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Wüstentochter, Wüstenblume - Sahar Taj
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Wüstentochter, Wüstenblume - Sahar Taj
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 13 Jun 2006 16:50    Titel: Wüstentochter, Wüstenblume - Sahar Taj
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Die Nächte in der Wüste sind trügerisch. Die kurze Dämmerung schmeichelt der Haut mit einer zarten Brise und angenehmen Temperaturen. Doch ohne Warnung fiel die Kälte über das weite Land, und die Tiere wurden zu den Herrschern der Wüste.
Sahar wusste um die eisige Kälte und die Gefahren der Nacht. Dennoch saß sie Abend für Abend an der Küste Menek’Urs, fest in ihren schlichten Umhang gehüllt. Die äußere Kälte war einfacher zu ertragen als die innere, die ihr im Haus ihrer Verwandten entgegen schlug.

Nach dem unseligen Streit mit ihrem Vater war sie überstürzt in die Stadt gereist. Nur ihre Laute, die Harfe und die Kleidung an ihrem Körper hatte sie mit sich genommen.
Erst am Rand der Stadt, wo bereits der erste salzige Hauch des Meeres in der Nase kitzelte, begann sie ihre Tat zu überdenken. Im ersten Moment lähmte die Erkenntnis alle Muskeln, und sie stolperte aus wildem Gang in erschrockenen Stillstand. Was sollte sie beginnen, ohne Unterkunft, ohne Gold? Die Stimme des Vaters klang noch in ihren Ohren, wie er wütend auf sie einschrie.

„Undankbarer Balg! Komm mir nicht mehr unter die Augen, und sieh wie du alleine fertig wirst!“

Sie zog energisch die schmalen Schultern hoch. Ihr Leben lang hatte sie versucht zu tun was ihr Vater verlangte, war seinen Wünschen nachgekommen wider die eigenen Träume. Liebe hatte sie dafür nie bekommen. In ihrer Erregung, geschürt vom Feuer des Streits, erschien der Vater als übermächtiger Tyrann. Sein Ehrgeiz sollte durch seine Kinder gestillt werden, ihr Leben seinem Plan dienen. Die ungestüme, freiheitsliebende Tochter war ihm seit ihren Kindheitstagen ein Dorn im Auge. Ihre Liebe zum Gesang und zur Musik fand er wohl passend, ihre Neigung zu phantasievollen Geschichten, mit denen sie die jüngeren Geschwister erschreckte war ihm allerdings zuwider. Mit größter Strenge versuchte er die unliebsamen Triebe abzuschneiden. Nur mit Hilfe ihrer Geschwister war es ihr möglich ein wenig Freiheit zu behalten – einen heimlichen Ausritt oder ein liebevoll vorbereiter Auftritt vor der Familie. Als älteste Tochter war sie die erste, die in den Harem des Emirs geschickt wurde. Auch hier fühlte sie sich eingesperrt und flüchtete sich in ihre Musik und den Tanz. Sahar ging mit Leib und Seele in der umfassenden Ausbildung auf. In all den Jahren waren ihre jüngeren Schwestern die einzigen Menschen denen sie Einblick in ihre Träume gewährte. Ausdruck fanden diese Träume in ihrer Stimme, den Liedern die sie zu schreiben begann. Wenn sie sang, fühlte sie sich frei wie die Falken, deren Schreie man über der Wüste hören konnte. Dann verschwanden die Mauern um Körper und Geist, und sie konnte mit ihrer Seele jubeln oder trauern. Sie träumte davon, diese Kunst zu ihrem Lebensinhalt machen zu können, und es den Barden aus den Geschichten gleich zu tun. Ehrgeizig arbeitete sie an ihren Liedern, übte und arbeitete. Als der Tag näher rückte an dem sie in ihr Elternhaus zurückkehren sollte, wuchsen Erregung und Angst in ihr. Über all die Jahre hatte sie nichts von ihrem Vater gehört, sodass sie vorsichtig zu glauben begann, er hätte seine Pläne geändert. Nacht um Nacht träumte sie davon wie die Falken zu fliegen, mit ihnen die sehnsuchtsvollen Schreie in den sternenklaren Wüstenhimmel zu senden.

Wenige Wochen vor ihrer Abreise erschien der Vater und zerbrach mit einer lapidaren Bemerkung all ihre Hoffnungen. Sie könnte sich schon darauf vorbereiten in Kürze zu heiraten. Er hätte eine aussichtsreiche Verbindung mit einer mächtigeren Familie vorbereitet.
Entsetzen hüllte die Trümmer ihrer dummen Träume ein. Sie schrie, weinte, flehte und trotzte dem Vater, der wohl überrascht war aber nicht bereit ein solches Benehmen zu tolerieren. Er schüttelte sie grob bis ihr Toben zu einem leisen Schluchzen wurde. Dann verließ er den Raum.
Die Tage bis zu ihrer Abreise verbrachte sie in wilden Tagträumen von Flucht und Aufstand. Sie wollte dem Vater trotzen und ihre Träume durchsetzen. Sie sah sich stark, dem Vater ruhig in die Augen blickend und als ebenbürtiger Charakter mit ihm sprechend. Doch wie stets kam es anders. Am Abend, während einer kurzen Rast an der Oase, gerieten Sahar und ihr Vater in hitzigen Streit. All die zurückgehaltenen Träume, alle Wut und allen Trotz schleuderte sie in sein Gesicht, bis er seiner Tochter schließlich zornesrot befahl ihm nie wieder unter die Augen zu treten. Und wieder, wie stets in ihrem jungen Leben gehorchte Sahar.

Zwiegespalten war sie in die Stadt gekommen, zwiegespalten klangen seither ihre Lieder. Für die ersten Nächte war sie bei Verwandten untergekrochen. Den Streit konnte sie diesen jedoch nicht verschweigen, sodass ihr nun der Onkel mit eisigem Schweigen begegnete. Die Tante hatte ihr bereits mit sichtlichem Bedauern in den gütigen Augen erklärt, dass sie sich bald um eine neue Bleibe umsehen musste.
Und so saß sie nun Nacht für Nacht an der Küste, sich den Kopf zermarternd wie sie genügend Gold verdienen konnte um eine Unterkunft zu bezahlen. Sahar seufzte vernehmlich, sich gegen die kühle Nachtluft in ihren Reiseumhang hüllend. Selbst ihre Kleidung begann Alterserscheinungen zu zeigen. Ein Schneider, eine Unterkunft, Essen.
Ohne es sich einzugestehen begann Sahar zu verstehen, welche Konsequenzen ihre Entscheidung mit sich führte. Eine Familie bedeutete Sicherheit, Versorgung und Nähe. Ein eigener Weg erforderte Stärke und Mut. Nachts sehnte sie sich nach dem leisen Gelächter der Schwestern, nach den Brüdern die ihr in den Jahren im Harem fremd geworden waren. Vielleicht vermochte sie einen von ihnen zu finden, um auf diesem Weg um die Vergebung des Vaters zu bitten.
Doch seinem Wunsch folgen, seinem Befehl gemäß zu heiraten um ihre Träume vollends zu begraben – nein, das würde sie niemals tun.
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 14 Jun 2006 16:10    Titel:
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Die Euphorie ihrer ersten Tage war verflogen. Niemand machte ihr Vorschriften, niemand bewachte ihre Schritte. Sie war zum Götterberg gewandert und hatte Stunden an der Küste verbracht, wo sie dem freien Spiel der Delphine zusah. Die Statue Saajids im Zentrum der Stadt hatte es ihr angetan, sodass sie viel Zeit in ihrer Nähe verbrachte.

    Frei wie der Falke reise ich
    Fliege mit dir Bruder Wind


Es war eine einsame Freiheit, die Sahar umgab. Niemand bestaunte mit ihr die Wunder der Stadt, niemand freute sich mit ihr an den Fortschritten die ihre Musik durch stete Übung machte. Kein bekanntes Gesicht grüßte sie in dieser Stadt, die ihr fremd und zugleich vertraut war. Onkel und Tante wichen ihr aus, die Brüder waren nicht aufzufinden. In den langen Nächten nagte die Einsamkeit an ihr. Die Bilder ihrer Träume entstanden während schlafloser Stunden vor ihrem Auge neu. Der Falke schrie wieder, doch schmeckte seine Freiheit bitter.

    Doch fern der Liebe, einsam singend
    Bedecken dunkle Schwingen Geist und Raum
    Hüllen ein die Seele


Wenn sie in diesen Stunden sich selbst gegenüber trat, konnte sie nicht umhin zu gestehen, dass sie verblendet gewesen war. Ihre Freiheit war eine Illusion. Körperlich war sie wohl frei, konnte gehen wohin der Wind sie trug. Doch ihr Gefühl hing an ihrer Familie, an diesem Land - den tödlich schönen, ewigen Sanden. Sie hatte ihren Träumen zu sehr vertraut, sich ein freies Leben als endlose Folge von glücklichen Tagen vorgestellt.

    Wüstentochter, Wüstenblume
    War ich, bin ich, werde sein
    Ein Spross der Hitze
    Kind der Feuer


Der Alltag belehrte sie rasch eines besseren. Um sich selbst ein Leben aufzubauen brauchte es mehr als stürmisches Temperament und gute Vorsätze. Zweifel schlichen sich in ihr Herz, die sie trotzig vor sich selbst verbarg. War es denn tatsächlich die richtige Entscheidung gewesen? Sahar wälzte sich über dieser Frage Nacht für Nacht in den Schlaf.
Es war ein Morgen nach solch einer unruhigen Nacht, als ihre Tante das kleine Gemach betrat. Sie setzte sich an die Kante des schmalen Bettes und blickte ihr ruhig in die dunklen Augen.

„Akrim wünscht das du ihn aufsuchst. Solltest du es nicht tun, bist du für die Familie gestorben.“

Einen kleinen Herzschlag lang wünschte sich Sahar, diesen Schritt niemals getan zu haben. Akrim Taj war das Oberhaupt ihrer Familie, ein weiser aber strenger Mann. Seine Wünsche waren Gesetz, niemand widersetzte sich ihm ohne guten Grund. Sie hatte ihn zuletzt vor vielen Jahren gesehen, und er war ihr als Kind übermächtig erschienen.
Sie musste zu ihm gehen, wollte sie nicht alles verlieren. Nachdem der erste Schreck vorüber war, begann sie die Tragweite dieser Begegnung zu begreifen. Sahar musste den alten Mann von ihrer Berufung überzeugen, ihn beschwören. Hier konnte ihr kein Temperament, keine hitzige Argumentation helfen. Sie musste sich beweisen und stark genug sein, die Bedenken ihrer Familie aus dem Weg zu räumen. Von ihrer Überzeugungskraft und diesem alten Mann hingen ihre Zukunft ab.

    Stärke such ich
    Wüstentochter, Wüstenblume
    Stark werde ich immer sein
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 16 Jun 2006 22:13    Titel:
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    Still und leise schleicht die Nacht
    Auf samtigen Pfoten sacht
    Über heißen Wüstensand


Der Mond stand längst hoch über Menek’Ur, als Sahar noch träumerisch von ihrem Fenster aus zum Meer hin blickte. Eingehüllt in ein leichtes Laken lauschte sie den wenigen Geräuschen der Nacht. Angenehm müde lehnte sie sich dabei an die sandfarbene Wand ihres kleinen Zimmers. Heute Nacht war ihr die Erinnerung ein sanftes Ruhekissen.
Die Stimmen klangen noch in ihrem Ohr nach, das Lachen und Geflüster der Tanzenden. Der Gedanke daran bescherte ihr noch einmal die eiskalte Hand in ihrem Magen, die zittrigen Händen aus dem Moment, als sie die Gesellschaft sah die Yamaal zusammen geholt hatte. Nach dem Versprechen am Nachmittag hatte sie höchstens zwei, vielleicht drei seiner Freunde erwartet. Doch hier saßen viele, zu viele für Sahars aufgeregtes Herz. Ihr Puls beschleunigte sich stetig, trieb ihr das Blut in die Wangen. Einen Schmähgesang auf die Zwerge wollten sie hören, was die junge Bardin endgültig in Verzweiflung stürzte. Ihre selbst gedichteten Lieder drehten sich meist um die Liebe und die Heimat, die traditionellen Gesänge waren sämtliche ungeeignet. Zudem befand sich ein Festländer in der Taverne, der ein Freund zu sein schien. Sahar wurde gebeten in die Handelssprache zu wechseln, was sie auch mit leisem Zähneknirschen tat. Natürlich war es ein Gebot der Gastfreundschaft so zu singen, dass auch der Fremde es verstand, aber es würde ihr die Aufgabe nicht einfacher machen.

Sie musste sich zur Ruhe zwingen, das Publikum für einige Momente ausblenden um ihre Sicherheit wieder zu finden. Die ersten Töne kamen zögerlich, während ihre Gedanken rasten um aus dem Nichts ein Spottlied zu erfinden. Ihre Kenntnisse über Zwerge waren kümmerlich, gesehen hatte sie niemals einen. Innerlich verdrehte sie die Augen, tonlos schimpfend auf sich selbst, dass sie sich nicht besser auf diesen ersten, ihr so wichtigen Auftritt vorbereitet hatte. Die ersten Zeilen waren holprig, sie versuchte einen allgemeinen Anfang zu finden um Zeit zu gewinnen. Sie zupfte die Saiten ihrer Laute scharf, der einfachen Melodie so einen spöttischen Grundton verleihend. Ein Zwerg und ein Mensch, ja. Und der Mensch beleidigt den Zwerg ob seiner kurzen Beinchen. Sie nahm sich während des Singens vor, den Schweiß auf der Stirn und die zitternden Glieder bezähmend, auf Reisen zu gehen und kennen zu lernen wovon sie sprach. Noch einmal sollte es ihr nicht geschehen, völlig unvorbereitet in eine solche Situation zu stolpern. Langsam begannen die Worte flüssiger ihre Lippen zu verlassen, sie gewann wieder an Sicherheit.

    Und während so der Zwerg im Blutdurst sich erging
    Kam ein Wüstensohn des Wegs geschritten
    Er war erstaunt, erschrocken fast
    Ob dieses Anblicks, der bei Eluive, entschieden seltsam wirkte

    Er sah zum Mensch, der hob die Schultern
    Selbst nicht wissend was zu tun
    Sodass der Wüstensohn sich zu einem Schritt gezwungen sah

    Mit Vorsicht nähert er sich,
    Umsicht war von Nöten – war selbst ein gereiztes Schwein gefährlich
    So würde auch der Zwerg sich sträuben

    Doch ach, der Zwerg entdeckt ihn nicht,
    der war bereits am Wege, den Menschen zu bestürmen
    Wohl kaum 10 Schritt betrug der Weg,
    voll von Hindernissen,
    Steinchen, Strauch und Halm

    Erst als der Schatten des Wüstensohnes ihn bedeckt
    Sieht auf der Zwerg
    Findet gepackt von starken Armen sich und Ach!
    Geworfen in das kühle Nass des nahen Sees


Erst hier stockte ihr Lied wieder, unsicher ließ sie den Blick über ihr Publikum schweifen. Ermutigende Blicke halfen ihr in den Rhythmus zurück, und sie endete das Lied mit einem nackten Zwerg, der seiner Rüstung beraubt wie eine schimpfende, haarige Wassernymphe den Fluten entstieg. Als sie den letzten Ton verklingen ließ, war sie überzeugt versagt zu haben. Zwar hatten ihre Zuhörer gelacht und geklatscht, doch ging sie bereits ihre zahlreichen Fehler, die Ungereimtheiten des Liedes durch. Der Beifall holte sie aus ihren Gedanken, und ein zaghaftes Lächeln überzog warm ihre Züge. Das zweite Lied, eine Geschichte Saajids ging ihr leichter von den Lippen. Erst der Schluss erschien ihr unpassend, und sie nahm sich vor diesen noch zu überarbeiten. Doch selbst wenn nicht alles ohne Fehler abgelaufen war, selbst wenn sie die selbst auferlegten Maßstäbe noch nicht befriedigen konnte, war ihr Publikum doch zufrieden. Müde und erschöpft wankte sie schließlich nach Hause, nachdem noch ein kleines Tanzlied den Abend abgerundet hatte.

Sahar fühlte sie stärker als zuvor, bekräftigt in ihren Träumen. Den ersten Schritt hatte sie gewagt, und nun würde sie Akrim gegenüber treten können. Ihre Zuversicht stieg, den alten Mann überzeugen zu können. Vielleicht steckte in den alten Sprichwörtern doch ein wenig Wahrheit – in jedem Anfang wohnt ein kleiner Zauber, der den Weg erleichtert.
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 17 Jun 2006 20:57    Titel:
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Das Anwesen brummte vor Geschäftigkeit. Schon als Kind war sie von dem Haus Akrim Tajs beeindruckt gewesen. Hier lebte nicht nur die engste Familie, auch entferntere Verwandte der Taj fanden hier Unterkunft. Über all diesen Trubel, diese vielen Menschen herrschte Akrim wie ein Emir im Kleinen. Er schlichtete Streit, erzwang hier Gehorsam und sprach dort ein Machtwort.

Sahar war nach ihrer Ankunft in die Gemächer der Frauen verbannt worden, ohne nähere Angaben ob und wann das Familienoberhaupt sie anzuhören geruhte. Man ließ sie absichtlich schmoren, dessen war sie sich sicher. Anstatt jedoch ihre Unsicherheit zu erhöhen, schürte diese Taktik ihre Wut. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen und um Verzeihung flehen. Die Wartezeit kam ihr sogar recht – so konnte sie noch einmal durchgehen was sie zu sagen hatte und ein wenig Ruhe finden. Dennoch wurde ihr der Tag lang, eingesperrt zwischen Tanten und Cousinen, die kaum ein Wort mit ihr wechselten. Zuletzt griff sie zur Laute, deren dunkle, weiche Klänge sie aus der unliebsamen Gegenwart entführten. Darüber vergingen die Stunden langsam. In den Abendstunden ließ der alte Mann ausrichten, sie solle nun zu ihm kommen. Sie folgte seinem Ruf, immer noch die Ruhe ihres Spiels im Herzen.

Die Begrüßung war kühl, Akrim betrachtete seine Großnichte lediglich. Die Adleraugen unter buschigen, dunklen Augenbrauen fixierten Sahar blitzend, ihre achtungserweisende Verneigung akzeptierend. Er hieß sie nicht setzen, musterte ihre Erscheinung, ihre Auftreten eine Weile. Sie hielt dem taxierenden Blick stand, blieb aufrecht stehen. Erst nach einer Weile begann der alte Mann das Gespräch.

„Du hast deinen Vater ehrlos behandelt. Bist du dir dessen bewusst Kind?“

Seine Stimme klang nicht unangenehm, dennoch war eine zielstrebige Kraft, eine befehlsgewohnte Autorität dahinter zu spüren. Sahar spürte dieselbe Neigung, die sie als kleines Mädchen erlebt hatte – dieser Stimme Gehorsam zu leisten und ihr zu vertrauen.

„Ich habe unüberlegt gesprochen, weiser Akrim. Ich will meinen Vater für den Ton meiner Worte um Verzeihung bitten, doch nicht für ihren Inhalt.“

Seine dunklen Augen blitzten, er richtet sich auf.

„Du bist ein unreifer Balg. Hast du überhaupt eine Ahnung wovon du sprichst? Keine Erfahrung hast du, von den Ansprüchen denen eine Familie genügen muss um gesichert zu sein weißt du nichts!“

Sahar neigte den Kopf, ihre Augen blitzten wohl ob der scharfen Worte, doch war sie entschlossen diesmal eine Lösung im Guten zu suchen.

„Hört mich an Akrim, ich bitte euch. Eure Weisheit überragt die meine, wie ein Berg den Kieselstein. Lasst mich erzählen, warum es zu diesem unseligen Streit kam, und warum ich meinem Vater den schuldigen Gehorsam verweigert habe..“

Der Alte verengte seine Augen, fixierte sie stumm und winkte ihr, weiter zu sprechen.

„Ich habe mich stets seinem Willen gebeugt, habe seinen Wünschen gehorcht. Er ist mein Vater, und selbst wenn unser Verhältnis nicht auf Liebe gebaut ist, so doch auf Ehrerbietung. Ich bin bereit für die Familie Opfer zu bringen, nur eines ist mir unmöglich: Zu heiraten, ohne Liebe oder Zuneigung, eingesperrt zu sein für ein Spiel der Häuser. Seit meiner Kindheit ist es mein einziger Wunsch der Musik zu leben…“

Hier wurde sie in ihrer Rede, die von Wort zu Wort leidenschaftlicher wurde, unterbrochen. Akrim spuckte aus und knurrte leise.

„Liebe? Du bist ein kleines Vögelchen, das nur seine Lieder kennt. In dieser Welt zählen keine Lieder, keine Geschichten.“

„Weiser Akrim, Lieder und Geschichten vermögen diese Welt in kleinen Teilen zu verändern. Sie verbreiten den Ruf einer Familie, des über alles geliebten Emirs und der Schönheiten der Wüste. Sie vermögen es, Menschen umzustimmen und ihre Seelen zugänglich zu machen.
Ich mag noch jung sein, doch ich habe ein langes Leben vor mir um zu lernen. Warum sollte meine Kunst nicht auch euch dienen können?“


Das ließ ihn innehalten. Er strich sich mit zusammengekniffenen Augen über das stoppelige Kinn.

„Lass mich hören wie du spielst.“

Sahar unterdrückte ein kleines Lächeln und griff nach der Laute, die sie am Rücken trug. Sie ließ sich anmutig auf ein Kissen sinken, das Instrument auf ihrem Oberschenkel bequem lagernd. Zuerst leise, melancholisch entlockte sie der Laute eine Melodie. Je länger sie spielte, desto versunkener erschien die junge Frau. Ihr Herz schien in diesen Tönen zu liegen, ihre Seele flog darauf zu den Sternen. Auf den alten Mann achtete sie nicht mehr. Ihr Lied verselbstständigte sich und ihre Stimme schmiegte sich samtig der klaren Melodie an. Als sie zu einem Ende kam, dauerte es lange bis ihr bewusst wurde, wo sie war, und wer ihr gegenüber saß. Als sie ihren Kopf hob, sah sie für einen flüchtigen Moment die feuchten Augen ihres Großonkels. Einen Wimpernschlag darauf sah sie wieder der alte Falke an, verschlagen und streng wie zuvor.

„Nicht übel. Du willst also diesen Weg weiter verfolgen? Für die Heirat findet sich wohl auch eine andere, aber…es bleibt dennoch dein Ungehorsam und dein Verhalten. Vorerst kannst du gehen, ich werde mit deinem Vater sprechen. Er wird auf einer Konsequenz für dein Handeln bestehen, das kann ich dir voraussagen.“

Sahar verließ den Raum und auch das Anwesen mit gemischten Gefühlen. Akrim schien sie überzeugt zu haben, seine letzten Worte erfüllten sie jedoch mit Unbehagen. Ihr Vater war niemand der rasch vergaß, und seine Strenge konnte unerbittlich sein. Dieser Teil lag nun aber in der Hand des Familienoberhaupts, und sie musste ihm vertrauen.
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 21 Jun 2006 20:32    Titel:
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Dieser Tag war dazu bestimmt, als einer der schwärzesten in ihren Lebensweg einzugehen. Ihr Onkel hatte im Morgengrauen erklärt, sie nur noch eine Woche in seinem Haus zu beherbergen. Spitzzüngig hatte er darauf hingewiesen, sie wolle doch so gerne auf eigenen Beinen stehen – bitte, das war die Gelegenheit. Sie schluckte die Erwiderung seufzend, und verließ mit Wut im Bauch das Haus. In der Türe hielt sie ihre Tante auf, Sahar ein kleines Paket mit süßen Kuchenstücken und Obst in die Hand drückend. Es tat ihr wohl weh zu sehen, wie der kleine Sturkopf behandelt wurde, hatte jedoch keine Handhabe zu helfen. Im letzten Augenblick hielt sie Sahar noch einmal zurück.

„Dein Vater lässt dir etwas bestellen.“

Die junge Frau zog die schmalen Schultern hoch, innerlich gewappnet für den Schlag.

„Er akzeptiert deine Entschuldigung. Aber er verlangt, dass du, sollten er und Akrim einen passenden Mann für dich finden, diesen heiratest.“

Sahar biss die Zähne fest zusammen um all die Worte zurück zu halten, die wie hässliche Kröten hervorsprudeln wollten. Sie senkte die dunklen Augen, die Tränenflut vergeblich zurückhaltend.

„Was bleibt mir denn anderes übrig?“

Die Tante strich ihr sanft über die langen Locken.

“Es wird schon werden Kind. Eluive kennt viele Wege….“

Sie versuchte sich an einem Lächeln, und legte ihre Lippen leicht auf die Wange der guten Frau. Dann wandte sie sich ab. Sie hatte damit gerechnet, das wohl. Aber es war dennoch ein herber Schlag. Widerspruch würde ihr nichts nützen, denn mehr als einmal würden sie ihr wohl eine eigene Entscheidung nicht zugestehen. An ihrem Lieblingsplatz, einem stillen Ort an der Küste unter einer schatten spendenden Palme ließ sie sich fallen. Wütend wischte sie die verräterischen Tränen von den Wangen. Es hatte ja doch keinen Sinn heulend umherzulaufen wie ein kleines Mädchen. Wenn sie Respekt haben wollte, musste sie ihn sich verdienen. Selbst in ihrem Zorn musste sie sich eingestehen dass sie trotz aller Streitigkeiten an ihrer Familie hing. Dennoch wollte sie nicht von Gunst und Interessen abhängig sein. Es musste einen Weg geben sich selbst versorgen zu können – dann würde ihr Vater auch nur schwerlich einen Grund finden sie zu verheiraten. Sahar schob vorsichtig ihre Maske vom Gesicht und betastete die feinen Linien der Narbe. Die Wunde, die sie sich in ihrer kopflosen Wut nach dem Streit selbst beigebracht hatte, verheilte gut. Nur zarte, helle Linien blieben zurück und bildeten das Zeichen für "Falke". Sie hatte es bereut nachdem sie sich das erste Mal im Spiegel betrachtet hatte. Doch jetzt begann sie die Narbe zu akzeptieren. Sie war der Ausdruck für ihren Entschluss, sich niemals kampflos in einen dieser prächtigen Käfige sperren zu lassen, die die arrangierte Ehe darstellte.
Mit einem tiefen Seufzen grub sie die Spitzen ihrer Sandalen in den Sand. Sie würde nachdenken, und das gründlich. Einen Weg gab es immer – sie musste ihn nur finden.
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 27 Jun 2006 23:22    Titel: Feuer
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Das Feuer loderte, verzehrte mit leisem Knacken das trockene Holz. Gierig fraßen sich die Flammen ihren Weg, durchzogen von Rottönen und rußigem Schwarz. Es spendete Wärme und Licht zugleich, erhellte die kühle Nachtluft der Wüste. Sahar saß im Schneidersitz davor, in einen weiten Mantel gehüllt. Sie wärmte ihren Körper an dem launischen Element, ihre Seele war jedoch auf Reisen in den verschlungenen Pfaden der Erinnerung. Die Stimme ihrer ersten Lehrmeisterin, welche ihre Liebe zur Musik geweckt hatte, erklang leise wieder.

„Lausch dem Klang der Saiten genau Kind. Eine jede von ihnen steht für eines der Elemente. Erde, Wasser, Luft und Feuer entstanden durch Eluives Lied, und in allem was du um dich siehst kannst du die Schwingungen noch spüren. In jedem Lebewesen ist eines der Elemente besonders mächtig – so wie in dir, kleiner Vogel.

Auch jetzt, als erwachsene Frau musste sie lächeln. Radja war eine wunderbare Frau gewesen. Geduldig hatte sie dem quirligen Kind erklärt, die tausenden Fragen beantwortet die wie ein Wasserfall aus ihr hervor sprudelten. Im Scherz erklärte sie stets, Sahar nur deshalb das Lautenspiel beizubringen um ihren Fragenquell versiegen zu lassen. Denn wenn das kleine Mädchen die Laute auf den Knien hatte war es still, versunken in die Töne die sie dem Instrument entlocken konnte.

„Aber Radja, die Laute hat fünf Saiten! Und es gibt nur vier Elemente.“

Wie stets war die Lehrerin auch jetzt geduldig und strich Sahar den wilden Haarschopf aus der Stirn.

„Gut das du fragst mein Vögelchen. Die fünfte Saite ist die wichtigste, denn sie verbindet alle Elemente. Man könnte sagen, sie ist der Geist der in allem steckt, die Grundmelodie des Liedes. Sie ist auch am schwersten zu verstehen, denn sie verbindet alle Gegensätze in sich. Nur die besten Musiker versuchen sich daran, eine Melodie auf Grundlage der Seele zu spielen. Und diese Melodien werden nur für den Emir gesungen, denn sie sind sehr wertvoll.“

Die Unterhaltung mit Hadiya und Ismaael hatte sie wieder zu den Lehren ihrer Kindheit geführt. Sie hatten über eine Ode an die verzweifelte Hemdschneiderin gelacht, über eine Hymne für Ismaael. Der Gedanke gefiel ihr zusehends, und sie betrachtete beide nachdenklich. Hadiya war wie das Wasser, sprudelnd, lebhaft und veränderbar. Dennoch war sie im Kern stets dieselbe, voll von Lebensfreude. Und doch bezweifelte sie nicht, dass auch in ihr eine wilde Kraft verborgen lag. Ismaael dagegen hatte in seinem Wesen einen anderen Grundton. Sie konnte das Feuer in seinen Augen sehen, in den kurzen Augenblicken wenn seine Fassade bröckelte. Ja, das Feuer war sein Element.
Doch es war ungemein schwierig dieses Wissen auch umzusetzen. Ihre Laute war störrisch, die Töne wehrten sich der Vorstellung Sahars zu gehorchen. Die Saite des Feuers sollte den Grundton bilden, die Melodie bestimmen und tragen. Auch das Wasser entzog sich ihr, spottete ihren Versuchen und floss seine eigenen Wege. Sie brauchte Ruhe und Konzentration um es zu versuchen, und so wurden ihr die Nachtstunden zu vertrauten Freunden. So nahm sie Nacht um Nacht ihre Laute zur Hand und spielte bis ihre Finger sich der Melodie verweigerten. Als Kind waren ihr die Geschichten der Elemente und die Lehre vom Lied der Mutter so schlicht und einfach erschienen. Nun erkannte sie die Tiefe dieses Gedankens und die ungeheure Schwierigkeit, die hinter einem wahrhaften Barden lauerte. Ein gutes Lied, ein wahres Lied musste seinen Gegenstand verstehen und in seiner Vollkommenheit erfassen. Und wo konnte dieses Unterfangen schwerer sein als bei einem Menschen, den nicht nur die äußere Hülle, die oberflächlichen Eindrücke ausmachten? Es erforderte einen geschulten Blick, der auch die Details wahrnehmen konnte. Und es war reizvoll, einen Menschen zu betrachten, die tieferen Regungen unter der Alltagsoberfläche zu erkunden. Sie musste weiter beobachten, weiter lernen – vielleicht würde sie dann den Weg zu den Melodien finden.
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Sahar Taj





 Beitrag Verfasst am: 04 Jul 2006 21:15    Titel:
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    Wurzelt die Kälte tief in dir
    Entfach ein Feuer
    Lass es brennen, tosen, glühen
    Und alles was dir teuer
    Wird im Funkenregen neu erblühen


Licht und Schatten waren zwei Seiten einer Medaille. Leben und Tod, Liebe und Hass, Freude und Trauer – all diese banalen, elementaren Dinge des alltäglichen Daseins. Es war einfach die dunklere Seite zu verdrängen. Selbst in der Wüste, wo der Tod allgegenwärtig scheint und die Natur sich gegen jedes Lebewesen erhebt. Innerhalb der schützenden Stadtmauern, umgarnt von einem genussvollen Leben vergaß man die Rauheit dieser Welt rasch. Wie hatte Ismaael halb spöttisch erklärt?

"Dort draußen gibt es keinen Komfort für kleine Prinzesschen.“

Sie würde ihm die Wahrheit seiner Worte niemals zugestehen, und doch war sie unleugbar vorhanden. Obwohl ihr die Familie zürnte, sie in dieser Stadt nur wenige Freunde hatte lebte sie in großem Luxus. Luxus den sie sich nicht selbst erarbeitet hatte, den sie weder verdiente noch genießen sollte. Wer die Wärme des Feuers verstehen wollte, musste auch die Hitze kosten. Sahar begann in der Auseinandersetzung mit ihren Liedern zu verstehen. Alles, jedes Detail, jeder Gegensatz war von Bedeutung. Wenn sie wirklich lernen wollte das Leben in seiner ganzen Fülle zu begreifen, würde sie nicht in einem Leben voller Annehmlichkeiten verweilen können.
Und sie wollte lernen, war hungrig nach diesem Leben. Das Feuer, das sie in Ismaael gesehen hatte brannte auch in ihrem Herzen. Es wollte diese Welt kennen lernen, sie verstehen und erkunden. Frei wie die Falken, deren Schreie in letzter Zeit wieder leiser geworden waren. Zu beruhigend, zu angenehm war dieses Leben. Vielleicht fiel es ihr darum so schwer ihre Gedichte, ihre Lieder zu schreiben. Die Leidenschaften waren stets der Quell aus dem ihre besten Texte entstanden. Und in diesen Tagen voll von harmlosem Gelächter am Abend und geteilten kleinen Freuden verlor sich ihr Antrieb und die Neugierde. Immer mehr fühlte sie die Bereitschaft sich niederzulassen und sich dem Strom des Alltags zu ergeben. Und das durfte nicht sein. Wenn sie soweit war, würde sie auch eines Tages die Tatsachen akzeptieren und den Mann heiraten, den ihre Familie bestimmte. Es wäre einfach und vielleicht wäre er, wie Kemail ihr aufmunternd erklärt hatte, auch ein wunderbarer Mensch. Vielleicht würde sie ihn sogar lieben können – doch das wäre schlimmer als alles andere.

Die Liebe erschien ihr als etwas grausam schönes, voll von Widersprüchen. Sie sah wohl das Leuchten in Hadiyas Augen und kannte die Lieder von erfülltem Liebesglück. Doch sie kannte auch Enttäuschung, Verzicht und Schmerz. Wollte sie sich diesem Spiel hingeben, sich freiwillig Einschränkungen auferlegen? Die menekanische Tradition war in diesen Punkten strikt, wenn sich auch viele Frauen für ein Leben außerhalb der Ehe entschieden. Und so sehr sie sich auch gegen ihre Familie sträubte, so sehr war auch diese Tradition in ihr verwurzelt. Eine Ehe war heilig. Und sollte sie ihre Zustimmung zu einem solchen Bund geben, würde sie ihren Teil der Pflichten erfüllen und alle Träume begraben.
Gerade darum lief sie davon. Die Liebe war eine Falle, gut getarnt und in wunderschönem Gewand. Seit einigen Tagen regte sich Unruhe in Sahar. Sie musste aus diesem Kreis der gleichförmigen Tage ausbrechen, um neue Inspiration zu finden. Sie würde fliegen wie die Falken es taten – frei wie der Wind.
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