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Unsichere Wege
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Claude Gesconne





 Beitrag Verfasst am: 05 Mai 2006 05:20    Titel: Unsichere Wege
Antworten mit Zitat

Als er das Geäst in die Glut nachlegte und in den klaren Sternenhimmel sah, dachte er noch einmal darüber nach, warum er überhaupt wieder hier draußen in der Wildnis war. Aber im Grunde genommen wusste er das natürlich schon, es war bloß eine dieser Fragen die er sich immer stellte wenn ihm langweilig war.

Er war hier, weil er hoffte sie wieder hier draußen zu finden, so wie er es durch Zufal zweimal tat, einmall vor zwei Tagen und das andere mal gestern. Als er sie das zweite mal wieder sah...


…als er sie wieder sieht, wie sie in ihrer Robe vor dem Feuer sitzt, wie sie zu ihm aufsieht, da kann er sein Lächeln nicht unterdrücken. Ihr Gespräch beginnt, wo es gestern geendet hatte, als sie ihn gestern plötzlich wegschickte hatte. Er hatte das als Abweisung verstanden und glaubte nicht, sie noch einmal zu treffen. Doch nun sitzt sie wieder neben ihm und lehrt ihm das über Alatar, was sie weiß oder wovon sie glaubt dass es richtig ist ihm zu lehren.

Sie ist nun seine Schwertmeisterin, Laheria ist ihr Name. Sie erläutert ihm das, was sie die kleine Flamme nennt, die man im inneren spürt. Man soll lernen dieses Feuer, diesen Zorn zu bändigen und zu kontrollieren, denn es ist ein Geschenk des Herrn. Und nur durch das Kontrollieren dieser Flamme kann man die Macht erreichen, die der Herr einem jeden von ihnen schenkt, wenn sie nur lernen mit dieser Flamme zu leben. Das glaubt er jedenfalls.

Sie besteigen eine Gruft, in der sie ihm den ersten Schritt beibringt, die Flamme zu erahnen und sie zu nutzen. Viele Skelette fallen unter ihren Hieben zusammen. In einer Abbiegung verliert er sie aus den Augen und als er sie wieder auffindet, ist ihre Robe völlig zerfetzt und voll von Brandflecken, die man auch in ihrem Gesicht erkennt. Als sie zusammensackt stützt er sie, und als er noch auf sie einredet erscheint eine Gestalt im Gang. Zuerst glaubt er, dass die gerüstete Gestalt zu den Skeletten gehört, doch der Mann murmelt nur ein paar Worte und dunkle Schatten fallen auf die Wunden der Verwundeten. Dann verschwindet der Fremde wieder.

Er bringt sie aus der Gruft heraus und draußen, an einem Fluss angekommen heißt sie ihm, nach Rahal zu gehen. Er soll den Ahad aufsuchen und ihm von ihr ausrichten, dass er, Claude, nun bereit sei dem Herrn zu dienen. Er verneint dies und sagt, dass er sie nicht alleine lassen kann, wo sie verwundet und krank ist; außerdem hört er ihre unterschwellige Botschaft heraus, dass sie ihn nicht länger unterrichten will oder kann, und er will sich noch nicht von ihr trennen. Doch aufgrund ihrer Entschlossenheit findet er sich dann doch auf dem Weg nach Rahal wieder.

Dort angekommen streift er auch die Straßen auf und ab. Als er einen patrouillierenden Gardisten antrifft, fragt er nach dem Ahad, doch er kann ihm auch nicht weiterhelfen. Als er weiter suchend durch die Stadt schlendert, hört er schnelle Schritte von hinten und der Gardist tippt ihn an, und als er sich umdreht zerrt der Mann ihn an seinem Zopf mit. Bei diesem schnellen Griff nach seinen Haaren schlägt er reflexartig in das Gesicht des Gardisten, doch dieser nimmt den Schlag hin, als würde er ignorieren was gerade passiert ist. Er atmet tief durch und kann sich nicht aus dem Griff befreien und der Gardist zieht ihn mit in ein Gebäude. Dort angekommen herrscht ihn ein Mann mit weißem Zopf an: „NAME!“

Er erzählt dem Ahad das, was Laheria ihm gesagt hatte, dass er bereit sei dem Herrn zu dienen, doch der Mann scheint nicht sonderlich an ihm interessiert, und als er nicht mehr über seine Frau erfahren kann, lässt er Claude wieder gehen. Die Stadt ist ihm irgendwie unsympathisch geworden. Er geht zum Tempel und betet dort kurz, ehe er wieder zum Wald aufbricht.

Er findet sie dort am Ufer liegend vor und als er sich nähert erwacht sie aus ihrem Schläfchen. Sie erzählt ihm, warum sie nicht nach Rahal zurück kann. Da sie aber ziemlich krank ist, und ihre ernstzunehmenden Huster nicht unbemerkt bleiben, besteht er darauf, dass sie einen Heiler aufsucht. Nach Bajard oder Varuna kann sie nicht wegen dem Krieg, sie würde sich wohl als Verräterin fühlen, wenn sie zu den Heilern des Feindes geht, denkt er sich und schließlich stimmt sie doch ein und sie machen sich auf den Weg zum Heiler Rahals.

Unterwegs werden sie nicht aufgehalten und gehen schnurstracks zum Haus der Alchemisten und des Heilers. Sie ruht sich auf einem Bett aus und die Alchemisten brauen ihr einen Trank und nach einer Weile kann sie schon wieder ohne große Beschwerden selbst gehen. Sie verlassen den Heiler um wieder zurück in den Wald zu gehen, sie möchte wohl immer noch nicht hierher zurück. Auf dem Weg zur Stadtmauer hält eine Gardistin sie beide an und fragt, was hier los ist. Als Laheria sich umdreht erkennen sich beide wohl wieder, Laheria nennt sie Schwester. Sie scheinen sich lange nicht gesehen zu haben, jedenfalls will die Gardistin Laheria hier behalten, diese lehnt jedoch ab, woraufhin die Gardistin ihr Vorwürfe macht. Er verharrt während dem Gespräch abwartend im Hintergrund. Am Ende willigt Laheria dann doch ein, mit ihr mitzukommen. Die Gardistin will nicht, dass er mitkommt. Laheria wirft ihm einen prallgefüllten Goldbeutel zu und sagt, er solle in der Taverne warten. Er befühlt stirnrunzelnd den Beutel und nickt nur stumm. 1000 Goldmünzen waren darin. Wollte sie ihr schlechtes Gewissen freikaufen? Dabei musste sie doch keines haben, er würde einfach kurz in der Taverne auf sie warten. Sie war ihm doch nichts schuldig. Also trennen sie sich und er macht sich auf zur Taverne.

Gelangweilt sitzt er dort einige Zeit herum, isst dort etwas und sieht sich dann wieder in der Stadt um. Langsam wird er ungeduldig, und aus der Ungeduld wird Enttäuschung. Vor der Taverne sieht er nach einem Rundgang eine Frau vor der Taverne, die ebenso gelangweilt aussieht wie er. Sie heißt Klara und nach einem kurzen Gespräch stellt sich heraus dass sie Schneiderin ist. Er zeigt ihr das Handwerkshaus, wo wie vermutet niemand ist.

Also gehen die beiden auf seinen Vorschlag hin wieder zur Taverne und trinken etwas. Laheria hat ihn sitzen gelassen, ihm ein paar Goldmünzen gegeben damit er sich ein bisschen besser fühlen soll und ihn wahrscheinlich just in diesem Moment vergessen. Glaubt er zumindest. Vielleicht kann er bei dieser Frau ein wenig Trost finden. Nunja, sie ist zwar keineswegs mit seiner Schwertmeisterin zu vergleichen, ihr fehlt diese Weisheit und diese Aura der Ruhe, von der gewissen sprachlichen Eleganz ganz zu schweigen, aber sie ist attraktiv genug um sich mit ihr zu vergnügen.

Nach ein paar Bier die er für beide ausgibt, legt er zwei Schnapsflaschen auf den Tisch und reicht ihr eine davon. Draußen wird es langsam dunkel. Beide sind nun recht angetrunken und er ist sich ziemlich sicher, dass er sie bald so weit hat, dass sie gerne ein kleines Schäferstündchen mit ihm halten wird. Mit diesen Gedanken öffnet er die Schnapsflaschen und beide trinken davon. Er sieht sich im Schankraum um und findet ein Hinterzimmer mit Karten, Schachbrettern und Tischen zum Würfeln. Wie passend. Sie trottet auf seinen Vorschlag hin hinter ihm her und sie entscheiden sich zu würfeln. Einsatz ist, wer niedriger würfelt, legt ein Kleidungsstück ab.
Nach einigen Runden sitzten beide in Unterhose da, er gafft immer wieder auf ihre Brüste, als sich plötzlich die Türe öffnet. Eine Frau mit blutrotem Haar sieht die beiden kurz an und knallt die Türe dann wieder zu. Er beachtet das nicht weiter, er denkt nur noch an das Fleisch vor ihm. Als er die letzte Würfelrunde verliert und er die Unterwäsche ablegen muss, steht er auf, stellt sich neben sie und sie zieht ihm die Hose aus, als er ihr sagt, dass sie es tun soll. Er beugt sich herunter und drückt sie zu sich, küsst sie auf den Mund und vergeht sich an ihrem Körper. Doch als er sie ganz vom Stuhl herab ziehen will, drückt sie ihn von sich. Sie will es nicht hier tun, sagt sie, weil die Leute noch nebenan sein könnten. Also verlassen beide die Taverne und er sucht hastig nach einem geeigneten Ort, um sich an dieser unschuldigen Frau zu vergehen.

Überall Wachen. Auf dem Hafen öffnet er das kleine Lagerhäuschen und als sie gerade eintreten hört er ein lautes „Halt!“ von draußen. Eine Gardistin kommt herein und will wissen, was die beiden hier tun. Sie spricht davon, dass Rahal im Krieg steht und man nicht einfach so in die Hafenlagerhäuser gehen kann. Er verflucht sein Pech und versucht die Gardistin so gut es geht zu beschwichtigen. Doch Klara spricht kecke Worte und treibt die Gardistin so weit, dass diese sie für eine Nacht in den Kerker sperren will. Er kann nichts mehr für sie tun, wahrscheinlich würde er es nur noch schlimmer machen da die Gardistin ihm auftrug zu verschwinden, also versteckt er sich in einem Gebäude nebenan und schleicht den beiden hinterher quer durch die Stadt. Plötzlich spricht ihn eine andere Gardistin an, was er da tue. Nun kann er das mit Klara vergessen, denkt er sich und er macht der Gardistin klar, dass er kein Vagabund oder Spion ist. Sie begleitet ihn zum Tempel, wo er nicht betet, sondern kurz wartet, um sich wieder draußen in der Nacht umzusehen.

Er verflucht die Götter für sein Pech und gerade als er durch die dunklen Straßen schlendert läuft die Gardistin vom Hafen auf ihn zu.
„Ihr seid festgenommen.“
„Festgenommen wofür?“
„Ihr werdet wegen Belästigung gesucht.“
Belästigung? Wen sollte er bitte belästigt haben. Dass Klara die Situation bei den Wachen als eine unsittliche Belästigung darlegen könnte, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Doch im Gefängnis angekommen merkt er auf bittere Weise, dass genau das der Fall ist.
Er traut seinen Ohren und Augen nicht. Wenn er sie belästigt hatte, warum hatte sie dann kein Wort gesagt als sie in der Taverne saßen, warum hat sie ihm so zugelächelt und seine Hand gestreichelt? Er kann das nicht glauben. Die Gardistin, deren Name wohl irgendwas mit Rhi oder so ähnlich ist, tut ihr übriges dazu, dass er seine Fassung verliert. Als sie ihn in den Magen boxt, weil er wieder unerlaubt gesprochen hat, schubst er sie von sich und beinahe greift die andere Gardistin ihn an, doch die Situation beruhigt sich wieder bevor es zu schlimmerem kommt.
Am Ende lautet die Anklage eine Nacht im Kerker oder 1000 Goldmünzen Bußgeld. Er entscheidet sich für das Bußgeld und muss innerlich über die Ironie lachen. Laheria hatte ihm das Gold gegeben, als sie ihn zurückließ und nun ist es genau die Summe, um nicht im Kerker zu landen. Eigentlich könnte er die Nacht auch im Kerker verbringen, 1000 Goldmünzen sind für ihn viel Gold, doch im Grunde genommen will er es nicht. Er glaubt, Laheria hat es ihm nur gegeben, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Es ist ihm lieber wenn dieses Gold weg ist.

Während der „Verhandlung“ kommt auch eine Templerin Alatars als Zeugin hinzu (die Rothaarige, die die beiden im Hinterzimmer erwischt hatte) und als Claude gehen darf, begleitet sie ihn mit einer Gardistin zum Tempel, damit er Buße vor dem Herrn tun kann. Sein Bußgebet stellt sie nicht ganz zufrieden und eine Diskussion über das Geschehene und die Regeln Alatars beginnt. Im Grunde genommen meint sie es gut, das weiß er, aber diese voreingenommenen Ansichten machen ihn wütend. Sie glauben, er hätte Klara wirklich Belästigt und behandeln ihn auch dementsprechend.
Belästigen… als ob er so etwas nötig hat! Schließlich verlässt er den Tempel und macht sich wieder auf in die Wildnis, in der Hoffnung, dort vielleicht Laheria wieder zufällig zu begegnen…
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Claude Gesconne





 Beitrag Verfasst am: 19 Mai 2006 02:50    Titel:
Antworten mit Zitat

Wie lange war er nun schon auf Gerimor? 2 Wochen, vielleicht etwas mehr, und trotzdem war ihm diese Insel noch immer fremd. Er hatte sich zwar ein Zimmer im Rahaler Gasthaus gemietet und war nun Bürger der Stadt, aber das einzige, was ihn mit den meisten der Menschen hier verband war ihr Herr, der Eine, gepriesen sei sein Name. Das Stadtleben war eintönig, jeder ging seiner Wege und wenn man einen glücklichen Tag erwischte, war einer von fünf Anwohnern, die an ihm vorbei gingen, nicht in Stress um ihre Arbeit vertieft und hatten Zeit für einen kleinen Plausch. Das kam aber seltener vor, und so verging die Zeit für ihn ohne viele Veränderungen. Was aber nicht bedeutet, dass es überhaupt keine gegeben hat.







Als er einmal durch die Straßen schlendert und den Sonnenschein genießt, dringen plötzlich Kampfgeräusche an sein Ohr: metallen hartes Klirren von Stahl das aneinander schellt, erschöpftes Keuchen und Stöhnen, das jeden Hieb der Kämpfer begleitet, Platten und Kettenglieder, die geräuschvoll aneinanderprasseln; Übungskämpfe in der Arena. Er sieht den Kriegern zu und darunter ist auch sie, Laheria. Als sie ihren Kampf beendet, verlässt sie die Arena und grüßt ihn. Ein guter Zeitpunkt sie wegen der Garde zu fragen, ob es eine gute Idee wäre, dieser beizutreten. Aber nicht hier. Als er sie gerade fragt, ob sie woanders miteinander sprechen könnten, hört er eine Stimme, die ihm nicht fremd ist, er kann sie nur noch nicht genau zuordnen:
„Herrin, wer ist euer Freund hier?“
Claude sieht nun zur Seite zur Arena hoch und erkennt den Kerl, dem er schon vor der Rahaler Mine begegnet war.

„Er ist geduldet, mehr sollte und wird euch nicht interessieren.“ Antwortete Laheria, „oder habt ihr ein Problem damit?“
Claude nennt im Verlauf des Gesprächs seinen Namen, den der Blonde erfahren will, da er kein Geheimnis daraus macht. Der Kerl gibt einen Kommentar von sich, der doppeldeutig ist; er glaubt, dass Laheria und Claude miteinander verkehren, und nein, nicht die harmlose Form. Eigentlich sollten Claude solch unreifen und närrischen Worte nicht überraschen, die natürlich unwahr waren, wo der Bursche da oben noch ein halber Junge und grün hinter den Ohren war, aber dennoch war er ein Gardist der Stadt. Ein seltsames Gefühl, wenn man vor einer ehrbaren Organisation mit einem Schlag ein Stück Achtung verliert, bloß wegen seiner schwarzen Schafe.
Laheria besteigt wieder die Arena, sie ließ sich anscheinend diese Respektlosigkeit nicht bieten und fordert ihn zum Kampf; der Bursche (wie Claude ihn immer nennt, da er seinen Namen nicht kennt) lehnt ab. Das Gespräch geht weiter, der Bursche nennt Claude einen Wicht, und es stellt sich heraus, dass er eifersüchtig auf Claude ist, da Laheria laut den Worten des Burschen nie so viel Zeit mit ihm verbracht hat wie mit Claude. ‚Was für ein charakterschwacher Narr’ denkt Claude und die Situation ist nun so peinlich, dass er sich ein Stück für den Burschen mitschämen muss.
Als Laheria und Claude gehen wollen, erscheinen zwei Frauen vor der Arena, Elanora Askar, die Principae (oder wie auch immer man diesen Rang auch nennt, denkt Claude) und eine Frau in nachtschwarzer Rüstung.
„Achtung!“ ruft die Principae durch die Arena und wendet sich der Frau in Schwarz zu; alles ist still in der Arena, bis auf die Stimme der Gardistin. Sie berichtet der Legata, wie sie diese selbst nannte, davon, dass Claude sich um einen Platz bei der Garde bewerben wollte. Er erinnert sich daran: er ging vor ein paar Tagen zur Gardisterei um sich ein wenig über das Leben als Gardist zu informieren; aber beitreten wollte er erst, wenn er mit seiner Lehrmeisterin gesprochen hatte. Also korrigiert er die Gardistin und die Legata scheint darüber nicht erbaut. Sie fragt ihn aus warum er nicht will, ob die Garde ihm zu schlecht sei, ob es ihm am Glauben mangele und er erklärt ihr, dass er zuerst mit seiner Lehrmeisterin darüber sprechen will, ehe er sich entscheidet. Es stellt sich heraus, dass die Legata eine Ritterin des Herrn Alatar ist; sie rät ihm, sich einen Lehrmeister zu suchen, der sich besser auskennt und nicht an allen Enden schwächelt und demonstriert ihren Stand, indem sie so etwas wie einen Segen auf Claude spricht. Er fühlt den hitzigen Zornimpuls in seiner Schädelmitte, der plötzlich heiß aufpocht, Zorn auf die Ritter seiner Heimat, die seine Eltern getötet hatten, Zorn auf die Templer Temoras, die seiner Gemahlin nicht helfen konnten, als diese todkrank war und im Sterben lag. Aber auch Zorn über die Ungerechtigkeit der Ritterin vor ihm, die solche Worte über seine Lehrmeisterin spricht, obwohl diese ihre Schwester im Glauben und im Krieg ist.
Einen Moment steht er nur mit geballten Fäusten und grimmigem Blick da, aber als er sich wieder allmählich beruhigt erklärt er der Ritterin, dass es ein großer Schritt wäre und er es sich genau überlegen müsse, sie möge ihm verzeihen. Er geht mit ihrem Einverständnis und sucht Laheria auf, denn er will immer noch ihre Meinung über die Garde hören.








Bis heute war er der Garde nicht beigetreten und manchmal fragte er sich, ob das so eine gute Idee gewesen ist. Aber wenn er an Kerle wie den blonden Burschen dachte, dann verflüchtigten sich diese Fragen wieder schnell. Laheria sah er kaum noch, sie kam nur noch selten aus ihrem Anwesen heraus, aber er musste trotzdem jeden Tag an sie denken. In der folgenden Zeit hatte er nicht viel mit seinen „Mitbürgern“ zu tun gehabt.

Zwischenzeitlich hatte er eine Liaison mit einer Varunesin, welche aber auf Grund seiner und ihres Glaubens nicht einmal eine Woche hielt. Er verließ sie, als sie ihm ein Ultimatum stellte: Alatar oder sie. Er hatte nicht lange überlegen müssen und ihr einen Abschiedsbrief geschrieben.

Er hatte auch die Kinder des Herrn, die Letharen, kennen gelernt. Bey’xeruna war der Name der Letharin der er begegnete (was wohl sicher die falsche Bezeichnung für ihren Stand oder Beruf war, aber für ihn hieß es einfach Letharin) und er wollte mehr von ihr über ihr Volk erfahren. Er hatte in seiner Kindheit Geschichten darüber gehört, dass Alatar selbst die Letharen erschaffen hatte, weshalb ihn seine Faszination über diese Wesen nicht wunderte. Durch sie und ein paar andere Dunkelhäutige lernte er ein wenig mehr über die Kinder des Einen.

Dann war da noch Lamira, die junge Dame, die ihn gestern so freundlich beim Handwerkshaus empfangen hatte. Eine Seltenheit in dieser Stadt, aber er hatte sich an die Kälte gewöhnt; umso mehr freute ihn dann die Anwesenheit eines solchen Menschen. Sie gab ihm sogar ein Mahl, das er nicht abschlagen konnte weil er wirklich etwas hunger hatte. Er fragte sie, wie alt sie sei (da sie ihm heute viel älter als sonst vorkam, was vielleicht auch an diesem überaus reizenden Lächeln lag) und ob sie hier im Handwerkshaus lebte. Sie sagte, er solle selbst schätzen, was das Alter betrifft. Er glaubte, dass sie um die 18 ist, und sie stimmte ihm zu: „In etwa.“ Was ihr Zuhause betraf, sie hatte ein Haus im Norden gemietet und als sie fertig gegessen hatten, zeigte sie es ihm. Es war ein nettes Haus, kein Palast, aber fertig eingerichtet wäre es sicher ein gemütliches Heim. Als sie von einem geplanten Keller und Garten sprach, erzählte sie vom riesigen Garten den sie zuhause gehabt hatten, und so erzählte sie ihm von ihrer Geschichte, wie diese Bestien ihr Dorf überfielen und sie selbst dabei beinahe umgekommen wäre. Nachdem er sie getröstet hatte plauderten sie noch ein wenig, dann musste er wieder gehen.
Bei der Verabschiedung riet sie ihm noch, der Frau seines Herzens seine Liebe zu gestehen (darüber hatten sie nur kurz gesprochen), und trotz seiner Einwände (zum Beispiel die Kleinigkeit, dass ihr Mann ein Ahad Alatars ist) hatte sie es irgendwie geschafft ihn umzustimmen. All die Tage hatte er es für sich behalten, und es würde gut tun es endlich auszusprechen, egal was sie sagen mochte. Sein Verstand sagte ihm, dass sie ihren Mann nicht verlassen würde und dass er es nicht einmal versuchen sollte, sie ihm wegzunehmen, denn das wäre ihr beider Todesurteil. Aber er wollte ihre Ehe und ihrer beider Leben ohnehin nicht gefährden. Er musste es einfach nur aussprechen, musste es ihr einfach sagen.

Als er sie dann einmal zu Gesicht bekam, musste er erst einmal den Atem anhalten, denn er erkannte gleich die Wölbung an ihrem Bauch. Darum sah man sie also so selten. ‚Egal, Claude, ignorier das, sag es ihr einfach und dann kannst du meinetwegen weglaufen oder was auch immer.’ Als er die drei Worte aussprach, reagierte sie ungefähr so, wie er es erwartet hatte, (eigentlich hatte er sich mehrere Szenarien ihrer Reaktion vorgestellt, und das war eine der harmloseren). Sie sagte ihm, dass sie bereits einen Mann habe den sie liebt und dass sie das nicht tun kann. Nach ein paar weiteren Worten lächelte er ihr zum Abschied freudlos zu, dann verließ er sie. ‚Das ist gar nicht so schwer gewesen, Kumpel, jetzt musst du nur noch aufhören an sie zu denken und wir sind auf der Gewinnerstraße’ dachte er auf eine gespielt humorvolle Art, als wollte er sich selbst etwas vormachen und sich dadurch aufmuntern, was aber nicht so recht gelingen wollte.
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Claude Gesconne





 Beitrag Verfasst am: 29 Mai 2006 15:58    Titel:
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Vorgeschichte
Die Geschichte eines Menschen ist sein Charakter.


Kapitel I – Vansrikt



Wir schreiben das Jahr 226, im Südwesten Alathairs, unzählige Seemeilen entfernt von Gerimor, liegt die unscheinbare Insel Vansrikt. Sie wurde vor über hundert Götterumläufen von Aerogon, Kapitän einer einfachen Handelskogge, entdeckt und - nach seinem Adelsschlag auf dem Festland - besiedelt. Seither herrschte er als Graf von Vansrikt und seine Adelslinie überstand die Jahre des Aufbaus bis heute in Frieden; so steht es zumindest in den Büchern geschrieben. Die Leittugenden Aerogons waren Rechtschaffenheit und der Glaube an die Herrin (Temora). Aerogon schlug so einen aggressiveren Weg im Umgang mit Heiden, Ketzern und Verbrechern ein, als es die Adligen auf Gerimor taten.

Diese Leittugenden übernahm auch Idirion von Vansrikt, der Urenkel von Aerogon, als er die Herrschaft im Jahre 193 (im Alter von 34 Jahren) übernahm, doch er setzte sie anders um, denn ihm fehlte die nötige Härte für diese gnadenlose Innenpolitik. So war er der einzige und erste Graf, der Heiden, Ketzer und Hexen nicht jagte und dem Fegefeuer übergab. Bei seinem Amtsantritt verkündete er (durch Pergamente und Herolde im ganzen Land weitergegeben), dass die Tage der Verfolgung von Ketzern vorbei seien. Er dulde sie nicht in seinem Lehen, aber sie seien willkommen in den Klöstern der Herrin - und ihnen würde kein Leid geschehen - um Buße zu tun. So sie dies nicht akzeptieren wollten, bot er ihnen die Ausreise aus Vansrikt an. Er hatte sogar eine Flotte eigens für diesen Zweck bereitgestellt, und in den Klöstern und auf einigen Schiffen fanden sich tatsächlich Menschen, die seinem Ruf gefolgt waren. Doch konnte er nicht jeden durch seine gutmütigen aber auch naiven Worte überzeugen, denn dazu hätte es mehr gebraucht. Viele blieben weiterhin bedeckt was ihren Glauben anging.
Idirion war auch bekannt dafür, in regelmäßigen Abständen durch seine Ländereien zu reisen, um sich sein Volk und die Arbeit seiner Barone mit eigenen Augen anzusehen. Durch diese repräsentative Nähe zu den Menschen – so etwas war vorher auf Vansrikt noch nicht dagewesen – deckte er einige Ungerechtigkeiten seiner Barone auf und wurde so schnell beliebt bei den einfachen Bürgern und Bauern. Die Insel blühte während seiner Ära auf.

Umso erschütternder ging im Jahre 225 die Nachricht um (als Idirion 67 Sommer alt war), der König habe das Bett seit Monaten nicht mehr verlassen und leide unter einer schweren Krankheit. Gerüchte gingen um, dass Ketzer des Einen oder Hexen einen Pakt mit einem Dämonen geschlossen haben sollen, welcher als Gegenleistung dem König diese Krankheit brachte. Diese waren jedoch vollkommen gehaltlos, wurde Idirion doch sogar an manchen Stammtischen abschätzig als Heidenfreund bezeichnet.
Und so verstarb der Graf im Frühjahr 226, hinterließ seine Zwillinge Cael und Aeran, welche bald seine Nachfolge antraten, ein Lehen mit aufblühender Wirtschaft und zufriedenem Volk, und durch seinen Tod das Chaos.

Als er noch im Sterben lag schrieb er in sein Testament, dass Vansrikt geteilt werden müsse, denn beide Söhne konnten nicht Graf über das eine Lehen werden. So übernahm Cael den Nordteil, Hethland, welches für seine reichen Rohstoffvorkommen im Narbengebirge und die dichten Tannenwälder bekannt war. Aeran übernahm die Jotensmark, deren Anblick die weiten Weiden und Wälder prägten und aus der in den letzten Jahrzenten das wilde Volk der Oggen vertrieben wurde (so erzählt es die Geschichte; in Wirklichkeit wurde das nomadische Volk aus dem Kirathwald ausgerottet, als Aerogon neuen Raum für sein Volk schaffen musste).

Die Zwillinge hatten keine Wahl, als das Vermächtnis ihres Vaters anzunehmen. Jeder von ihnen hätte liebend gerne den anderen tot gesehen, um alleiniger Herrscher zu werden, doch sollte ihnen das nicht vergönnt sein. Mit dem Ableben von Idirion starb auch die gutherzige Politik auf Vansrikt. Jeder der beiden Zwillinge erhöhte die königlichen Abgaben, die Bauern mussten wieder den Frondienst leisten und es war ihnen nicht erlaubt, das von ihnen bestellte Land zu verlassen. So sie dies versuchten, würde sie ein königlicher Soldat erschießen, so steht es im königlichen Gesetz zu Hethland und in ähnlicher Form in dem zu Jotensmark geschrieben. Auch kündigten beide Grafen an, dass die heilige Läuterung auf ihrem Grund und Boden fortgesetzt werden würde. Der 1. Paragraph des Gesetzes sagte es deutlich: Wer ketzerisches tut und spricht, die Farbe des Brudermörders trägt, eine andere Macht als die Herrin oder Cirmias preist oder anderweitig das Wort gegen die Herrin und ihre rechtmäßigen Herrscher auf Vansrikt erhebt, dessen Seele werde gereinigt im läuternden Feuer, auf dass auch sie Einzug erhalte in ihrem Reich. Beide bereiteten sich auf etwas vor, und die Gemütslage der Bevölkerung änderte sich binnen wenigen Wochen schlagartig.

Und im Sommer diesen Jahres, inmitten dieser Zeit der Veränderungen, wurde er, Claude, auf einem kleinen Hof in Hethland als Sohn eines schlichten Holzfällers und einer Bauersfrau geboren. Ganz Recht, diese Geschichte handelt nicht von einem Adligen, einem Drachentöter oder einem Erretter holder Prinzessinnen, sondern von einem gebürtigen Bauernlümmel.
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Claude Gesconne





 Beitrag Verfasst am: 30 Mai 2006 17:04    Titel:
Antworten mit Zitat

Ein Kind ist ein Engel,
dessen Flügel in stetigem Maße schrumpfen,
umso mehr es von seiner Welt kennen lernt.


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Kapitel II – Leben für deine Saat


Die meiste Zeit seiner Kindheit verbrachte Claude in einer kleinen, runden Lehmgrube im Haus (an die er sich bei manchem Alptraum heute noch erinnert), während seine Eltern und seine drei älteren Geschwister entweder auf dem Hof arbeiteten oder den Frondienst beim Baron leisteten. Mit vier Jahren schaffte Claude es jedoch immer wieder aus dieser ungefähr 35 Zentimeter tiefen Grube auszubüchsen, weshalb er seitdem auf dem Acker mithelfen musste. Die Arbeit war hart und es gab nur einen undankbaren Lohn: ein Teil der Ernte (der Größte) ging an den Baron de Narseau, einer wurde am Markt von Erntetreff – dem Markt für all die Bauern in der Umgebung – verkauft und der letzte Teil blieb ihnen selbst. Und wenn es auf dem Acker daheim gerade keine Arbeit gab, nahm sie einer der hiesigen patrouillierenden Soldaten mit auf die Felder des Barons, um…


Der Soldat sieht zu Claude und Zsisell, seiner 3 Jahre älteren Schwester, herüber, als die beiden gerade das letzte Stück aufgelockerte Erde ausgesät haben. Claude erwidert den Blick des Mannes einen Moment unsicher, es ist das zweite Mal dass er einen Soldaten auf ihren Feldern sieht. Dann ein fragender Blick zu seiner Schwester, doch ehe sie erklären kann, was der Herr möchte, ruft der Fremde etwas zu ihnen:
„Heda! Ihr beiden! Wenn ihr hier fertig seid, dann kommt mit auf den Hof de Narseau. Da gibt’s noch ’ne Menge Arbeit. Und du“, dabei sah er zu Zsisell, „trödel nicht wieder so herum, alles klar?“

Sie folgen dem bösen Herrn ohne Widerrede, und auf dem Weg zur fremden Burg sieht Claude immer wieder zurück zu seinem Zuhause; der Mann schüchtert ihn aber dermaßen ein, dass er sich nicht traut etwas zu sagen, nicht einmal leise zu Zsisell. Ob er wohl wieder nach Hause kommt und Mama und Papa wieder sieht? Wo waren sie gerade? Wohin bringt der Mann sie? Er versteht das alles nicht und er könnte losheulen, wenn er sich nicht so sehr vor diesem grobschlächtigen und übellaunigen Soldaten fürchten würde.
Während dem Marsch nach Norden sieht er schon die Burg in der Ferne, und nach ungefähr 30 Minuten sind sie nah genug, dass man die Banner und die Wachen auf den Zinnen und vor dem Tor sehen kann. Der Soldat ändert nun aber seine Richtung und steuert auf die Felder zu, auf denen bereits einige in einfache Kleider und Lumpen gekleidete Männer und Frauen arbeiten. Und da vorn ist ja Mama! Er wischt sich heimlich ein paar unvergossene Tränen aus den Augen und rennt gerade auf sie zu, als er plötzlich Hände an seinen Schultern fühlt die ihn hochheben. Die Stimme des Soldaten lässt ihn erstarren:

„Wo willst du ’n hin, Kleiner? Wenn du noch mal versuchst wegzulaufen“, spricht der widerliche Fremde mit einem schiefen Grinsen, bei dem sich ein paar schwarze Zähne zwischen die weißen gemischt haben, und klopft mit einer Hand auf seinen Bogen am Rücken, „dann schieß ich dir ’n Loch in den Kopf, du kleiner Hosenscheißer. Verstanden?“ Claude nickt hastig mit weit geöffneten Augen. Das ist keine Schüchternheit und unterschwellige Furcht vor Fremden mehr, dieser Soldat machte ihm so sehr Angst, dass er nur wie eine Statue dastehen kann, wenn dieser ihn ansieht. Der Mann scheint nun zufrieden und geht weiter, Claude und Zsisell folgen ihm. Aus den Augenwinkeln kann er sehen, dass seine Mama das alles mit angesehen, aber nichts getan hatte. Warum nicht? Vielleicht kennt sie den Mann ja und vielleicht ist er gar nicht so böse. Aber trotzdem hat er ganz schöne Angst vor ihm.

Der Soldat bringt sie auf ein ungenutztes, hartes, aber mit einem Seil umzäuntes Stück Land. „Hier, das lockert ihr auf. Während dem Winter sind zwei Ochsen umgekommen, also macht ihr das hier alleine. Einen freien Pflug haben wir grad auch nicht da. Da vorne liegen aber zwei Spitzhacken. Bei Sonnenuntergang komm ich wieder, und dann ist hier alles fertig.“ Der Soldat klopft nocheinmal auf seinen Bogen, während er die beiden vollkommen ruhig ansieht. Dann verschwindet er wieder.

„Claude“, sagt seine Schwester, als dieser sich hinsetzt und anfängt leise zu weinen, während die Mittagssonne auf sie herab scheint, „das ist nicht so schlimm. Wir müssen nur ein bisschen hier arbeiten dann dürfen wir wieder nach Hause. Manchmal holt uns auch der nette Soldat ab, der singt auch auf dem Weg mit uns schöne Lieder!“ Der Vierjährige wischt sich über die Augen und sieht dann zu den Spitzhacken. „Die sind doch viel zu groß“ murmelt er vor sich hin und seine Schwester zieht eine der beiden Hacken am Boden schleifend zu ihm. „Ja, wir müssen eine zusammen benutzen. Guck mal, da vorne ist Gilbert“ sagt sie überrascht und winkt ihrem zehnjährigen Bruder zu, der gerade Samen über ein Feld ausstreut. Dieser sieht kurz mit ausdrucksloser Miene zu den beiden, nickt schwach und fährt dann mit seiner Arbeit fort. Er wirkt ausgelaugt, sowohl körperlich als auch geistig.

Claude und Zsisell benutzen zusammen die Spitzhacke, sie hebt sie etwas an und er zielt so gut es geht – und überaus vorsichtig, um nicht zu sagen ängstlich – auf die Stellen in der Erde, die sie noch nicht aufgelockert haben. Nach einer halben Stunde tun ihm die Arme weh, und sie haben gerade erst ein gutes Viertel des Feldes aufgelockert. Doch Furcht kann ungemein motivieren, also ignoriert er vorerst dieses jämmerliche Gefühl in den Armen, das sich langsam auf die Schultern und die Seiten ausbreitet. Es ist, als würde ihn irgendetwas auf den Boden ziehen wollen, als hätte er Metall in den Armen und den Schultern, und er weiß von der Feldarbeit daheim, dass wenn er sich jetzt hinlegt, er vor Erschöpfung nicht mehr aufstehen kann. Also macht er weiter, einfach weiter, nicht hinsehend wie viel sie schon gemacht haben. Plötzlich sieht er schwarze Punkte vor seinen Augen und er lässt die Hacke fallen, seine Schwester ruft noch seinen Namen und fragt etwas unverständliches, aber die schwarzen Flecken bewegen sich wie Schmetterlinge und vermehren sich, bis er nur noch schwarz vor Augen sieht.



Er erwacht in einem kleinen, mit einer Wandfackel und einer Kerze beleuchteten Raum. Die Wände sind aus großem Stein gehauen, das hier ist nicht sein zuhause. Er sieht sich um und seine Schwester lächelt ihn an.
„Ich dachte schon du stehst gar nicht mehr auf! Du warst mehr als 10 Stunden bewusstlos. Weißt du, ein Soldat sagte, dass unsere Arbeit in Ordnung ist und wir gehen dürfen. Wie geht es dir?“
Claude hält sich den Kopf und murmelt ein ‚geht schon’ als er aufsteht. Sie verlassen die Burg und gehen nach Hause.



So kam es, dass der Junge fast genau so viel Zeit auf fremden Äckern verbrachte, wie auf dem eigenen. Manchmal durfte er auch mit auf den Markt von Erntetreff, um seiner Mutter beim anpreisen der Waren zu helfen…


Sie sind jetzt schon ungefähr eine Stunde auf dem Karren unterwegs und Claude quengelt schon ein wenig herum: „Wann sind wir endlich da Mama?“ – „Das fragst du schon das vierte Mal, noch einmal und ich werfe dich vom Wagen“, sagt sie während sie das Pferd mit den Zügeln anspornt, aber sie sagt es mit der liebenswürdigen Stimme, die nur Müttern eigen ist.

Ein paar Minuten später sehen sie die ersten Dächer in der Ferne. Das ist ja eine richtige Stadt! Claude hatte sich bei Erntetreff einen kleinen Markt vorgestellt, so einen wie sie ihn auch manchmal in der Nähe bei ihrem Hof abhielten, aber das hier ist etwas ganz anderes. Als sie den Palisadewall durchschreiten, kontrollieren die Wachen ihre Waren.
„Gerste, Roggen, Weizen, Toffeln… alles klar, die sind sauber“, spricht der Wachmann zu seinem Kollegen und sie werden eingelassen. Die Straßen sind ungepflastert und noch matschig vom Regen, dennoch herrscht auf der Hauptstraße und in den Gassen reges treiben. Er sieht einen Mann mit einem Handkarren, der ständig mit der kleinen Glocke in seiner Hand läutet und etwas ausruft:
„Temoramesse! Kommt und holt euch euren Segen! Temoramesse! Heute bei Sonnenuntergang beim Schrein der Herrin!“ Claude sieht sich weiter um. Drei Frauen sitzen vor einem der vielen Häuser und scheinen über dies und jenes zu tratschen, vor ihnen steht jeweils ein großer Wasserkübel, neben ihnen ein Berg von Wäsche. In einer Gasse unterhalten sich zwei Männer mit weiten Kapuzen. Ein älterer Junge rennt lachend quer über die Hauptstraße einem von Schlamm besudelten Schwein hinterher und wird dabei beinahe von ihrem Pferd umgeritten. Und endlich kommen sie im Herzen der Stadt, dem Markt, an.

Der Fünfjährige sieht sich mit großen Augen um. Der Markt alleine ist so groß wie ihr Grundstück mit allen Feldern zusammen! Jedenfalls fast, genau kann er es wegen der Menschenmenge nicht sagen. Es riecht auch komisch. Den Geruch von Vieh kennt er schon, aber hier schleichen sich auch Düfte von Fisch, frisch gegerbtem Leder und fremdartigen Gewürzen in seine Nase. Seine Mutter steuert langsam auf einen der vielen Marktstände zu und er erkennt auch ein paar vertraute Gesichter, Bauern von daheim.
„Da seid ihr ja endlich“, begrüßt sie Frenia, eine ältere Bauersfrau, die man kaum noch auf den Feldern sieht, „hier, hab’ dir deine Seite freigehalten Anea.“

Das Verkaufen ist eintönig, irgendwer kommt vorbei, sieht sich das aufgestellte Getreide und die Kartoffeln an und nimmt vielleicht etwas davon mit. Die Stadt hingegen ist alles andere als langweilig. Als seine Mutter nicht hinguckt stiehlt er sich heimlich unter dem Tresen davon und läuft durch den Markt. Boah, so viele Menschen hat er noch
nie gesehen! Das müssen mindestens tauuusende sein. Aber da es hier so überfüllt ist, sieht er als Winzling nichts, also verlässt er den Markt als sich die Möglichkeit dazu bietet. Er geht mit aufgeregter Miene durch die Straßen und Gassen und sieht sich alles genau an.

Nachdem er schon eine Weile durch die Stadt trottet, hört er hinter sich plötzlich Hufgeräusche. Er sieht zurück und kann gerade noch zur Seite ausweichen, bevor die Pferde und der Wagen ihn um den Haufen reiten. Seltsam, die beiden Kinder, die auf dem Hinterteil des Wagens sitzen und ihn ansehen, sind ganz anders als er. Ihre Haut ist viel heller, ihre Kleidung sauberer und ihr Haar ist so … rein. Claude sieht ihnen hinterher, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwinden. Nun ist er neugierig und rennt in diese Richtung, in der Hoffnung sie nocheinmal zu sehen. Und da sind sie auch, der Wagen steht vor einem mehrstöckigen Haus und ein Mann hilft den Kindern herunter. Claude versteckt sich noch hinter der Ecke eines Hauses, aber als die Erwachsenen ins Haus gehen atmet er tief durch, tritt aus seinem Versteck heraus und geht auf die beiden zu, ein älterer Junge und ein Mädchen in seinem Alter. Der Junge holt gerade irgendetwas aus dem Karren und murmelt dabei halb laut vor sich hin, während das Mädchen zu Claude sieht. Er sieht sie und den anderen Jungen eine Weile an, ehe er sie mit zaghafter anspricht: „Hallo, ich bin Claude“ – „Hallo Claude, ich bin Anissa“, antwortet sie und lächelt freundlich. Der Junge dreht sich vom Karren zu ihnen und sieht mit verdutzter Miene zu Anissa, dann zu Claude und wieder zu ihr. „Anissa! Komm rein und sprich nicht mit den Minderen“, meint er in schroffem Ton und funkelt Claude einen Moment unfreundlich an, ehe er sie am Arm packt und mit sich ins Haus zerrt. Sie gibt nur ein leises „He!“ von sich, folgt ihm dann aber. Der Fünfjährige sieht den beiden verdutzt und eingeschüchtert hinterher. … Mindere?

Als der Junge am späten Nachmittag zurück zum Markt schlendert, läuft seine Mutter auf ihn zu und umarmt ihn kniend. „Bei allen guten Göttern, da bist du ja Claude! Wo
warst du?“ – „Hab mir nur ein bisschen die Stadt angesehen“, murmelt er schuldbewusst, als ihm klar wird wie es seiner Mutter erging. „Komm jetzt … dich nehme ich noch mal mit zum Markt“, sagt sie kopfschüttelnd, aber mit einem erleichterten Lächeln.

Als sie wieder zuhause sind, erzählt Claude seinem älteren Bruder Larn und seinen Eltern von den beiden Kindern und fragt was Mindere sind. Sein Vater winkt schon bei der Beschreibung ab und erklärt verächtlich: „Adlige. Vergiss die. Die kennen nur ihre Welt auf ihren Höfen und Burgen. Wenn du mich fragst, sind
sie die Minderen, wo sie doch nicht mal selbst arbeiten und nur von dem leben, was sie erbten. Aber das bleibt unter uns, das darfst du keinem von denen sagen, hörst du Claude? Sonst machen die dir das Leben zur Hölle.“ Claude nickt stumm und widmet sich wieder seiner Kartoffelsuppe. Später denkt er noch oft an die Begegnung in Erntetreff, aber jeder in seiner Familie gibt ihm ähnliche Antworten: Hochnäsig, Selbstgerecht, Weltfremd, Menschenfeindlich … aber Anissa sah überhaupt nicht so aus, als würden eines der vielen Dinge die ihm erzählt werden auf sie zutreffen.
Und morgen geht es wieder zum Gehöft des Barons.



So streichen die Jahre ins Land, Anissa oder andere Adlige sah er seither nicht mehr, aber das sollte auch nicht für immer so sein.
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Claude Gesconne





 Beitrag Verfasst am: 02 Jun 2006 01:57    Titel:
Antworten mit Zitat

Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
klingt ein Lied mir immerdar;
oh wie liegt so weit, oh wie liegt so weit,
was mein einst war!


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Kapitel III – Asche und Rauch


Vier Jahre waren vergangen, seit seiner ersten Reise nach Erntetreff und seiner Begegnung mit Anissa. In den letzten beiden Jahren waren die Ernten so schlecht, dass sie nicht genügend Nahrung für den Winter hatten. So kam es, dass im Winter 234 seine drei jüngsten Geschwister die Hungerzeit nicht überstanden. Claude beobachtete einmal, wie sein Vater die Soldaten anflehte, die gerade die Abgaben an den Baron überprüften, dass sie nicht alles mitnehmen sollen, da seine Kinder hungerten. Diese blieben auf seine Worte hin jedoch stumm. Es waren harte Zeiten und die Kornkammer des Barons drohte zur Neige zu gehen. Seine Familie war nicht die einzige, die unter der schlechten Ernte litt. Er sah, wenn er durch das Land ging, an manchen Höfen wie Familien, und meist Templer mit ihnen, ihre Kinder beerdigten. Überhaupt waren viele Prediger Temoras in diesen Tagen auf den Ländereien unterwegs. Sie sprachen den Menschen Mut zu, wenn sie gerade Familienangehörige verloren hatten, und versprachen, dass bessere Zeiten kommen würden, so wie der Tag stets auf die Nacht folgte. So kam es, dass an einem Morgen ein Priester Temoras auch an ihre Türe klopfte, um…

Claude sitzt mit Larn und Zsisell in einem der beiden Zimmer, sie passen auf den Jüngsten in der Lehmgrube auf. Dann pocht es an der Türe, vier mal. Sie sehen sich einen Moment unschlüssig an. „Erwarten wir jemanden?“ Larn schüttelt den Kopf, macht aber keine Anstalten aufzustehen. Wieder klopft es. „Macht auf!“, hören sie ihren Vater aus dem anderen Zimmer rufen, „Macht verdammt noch mal auf!
Claude steht schnell auf und eilt in das andere Zimmer, sieht seinen Vater und seine Mutter bei seiner jüngsten Schwester knien. Sie hat dieselbe Krankheit, die auch Vert, Lisell und Hirs hatten, bevor sie sich überhaupt nicht mehr bewegten … bevor sie tot waren. Dann geht er weiter zur Türe und öffnet sie. Ein alter Mann mit gestutztem, grauen Bart, hellblauen Gewandungen wie er sie von den Templern der Herrin hier kennt und einem großen Wanderstock lächelt ihn milde an, aber aus seinen Augen sprechen Trauer und Mitgefühl.
„Der Segen der Herrin mit dir, mein Sohn. Sind deine Eltern zu sprechen?“

Sie unterhalten sich jetzt schon seit über einer Stunde. Claude will gerade aufstehen und nachsehen, Larn hält ihn aber zurück. Sie sollten noch nicht gestört werden. Ab und zu hören sie, wie jemand auf den Tisch schlägt, kurz darauf ruft sein Vater wütend: „Wo ist sie denn nun? Wir können nicht warten, bis der Winter alle unsere Kinder von uns nimmt!“ Zsisell verzieht das Gesicht und Claude läuft ein Schauer über den Rücken. Nach einer weiteren Stunde hören sie die durch die Türe gedämpfte Verabschiedung und dann das laute Türknallen. Sein Vater scheint seit dem Besuch des Mannes nur noch aufgebrachter zu sein. „Warum kommen sie nicht mit einem Sack voll Brot, anstatt unnütze Worte zu sprechen!“

In derselben Woche klopft es wieder an der Türe. Wieder öffnet Claude, da seine Eltern seine jüngste Schwester beerdigen. Der Templer hatte den Ort schon wieder verlassen, also mussten sie sie ohne den Segen der Herrin in das Reich der Toten übergeben.
Der Mann, der nun vor der Türe steht, trägt nur eine schmucklose, graue Kutte. Er lächelt nicht und sieht den Jungen eine Weile stumm und mit nichts sagender Miene an, ehe er das Wort erhebt. Seine Stimme klingt etwas leise und tonlos: „Deine Eltern. Sind sie da?“

Wieder müssen sie sich in das Hinterzimmer verkriechen. Diesmal hält Claude sein Ohr an die Tür, da ihn der Fremde ein wenig verängstigt, aber auch neugierig gemacht hat. Doch seine Eltern und der Fremde sprechen so leise, dass er kein Wort versteht. Zu seiner Überraschung endet das Gespräch nach wenigen Minuten und sein Vater öffnet die Tür zu ihrem Zimmer. „Kommt, es gibt Hirsebrei!“ Seltsam, diesmal klingt er besser gelaunt und seine Augen sehen auch anders so. So wie die von jemandem, der neue Hoffnung geschöpft hat.

In den nächsten Tagen packen sie alles, was sie dringend benötigen, in die paar Lederbeutel und Rucksäcke die sie haben. Bei Larns Frage nach dem Warum winkt sein Vater nur ab: „Darüber kann ich noch nicht mit euch sprechen, vertrau uns einfach.“
Sie sind nicht die einzigen, sein Vater erzählt, dass viele der Bauern hier einen ‚kleinen Ausflug’ unternehmen wollen. Morgen wollen sie in der Frühe aufbrechen und Claude soll noch die letzten leeren Krüge füllen. Also schnappt er sich die drei Behälter, verlässt in hüpfendem Schritt das Haus, bemerkt die beiden Soldaten nicht, die sich an einem Baum unterhalten und immer wieder zu ihrem Gehöft herübersehen, und macht sich auf den Weg zum Fluss, der ein gutes Stück weit weg ist.
Als er mit erschöpften Armen zurücktrottet, sieht er mehrere Rauchsäulen am Horizont. Seltsam. Als er näher kommt, sieht er, dass der Rauch aus den brennenden Häusern der Bauern aufsteigt. Er lässt die Krüge fallen und läuft weiter, und dann sieht er es: auch sein Haus steht in Flammen. Einen Moment steht er reglos da, als wolle sein Verstand die Realität nicht akzeptieren. Drei Soldaten mit Fackeln in den Händen kommen vorbei, sie scheinen sich hitzig über etwas zu streiten, ehe zwei von ihnen weiterziehen. Der Übriggebliebene wirft seine Fackel zu Boden und sieht zu den brennenden Häusern, dann zu Claude.

„Warum stehst du hier herum?“ fragt der junge Mann mit ruhiger Stimme als er zu dem Jungen geht. Claude dreht seinen Kopf zu ihm, ohne sich zu rühren. Nun war es also aus. Sie hatten sein Haus verbrannt, vielleicht waren seine Eltern und Geschwister sogar drinnen gewesen als das geschah. Und nun würden sie ihn auch erledigen. „Meine Eltern … und Geschwister … sind sie tot?“ – „Nein. Komm mit“, antwortet der Soldat, der die Tränen in den Augen des Jungen sieht. Der Mann wendet sich um und murmelt ein „Grundgütige, dafür werden sie mich hängen, wenn das rauskommt“. Er sieht nicht einmal zurück, ob der Junge ihm folgt. Sie leben also noch. Claude atmet erleichtert auf und folgt dem Soldaten.



Arbor, der junge Soldat, marschierte mit dem Jungen im Schlepptau bis nach Erntetreff. Er hätte ihn ebenso gut in die Kaserne, die keine Meile von den Höfen der Ketzer entfernt lag, bringen und ihn in die Zelle seiner Eltern stecken können, doch er musste nun etwas Richtiges tun, etwas, damit er sich nicht selbst verachtete. Er hatte die Blicke der Frauen und Kinder gesehen, als sie abgeschleppt wurden, hatte die Schreie derjenigen gehört, die sich in den Häusern versteckt hatten, bevor diese verbrannt wurden. Dieser Junge war vielleicht die einzige Rettung seines Seelenheils, denn dieser ganze Wahnsinn hatte nichts mehr mit der Herrin zu tun. Doch wer konnte dem Grafen schon widersprechen? Die Templer schwiegen seit Monaten, seit Beginn dieses mörderischen Feldzugs und wer konnte es ihnen schon verübeln? Nun, die Hundertschaften der Angeklagten vielleicht, aber wer sonst? Widerspruch bedeutete Verrat, und Verrat bedeutete den Tod. Als Kind lehrte ihn seine Großmutter stets die reinen Tugenden der Herrin, und nun war er hier, in der Armee des Grafen, eingeteilt in das Regiment des Barons de Narseau, um zu morden. Wenigstens diesen Jungen hier wollte er vor dem Scheiterhaufen bewahren, wenigstens einen.

In der Stadt angekommen brachte er ihn vor das Weisenhaus. Er erklärte dem Jungen, dass er, wenn er weiterhin leben wolle, jetzt lügen musste. Als Weisenkind sollte er sich ausgeben, das seine Eltern nie gekannt hat und ziellos durch die Baronie reiste, und nun durch Zufall von diesem Weisenhaus hörte. Eine zugegebenermaßen nicht allzu glaubwürdige Geschichte, aber die Zeit drängte. Der Neunjährige nickte stumm und der Soldat klopfte ihm auf die Schultern. Als der Junge ihn über seine Eltern ausfragen wollte schüttelte der Soldat schweigend den Kopf. Dann ließ er ihn alleine.
Wenigstens einer …
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Claude Gesconne





 Beitrag Verfasst am: 03 Jun 2006 03:09    Titel:
Antworten mit Zitat

Kapitel III – Teil 2


Nun war er hier im Weisenhaus, der nette Herr Arkhos hatte ihm scheinbar geglaubt und ihm sein Zimmer gezeigt. Noch am ersten Tag fragte Claude ihn und auch andere Erwachsene, was mit den Ketzern geschehen würde, von denen er auf seiner Reise gehört hatte. Kinder sind keine guten Lügner, und so hatte Arkhos eins und eins zusammengezählt und war sich sicher, dass Claude aus demselben Grund hier war, wie die in den letzten Tagen hierher gekommenen Kinder. Sie hatten ihre Eltern bei der Läuterung oder im Krieg verloren. Ach ja, es herrschte Krieg. Mit Beginn der Läuterung vor acht Jahren hatte der Graf Cael seinem Bruder den Krieg erklärt. Anfangs ging es nur um einen kleinen Wald an der Grenze der beiden Grafschaften, der seit Jahrzehnten für die Bewohner dieser Region als heilig galt; Gerüchten zufolge wurde in diesem Wald der weiße Sternenadler gesichtet, ein Wesen von höchster Reinheit mit zwei Augen, die wie Sterne leuchteten, ein Geschöpf der Herrin persönlich. So brach zuerst der Streit zwischen den Hethen und Joten an der Grenze aus, und dieser wurde bald zu einem Streit zwischen den Baronen, bis Cael und Aeran sich persönlich an der Grenze trafen. Jeder beanspruchte den Wald für sich und niemand war zu einem Kompromiss bereit. Bei dieser Begegnung erklärte Cael Aeran schließlich den Krieg. Seitdem wurden alle Männer ab dem Alter von 14 Jahren - oder noch früher, wenn sie kräftig genug waren - in die Armee von Hethland eingezogen.
Doch zurück zu Claude. Arkhos wusste was der Graf mit den Ketzern vorhatte. Doch er log den Jungen an und erzählte, dass diese auf eine Insel gebracht wurden, die weit weit weg lag. Nicht jede Wahrheit eignete sich dazu, dass man sie sagte. Und der Junge glaubte ihm das.
Die Soldaten und Bürger von Erntetreff kannten den Termin des Dankfestes der Herrin allerdings seit Wochen auf den Tag genau, und so kam es, dass ein etwas älterer Junge im Weisenhaus ihm von der Verbrennung der Ketzer in fünf Tagen berichtete. Er konnte nicht mit Gewissheit sagen, ob seine Familie darunter war, aber er musste es mit eigenen Augen sehen. Aber was, wenn sie darunter waren? Was sollte er dann tun? Was könnte er tun? Diese Fragen brachten ihn nicht weiter, im Gegenteil wurde er sogar wütend über seine Ungewissheit, und so kam es, dass der Junge am Morgen des großen Festtages mit der Hilfe von Pierre, einem Jungen in seinem Alter, mit dem er sich schnell angefreundet hatte, so wie es bei Jungen üblich ist, aus dem Fenster des Weisenhauses kletterte, ohne eine Vorstellung zu haben, was ihn erwarten würde, ohne…


Ohne etwas im Kopf zu haben, was einem Plan im Entferntesten ähnelt, steigt Claude über die Fensterbank. Wie er zurückkommen soll, ohne erwisch zu werden, weiß er auch nicht. Aber das ist nun unwichtig. Er wirft Pierre einen Blick zu. „Alles sauber, es ist niemand gekommen. Los, beeil dich trotzdem!“, spricht der Rothaarige leise und drängend hinter dem Fenster und flüstert dann abschließend: „und komm bald zurück!“, ehe er das Fenster herunterzieht. Claude sieht sich um. Diese Gasse ist ihm fremd, aber er wird schon zurechtkommen. Eine schwarze Katze tapst seelenruhig an ihm vorbei und als sie neben ihm zum stehen kommt, faucht sie zu ihm hoch. Der Junge presst einmal die Lippen zusammen und Zweifel überkommen ihn. Was ist, wenn seine Eltern und Zsisell und Larn und Gilbert unter den Angeklagten sind? Will er es überhaupt sehen? Er schüttelt die Gedanken ab und verlässt die Gasse mit entschlossenem Schritt, die Katze faucht ihm zum Abschied leise hinterher.

Als der Junge die letzten Tage zu dieser Stunde aus seinem Fenster geblickt hatte, war die Stadt noch verschlafen und die Straßen leer gewesen. Doch jetzt wirkt die Stadt wie ausgetauscht, als hätte er all die Tage von seinem Zimmer aus auf eine falsche Kulisse geblickt und sei nun durch einen glücklichen (oder unglücklichen) Zufall irgendwie in der lebendigen Version von Erntetreff gelandet. Aus den Gassen drängen immer wieder große und kleine Gestalten heraus, die meisten Bauern, ihrer Kleidung nach zu urteilen; die Hauptstraße ist gefüllt wie seit Monaten nicht mehr, dabei ist es gerade mal Vormittag, und die Menge hat ein gemeinsames Ziel: den Markt. Er folgt dem Strom. Er würde ihm sogar folgen, wenn er es nicht wollte, so wie ihn die Menschen hinter ihm vorwärts drängen. Als er einmal beinahe zu Boden geschubst wird, eilt er mit dem Geschick eines ehrgeizigen Kindes an die Seite der Hauptstraße, bis er mit dem Rücken an einer Hauswand steht und die Besucher des Marktes an ihm vorbei ziehen. Puh, sind das viele. Der Neunjährige wartet, bis die Straße sich lichtet, dann folgt er den Nachzüglern zum Markt.

Am Markt angekommen bemerkt er, dass dieser umgestellt wurde. Aber er sieht noch zu wenig, da ihm die Menschen im Blickfeld stehen. Er blickt sich um. Ein abgelegener Marktstand, an dem einige gestapelte Fässer stehen. Perfekt. Er klettert an den Fässern auf das Dach des Standes und nun bietet sich ihm der ganze Blick auf den Markt: alle Verkaufsstände, bis auf die wenigen am Rand, sind abgebaut worden und nun steht eine zwanzig mal zwanzig Schritt große Holzerhöhung in der Mitte des Platzes. Auf dieser erblickt er mehrere Sachen: Zwei lange Holzbalken, die von je zwei Pfosten gestützt werden, an denen viele Stränge hingen, vielleicht 20 oder mehr, schwer zu sagen, stehen auf der hinteren Seite der Plattform; vor den Galgen sind viele, drei Schritt hohe Pfosten in einer Reihe aufgestellt worden, an deren Boden liegt jeweils ein ein Schritt hoher Berg von Geäst und am oberem Ende eines jeden dieser Pfosten hängen Seile herab. Grundgütige Herrin, lass sie nicht unter ihnen sein, sorge dafür, dass sie weit weit weg sind und es ihnen gut geht. Viele Menschen neigen dazu, nur in Zeiten der Not zu beten, und bei ihm ist es kein Unterschied. Er beschäftigte sich in seinem Leben kaum mit der Herrin, wie die meisten Kinder in seiner Umgebung, aber mit diesem Gebet spricht er seinen innersten Wunsch aus.

Das Gejohle und Gelächter der Menge holt ihn in die Gegenwart zurück und er sieht ein paar kunterbunt gekleidete Männer auf der Holzplattform, die an Hofnarren erinnern. Einer von ihnen jongliert zuerst mit einfachen Steinen, dann, nach ein paar Minuten und zur Freude des Publikums, mit brennenden Fackeln, während die anderen beiden miteinander eine theaterreife und wortlose Komödie abliefern. Claude sieht in einzelne Gesichter der Menge: Ein kleines Mädchen auf dem Rücken eines Mannes klatscht in ihre winzigen Hände und sieht den Komödianten mit vergnügtem Lächeln zu; ein Soldat der an den Holzstufen zur Plattform steht, beißt in seine Lammkeule und schmatzt mit dumpfer und zufriedener Miene; jedes Gesicht, das er erblickt, scheint vor blanker Euphorie nur so zu erstrahlen. Extasische Freude über das Spiel der Schelme oder doch Vorfreude auf das Kommende? Der Junge sieht dem Tun der Hofnarren mit bitterem Beigeschmack zu. Und nach ungefähr einer halben Stunde, als die Sonne beinahe ihren Zenit erreicht, verbeugen sich die Drei und verlassen die ‚Bühne’.
Und dann steigt ein Mann in glänzendem Harnisch empor, seine weit blickenden, aufmerksamen Augen lassen ihn erhaben wirken, sein charmantes Lächeln, als er durch die Menge sieht, ist vereinnahmend. Als er jedoch das Wort erhebt ist seine Miene ernst und sein Blick erinnert Claude irgendwie … an kalten Stahl.

„Bürger von Erntetreff, Bewohner von Hethland, unter dem Zeichen der Herrin finden wir uns heute hier ein und so sei ein jeder von euch Willkommen dem Dankfest der Herrin am heutigen Tage beizuwohnen.“ Die Menge jubelt, jemand ruft: „Hört ihn an, ich bitte euch!“, ein alter Ausspruch von Respektzollung dieser Region. Der Mann vor der Menge lächelt wieder einen Moment, diesmal jedoch nur schwach und kurz. Als die Förmlichkeiten ausgesprochen wurden, tritt er etwas zurück und ein Mann in edlen Gewändern und mit schief sitzender Mütze besteigt die Stufen. Ein dichter Schnäuzer ziert sein Gesicht und er wirkt nicht so charismatisch wie der Redner vor ihm, aber seinen Redefluss stört das nicht im Geringsten: „Hört, hört, der Graf Cael hat gesprochen! Die Herrin lächelt auf uns herab.“ Kurzes Räuspern. „Zum Tagesablauf“, er entrollt ein Pergament und beginnt laut vorzulesen, „es folgt die Ilofantenschau, hernach das Schützenturnier, darauf folgend das Temoramahl und zum Abschluss der Festlichkeiten die Hinrichtung der Verräter und Ketzer!“ Wo die Menge noch bei den Ilofanten oder dem Schützenturnier aufgeregt untereinander murmelte, jubelt sie nun auf, als die Hinrichtung bekannt gegeben wird. Es ist für niemanden eine Überraschung, wo es doch angekündigt wurde und die Scheiterhaufen und die Galgen doch deutlich zu sehen sind, und dennoch gibt die Menge ihren Beifall kund.

Während die riesigen und beschmückten Ilofanten durch die breiten Gassen stolzieren, welche die Menge auf dem Markt gebildet hat, und ihre lauten Schreie loslassen, sitzt Claude unruhig auf der Dachkante seines Marktstandes. Er erinnert sich an die Worte seiner Mutter: „Egal welche dunklen Zeiten auch anbrechen mögen, es wird immer ein Licht der Herrin brennen, und sei es noch so klein, es vermag uns dennoch vor der Verdammnis des ewigen Dunkel zu bewahren.“ Ja, die Herrin ist zumindest da. Die Herrin wird seine Eltern und seine Geschwister beschützen. Das murmelt der Junge unentwegt vor sich hin, als wolle er dadurch seine Gedanken frei machen und das Zittern an seinem Körper beruhigen. Die Ilofanten verlassen den Markt und die Schützenscheiben für das Turnier werden aufgestellt. Nacheinander fliegen die Pfeile auf die runden Ziele, doch Claude verfolgt das Geschehen nicht so genau. Er ist mit den Gedanken noch in der Vergangenheit, in der Zeit, als er noch auf dem Hof half und sie noch alle beisammen waren. Natürlich hat der Junge seit seiner Ankunft in Erntetreff tagsüber und in schlaflosen Nächten an diese vergangenen Tage gedacht, aber heute, wo die Möglichkeit besteht, dass er seine Geschwister und Eltern das letzte mal sieht, zwingt er sich jeden Moment seiner Kindheit, jedes Bild und jeden Gedanken dieser Zeit vor sein geistiges Auge zu rufen. Durch ein grobes Rütteln an seinem Bein, welches ihn beinahe vom Dach des Marktstands herunterzerrt, wird er wieder der Gegenwart gewahr. Ein dicklicher, behaarter und glatzköpfiger Mann sieht mit einer großen Fleischkeule in seiner Hand zu ihm hoch. „He, Kleiner, ’s ist Dankfest der Herrin. Hier, iss was, bevor die Geier dort alles verputzt hab’n.“ Er reicht Claude die Keule und der Junge schnuppert daran. Der Dicke lacht schallend, „Ist nich’ vergiftet Bursche.“ Immer noch lachend wendet er sich wieder dem Geschehen auf dem Markt zu. Claude lässt seinen Blick über den Platz schweifen. Tische wurden aufgestellt, oder standen sie schon die ganze Zeit dort und man erkannte sie bloß wegen der stehenden Menschen nicht? Jetzt jedenfalls sitzt die Menge an den Tischen und verspeist das Temoramahl. Der Neunjährige beißt lustlos in seine Keule.

Nach dem Mahl tritt der Herold des Grafen wieder auf das Podest, woraufhin sich die Männer, Frauen und Kinder auf dem Platz wieder erheben. Eine Weile herrscht Stille, welche von gelegentlichem Gemurmel unter den Menschen unterbrochen wird. Dann ruft der Herold plötzlich: „Zum Abschluss des Dankfestes: die Verräter und Ketzer! Bringt sie her, bringt sie her!“ Und auf den Ausruf hin bildet sich wieder eine Gasse in der Menge, geordnet durch eine Hand voll Soldaten. Hinter den Soldaten trotten Menschen, welche alle an einer dreißig oder vierzig Schritt langen Kette angebunden sind. Claude kann sie aus der Entfernung nicht erkennen; ihre verschmutzten Häupter sind zu Boden gerichtet, um nichts von dem alten Obst und dem Unrat ins Gesicht zu bekommen, welches die Menge auf sie wirft. Oder aus Scham. Die Kleidung der Verbrecher ist lumpig und zerrissen. Unter ihnen sind auch Kinder, manche von ihnen fallen vor Erschöpfung auf die Knie, wodurch die Kette der Angeklagten kurzzeitig angehalten wird. Die Menge wirft mit rüden Beleidigungen und Flüchen um sich.

Schließlich schaffen es alle Angeketteten auf die hölzerne Plattform und nun kann man sie besser erkennen. Claude erkannt zuerst niemanden aus seiner Familie wieder, da ihre Gesichter und die Körper zu verdreckt sind um die Gesichtszüge eindeutig zu erkennen, aber Gilberts orangene Strubbelmähne ist nicht zu verwechseln. Und als er sie erkennt, trifft es ihn wie einen Schlag. Neben Gilbert stehen Zsisell und Larn, und ein paar Schritte weiter auch seine Eltern. Grundgütige. Arkhos hat ihn belogen. Sie sind hier, sie sind alle hier. Und sie werden sterben. Vor seinen Augen. Zwei Soldaten bringen die ersten an die Galgen, unter ihnen auch seine Mutter. Der Herold wendet sich der aufgebrachten Menge zu, die immer noch gelegentlich einen Ausspruch des Hasses oder einen faulen Apfel auf die Plattform wirft. „Tod durch den Galgen für die Verräter an der Krone. Und hört nun auf mit dem Werfen, jemand hätte mich beinahe getroffen“, fügt er mit ernster Miene an, wie ein Vater, der seine Kinder tadelt. Die Schlingen werden um die Hälse gezogen. Claude weiß nicht, ob seine Mutter ihn sieht oder nicht, aber er steht vom Stand auf und hebt seinen rechten Arm, um ihr mit tränenüberströmtem Gesicht zu zuwinken. Dann schreitet ein Soldat die Reihe entlang und tritt dabei nacheinander die Stühle unter den Füßen der Todgeweihten weg. Die meisten greifen sofort nach der Schlinge um ihren Hals, als seine Mutter gehängt wird bleibt sie jedoch sofort reglos am Seil hängen. Die Menge jubelt. Der Junge vergräbt das Gesicht in seinen Händen und sinkt heftig schluchzend auf seine Knie. Die nächsten werden an die Galgen gebracht. Zsisell und Gilbert unter ihnen. Als ihr Grund von den Füßen getreten wird, zappelt das Mädchen heftig mit den Beinen und schafft es irgendwie, die Finger zwischen Schlinge und Hals zu quetschen, so dass sie dort stecken bleiben. Nach ein paar Sekunden hängen aber dennoch alle leblos an den Seilen. Der Neunjährige wendet seinen Blick ab und kauert sich auf den Boden, während er leise vor sich hin weint.

„Tod durch Verbrennung für die Ketzer!“ Der Ruf des Herolds wird mit sich überschlagenden Stimmen der Zustimmung beantwortet. Claude setzt sich halb auf und sieht herüber. Sein Vater und Larn werden mit den letzten der Todgeweihten, nur noch Männer unter ihnen, an die schmalen Pfähle gekettet. Als alle angekettet sind, treten die Soldaten und der Herold von der Plattform, und auch die Menge scheint ein paar Schritte von der Holzerhöhung zurückzutreten. Nur ein Soldat mit vier Fackeln in jeder Hand geht an den kleinen Scheiterhaufen vorbei und wirft diese in das Geäst. Als das Feuer sich langsam nach oben hin ausbreitet, wendet Claude den Blick sofort ab und es spielen sich Szenen ab, die niemand genauer beschrieben haben möchte.

Als die Schreie verstummen, klettert der Junge eilig und heftig zitternd vom Marktstand, ohne einen Blick auf die Überreste der Toten zu werfen. Als er auf die Hauptstraße zu rennt, rutscht er auf dem Matsch aus und ein Soldat hilft ihm wieder auf. „Na komm schon, Junge. Pass besser auf.“ Ohne irgendeine Erwiderung läuft Claude wieder los, gerade als der Mann ihn auf sein verweinten Gesicht ansprechen will. Es ist vorbei. Sie sind tot. Tot … tot, tot, tot, tot tot tot tot tot tot.
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