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Darna - Knappin ohne Scherz und Tadel
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 22 Nov 2005 17:36    Titel: Darna - Knappin ohne Scherz und Tadel
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Der erste Eindruck

„Sir Julian hat angeboten, uns mit auf das Turnier zu nehmen!“ Basil freute sich wie ein Schneekönig, jedes Turnier war für ihn ein Grund überschäumender Begeisterung. Gernot freute sich mit ihm, zog seinen Kameraden aber auch etwas auf: „Wenn du weiter hier so herumhüpfst, denkt Sir Julian, du hättest Hummeln in der Hose und lässt dich da!“
„Ach was. Aber ein Turnier, das ist doch was! Wer ihm wohl die Lanzen reichen darf?“
Gernot lachte. „Lass gut sein, diesmal bin ich dran, mich um die Rüstung zu kümmern. Jedenfalls hab ich keine Lust, mich noch mal darum mit dir zu prügeln.“
Basils leuchtende Augen sagten ihm, daß er sich mit diesem fairen Angebot ein weiteres Mal um seine Freundschaft verdient gemacht hatte.

Das Turnier war, wenn man es nicht mit Basils Augen betrachtete, nicht gerade spektakulär, jedenfalls wunderte sich Gernot, wie man bei den Wetten auf die Favoriten großartig hätte verlieren können. Vielmehr stolperte er am zweiten Tag darüber, wie ein ihm bislang unbekannter Ritter sich mit dem Grafen von Felsenstein unterhielt. Aber das Schwert auf dem Wappen hatte er in dieser Form schon mal gesehen, oder?
Neugierig musterte er ein junges Mädchen, das sich etwas abseits hielt und in Hosen und Wams gekleidet war, ganz offensichtlich jederzeit bereit, auf Zuruf zur Stelle zu sein. Die Haltung war ihm nur zu vertraut, es war das erste, was ein Knappe zu lernen hatte. Ein Mädchen als Knappe, bekam er endlich mal eines zu Gesicht? Die gab es ziemlich selten. Eigentlich sah sie ganz nett aus.

„Guck mal!“, zischte er Basil zu und deutete auf das Mädel, als gerade ein abgerissener Bettler mit seiner fleckigen Holzschale an ihr vorbeigehumpelt kam. Die Kleine zögerte kaum einen Augenblick und kramte in ihrem Beutel, ließ zwei Kupferstücke in die Schale fallen.
„Mögen die guten Götter es Euch vergelten, junger Herr!“, stammelte der Alte, war offenbar zu kurzsichtig, um es besser zu erkennen. Gernot schaute sich um, ob man sie gerade brauchte, dann zog er Basil mit, hin zu der Neuen – er hoffte, daß die Kleine mit an des Grafen Hof käme.
„Hallo!“, grüßte er das Mädchen und grinste sie freundlich an. „Kommst du aus Schwertbergen, sehe ich das richtig? Sollst du zum Grafen? Ich bin Gernot, und das hier ist Basil.“
Er streckte dem Mädchen die Hand hin, die diese etwas zögerlich ergriff und nickte. „Mein Name ist Darna von Elbenau, und wir kommen aus der Grafschaft Schwertbergen, richtig. Temora mit euch. Mein Herr Vater verhandelt mit seiner Gnaden, und so Temora will, wird mir die Ehre zuteil, an seinem Hofe in Knappschaft gehen zu dürfen.“
Sowohl Basil als auch Gernot runzelten die Stirn – was hatte die denn für einen Stock verschluckt, daß die so redete? „Vermutlich Aufregung“, tippte Gernot und unternahm einen Versuch, sie etwas aufzumuntern: „Ich geb dir einen Rat: Wenn du weiter so redest, verguckt sich seine Ehrwürden Talarion in dich und lässt dich statt seiner die Predigten halten – und dann werden die Messen noch langweiliger, als sie jetzt schon sind.“ Er zwinkerte und stupste sie aufmunternd in die Seite, Basil kicherte, doch die Kleine sah ihn nur stirnrunzelnd an.
„Ich verstehe nicht recht… es steht mir nicht zu, zu predigen, dies ist den Templern vorbehalten. Oder pflegt man es hierzulande anders?“
Sprachlos starrte Gernot sie an. „Ähm, lass gut sein“, meinte er schließlich, „Wir sehen uns vielleicht noch…“
„Oh mann, was ist denn mit der los, hat die Talarions Rohrstock verschluckt?“, tuschelten die beiden Jungen, als sie außer Hörweite waren und schüttelten beide den Kopf. Was war das denn für eine? Es war noch nicht viel passiert, aber sie war Gernot schon jetzt ziemlich unsympathisch. Vielleicht besserte es sich noch?
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 23 Nov 2005 11:06    Titel:
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Viel Feind, viel Ehr?

„Er will mich umbringen!“ Das Schwert donnerte mit solcher Härte auf ihr Schild, daß ihr Arm sich anfühlte, als müsse er brechen. „Kelterburg! Spart Euch Eure Kraft für einen richtigen Kampf! Ihr seid hier nur zum Üben!“, ermahnte der alte Roderich ihren Kontrahenten, doch Darna wusste, daß es nicht viel bringen würde. Der junge Adelssprößling genoß es jedesmal, wenn er sie im Trainingskampf vor der Klinge hatte. „Mal schauen, ob Ihr danach noch immer Phrasen drescht“, hatte er ihr einmal vor dem Waffengang zugezischt, und seitdem wusste sie, daß sie von ihm keinerlei Schonung jemals mehr zu erwarten hätte.
Mit gefurchter Stirn beobachtete der alte Waffenmeister, wie die beiden jungen Menschen miteinander rangen, als wäre es ein Kampf auf Leben und Tod.
Gernot von Kelterburg und Darna von Elbenau – das waren die beiden Knappen, von denen jeder bei Hofe wusste, daß diese beiden sich am wenigsten leiden konnten. Es war eine jener unglückseligen Konstellationen, bei denen schon in der Knappenzeit sich eine Feindschaft fürs Leben formte.
Dennoch… gerade deswegen sparte er nicht damit, die beiden miteinander trainieren zu lassen, denn strikt war er der Ansicht, daß sie lieber unter seinen wachsamen Augen die Waffen in die Hand nahmen, als daß sie es zu anderer Zeit täten.

„Gernot, wenn Ihr Euch nicht irgendwann nachsagen lassen wollt, daß Ihr wie ein Bauer mit dem Dreschflegel kämpft, dann solltet Ihr Euch endlich die Lektionen über die höhere Schwertkunst zu Herzen nehmen! Und Darna, wir werden noch ein paar Übungen damit zubringen, Lücken in der Deckung des Kontrahenten zügig zu erkennen! Jetzt zieht euch um, in einem halben Wassermaß erwartet euch Bruder Talarion.“ Die beiden Jugendlichen waren fast am Ende ihrer Kräfte, doch selbst jetzt schienen sie noch darum zu wetteifern, wer weniger Schnaufen musste. Als sie fort waren, schüttelte Roderich den Kopf. Gernot war gerade mal sechzehn, Darna sogar zwei Jahre jünger, aber die Erbitterung ihrer Wut aufeinander gereichte jedem Erwachsenen zur Ehre. „Was das wohl noch werden soll?“, fragte sich der Waffenmeister brummig in Gedanken und machte sich auf den Weg, Jerodin zu verabschieden – der Medicus seiner Gnaden von Felsenstein wollte sich für einige Wochen zu Studienzwecken in die Hauptstadt begeben. Aber es war alles ruhig, der Graf bei bester Gesundheit, und schließlich waren da noch Friedbert und Gunhild – man würde die Zeit wohl auch ohne magische Heilkünste und hohe Alchemie auskommen.

„Verstößt es eigentlich nicht gegen die Tugend der Würde, sich so bei anderen einzuschleimen, Darna?“ Gernots Stimme troff vor Spott, und lauernd machte sich die Knappin darauf gefasst, den nächsten Streit mit dem arroganten Sohn des Markgrafen auszutragen.
„Was wollt Ihr mir vorwerfen, Kelterburg?“
Von Kelterburg, wenn du schon dauernd auf Förmlichkeit bestehst, Mädchen“, schoß der Junge zurück und bemerkte mit Genugtuung, wie die Knappin neben ihm schon wieder mit ihrer Selbstbeherrschung rang. Doch mit möglichst ungerührter Miene fuhr er fort: „Es hätte eigentlich nur noch gefehlt, daß du ´Frömmigkeit´ als höchste Tugend genannt hättest statt ´Wahrhaftigkeit´, aber auch so hast du dem guten Talarion einen ganzen Jahresvorrat an Honig um den Bart geschmiert, widerlich!“ Abschätzig sah er sie an und ließ ihr noch immer keine Gelegenheit, etwas zu entgegnen: „Ich gebe zu, Religiosität gehört zum Rittertum, aber jeder Volltrottel ist sich doch klar darüber, daß für einen Ritter Tapferkeit an oberster Stelle steht. Wobei, zugegeben… wenn es jeder Trottel wissen müsste, will das noch nicht heißen, daß das auch jemandem klar ist, der sich nur einbildet, edlen Geblütes zu sein…“
Am liebsten hätte sie ihm auf der Stelle die Faust ins Gesicht gedrückt, und trotzig schob sich ihr Kinn vor, während die Rechte sich, zur Ruhe gezwungen, zur Faust ballte.
Von Kelterburg, Ihr habt offensichtlich nicht zugehört, als seine Ehrwürden uns letzte Woche über das Wesen der Wahrheit belehrte: ohne Wahrhaftigkeit ist alles andere Nichts. Kein Edler, Bürger oder Bauersmann braucht zu glauben, daß Heuchelei vor der Höchsten unbemerkt bliebe und keine Strafe fände, und in der Lüge wird jedes andere Prinzip zur leeren Farce. Ohne Wahrhaftigkeit sind alle anderen Tugenden das ausgesprochene Wort nicht wert, sondern sind nutzlos und schal. Somit steht die Wahrhaftigkeit über allen anderen Prinzipien, selbst über der Tapferkeit, denn sie ist überhaupt erst ihre Grundlage zur Existenz.
Und nennt mich nicht ´Mädchen´! Mir steht ebenso das ´von´ im Namen zu wie Euch, und das wisst Ihr auch sehr genau!“
Kelterburg winkte ab. „Bilde dir nicht zuviel darauf ein. Die Bekanntschaft mit dir hat mich erst in meiner Ansicht bestätigt, daß seine Majestät damals viel zu milde war, als er Bürgern nichterblichen Standes das Recht gewährte, die edle Namensführung zu gebrauchen. Wenn ich erst einmal die Ämter meines Vaters übernehme, werde ich mich dafür einsetzen, daß dieser Unsinn wieder abgeschafft wird. Adel, wem Adel gebührt.“
„Wollt Ihr es wagen, meinen Vater zu beleidigen oder unsere Ahnen vor ihm?!“
„Pff. Deinen Vater vielleicht nicht, der ist Ritter, wie du ja dauernd erzählst. Aber glaube nicht, daß du in meinen Augen dadurch irgendwelche Rechte hättest, bevor du auch nur davon träumen kannst, zum Ritter geschlagen zu werden.

Und apropos Rechte… ich dachte mir, um vielleicht mal zu zeigen, daß ich ja gar nicht so böse bin, wie du mich immer hinstellen möchtest, bin ich mal nett zu dir und biete dir eine einmalige Gelegenheit an: am nächsten Feuertag ist im Großen Saal ja das Bankett, wie du sicherlich weißt – was hältst du davon, dich wenigstens in der Küche nützlich machen zu dürfen und dafür zu sorgen, daß ich auch noch etwas Warmes von dem Mahl erhalte? Ich werde damit beschäftigt sein, Seiner Gnaden von Tannenwalde zur Hand zu gehen.“
Dieser aufgeblasene Schnösel! Das durfte doch nicht wahr sein! Mit lodernder Wut starrte Darna ihn an, wie vor den Kopf geschlagen – sie, in die Küche?! Seine Herablassung gegenüber ihrer Familie brannte schmerzlich in ihr. Sie war stolz auf ihre Familie, die schon seit Generationen treu der Grafenfamilie von Schwertbergen diente und stets es zur Ritterwürde gebracht hatte, selbst, nachdem zu ihres Vaters Zeiten das Gut Elbenau ihnen aus Gewohnheitsrecht zugesprochen worden war. In dieser Generation hatte es nicht nur ihr älterer Bruder vor kurzem zum Ritter gebracht, sondern sie erhoffte ebenso, diese Ehre erlangen zu dürfen. Und dieser Kerl machte sich über sie lustig, nur weil sein Vater Markgraf der Westermark und in der Politik hochgeachtet war!
„Sir Hagen von Weilenscheidt hat mir bereits zu verstehen gegeben, daß ich ihm beim Bankett zu Diensten sein darf, und selbst, wenn dem nicht so wäre, hätte ich tausend bessere Dinge zu tun, als für Euch die Dienstmagd zu spielen! Und wenn es Holz hacken ist!“
Sie spie die Worte vor Wut, und wieder einmal waren die beiden Jugendlichen leidlich laut geworden.
Doch Gernot mochte sich ein bösartiges Grinsen nicht verkneifen – er hatte die aufbrausende und stockernste Darna genau da, wo er sie haben wollte. Mal wieder hatte er kaum geglaubt, daß sie die Lüge einfach so glauben würde, daß er auch nur irgendein Anrecht darauf hätte, sie in die Küche zu verweisen, aber wenn sie seine Lästereien für bare Münze hielt, was konnte er dafür? Sie schien zu dumm zu sein, um auch nur einen Funken Humor zu verstehen.

„Mein Freund Basil passt viel besser an deinen Platz, davon bin ich fest überzeugt, also ein Vorschlag: Wir treffen uns morgen früh vor dem Temoradienst und machen das unter uns aus. Dann kannst du mir gleich beweisen, daß du überhaupt mit einem richtigen Schwert umgehen kannst, Friedrich schuldet mir noch was und kommt an die Waffen ran. Bevor die Schmiede besetzt wird, werden sie wieder da sein, keine Sorge.
Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, daß du gewinnst, laß ich dich beim Bankett in Ruhe und erkenne an, daß du das Zeug zum Ritter hast. Das würde bedeuten, daß ich dir sogar das ´von´ zugestehe, das wäre doch was?
Wenn du verlierst, kannst du das Festessen einmal in der Küche betrachten, und wehe, du lässt meine Portion kalt werden.“
„Ihr wollt unerlaubt Euch der Waffen bedienen? Das kann Euch eine Woche Strafdienst einbringen.“
„Wir wollen doch Leute von Ehre sein, oder? Ich sag nichts, und du versprichst, ebenfalls die Klappe zu halten. Dein Wort darauf. Oder kneifst du, hast du Angst, ich könnte dir wehtun?“
Darna hatte in ihrer Wut das Gesicht zu einer Grimasse verzogen, die Gernot gerne mit den Worten „wütender Köter“ umschrieb, und spie auf den Boden. „Mein Wort“, knurrte sie, „Morgen vor Sonnenaufgang.“
„Fein. Wir treffen uns im Wäldchen hinter der Mühle. Bei den umgestürzten Bäumen, da haben wir unsere Ruhe.“
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 25 Nov 2005 17:17    Titel:
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Bis auf’s Blut

Es war bitterkalt, und ihr Atem formte sich zu feinen weißen Wolken vor ihrem Mund. Unter ihr war der Boden schon mit roten und braunen Blättern übersät, und schon bald würde selbst der Herbst enden – die Sonne vermochte schon während des Tages nicht mehr, wirklich zu wärmen. Doch ihr Haß auf Kelterburg verhinderte, daß Darna wirklich fror. Dieser arrogante Dreckskerl! Sollte er je Ritter werden, wäre es eine Beleidigung des von ihr verehrten Standes! Für ihn waren doch nur Einfluß und Macht wichtig, alles andere lästige Pflicht! Leute wie Sir Hagen von Weilenscheidt waren wenigstens ein Vorbild, waren aufrecht, ehrbar, und auch ohne legendäre Heldentaten geachtete Vertreter des Ritterstandes. Sie war geehrt gewesen, daß er sie beim Bankett hinter seinem Stuhl haben wollte, Sir Hagen schien ihrer Art wohlwollend gegenüberzustehen und dieser hochnäsige Kerl wollte sie in die Küche abschieben, mit seinen seltsamen Beziehungen traute sie ihm auch glatt zu, daß er das schaffte…
Vor ihr zwischen den Bäumen raschelte es, und Gernot betrat den kleinen freien Platz des Wäldchens.
„Da bist du ja, dachte ich mir schon. Vermutlich stehst du hier schon seit Stunden, weil du es kaum erwarten kannst, Bekanntschaft mit den Ameisen zu machen, hm? Hier, dein Schwert. Nimm.“
Sie stellte fest, daß es gar nicht so einfach war, im diesigen Zwielicht vor dem eigentlichen Sonnenaufgang den Gegner und seine Bewegungen richtig zu erkennen, doch immerhin hatte Gernot mit dem gleichen Problem zu kämpfen, so sagte sie nichts. Sie hätte auch wenig Gelegenheit dazu gehabt. Es war der härteste Kampf ihrer ganzen bisherigen Ausbildung, und eigentlich hätte Roderich auf ihre Paraden stolz sein müssen.
Das Schwertgeklirr hallte durch den leichten Nebel der frühen Morgenstunde, doch selbst die Tiere schienen sich nicht zu trauen, mit ihrer Anwesenheit das Gefecht zu stören. Funken stieben, als die Klingen hart aneinander vorbei kratzten, und in einer Riposte Gernots riß Darna plötzlich das Gesicht zur Seite, als sie einen brennenden Schmerz verspürte, der sofort taub wurde – nach mehreren ersten Prellungen hatte Gernot mit der Klinge ihr Gesicht getroffen. „Oh, das tut mir leid. Ich nehme an, du gibst auf?“
Es mochten nur zwei junge Menschen sein, fast noch Kinder, doch vielleicht hätte Temora an der harten Entschlossenheit darin ihren Gefallen gefunden – oder Alatar, darüber mochte man sich streiten. Gernot von Kelterburg sah sich tatsächlich gezwungen, seine ganze Erfahrung in die Waagschale zu werfen, um sich gegen die fast berserkende Darna zu wehren. Doch die Erkenntnis, daß es auch für ihn hier definitiv um Leben und Tod ging, ließ ihn unbarmherzig seine größere Kraft und seine etwas längere Schulung an der Waffe ausnutzen.
Nicht einmal ein weiterer Hieb im Gesicht konnte die Elbenau bremsen, doch ein Treffer am Knie ließ letztendlich ihren Sieg zur Illusion werden.

Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, und Gernot unterdrückte so gut es ging ein Humpeln, als er sich ihr näherte und ihrer kraftlosen Hand das Schwert entwand. Nach der Tötungsabsicht, die er fast während der ganzen Zeit in ihrem Gesicht las, hätte er ihr am liebsten noch ein paar Ohrfeigen verpasst, aber der Anblick der blutenden Schnitte hielt ihn zurück. Er selber würde wohl ebenso ein oder zwei Tage brauchen, um die Verletzungen auszuheilen, und er hoffte, daß die blutende Wunde, die er an der Hüfte spürte, nicht allzu schlimm sein möge. Aber er hatte gesiegt. Er hatte diese… diese aufgeblasene kleine Schlampe zu Boden gezwungen!
Wie eine Woge flutete der Triumph über ihn hinweg, und mit grimmig werdender Miene ließ er die Schwerter fallen und ging nochmal zu ihr hin, stellte sich vor sie.
„Gebührt dem Sieger nicht, daß man sich vor ihm verneigt?“
Ihr Knurren klang wie das eines Tieres. „Ihr seid kein guter Gewinner, Kelterburg…“, brachte sie mühsam hervor, dann ruckte ihr Kopf hoch, starrte ihm mit aller zusammengenommenen Kraft in die Augen, „also sollt Ihr in mir auch keine gute Verliererin finden.“
Zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen schimmerte rotes Blut. Der junge Adelige beherrschte sich nicht länger, als sie ihm auch noch vor die Füße spie, packte ihre Haare und drückte ihr Gesicht in den Dreck.
„Weißt du was? Du wirst mir vor dem Bankett auch noch die Stiefel putzen dürfen, oder ich prügele dir so lange Respekt ein, bis es dir dreckiger geht als jetzt!“
Er stand auf und klopfte sich die Blätter von der Hose. „Solltest du dich nicht an unsere Abmachung halten, werde ich dafür sorgen, daß man dich dafür schuldig befindet, die Entwendung der Waffen verschuldet zu haben, und ein nieder geborenes Nichts wie du kann sich dann die Ritterehre abschminken, darauf wette ich. Wir sehen uns.“
Damit nahm er die Schwerter und ging, nicht mehr darauf achtend, wie Darna liegen blieb. Neben dem Rascheln der Blätter unter seinen Füßen hörte er nicht, wie sich ihre Rechte in den kalten Waldboden krallte, das trockene dürre Laub zum Knistern brachte.
Von Blut und heißen Tränen genetzt wurden die Blätter unter Darnas Gesicht, und das taube Gefühl wich, als Dreck und Unrat sich in die Wunden fraßen. Doch kein Ton kam über ihre Lippen.
„…die Ritterehre abschminken, darauf wette ich... abschminken... nieder geborenes Nichts... abschminken...“, hallte es immer wieder durch ihre Gedanken. Sie hielt so lange den Atem an, aus Angst, loszuschluchzen, daß ihr doch irgendwann schwarz vor Augen wurde…

Als Darna nicht zur Messe erschien, überlegte Gernot, ob er es melden solle, doch dann wäre man nur auf seinen eigenen Zustand aufmerksam geworden, den er gerade mal so verbergen konnte. Die Waffen waren gerade noch rechtzeitig zurück an ihren Platz gelangt, und seine Freunde hatten mit hämischem Grinsen von seinem Sieg gehört – kaum jemand konnte die griesgrämige Knappin, die alles so bierernst nahm, wirklich leiden. Die Erwachsenen lobten sie für ihre aufrechte Art, und das war nur noch ein Grund mehr, jede Schwäche von ihr auszunutzen. Vermutlich hatte sie sich nun selbst während des Frühstücks irgendwo verkrochen, damit sie nicht der stillen Häme der anderen ausgesetzt wäre.

Darna von Elbenau blieb es erspart, ihre „Wettschuld“ einlösen zu müssen. Das Bankett fand ohne sie statt, während sie mit entzündeten Wunden fiebrig im Bett lag, trotz aller Schwäche nicht ein Wort darüber verlieren wollte, was vorgefallen war. Ohne die magischen Kenntnisse vom Medicus Jerodin konnte Gunhild nicht mehr tun, als die Schnitte und Prellungen mit weltlichen Mitteln zu versorgen, und trotz ihrer Pflege entzündeten sich beide Verletzungen im Gesicht, ließen üble Narben zurück…
Weder die Androhung von Strafe durch Bruder Talarion noch das gute Zureden von Gunhild oder gar Sir Hagen selber bewegten sie dazu, ein Wort über die Sache zu verlieren, und man ließ sie scheinbar gewähren, nachdem sie fest erklärt hatte, es sei eine Frage der Ehre. Irgendetwas war faul daran, und man argwöhnte, wer noch daran beteiligt gewesen war.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 27 Nov 2005 00:59    Titel:
Antworten mit Zitat

Fare thee well…

Man mochte Graf von Felsenstein eine Menge nachsagen können, doch dumm oder blind war er nicht. Die Berichte vom Schwertmeister Roderich und sein besorgter Schmied, der ihm vom Fehlverhalten seines Lehrlings Friedrich erzählte und um Vergebung bat, reichten, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Gernots Vater war ein hoch geachteter und sehr energischer Mann, der ganz gewiß nicht darauf erpicht gewesen wäre, daß sein einziger Sohn durch eine andere Knappin zu ernsthaftem Schaden käme.
Die Frage, wer in diesem Falle zu gehen hatte, bedurfte kaum einer Überlegung.

Womöglich hätte es gar schlimmer ausgehen mögen, wäre Darna nicht offenkundig der Schützling von Bruder Talarion gewesen, doch daß sie den gräflichen Hof verlassen sollte, traf sie dennoch hart.
„Die Welt da draußen ist tausendmal interessanter, als hier immer nur die Ställe auszumisten, Darna!“, versuchte Sir Hagen von Weilenscheidt sie aufzumuntern, doch ihre ernste Erklärung, daß sie durchaus mehr als das Ausmisten getan hätte, quittierte er nur mit einem Seufzen und ließ das Thema auf sich beruhen. Mit Darna an seiner Seite, ihm vom Grafen nun persönlich als Knappin überantwortet, würde es also auf Fahrt gehen. Sie schien das nicht aufmunternd zu finden – er war gespannt, ob er sie, wenn er sie nun über Tage hinweg erlebte, überhaupt einmal lächeln sehen würde.

Es folgte die Zeit, wo Darna das Leben eines fahrenden Ritters kennenlernte, und auch, wenn sie ihren Dienst bei Sir Hagen sehr schätzte und vor seiner aufrichtigen Art großen Respekt hatte, so war es doch in ihren Augen stets etwas, was vielleicht eine Zeit des Überganges sein mochte, doch was daran so erstrebenswert sein sollte, wie es in all den Balladen besungen wurde, das wollte ihr nicht in den Kopf. Ohne Murren nahm sie die Unbillen des Wetters hin, die teils völlig verwanzten Unterkünfte – wenn es überhaupt ein Dach über dem Kopf gab -, das karge Mahl. Vor Temora würde es alles seinen Sinn haben.
So waren sie beide dankbar, daß sie nach tagelangem Ritt durch unwegsamen Wald einen winzigen Hof fanden, der sich durch die schmale Straße bedingt ein wohl karges Zubrot als Gasthaus verdiente. Vielleicht hätten sie stutzig werden sollen, daß der Schankraum trotz mangelnder Kundschaft bei ihrer Ankunft einen sehr rege genutzten Eindruck machte, doch sie waren zu müde. Vielleicht hätten sie sich über die Menge der Suppe wundern sollen, die gerade gekocht wurde, doch wer fragt nach sowas, wenn er hungrig ist und Nachschlag bekommen kann?
Ein wenig stutzig wurde Sir Hagen, als die dralle Wirtsfrau ihnen nichts weiter als einen Platz im Stroh anbieten wollte. Doch daß heute Abend ihre frisch vermählte Tochter und die neue Familie ankommen solle, war Erklärung genug, um milde Nachsicht zu üben. Was sollte es auch, morgen ging es eh weiter.

Es war längst dunkel, erschöpft hatten sie sich früh schlafen gelegt.
Lärm. Kaum verstehbares Gegröhle. „Die Hochzeitsgesellschaft…“ Noch im Halbschlaf hörte sie, wie Sir Hagen es unwirsch murmelte und sich selber auf die andere Seite drehte. Beipflichtend schloß sie die Augen.
In der Trägheit des Schlafes drangen nur Fetzen durch ihre Gedanken, rumorten darin herum – nur Männerstimmen… ziemlicher unhöflich, die Schwiegermutter und Frau Wirtin „Schlampe“ zu rufen? Kurze Stille. Gemurmel? Längere Stille. Darna schlug die Augen auf, irgendetwas stimmte hier doch nicht. Dumpf und unbeholfen wirkende, schwere Schritte, die sich… scheinbar bemüht leise… dem Stall näherten…
Alles erschien plötzlich viel zu laut: ihr eigener Herzschlag, das Strohrascheln, als sie sich aufrichtete, und das metallische Schaben, mit dem Sir Hagen, bereits sitzend, sein Schwert aus der Scheide zog…
Die Tür flog auf, diffuses Licht einer dreckigen Laterne tauchte die Gestalten, die dort standen, in unwirkliche Schatten, als auch schon eine von Rauch und Schnaps rauhe Stimme dröhnte: „Feine Gäste, na die wollen wir dann doch mal willkommen heißen!“
Ihr Schwert. Wo war ihr Schwert, verdammt? Mit zittrigen Fingern tastete sie danach, bekam es nicht zu greifen. So schnell konnte sie doch auch gar nicht in ihr beschlagenes Wams kommen, wie diese Kerle hier…
„LAUF, DARNA!“
Es gab kein „Wohin?“, es gab nur „weg“. Es gab nur die Ecke des Stalls, wo sie sich an die Wand presste, die plötzlich nachgab, weil es eine Klappe war. Ein Aufklatschen in Matsch, aufgeregtes Quieken – Schweine. Sie lag im Schweinegatter. Fetzen von Erinnerung: „Ich hab schon mal einen Knecht verloren, der war beim Ausmisten ausgerutscht und nicht wieder hochgekommen. Schweine fressen alles, ehrlich. Wir haben nur noch seine Stiefel gefunden…“ Nein! Sie wollte nicht von den Schweinen gefressen werden!

Wie sie hochkam, wusste sie hinterher nicht mehr, wie sie über den Zaun geklettert war, davon kündeten nur noch Splitter und Risse im Nachthemd. Sie rannte, immer weiter, jedes Mal, wenn sie erschöpft stehenbleiben wollte, jagte sie der Gedanke voran, daß diese Lumpen sich in diesem Wald weit besser auskennen würden als sie…
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 28 Nov 2005 02:34    Titel:
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„Ich trotte.“

Als sie aufwachte, stand die Sonne schon längst am Himmel, und sie fror erbärmlich, schreckte hoch. Hatte Sir Hagen ihr die Decke weggenommen, weil sie das Morgengebet verschlafen hatte? Sie wachte doch sonst immer pünktlich… dann holte sie die Wirklichkeit ein.
Sir Hagen. Sie hatte ihren Herrn in der Gewalt dieser Strolche gelassen. Es waren so viele gewesen, er konnte unmöglich gewonnen haben. Sie musste zurück, sie musste ihm helfen. Und wenn sie ihn getötet hätten? Erschlagen wie einen Hund, ehrlos wie dieses Pack war? Sie hatte ihren Ritter im Stich gelassen… sie musste… ihr Blick fiel auf die dreckigen, zerrissenen und blutbeschmierten Fetzen, die ihr Nachthemd waren, der Matsch mässig getrocknet, bitterkalt. Eher würde sie auf dem Weg zurück lausig erfrieren, als ihren Herrn zu retten. Wo war überhaupt dieser götterverfluchte „Gast“hof? Dort waren ihre ganzen Sachen, ihre Kleidung, ihr Pferd, ihr Schwert, Geld…
Als ihr die ganze Tragweite des Verlustes klar wurde, endete der Versuch, aufzustehen, abrupt und ein gequälter Laut durchdrang die Fetzen des Nebels, der noch zwischen den Bäumen hing, wurde verschluckt von all der Natur, die Stand und Besitz nicht interessierte.
Das Einzige, was ihr geblieben war, war ihr Familienring, der sie als eine von Elbenau auswies. Sie starrte eine Weile auf das Kleinod und wollte den Gedanken nicht weiterführen, daß sie sich mit diesem Makel nicht einmal mehr nach Hause hätte trauen wollen.
Sie hatte ihren Ritter im Stich gelassen und verloren…

Die nächste Zeit lag später nur noch wie ein diffuser Nebel in ihrer Erinnerung: Diese Hilflosigkeit, mit nichts als dem nackten Leben dazustehen, auf die Mildtätigkeit fremder Leute angewiesen, das Schicksal eines Bettlers. Die Scham, überhaupt unter die Augen eines anderen Menschen zu treten, als sie eine zum Glück doch nahe gelegene winzige Ansiedlung fand, nach überwundener Furcht, daß es die Unterkünfte dieser Strauchdiebe sein könnten.
Sie wollte den gütigen alten Mann nicht vergessen, der ihre Erzählung geglaubt und ihr geholfen hatte, so weit es in seinen selbst ärmlichen Mächten stand. Ein wenig Kleidung, alt und viel zu groß, eine dünne Suppe. Doch sie musste fort von hier – die Bande war durchaus bekannt, sie hatte in diesem Landstrich eine gewisse Macht, und das einfache Volk war auf den Adel, der bislang nichts dagegen hatte unternehmen können, im Allgemeinen nicht gut zu sprechen. Es sagte natürlich keiner…
„Varuna, das ist noch weit weg, aber mein Sohn kommt morgen aus dem Nachbardorf. Er soll dich mitnehmen, dort können sie dir sicher besser weiterhelfen als ich hier.“
„Temora möge es Euch vergelten, gütiger Herr, und ich will es, sobald ich in der Lage dazu bin, das verspreche ich.“
Varuna. Die Residenz ihrer königlichen Majestät. Der höchste Adel, doch wem konnte sie noch unter die Augen treten? Sah sie sich in einer spiegelnden Fläche, vermochte sie es derzeit ja nicht einmal mehr, sich selbst ins Gesicht zu sehen…
Auf erschreckend ohnmächtige Art und Weise wurde ihr klar, daß sie drohte, das höchste Gut zu verlieren, worin ihr Vater sie unterwiesen hatte:

„Es kann die Ehre dieser Welt
dir keine Ehre geben.
Was dich in Wahrheit hebt und hält,
muß in dir selber leben.

Wenn’s deinem Innersten gebricht
an echten Stolzes Stütze,
ob dann die Welt dir Beifall spricht,
ist all dir wenig nütze.

Das flücht’ge Lob, des Tages Ruhm
magst du dem Eitlen gönnen.
Dies aber sei dein Heiligtum:
Vor DIR bestehen können!“

Sie musste es wiedergutmachen…
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 22 Dez 2005 00:33    Titel:
Antworten mit Zitat

OOC-Warnung: Der Teil "Das Verhoer" schildert in unmissverstaendlicher Form Folter an einem Menschen. Wer solche Schilderungen nicht vertraegt, moege diesen Part bitte nicht lesen! (Sollte das Post gegen die Richtlinien des Boards oder die hier vertretenen Grenzen des guten Geschmacks verstossen, schreib ich es natuerlich sofort um oder loesche es.)

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Zeit ist vergangen. Gesichter, die sich im Strudel der Zeit drehen, erscheinen, verschwinden. Varuna gab die erhoffte Hoffnung, einen Platz in der Garde des Grafen und nun die Moeglichkeit, den zu suchen, den sie zurueckliess, Sir Hagen von Weilenscheidt.


Groll

Teil I - Das Verhoer
Ihr Blick glitt die hoelzernen Balken entlang, die sich jeweils aneinander abstuetzend ueber den Grossteil der Plattform erstreckten. Sie verkoerperten diesen schmalen Grat, der sich zwischen Recht, Gerechtigkeit, Schutz, Strafe und Grausamkeit hindurchschlaengelte, mal den einen Bereich betrat, mal den anderen.
Die Balken schienen aus duesterstem Schwarz, doch das lag nur daran, dass lediglich wenige Feuerkoerbe den Platz erhellten. Sonst waren sie aus so solidem Holz wie alles andere hier auch. Die stille Beobachterin wandte den Kopf, als aus einer der Haustueren eine Frau kam, mehrere Holzscheite unter den Armen, und damit einen der Feuerkoerbe nachfuellte. Eines der vielen Indizien dafuer, wie schlecht es um die Ordnung in diesem Landstrich bestellt war: nicht einmal fuer etwas wie Nachtwaechter, womoeglich gar bewaffnet, war hier Geld oder auch nur die Moeglichkeit.

Der Landjunker, unter dessen Obhut dieser Landstrich stand, war wirklich zu bedauern, und es stand ausser Frage, dass diese Zeit schwerwiegende Umwaelzungen fuer ihn bedeuten wuerden, denn so, wie es war, war es kein duldbarer Zustand. Fast seine gesamten militaerischen Kraefte standen in den Diensten des hiesigen Fuersten und waren aufgrund einer kriegsartigen Auseiandersetzung an den Grenzen des Reiches gebunden. Das Land verarmte zusehends, und so hatten sich in den weitlaeufigen und unuebersichtlichen Waeldern des Landstriches jene Menschen zusammengefunden, die in Missachtung aller Gesetze ihr Zubrot damit verdienten, dass sie Reisende ueberfielen, erbeutete Gueter verkauften oder wegtauschten. Es mangelte an Ordnungshuetern, um diesem Tun Einhalt zu gebieten. Nun mussten auch Darna und Sir Hagen zu den Opfern dieser Misstaende gezaehlt werden.
Es war nicht so, dass es dem Landjunker an Willen mangelte - er hatte den Gardisten Norian und Darna willkommen geheissen und ihnen das Wenige an Hilfe angeboten, was er aufbringen konnte. Vielleicht war es politische Umsicht... das Fundament seiner Herrschaft begann, zu broeckeln, und dann noch Adelige aus anderen Landen - mochten sie noch so geringen Standes sein - gegen sich aufzubringen und zu verprellen hiess, moegliche wohlwollende Kontakte in den hoeheren Staenden zu verspielen.

Darna zog solche Dinge nur fluechtig in Erwaegung. Fuer sie gehoerte es einfach zur Pflicht und zu gutem Benehmen, war eine Selbstverstaendlichkeit. Weniger selbstverstaendlich war, dass der Junker persoenlich bei den Verhoeren zugegen war und eine Person in seinen Diensten wusste, die sich auf das Handwerk der hochnotpeinlichen Befragung verstand.
Man haette behaupten koennen, dass sie Glueck gehabt hatten. Ein Ortskundiger war gegen grosszuegige Entlohnung dazu bereit gewesen, die Gaeste und die wenigen Maenner des Landjunkers umsichtig zu dem Gasthof zu fuehren, wo Ritter und Knappin ueberfallen worden waren. Dort hatten sie der Wirtin und eines Mannes habhaft werden koennen und sie zu der Ortschaft gebracht, wo auch der Junker sein Gut hatte.
Die Befragung der beiden dauerte nun schon eine geraume Weile und Darna hatte etwas Abstand gebraucht, war nach draussen gegangen. Dort starrte sie nachdenklich in die Dunkelheit und fragte sich, ob es leichtglaeubig und sinnlos gewesen war, dass sie zumindest bei der Wirtin gehofft hatte, dass diese einfach nur Opfer aeusserer Umstaende gewesen waere. Doch dem war nicht so.
Weder hatte sie helfen wollen, noch schien sie viel fuer die rechtmaessigen Ordnungskraefte des Landes uebrig zu haben. Sie hatte sich als verstockt erwiesen, wollte sie zunaechst augenscheinlich sogar mit Falschinformationen in die Irre fuehren und war die Buhle eines der Gesetzlosen. Der Mann entpuppte sich als Mitglied der Bande und war auf verworrenen Wegen mit der Wirtin verwandt, hatte in dem heruntergekommenen Hof eine Verletzung auskurieren wollen.

Hinter ihr ging die Tuer auf und die kraeftige Stimme des Gardisten ertoente: "Werte Dame von Elbenau? Der Mann ist endlich gestaendig. Wenn Ihr zugegen sein wollt..."
Sie nickte nur und betrat das Gemaeuer, wappnete sich geistig gegen den Anblick, der sich ihr vermutlich offenbaren wuerde...
Die Luft im Innern des Kerkerkellers war stickig, vom Geruch nach Schweiss, Exkrementen und verbranntem Blut getraenkt. Es war heiss, trotzdem fuhr ein eisiger Zug durch den Raum. Ihr Stiefel trat irgendwas beiseite, beim ersten Gedanken ein Stein, doch der Klang in der gerade geisterhaft im Raum haengenden Stille war seltsam - ihr Blick fiel auf einen blutverschmierten Backenzahn, der achtlos fortgeworfen worden war.
Als sie den Kopf zum Delinquenten wandte, sah sie in weit aufgerissene schalgraue Augen, deren Blick trotz Schmerz und Panik merkwuerdig stumpf wirkte.
"Du warst bei dem Ueberfall also sogar dabei, na bitte", erklang erbarmungslos und fest die tief toenende Stimme des Junkers. Hinter seinem Ruecken wurde vermutlich darueber gewitzelt, dass er ein wenig lispelte, doch der gesamte Rest seines Auftretens liess solche Stimmen schnell wieder verstummen.
"Ja, Euer Edelgeboren", aechzte der Bandit und liess den Kopf auf die Brust sinken. Doch auf eine Zeit zum Ausruhen mochte er noch lange warten koennen. Der Folterknecht packte seinen verfilzten Haarschopf und riss ihn hoch, damit er dem Junker ins Gesicht saehe. Darnas Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen. Dieser Mann war selber einer der vermaledeiten...
"Dann wirst du sicher vom Hergang des Abends erzaehlen koennen", forderte der Junker ihn auf. Kurz fiel sein Blick auf Darna, auch der des Verbrechers. Beide erblickten ihre versteinerte Miene bei tadelloser Haltung, der Fackelschein und das roetliche Zwielicht der Glutbecken liessen sie wie eine unwirkliche Statue wirken, die Abbildung einer zornigen Frauenfratze, die nichts weiblich-liebliches mehr an sich hatte, und der die Narben etwas Grausames verliehen.
"Rede!", herrschte der Junker den Gefangenen an, "Oder das naechste Bad wartet auf dich!"
In Entsetzen weiteten sich die Augen. "Nein, nein! Ich erzaehl euch alles, was ihr wollt! Bitte erspart mir das Wasser! Bitte nicht!"

Der Junker lehnte sich in seinem hoelzernen Lehnstuhl zurueck, bot Darna an, ebenso Platz zu nehmen, doch sie schuettelte nur den Kopf, betrachtete das brusthohe offene Fass, das bis auf eine bestimmte Hoehe mit eisigem Schneewasser gefuellt war. Danach sah sie den Gesetzlosen an, der in beschaemender Bloesse in seinen Fesseln hing und zwischen blutverschmierten Lippen hervorzustammeln begann:
"Wir kamen vor ein paar Wochen, lang nach Einbruch der Nacht, zur Ulla, fuer einen Teller Suppe und ein paar Schnaps, um uns aufzuwaermen."
"Wer ist 'wir'?"
Der Mann zoegerte nur kurz, ehe er erschoepft aufzaehlte: "Der Jasel, Germin und - ich schwoere, bei den anderen weiss ich es nicht sicher - Albard, Ergram und ich glaub, Wanbrecht."
"Ihr wart also zu siebt."
"N..nein, Herr. Die Tageswachen werden zu sechst gemacht", stotterte der Gefangene verschuechtert. "Hab ich sieben aufgezaehlt?"
Der Junker winkte barsch ab: "Erzaehl weiter."
"Aus dem Schober erklang ein Pferdeschnauben, so ging Jasel zur Ulla und fragte sie, was los sei. Es..." Der Gefangene hielt kurz inne und sah verunsichert zu Darna, doch als er einen Ruck an seinen Fesseln spuerte, sprach er hastig weiter: "Es seien ein Ritter und eine junge Frau, die seine Knappin gewesen sein soll. Ulla hatte ihnen weisgemacht, dass irgendwie eine Hochzeitsgesellschaft kommen solle und sie im Heuschober untergebracht, der geht von innen nicht zu verschliessen, so dass wir leicht an sie herankommen konnten. Germin jedenfalls war da rasch bei der Sache und sagte uns, wir sollen uns unsere Waffen schnappen und den hohen Herrn um seinen feinen Besitz erleichtern. Wir wollten die beiden nur ausrauben, wirklich."
Darna ballte die Hand zur Faust. Dieses ungehobelte Pack... schmaehliche Erinnerungen an ihre Angst kamen auf; wer sollte diesen Lumpen glauben, dass es 'nur' dabei geblieben waere?
"Doch Jasel und Germin waehnten sich ein bisschen sehr sicher. Sie legten keinerlei Wert darauf, leise zu sein und so erwartete uns der Ritter bewaffnet im Heuschober, noch waehrend wir alle in den Schober draengten, warf er sich auch einen Gambeson oder was immer das war, ueber. Vorher rief er zu seiner Knappin, dass sie sich aus dem Staub machen solle. Er verletzte Germin schwer, wurde selber verletzt, erschlug aber noch Jasel, als er durch unsere Reihe brach und nach draussen gelangte."
"Was passierte mit ihm?"
"Er entkam, Euer Edelgeboren."
"Wohin?"
"Weiss ich nicht. Er verschwand im Dunkeln."
"Ihr habt ihn nicht verfolgt, obwohl ihr die Gegend kennt?"
"Nein. Ich mein, nicht lang. Nein."
Mit zitternden Lippen wartete der Gefangene ab. Der Junker wandte Darna den Kopf zu, als schon ihre Worte erklangen, die Haerte darin erschreckte sie nahezu selber: "Er luegt, Euer Edelgeboren. Waere Sir Hagen auch nur halbwegs erfolgreich entkommen, waere er in Varuna angekommen, wenn er nicht sogar schon selber die Ortschaft gefunden haette, zu der auch ich gelangte."
Der Junker nickte. Auf seinen Handwink hin begann der Gesetzlose, zu schreien und um Gnade zu betteln, denn er wurde gepackt und eine schmale Holztreppe hochgeschubst, von der aus er ins Wasserfass gestossen wurde.
Das eiskalte Wasser spritzte an seinem ausgemergelten nackten Koerper hoch, schwappte dann herum, bis knapp ueber die Hoehe seiner Lenden hinaus, denn kreischend zappelte er in dem Fass herum, beteuerte ein paarmal, dass das alles sei, was er wisse.
Scheinbar ungeruehrt und mit gleichgueltiger Miene rutschte der Junker in eine bequemere Haltung und nahm sich etwas bereitstehendes frisches Brot, bot Darna auch etwas an. Sie lehnte ab.

"Ich... ich gestehe, Euer Edelgeboren! Bitte!"
Der Mann brachte rasch kaum ein Wort mehr klar heraus, seine Zaehne schlugen erbaermlich klappernd aufeinander. Der Junker tat, als interessierten ihn die Worte nicht und schenkte sich etwas warmen Gewuerzwein ein.
"Ja, wir haben ihn verfolgt. Die anderen wollten Rache fuer Jasels Tod."
"Ach, du natuerlich nicht. Wir haben mit dir die Tugend in Person erwischt, du hattest lediglich dein schaendliches Tun gerade eingesehen und wolltest hinter Sir Hagen her, um dich zu entschuldigen." Die Stimme des Junkers troff vor Spott, angewidert verzog Darna das Gesicht, nachdem ihr waehrend eines kurzen Momentes muehsam wie jedes mal klar geworden war, dass er seine Worte nicht ehrlich gemeint haben konnte.
"N...nnn..nnnnei...nein, ich..." Das Gestammel wurde unterbrochen, als der Folterknecht ihn an den Fesseln aus dem Fass herauszog und unsanft daneben abliess. "Oh nein, BITTE!" Er versuchte, sich zusammenzukruemmen, sein Gemaecht irgendwie mit den Beinen abzudecken, ein Gehilfe riss ihn in eine aufrechte, entbloesste Haltung, waehrend der Folterknecht die Temperatur des dampfenden Wassers in einem Eimer pruefte: noch angenehm heisse Badezubertemperatur - freilich nur angenehm, wenn man nicht, wie der Mann vor ihm, zur Haelfte ausgekuehlt war. "GNADE!"
"Und was habt ihr Sir Hagen angetan?"
Darna schluckte, als der Folterknecht ausholte und das warme Wasser sich in einem Schwall auf den Verbrecher ergoss. Ein unbaendiger, gequaelter Schrei erklang. Wie oft er diese Prozedur nun schon durchgemacht hatte, wusste sie nicht, doch er schnappte nach Luft und wirkte ein paar Momente, als wuerde er das Bewusstsein verlieren. Der Folterer schuettelte ihn und verpasste ihm zwei Ohrfeigen, knurrte ihm drohend entgegen: "Wag ja nicht, umzukippen, ich steck dich dann kopfueber in das Fass!"
Es brauchte ein paar Momente, bis man aus dem Stammeln des Gefangenen wieder etwas verstehen konnte:
"...gestuerzt. Haben noch versucht, ihn zu erwischen, ehrlich. Aber da bricht so der Boden weg. Er ist gestuerzt, wir haben ihn nicht erschlagen, ich schwoer's. Aber er is tot, ja. Muss es sein, es geht steil runter da."
"Wo?"
Darna lehnte sich vor, ein unbewusster halber Schritt in seine Richtung. "Ihr habt was getan?", entfuhr es ihr zischend.
"Wir... wir sind hinter ihm her, hinter das Haus, tiefer in den Wald rein. Kaum einer von uns hat was gesehen, aber sein Wappenrock war recht gut zu sehen." Ein Grollen war aus Darnas Richtung zu vernehmen, aber nur der Gardist bedachte sie mit einem ueberraschten Blick - seit Beginn der Unternehmung war es das erste Mal, dass sie deutlich andere Gefuehle zeigte als verbitterte oder auch hoefliche Zurueckhaltung.

"Es ist nicht sehr weit weg, da zieht sich der Graben einer langen Waldschlucht laengs. Weiche Erde, die immer wieder wegbricht, schwere Steine dazwischen, Geroell... Er ist im Dunklen da hinabgestuerzt, grad an einer Stelle, wo's am Schlimmsten ist. Lauter Erde rutschte nach, ein paar Felsen loesten sich. Es tut mir leid, ich schwoer's. Ehrlich, bei Temora, es tut mir lei..umpfffh."
Es hatte sie niemand zurueckgehalten, doch die Knappin war auch unaufhaltsam wie eine hoechsteigene Naturkatastrophe auf den Gefangenen zugestapft und hatte ihm die Faust in die Magengrube geschlagen, danach in nahezu einer gleichen Bewegung einen Hieb gegen seinen seitlichen Kiefer gefuehrt.
"Dreckskerl, du feiges, raeudiges Etwas!" Wutschaeumend spie Darna ihm ihren Hass entgegen. "Das wirst du bereuen, du elendiger, erbaermlicher Wicht!"
"Dame von Elbenau." Es war die Stimme des Junkers, doch diesmal bemuehte er sich nicht nur um einen bestimmenden Ton, sondern auch um einen eindringlichen, ermahnenden Klang, der es nicht zu sehr an Hoeflichkeit mangeln liess - das Kunststueck gelang ihm sogar. Langsam, hinabgezwungen, senkte sich ihre Faust. Sie war lausig im unbewehrten Kampf, doch in den Schlaegen hatte aller Zorn gelegen, der gerade in ihr brodelte. Ueberraschend still, obwohl er noch bei Sinnen schien, hing das Opfer vor ihr im Griff seiner Peiniger.
"Er wird fuer seine Taten zahlen", liess sich der Junker abermals vernehmen.
Sie schloss die Augen, kaempfte ihre Gefuehle nieder, mauerte Hass und Rachsucht in sich ein und senkte um Vergebung bittend vor dem Junker das Haupt: "Ich bitte fuer meinen Gefuehlsausbruch um Verzeihung, Euer Edelgeboren. Ich wollte nicht Eure Authoritaet in der Befragung untergraben."
Der Junker winkte sie ein wenig zur Seite und sprach gedaempfter weiter:
"So es irgend moeglich ist, werde ich Euch alle Hilfe geben, um Euren Herrn noch zu bergen und seine Ueberreste gebuehrend zu bestatten. Vielleicht laesst sich mithilfe dieses Kerls auch noch ein Teil Eurer Ausruestung zurueckgewinnen, doch viel Hoffnung hege ich da leider nicht." Zustimmend schuettelte sie den Kopf. Ihr Gegenueber fuhr fort: "Doch dies genauer herauszufinden, erfordert nicht Eure Anwesenheit, ich wuerde Euch weiteren Aufenthalt in diesen ungemuetlichen Raeumlichkeiten gern ersparen, werte Dame. Sorgt Euch nicht - diesen beiden Gesetzlosen ist bereits der Galgen gewiss, sie werden nach Recht und Ordnung gerichtet werden."
In einem aufkommenden Gefuehl von Hoffnungslosigkeit und Muedigkeit schloss sie die Augen, nickte langsam, und fragte sich leise, ob das angesichts ihres Fehlverhaltens der hoeflichste Rausschmiss war, den sie bislang erfahren hatte, doch es spielte auch keine Rolle.
"Ich danke Euer Edelgeboren fuer Eure Freundlichkeit."
"Bei Tageslicht werden wir weitersehen. Ruht wohl, werte Dame von Elbenau."
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 22 Dez 2005 18:14    Titel:
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Groll

Teil II - Ein Fetzen Tuch

"Wenn dieser lausige Bandit nicht furchtbar gelogen hat, muesste es hier irgendwo sein", fluesterte der Anfuehrer der kleinen Vierertruppe, zu der auch Darna gehoerte. Notgedrungenermassen, um ueberhaupt mitkommen zu koennen, hatte sie unauffaellige Kleidung angezogen. Es war das Stammgebiet der Gesetzlosen und es war Illusion, sie mithilfe einer entsprechenden Streitmacht auszumerzen. Wenn dergleichen ueber die naechste Zeit gelingen sollte, dann nur mit wohlgeplanten Unternehmungen kleinerer Trupps, die sie nach und nach aufreiben wuerden. Wenn ueberhaupt. Groessere Verluste konnte sich der Junker genausowenig erlauben wie Raeuber, die Adelige toeteten. Doch diese vier Gestalten waren aus einem anderen Grund hier und hofften einfach nur, nicht bemerkt zu werden. Darna schlug das Herz bis zum Hals.
Es hatte keine gesonderte Warnung des Ortskundigen gebraucht, um die Gefaehrlichkeit der Schlucht zu bestaetigen. Der Boden war hartgefroren, und wo die Kante des hartgefrorenen Bodens nicht wegbrechen wuerde, war schwer zu sagen. Genau nach solchen Stellen suchte der Gefolgsmann des Junkers aber - genauer gesagt, nach einer Stelle, die den Eindruck vermittelte, dass dort vor einigen Wochen ein kleinerer Erdrutsch herniedergegangen sein koennte. Sie hatten ihn angeseilt, falls sein Gespuer fuer den tueckischen Untergrund ihn truegen sollte. Unterholz und Bodenschlingpflanzen behinderten das Vorwaertskommen.

"Hier, mehrere Brombeerstraeucher. Die hat der Halunke auch beschrieben. Und eine Abbruchkante, koennte passen." Suchend schlich der Mann umher, als er ploetzlich etwas aus einem der dornigen Buesche zupfte und es naeher betrachtete. Es war ein winziges Stueck Stoff, mit ein paar Wollhaaren daran. "Koennte das aus dem erwaehnten gefuetterten Wappenrock stammen?"
Still nickte Darna. Hatten sie ihn also hierher getrieben? "Du hast ihn im Stich gelassen..."
Skeptisch schaute der Ortskundige gen Schlucht, versuchte, einen naeheren Blick hinein zu erhaschen. Als er zu Darna zuruecksah, merkte sie schon, welche Erfolgschancen er sich ausrechnete, dass man hier einen Leichnam bergen konnte, so viel Seil koennten sie vermutlich gar nicht schleppen.
Sie rechnete es ihm hoch an, dass er es offenbar wenigstens versuchen wollte, sich angeseilt fuer eine bessere Einschaetzung ueber die Kante hinabzulassen. Vorher sicherte er die Umgebung und machte mit ihnen ein paar stille Signale aus - er wollte hier nicht rufen muessen...

Fassungslos starrte sie auf das Stueck Stoff. Wieso fiel das Begreifen so schwer? Wieso wuerde sie einen Mord begehen moegen, stuende jetzt nur einer aus dieser elenden Bande vor ihr? "...aber sein Wappenrock war recht gut zu sehen." Sir Hagens Wappenrock, ja - ein goldenes Einhorn auf rot, die untere Wappenhaelfte weiss-schwarz gewellt. Es hatte in Varuna schon jedesmal wehgetan, diese wunderschoene Statue eines goldenen Einhorns zu sehen, doch es hatte sie als Symbol der Reinheit auch immer an Sir Hagens gute Seiten erinnert. Dieses Stueck Stoff in ihren Haenden war zerrissen und schmutzig, und wer nichts damit anzufangen wusste, fuer den war es nur ein kaputter Fetzen gutes Leinen, mit etwas roter, gelber und weisser Farbe darauf zu sehen.
Wieso tat jeder Atemzug, jeder Herzschlag gerade weh? Sie wuerden ihn nicht bergen koennen, es war einfach zu gefaehrlich. Er hatte nicht mal seine Leiche ausmachen koennen, die irgendwo dort unten im wirren dichten Gruen des Schluchtbodens liegen musste. Er hatte nur diesen Fetzen Tuch in den Zweigen eines schraeg aus dem Hang wachsenden Ginsterbusches ziehen koennen, hatte von Blutschlieren am Wurzelwerk berichtet.
Wieso war sie sich der Blicke des Mannes und auch der anderen beiden so schrecklich bewusst? Still in Anteilnahme beobachteten sie, wie die Frau mit dem Fetzen Tuch in den Haenden auf der kalten, harten, dornigen Erde kniete und wie fuer eine lange Weile nur ihre Schultern bebten, immer heftiger, bis leise das erste Schluchzen zu hoeren war. Der Gefolgsmann seufzte leise und trat naeher, legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Milady... es tut mir leid, aber wir muessen fort von hier."
Ja. Natuerlich. Sie holte tief Luft, riss sich zusammen, mauerte Trauer und Einsamkeit in sich ein und nickte.

Im Beisein des Junkers hoerte sie die Worte des Templers:
"Mit Alatar kam das Boese in die Welt. Schwert und Blut richten seit diesen Tagen, gerichtet wurde ueber euch. Ausgestossen sollt ihr sein aus der Welt der Lebenden, und Eluives Vergebung erbitten wir fuer euch, dass das Verstummen Eurer Misstoene ihre Harmonie schoener erklingen lasse und ihr neu Teil davon werdet. Findet zurueck in Temoras Licht und schauet ihre Gerechtigkeit. Moege euer Sturz ins Dunkel mit dem Tod ein Ende finden. Wir, die Lebenden, haben versagt darin, euch den rechten Weg zu weisen."
Als die beiden Koerper herabfielen und ihre Genicke brachen, fuehlte Darna sich selber, als waere sie tot, denn sie sah zu und fuehlte nichts.
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Darna von Hohenfels





 Beitrag Verfasst am: 28 Dez 2005 15:27    Titel:
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Groll

Teil III - nichts sei vergessen

Wieder ein Bersten und Splittern. Wenn sie so weitermachte, wuerde er noch genug fuer den Winter des naechsten Jahres haben. Der alte Mann schuettelte seinen nur noch von wenigen weissen Haaren gezierten Kopf und ging nach draussen, blies in gewohnter Geste warme Luft in seine von Gicht gekruemmten Haende - oder, besser gesagt, er hustete hinein.
"'s is gud, gudde Maid", versuchte er, sich verstaendlich zu machen, doch das Beil sauste schon in den naechsten Holzklotz hinein, senkte sich tief zwischen die Fasern. Sie schnaufte, doch in regulierten Zuegen. Mit einem Einatmen hob sie das Beil samt Holz, hielt die Luft an, als beides herunterfuhr und der Klotz sich krachend in zwei Haelften spaltete, atmete dann aus, waehrend sie sich schon zu einem der Holzstuecke bueckte, um es weiter zu zerkleinern.
Aus argwoehnisch verengten Augen betrachtete der Alte tiefe Kerben im dicken festen Holzstumpf, der als Unterlage diente.
"Wenn's so weydermoachst, brauch ich'n neu'n Hauklotz", versuchte er sich an einem Scherz.
Darna hielt in ihrem Tun endlich kurz inne und schenkte ihre Aufmerksamkeit dem Mann, der sie vor einiger Zeit vor dem Erfrieren bewahrt hatte, als sie hier mit nichts als ihrem Nachtzeug am Leib angekommen war. Viel hatte er selber nicht besessen, doch von dem Wenigen hatte er grosszuegig gegeben.
"Der Hauklotz ist wirklich sehr stabil, und ich werde in gebotenem Masse Ruecksicht darauf nehmen, guter Mann. Verzeiht, wenn ich ihn Euch ueber Gebuehr beschaedige, so will ich auch mit einem neuen Abhilfe schaffen."
Verwirrt blinzelte der alte Mann. "Dammich, so schlecht sin' meyne Ohren net, aber verstehn tu ich kaum eyn Wort vun dem, was'de reden tust, gudde Maid."
Sie hatte selber Muehe, seiner genuschelten Mundart zu folgen. So liess sie es auf sich bewenden und schaute zu dem Holzvorrat, den sie um eine betraechtliche Menge erweitert hatte. Was vorhanden gewesen war, haette nie und nimmer gereicht.
"Ich werde noch den Stapel hier zerkleinern und dann wird es tatsaechlich gut sein, denke ich." Sie schwitzte, trotz der Kaelte, und so wollte sie auch nicht zu lange innehalten, ohne reinzugehen. Darna legte sich den gegriffenen Scheit nochmal zurecht und spaltete ihn.

Der Alte nickte leicht, doch blieb er eine Weile stehen und schien sie zu beobachten, sich selber in einer sicheren Distanz zu womoeglich durch die Gegend fliegenden Holzstuecken untergebracht. Er beobachtete sie, waehrend sie vorgab, es zu ignorieren, bis er irgendwann scheinbar zusammenhanglos nickte und wieder hineinging.
Als sie eine Weile spaeter hinterherkam, erwartete sie ein einfacher, aber heisser Brennesseltee, den sie dankbar annahm. Zufrieden glitt ihr Blick ueber die frisch gestopfte Strohmatratze und die vier guten neuen Decken, die sie ihm mitgebracht hatte. Zusammen mit dem Brennholzvorrat wuerde er, was Waerme anbelangte, gut ueber den Winter kommen. Was Nahrung anbetraf, lag weit weniger in ihren Moeglichkeiten. Die Bauern waren bereits nicht mehr fuer Gold dazu zu bewegen, von ihren eigenen sorgsam eingeteilten Vorraeten etwas abzugeben.
"'s is eyn Gift, eyn schleychendes", hoerte sie die kraechzige Stimme des Alten und hob verwundert den Kopf, sah ihn ueber den Rand ihrer Tasse hinweg besorgt an.
"Was meint Ihr damit? Geht es Euch nicht gut, seid Ihr krank?" Ein gehustetes Brummen war die Reaktion, was ihre Frage nicht wirklich beantwortete und sie, nun erst recht besorgt, die Tasse abstellen liess.
"Meyn ich dich mid, gudde Maid. Hab's draussen g'sehn, hab's schon eyn paarmal g'sehn. Hat auch mal min Sohn vergiftet, 's frisst eynen vun innen auf, 's is nich gescheyd, zu glaub'n, man stuend drueber."
Verwirrt runzelte sie die Stirn, schaute ihn an, wie er dasass und scheinbar die Astloecher in den Holzwaenden seiner Huette betrachtete. "Wovon redet Ihr, guter Mann?"
"Meynst, merkst es selber nich mehr, wie's in dir reysst un nagt? In deyn Gesicht stands g'schrieben wie in eyn off'nem Buch."
Er richtete den forschenden Blick seiner langsam truebe wirkenden Augen auf sie, dass ihr ein Schauer ueber den Ruecken lief und sagte:
"Groll, myn Maid."
Eine Weile hing ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen, das ihm weit weniger etwas auszumachen schien als ihr.

"Mit dem Holz und den anderen Sachen solltet Ihr soweit sorglos ueber den Winter kommen koennen, denke ich", sagte sie schliesslich leise und ruhig, der Alte nickte nur. "Noch immer bin ich Euch dankbar, doch hoffe ich, auf diese Weise einen Teil meiner Schuld beglichen haben zu koennen."
"Hast du, myn Maid, hast du. Hast eynem alten Mann 'ne Menge erleychtert, min Sohn wird sich oach freu'n."
"Richtet auch ihm meinen Dank aus, doch ich kann nicht auf ihn warten oder auch zu ihm hin. Einem anderen Herrn gebuehrt nun meine Treue und ich hoffe, er musste sie nicht schon zu sehr entbehren."
Wieder ein Nicken. Irgendwas hing noch immer in der Luft. Sie haette noch soviel sagen wollen, doch eher glich ihr Abschied aus der Huette des Alten einer Flucht. Sie wuenschte ihm alles Gute, er ihr desgleichen und es kam bei beiden von Herzen, doch draussen atmete sie durch und verdraengte die Frage, ob es zu viel Zeit war, seit sie selbst gegenueber Bruder Talarion das Gefuehl einbuessen musste, ihm alles erzaehlen zu koennen, was sie bedrueckte oder ihr auf dem Herzen lag.
Fuer solche Dinge war keine Zeit. Gardist Norian und das Schiff warteten auf sie, das sie beide zurueck nach Gerimor bringen sollte.
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