ahnen über die Größe der Geschichten im Palast, über die Nöte und Dringlichkeiten in ihrer kinderlosen Ehe? Vielleicht waren sie erkrankt oder hatten Eluives Segen verloren.

    Die Lamazüchterin wünschte ihnen nicht das Schlechteste, doch konnte sie sich nicht überwinden ihnen das Beste zu wünschen. Menek’ur hatte unweigerlich klaffende Wunden in ihr Herz geschlagen und während sich noch die Risse zu Narben schlossen, war nichts gänzlich vergessen und verziehen. Sie hatte Abbas nicht seine Großzügigkeit vergessen, als er sie vor Noelanis Anschuldigungen bewahrt hatte und ihr noch einige Zeit nach Razyrs Tod Zugang zum Palast gewehrte, mit liebevollem Respekt. Aber sie vergaß auch nicht, dass er die Leiber dreier Menekaner, die sie geliebt hatte, grausam entstellt zur Schau gestellt hatte. Noch immer warf sie ihm insgeheim vor die Familienfehde nicht rechtzeitig beendet zu haben. Sie hatte auch nicht ihr Flehen und Betteln bei Nacht auf dem Flachdach des Omar-Sitzes vergessen, als er ihre Bitten ablehnte endlich ihren toten Ehemann bestatten zu dürfen. Sie hatte nicht vergessen, als er sein Versprechen gebrochen hatte, dass sie – die verlassene Blüte – zu ihm kommen könnte, wenn sie in Not war. Als sie kam und um Rat bat fühlte sie sich von dem Ergebnis verraten, betrogen und bedroht. Niemand hatte ihr Glauben geschenkt, als ein Yazir sie beleidigte und sie war gezwungen worden vor ihnen, den Yazir, um Gnade und Vergebung zu bitten. Und sie tat es demütig, gleich wie schmerzlich und erniedrigend es war. Doch schlimmer noch war die Strafe, dass man ihr – die sie sich Lebtags bemühte in Tugendhaftigkeit zu leben – die Verbannung angedroht hatte.

    Und Raniya… einst dachte Nahlah, Raniya wäre ihre Freundin. Aber Nahlahs anhaltende Trauer war für diese Freundin nicht mehr tragbar gewesen und sie hatte sie als solche verloren. Sie macht ihr jedoch keinen Vorwurf ihr nicht geholfen zu haben. Sie war Esra. Sie war eine Ehefrau. Und Nahlah hätte nicht erwartet, dass Raniya für sie die Gunst ihres Mannes auf's Spiel gesetzt hätte.

    Razry ließ sie das nie vergessen, wenn er bei ihr stand, und sein blühender Eifer ließ dem Schmerz manchmal wahrlichen Zorn. Aber er ließ sich, wie auch heute, wieder beschwichtigen von all den anderen Stimmen der Toten, die Nahlah noch nicht verlassen hatten. Und so konnte sie in gedankenvoller Ruhe den Stall ausmisten und ihnen schweigend zuhören.

    Dann lächelte sie leicht. Vielleicht hatte diese Veränderung etwas Gutes für sich.

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Nahlah Hibah Ryzan





 Beitrag Verfasst am: 06 Feb 2022 17:39    Titel:
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    Nabil und Razyr saßen wie jedes Mal, wenn sie davon träumte, über dem Schachbrett und obgleich sie sich konzentriert dem Spiel widmeten, ließen sie sich immer wieder für einen kurzen Einwand ablenken und lachten, wenn Faruk ihre Spielzüge kommentierte. Und da war Aaminah, wie sie Nadim unter ihrem bezaubernden Lächeln den Kragen des Hemdes richtete, das wieder ein wenig zu spannen begann. Razyr rieb sich durch seinen Bart und Nabil setzte sich im Wissen ob seines geschickten Zuges gerader auf, die Hände auf den Beinen abgelegt. Und auch Anisa war da, mit Nahlahs anderen Freundinnen, die bereits den Weg gegangen waren. Da war so viel Güte, soviel Liebe und Hoffnung.

    "Jetzt ist alles richtig." Sprach Nahlah und lächelte zaghaft. Razyr blickte zu ihr, auch Faruk wandte seinen Kopf in ihre Richtung und grinste sie an.

    Da kam Imraan auf sie zu und küsste wie damals ihre Stirn, sprach mit sanfter, leiser Stimme: "Da bist du ja. Wir haben gewartet."

    Sie weinte heiße Tränen und lachte gleichermaßen. Sie war glücklich. Sie war Zuhause.

    "Ich habe euch Geschichten mitgebracht."





___________________________________________

Nahlah Hibah, Blüte der Bashir, Blüte der Ifrey, Blüte der Ryzan. Einst Geschichtenerzählerin des Palastes, Leiterin des Basar der edlen Künste. Assistenz so vieler Wesire in etlichen Ämtern, Vertraute der Omar, Verlorene, Verlassene und Verratene. Geliebte. Von vielen geliebte.

Niemand zweifelte daran, dass sie sich selbst das Leben genommen hat, um in den ewigen Garten der großen Schöpfermutter einzutreten. Sie war stets ein sensibles, gescheites Mädchen gewesen und reifte zu einer unglücklichen Frau, deren Seele unter der Last gelitten und deren Herz unter dem Kummer schon vor vielen Jahren gebrochen war. Trotz ihrer Heimkehr in den Schoß ihres Elternhauses und den vielen Reisen, denen sie als Händlerin und Tuchweberin folgte, fand sie keine Heilung ihres Leidens.
Nach einer großen Vermählungsfeier im Dorf ihrer Heimat verabschiedete sie sich mit einem leisen, friedlichen Lächeln etwas früher aus dem großen Festzelt und ging zur Küste. Nahlah Hibah bedeutete Geschenk des Wassers. Und das Geschenk gab sie zurück.

Ihren erkalteten Körper, gehüllt in ein hellblaues Festgewand, spülte das Meer einen Tag später zurück an den Strand.
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