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Schiffbruch
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Boudewijn Heym





 Beitrag Verfasst am: 07 Aug 2006 14:46    Titel: Schiffbruch
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Da lag sie also die gute Emma und seufzte tief in ihren letzten Zügen. In ihren Rumpf, der auf der Sandbank entzwei gebrochen war wie ein morscher Dachbalken, strömte das Meerwasser und spülte beim Austreten die Ladung des Schiffes mit sich fort. Brauner, ungreifbarer Schlamm ergoss sich in das Meer. Lehm aus Fuachtero. Ihre letzte Fracht. Sie war nie die Primadonna unter den Schiffen gewesen, hatte sich eher wie ein bissiges Pony zwischen schnellen Wüstenhengsten und ausdauernden Maultieren dahin gekämpft, aber sie hatte lange Jahre überdauert und nicht nur den Holzwürmern ein Auskommen geboten, sondern auch ihrem Kapitän und ihrer Besatzung. Mit ihrem Untergang ging ein Traum zuende, ein Traum der über 30 Jahre gewährt hatte und den außer dem alten Kapitän und seinem Schiff niemand mehr geteilt hatte. Es war ihr kleines Geheimnis gewesen, dieser immerwährende Kampf mit dem Meer, das Ringen des bunt gescheckten Segels, auf dem unzählige Flicken prangten, mit den Winden, das Ringen des brüchigen Rumpfes mit den Wellen, unter denen seine Planken unentwegt ächzten und die Nägel quietschten. Was hatten sie nicht alles heil über die See gebracht! Stockfisch – was nichts anderes ist als gedörrter Kabeljau, Dorsch und Schellfisch und einen grausamen Gestank absondert – in großen Fässern, gesalzener Hering, kistenweise Eisen- und Kupferwaren, Tuche aus Wolle und Leinen, ganze Berge an Baumwolle, Schafswolle und Flachs, Hölzer, Felle und Horn aus den Wäldern, Weizen und Roggen von den Feldern und alles weitere, was man irgendwo nur erhandeln konnte um damit den Laderaum seines Schiffes zu füllen. Freilich die ganz großen Dinge blieben ihnen verwehrt. Nie berührten Damast oder Brokat die alten Planken des Schiffes, nie stapelten sich glänzende Waffen und Rüstungen in seinen Ecken, nie bedeckten Teppiche aus Menek’Ur den Boden und nie war es vollgestopft mit kostbaren Gewürzen und Kisten voll reinem Salz. Kein Weihrauch und kein Safran, keine Saphire, kein Silber und keine Käfige mit edlen Falken füllten den Frachtraum. Höchstens einmal Ziegen und Schafe, die aufgeregt blökten und mähten.

Seltsam kam er sich vor, als er dort am Strand saß und auf sein Schiff schaute. Er hatte immer gedacht sie würden einmal zusammen untergehen, irgendwo Schiffbruch erleiden und für immer im Meer versinken. Dass er sein Schiff überleben könnte, das war ihm nicht in den Sinn gekommen. 30 Jahre war das Schicksal von Kapitän und Schiff so eng miteinander verbunden gewesen, dass ihn die Trennung nicht weniger schmerzte als wenn er eine Frau verloren hätte. Ein Teil fehlte ihm. Vielleicht war es sogar mehr. Seit seiner Kindheit war er immer zur See gefahren, hatte fast nie etwas anderes kennen gelernt. Mit 28 Jahren hatte er sein eigenes Schiff erworben und das schien ihm der bedeutsamste Augenblick in seinem Leben gewesen zu sein. Dass jetzt Steuerbord und Backbord wieder Rechts und Links sein sollten verwirrte ihn. Noch mehr aber beschäftigte ihn die Frage, was er überhaupt mit sich anfangen sollte. Sollte er in ein Armenhaus gehen, sich dort niederlegen und auf den Tod warten ? Er hatte nie daran gedacht sich irgendwo ein Haus zu kaufen, sich niederzulassen oder zumindest Vorsorge für den Zeitpunkt zu treffen, wenn er einmal zu alt für die Seefahrt sein würde oder sein Glück ausgeschöpft. Warum auch ? Er hatte ja nie damit gerechnet, dass es so ausgehen würde. Er dachte sich fest auf den Grund des Meeres, zusammen mit dem Anker seines Schiffes, mit seinen Segeln und seinen Planken. Aber dort war er nicht. Er saß hier am Strand und in der Tasche seiner salzigen, nassen Kleidung steckte nur noch eine einzige Krone. Das also war nach 60 Jahren Schifffahrt übrig geblieben. Ein nasses Hemd, eine fleckige Hose und eine Krone in Gold. Der Verdienst eines ganzen Lebens. Seufzend betrachtete er sein gestrandetes Schiff. Boudewijn Heym, Kapitän eines Schiffswracks.
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