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Viridian
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Viridian





 Beitrag Verfasst am: 20 Feb 2009 21:07    Titel: Viridian
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Vorbemerkung:

Viridian ist nicht auf Alathair "geboren" worden. Der Char entstand für den RP-Freeshard "Terrestria" und dort habe ich ihn bis zur Shardschließung gespielt. Er hat also eine lange "Geschichte" hinter sich.
Damals habe ich auch angefangen, seine Charstory auszuarbeiten, welche ich euch nun zur Verfügung stellen möchte.
Die Götternamen weichen von denen auf Alathair ab, doch kann man es so erklären, dass die Menschen "dort" einfach andere Namen für die gleichen Wesen haben, vielleicht, weil sie schlicht eine andere Sprache sprechen. Verbleibende Ungereimtheiten können mit mythologischen Verzerrungen begründet werden.

Avian: Der Göttervater, er starb in der Götterschlacht durch die Hand seines Sohnes Skelestos (und/oder Belhalar und/oder Lloth so genau habe ich das nicht mehr im Kopf)

Aphadriel: Der Gott des Lichtes, und des gerechten Kampfes
Belhalar: Der Gott des Chaos (und meiner Ansicht nach des Mordes)
Skelestos: Der Gott des puren Bösen, Herr über den Untod
Me'Rhandron: Der Gott des Todes. Hauptaufgabe ist das sichere Geleit der Seelen der Verstorbenen in das Reich des jeweiligen Gottes und Schutz vor Skelestos' Zugriff
Layande: Göttin des Lebens, der Geburt
Zeyaron: Göttin des Friedens, der Liebe

Sollten noch weitere Fragen aufkommen, bitte stellen.
Ich möchte mit dieser Geschichte in erster Linie euch einen Eindruck über Viridians Wesen vermitteln, ich leite daraus (außer gewissen Verhaltensweisen) keinerlei Ansprüche ab, die von der Engine zB nicht gestützt werden (Viri kann lesen und schreiben und ist relativ gebildet, was sich auch auf Alathair niederschlägt)

Und los gehts. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
_________________
Ein strîter sô gelêret was, daz er an den buochen las, swaz er dar an geschriben vant: der was Viridian genant, dienstman was er ze Mêrswaht.


Zuletzt bearbeitet von Viridian am 01 Jul 2010 16:51, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Viridian





 Beitrag Verfasst am: 20 Feb 2009 21:07    Titel:
Antworten mit Zitat

Prolog: Das Duell der Magier


Vor vielen tausend Jahren, als die Welten noch jung waren, lebten zwei Brüder. Sie waren Zwillinge, gleich vom Aussehen, doch verschieden im Geiste.
Der ältere Bruder strebte seit jeher nach vorne, wollte alles entdecken und erobern.
Der jüngere Bruder indes dachte: „Was nützt mir die ganze weite Welt, werde ich doch niemals in der Lage sein, sie auf einmal mit meinen Händen zu umfassen und mit meinen Augen in ihrer ganzen Pracht zu betrachten.“
Und so begab sich der ältere Bruder hinaus in die Fremde, während sein jüngerer Bruder im Haus der Eltern blieb und sich mit dem zufrieden gab, was Wald, Fluss und Acker für ihn bereit hielten. Denn das waren Dinge, die er mit seinen Händen anfassen und mit seinen Augen in ihrer ganzen Pracht sehen konnte. So verstrichen viele Dutzend Jahre.
Ihr müsst wissen, geneigter Leser, dass damals auch die Magie noch frei und zügellos war. Die Menschen bedienten sich ihrer, ohne darüber nachzudenken, beschränkten sich dabei aber –ob aus Unwissenheit oder Furcht, lässt sich heute nicht mehr sagen- auf einen Bruchteil ihres Potentials. Mit ihrer Hilfe erschufen sie großartige Wunderdinge ebenso beiläufig, wie sie diese wieder zerstörten. Auch gab es damals nicht die Götter, wie Ihr sie kennt, denn Avians Zeit war noch nicht gekommen. Zwar war kein lebendes Wesen jemals unsterblich, doch da die Welten in jenen Tagen noch rein und unverdorben waren, spannte sich der Faden eines Menschenlebens über mehrere Jahrhunderte.
Eines Tages, es war der einhundertundfünfzigste Geburtstag der Brüder, blickte der Jüngere von seiner Feldarbeit auf und noch bevor seine Augen ihn erkannten, wusste sein Herz, dass der Mann, der den Weg entlang kam, niemand anderer, als sein geliebter Bruder war. Eine solche Freude erfüllte den Mann, dass er sein Ackergerät achtlos liegen ließ und dem Bruder entgegeneilte.
An diesem Abend feierte die Familie ein großes Fest. Der ältere Bruder hatte seit jeher eine Vorliebe für den süßen Wein und als es Mitternacht wurde, nahm er seinen Bruder bei Seite und fing an, im Rausch mit ihm zu reden. Er erzählte ihm, dass er viele Jahre lang das Wesen der Magie erforschte, worin vordem noch kein Mensch einen Nutzen gesehen hatte. Die Magie, so sagte er, sei zu so viel mehr einsetzbar, als die Menschen wüssten. Er nannte sie das Große Geschenk. Je mehr der Ältere aber trank, desto deutlicher wurde seine Verachtung für die Menschen, welche die Magie nicht respektierten. Später sprach er gar davon, die Menschheit für ihre Respektlosigkeit bestrafen zu müssen. Zuletzt forderte er seinen Bruder auf, ihm dabei zur Seite zu stehen. Dann entfaltete der Alkohol seine volle Wirkung und der ältere Bruder schlief auf der Stelle ein.
Am nächsten Morgen schien der ältere Bruder sich nicht an sein Gespräch am letzten Abend erinnern zu können. Als er gegen Abend wieder aufbrach, drückte er aber seinen Bruder zum Abschied fest an sich, wobei er ihm ins Ohr flüsterte: „In einhundert Jahren komme ich wieder. In deinem Zimmer wirst du all mein Wissen über die Magie in drei Büchern finden. Ich verlasse mich auf dich, du bist der einzige Mensch, dem ich vertraue. Gemeinsam werden wir diese unwürdigen Würmer lehren, der Magie fortan mit Demut zu begegnen.“
Dann küsste er seinen Bruder auf beide Wangen und verließ das Haus seiner Eltern in Richtung der untergehenden Sonne. Lange stand der Jüngere alleine in der Tür und blickte der immer kleiner werdenden Gestalt nach. Über seine Wangen, auf denen er noch immer die sanfte Berührung des Bruders zu spüren meinte, glitten lautlose Tränen der tiefen Verzweiflung.
Als der Tag vollends der Nacht gewichen war, trat der Jüngere wieder ins Haus. Sein Weg führte ihn auf sein Zimmer, wo er tatsächlich drei dicke, schwere Bücher mit kostbar verzierten Einbänden unter dem Bett entdeckte.
Und der Jüngere begann mit seinem Studium der Magie nach den Anleitungen seines Bruders. Fünfundsiebzig Jahre brauchte er, bis er die Inhalte der drei Bücher vollständig verstanden hatte, fünfundzwanzig Jahre für jedes Buch. Zuerst lernte er die Grundlagen des Wirkens von Magie. Der Ältere hatte herausgefunden, dass es eine Art Kraft geben musste, die einerseits aus der Erde und andererseits vom Himmel stammte.
Der Mensch konnte diese Kraftströme nutzbar machen, indem er, nachdem er verstanden hatte, dass er selbst Teil dieses Kräftestroms war, mit Hilfe seines Körpers die Kraft bündelte und in eine ganz spezielle Richtung lenkte. Allerdings musste dieser Mensch dafür einen Teil seiner eigenen Kraft einsetzen, welcher dann seinem Körper entzogen wurde und nur langsam wieder zu ihm zurückkehrte. Je mehr von der äußeren Kraft man umleiten wollte, desto mehr der eigenen Kraft musste man auch aufbieten, was durchaus auch mit Gefahren verbunden war, denn diese innere Kraft der Menschen war auch Teil ihrer Lebenskraft. Verbrauchte man sie vollständig, so brachte man das eigene Leben in Gefahr.
Doch gab es Mittel und Wege, die eigene innere Kraft durch stete Übungen zu steigern und genau darin bestand die Schwierigkeit, welche den jüngeren Bruder so viel Zeit kostete. Hatte er einmal genügend innere Kraft beisammen, um einen gänzlich neuen Zauber zu versuchen, brauchte er keinen Tag, bis er verstanden hatte, in welcher Art und Weise das Kraftmuster genau verändert werden musste, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Im Laufe der Zeit fiel dem jüngeren Bruder noch etwas auf, das ihn offensichtlich von seinem Bruder unterschied: während in den Büchern immer stand, dass man die Kräfte „fühlen“ musste, so konnte er die Kräfte sogar „sehen“.
Die letzten fünfundzwanzig Jahre schließlich probierte er ständig neue Kraftmuster aus, die schließlich zu Zaubern führten, welche nicht in den Büchern seines Bruders standen. Als sein zweihundertfünfzigster Geburtstag und damit der Tag der Rückkehr seines Bruders gekommen war, beherrschte er die Elemente meisterlich und konnte sie in jeder beliebigen Form manipulieren.
Früh war er an diesem Morgen erwacht, um ja die Ankunft seines Bruders nicht zu verpassen. Jedoch fühlte er sich seltsam zerrissen, wenn er an seinen Bruder dachte. Einerseits war da diese unbändige Freude, den geliebten Bruder nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen. Andererseits aber spürte er auch eine unerklärliche Furcht in sich. Aber war diese nagende Angst ihm wirklich so unerklärlich? Je länger er darüber nachdachte, desto deutlicher erkannte er, welcher der Grund für sie war. Es war jener Abend an ihrem einhundertfünfzigsten Geburtstag und das, was der Ältere ihm damals gesagt hatte. Hasste er die Menschen denn wirklich so sehr, wie er behauptet hatte? Warum konnte er sein Wissen denn nicht den anderen Menschen übermitteln, ihnen die Furcht vor der Magie nehmen, so wie er es bei seinem jüngeren Bruder doch auch getan hatte? Er würde ihn das fragen, wenn er kam. Ganz bestimmt.
Der Tag verging wie jeder andere auch, denn jetzt, da die Eltern alt und schwach waren, musste der Jüngere die Felder alleine bestellen. Sicher wusste er, dass nur ein wenig Magie ausgereicht hätte, um die ganze Arbeit für ihn zu erledigen, doch er wollte das nicht. Er liebte die Feldarbeit und hätte sie sich um nichts in der Welt nehmen lassen, mit nur einer Ausnahme. Wenn sein Bruder ihn darum gebeten hätte.
Mittags setzte er sich auf eine alte Eichenbank vor dem Haus und blickte zur Sonne empor. Da spürte er auf einmal eine Veränderung im Netz der magischen Ströme und nur einen Augenblick später konnte er sie auch sehen. Ein Bewegungszauber war es, und einer der effektivsten noch dazu. Viele Zauber der Bewegung machten den Benutzer schneller und ausdauernder. Dieser hier jedoch veränderte nicht den Benutzer, sondern die Welt um ihn herum. Bei diesem Bewegungszauber schickte nämlich der Magier einen Teil von sich an jenen Ort, zu dem er reisen wollte. Dieser Teil des Zauberers manifestierte sich dort, was für den Betrachter aussah, wie starkes Hitzeflimmern in der Silhouette des Zaubernden. War dies geschafft, so musste der Zauberer nur noch einen Schritt nach vorne machen, dann trat er durch das Flimmern an seinem Zielort und war frisch und ausgeruht, denn er hatte ja nur einen einzigen Schritt getan.
„Ich grüße dich, kleiner Bruder“, sagte der Ältere, der eben seinen Fuß auf das Gras vor dem Haus setzte. „Hast du getan, worum ich dich gebeten habe? Ja, ich kann spüren, dass du stärker geworden bist, zwar nicht ganz so stark, wie ich gehofft hatte, aber immerhin.“
Der Jüngere hatte noch kein Wort gesagt, sondern seinen Bruder nur aufmerksam betrachtet. Wie immer glichen die beiden sich äußerlich wie ein Ei dem anderen, doch konnte der Jüngere auch Dinge sehen, die anderen Augen verborgen waren. Er blickte nämlich geradewegs in das magische Abbild seines Bruders, sprich in dessen Kräftenetz. Und für ihn ergab es ein Bild, das Bild einer Kreatur, deren bloßer Anblick den Verstand des Betrachters rauben konnte. Nachdem der Jüngere dies gesehen hatte, wusste er, dass seine Chancen schlecht standen. Er seufzte leise und sagte: „Ah, Bruder, es ist schön, dich wiederzusehen. Erzähl mir, wie es dir auf deinen weiten Reisen ergangen ist. Danach wollen wir essen und trinken und mit den Eltern zusammen feiern.“
„Nun denn, dann will ich dir berichten, an welchen Orten ich war und welche Wunder ich sah. Auch du wirst bald an diese Orte kommen und diese Wunder sehen können, Bruder.“
Und so erzählte der ältere Bruder, was er erlebt hatte, bis die Sonne unterzugehen begann. Dann betraten die beiden das Haus der Eltern. Der Jüngere Bruder hatte immer wieder das magische Abbild seines Bruders betrachtet und zu seiner Freude war dieses wieder fast zu dem eines Menschen geworden. Ob es an der Liebe lag, die er noch für seinen kleinen Bruder und die Eltern empfand?
Der Vater und die Mutter hatten den ganzen Tag im Haus gearbeitet. Beide waren sie vom Alter gebeugt, ihre Augen trübe, die Hände zittrig und der Gang langsam und bedächtig. Obwohl sie nicht mehr auf den Feldern arbeiten konnten, hatten sie sich doch alle Mühe gegeben, das Haus zu schmücken und ein Festessen zuzubereiten. Als die beiden Brüder die Stube betraten, lächelten die Eltern ihnen entgegen und der jüngere Bruder erwiderte es. Dann aber schwand es aus seinem Gesicht, als er spürte, wie sich das Abbild seines Bruders abermals wandelte.
Da öffnete der ältere Bruder den Mund und seine Stimme klang dem Jüngeren wie Nadelstiche im Herzen, als er sagte: „Wer sind diese Kreaturen? Diese erbärmlichen, kraftlosen und hilfsbedürftigen Wesen sollen meine Eltern sein? Das dulde ich nicht! So etwas hat es nicht verdient, auch nur einen weiteren Atemzug zu tun! Sie sind genauso kläglich wie alle anderen Narren, die sich der Macht der Magie verschlossen haben! Sie hätten ewig leben können, aber nein, sie haben sich für ein Dasein als Würmer entschieden, die den Dreck fressen, in dem sie herumkriechen! Sie haben den Tod verdient!“
Er reckte die Hände in die Luft und begann, unverständliche Silben vor sich hin zu summen, während sein Leib wie von Krämpfen geschüttelt wurde. Die Vibrationen begannen, das ganze Haus zu erfassen, sodass alles Geschirr auf dem Tisch zu klirren begann. Gelähmt von dem entsetzlichen Anblick des immer deutlichere Konturen annehmenden Monstrums, das sein Bruder geworden -nein: das von seinem Bruder Besitz ergriffen haben musste versagten dem Jüngeren die Kräfte. Gleich einem Unbeteiligten verfolgte er die Verwandlung, welcher das Vibrieren seinen Eltern unterzog: die alte, pergamentene Haut begann, erst kleine, dann immer größer werdende Blasen zu werfen, die wandernd, schwimmend, sich verbindend schließlich aufplatzten und den Lebenssaft der Alten verspritzten. Die Augen traten den Eltern hervor, bis auch sie platzten. Selbiges widerfuhr den Zungen und Fingern, wohl auch den Zehen, die jedoch in festen Lederschuhen steckten, welche den Anblick verdeckten. Dann begann eine Fuge aus Knack- und Krachlauten die Stube zu fluten. Die Knochen der Alten zerfielen geräuschvoll zu Staub, gut erkennbar an den entblößten Fingerknochen, die in zehn feinen Bahnen zu Boden rieselten. Einen Augenblick noch standen die sozusagen entgräteten , aufgeplatzten Hüllen der Alten in qualerfülltem Entsetzen erstarrt da, dann sackten sie in sich zusammen und blieben als zwei blutige Klumpen auf dem Boden liegen. Schlagartig setzte die Vibration aus. Der Spuk hatte ein Ende. Wie lange mochte er gedauert haben? Eine Sekunde? Einen Tag? Ein Leben lang?
Allmählich wich der Schock des Jüngeren, machte den Platz frei für eine merkwürdige, dumpfe und doch haarfein umrissene Leere, die ihn dazu veranlasste, seinem Bruder in die Augen zu sehen. Dieser erwiderte den Blick, schien in den Augen seines Bruders nach Bestätigung zu suchen. Die Pupillen des Älteren weiteten sich kurz. Dann schloss er die Augen.
„Warum? Von allen, allen Menschen hatte ich dir. Als Einzigem. Zugetraut. Dass du mich verstehen würdest. Mir helfen würdest. Warum?“
„Weil du derjenige bist, der nicht versteht. Nicht versteht, dass deine nicht die den Menschen zugedachte Weise ist, Vollkommenheit zu erfahren. Du verstehst nicht, was wir sind -Menschen. Wir wurden unvollkommen geschaffen. Nicht als Strafe. Es war ein Geschenk. Gegeben von etwas, das vollkommen ist und das uns aus vollkommener Liebe erspart hat, so zu sein, wie es ist. Auch du kannst diese Grenze nicht überschreiten. Du hast es versucht. Und du warst beinahe erfolgreich.“
„Beinahe? Ich war erfolgreich! Ich habe den Tod besiegt!“
„Das hast du. Und damit hast du dich mit dem schlimmsten Fluch belegt, den es geben kann: Leben.“
„Leben? Narr! Genau das ist es, was ich wollte!“
„Dann lebe! Mach dich bereit dazu, ewig zu leben und darum zu betteln, sterben zu dürfen! Nicht nur der Körper ist ein Teil der Ströme zwischen Himmel und Erde. Auch Seelen werden davon erfasst, im Tode emporgehoben zum ewigen Himmel oder sanft gebettet in der ewigen Erde. Neu vermischt. Neu geboren. Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, er leitet nur die Große Veränderung ein, die Variation, um die Welt ein aufs andere Mal neu erblühen zu lassen! All dem hast du dich entzogen. Deine Seele wird ewig bleiben, wie sie ist. Sie wird auf immer und ewig eingeschlossen sein, irgendwo zwischen Himmel und Erde....“
Als er das letzte Wort gesprochen hatte, verging das Haus in einer unermesslichen Ladung magischer Energie zu nichts. Der Ältere brauchte nur wenige Augenbblicke, um sich von dem Gesagten und dem ebenso plötzlichen wie sinnlosen Angriff seines Bruders zu erholen. Dieser wiederum hatte die Gelegenheit genutzt, sich an den am weitesten entfernten Ort zu bringen, den er kannte. Dort wartete er. Nicht lange, und der Himmel über ihm und die Erde unter ihm wurden bis in ihre Grundfesten erschüttert, als der Ältere all seine blinde Wut darauf verwandte, den Jüngeren mit einem Streich zu vernichten. Obwohl er sich mit aller Macht dagegen anstemmte, spürte der Jüngere, wie er langsam hinweggerissen wurde. Unweigerlich wurde sein Körper in die Knie gezwungen, während seine gesammelte Kraft mehr und mehr schwand. Irgendwann hörte der Sog auf, an ihm zu reißen. Es war nichts mehr in ihm, das noch genommen werden könnte. Nicht mehr lange und seine Seele würde, den Fesseln, die sie an den Körper binden, entledigt, entweichen. Er musste sie halten. Noch ein bisschen länger.
Langsam, geradezu gemächlich bewegte sich der Ältere auf den sich mit den Händen abstützenden knienden Körper seines Bruders zu. Auch er war geschwächt, doch das würde er seinem Bruder niemals zeigen! Beinahe behutsam legte er seine rechte Hand an das Kinn seines Bruders um dessen Kopf anzuheben. Einmal noch wollte er ihm in die Augen sehen, ihm zeigen, dass der Tod das Ende von allem war, dass der Jüngere im Irrtum und er, der Ältere im Recht war. Der Mund des Jüngeren lenkte ihn ab, genauer die Lippen, die, weiß und blutleer, sich kaum merklich bewegten. Sollten das letzte Worte sein? Etwa das Eingeständnis der Niederlage des Jüngeren? Der Drang, die Sehnsucht nach einer Bestätigung durch den Feind, der sein Bruder war, nagte an dem Älteren, bis er schließlich sein linkes Ohr an den Mund des Jüngeren presste. Tatsächlich sprach der Jüngere zu ihm. Ein Wort sagte er, nicht mehr: „Lebe!“
Dann setzte ein neuerlicher Sog ein.
Durchhalten. Durchhalten! Er ist nahe. Ich kann ihn sehen. Ich kann ihn -sehen? Nein, meine Augen sind blind, starrend auf den Boden unter mir gerichtet, der dort nirgendwo ist. Durchhalten. Er berührt mein Kinn. Ich kann es nicht fühlen, aber sehen -ich konnte immer mehr sehen, als er. Er sieht nur mit den Augen gut, kennt nichts anderes. Ah. Meine Lungen füllen sich, zum letzten Mal, mit Luft. Durchhalten. Da ist er. Ich muss nur die Hände ausstrecken -nicht die tauben, toten Hände nirgendwo unter mir. Jetzt habe ich ihn und er sieht es nicht. Ich sterbe. Aber du nicht, du wirst leben... leben... „Lebe!“
Nein! Der Sog. Das Band ist zu stark. Er zieht mich mit sich. Ich will sterben. Lass mich sterben..........


Erster Abschnitt: Die Nacht in der Wirtsstube

Wie aus Eimern ergoss sich der kalte Regen in die pechschwarze Nacht. Die Schleusen des Himmels schienen weit geöffnet und das Rauschen der beständig prasselnden Tropfen war beinahe ohrenbetäubend. Alle Menschen saßen in ihren warmen Stuben beisammen und drängten sich um das warme Feuer im Kamin, so dass niemand den einsamen Wanderer draußen bemerkte. Eine Gestalt, vom dauernden Regen bis auf die Knochen durchnässt- der zerlumpte schwarze Reiseumhang hielt dem Wolkenbruch schon lange nicht mehr stand- wanderte langsam aber doch zielstrebig durch das Unwetter. Da die Kapuze ihm tief ins Gesicht reichte, konnte man seine Züge nur erahnen, vorausgesetzt, man hätte sich zu ihm in das Gewitter hinaus begeben, doch das tat niemand, der noch recht bei Trost war. Der Wanderer hatte einen aufrechten Gang, trotz des Windes, welcher derart an den schindelbedeckten Dächern rüttelte, dass die Leute sich ängstlich aneinander kauerten. Weder Wind noch Regen beachtend, marschierte der Fremde stetig voran. In der Schankstube des kleinen, mit Palisaden gesicherten Dorfes inmitten weiter dunkler Wälder und grüner Wiesen, saßen einige Wald- und Bergarbeiter bei einem Bier und einer Runde Karten beisammen, als die Türe aufflog. Alle Augen richteten sich auf die Gestalt darin, zumal der eisige Sturmwind, der jetzt unerbittlich hereindrang, fast alle Kerzen in der Stube zum Erlischen brachte. Jedoch ignorierte der Fremde die argwöhnischen Blicke, schloss die Tür sorgfältig und begab sich zu einem einsamen Tisch in einer dunklen Ecke des Raumes. Währenddessen wurden die Kerzen wieder entzündet –mit Ausnahme derer beim Tisch des Neuankömmlings- und langsam kehrte die Geselligkeit zurück, es wurde weitergelacht, gesungen und getrunken, wenngleich auch etwas gedämpfter als zuvor. Nach einer Weile hatten die einfachen Leute in der Schankstube den schweigsamen Mann –denn der Unbekannte war unzweifelhaft männlich- bereits vergessen.
Mit einer fast unmerklichen Geste bedeutete der einsame Gast einer Schankdirne, ihm einen Krug mit Bier zu bringen. Die junge Frau blickte sich erst einmal hilfesuchend im Raum um, als ihr jedoch einige der Minenarbeiter aufmunternd zunickten, tat sie wie ihr geheißen. Mit sichtlichem Unbehagen näherte sie sich dem dunklen Tisch. Der Humpen in ihrer Hand begann immer stärker zu zittern, je näher sie dem Vermummten kam. Als sie schließlich doch den Tisch erreichte, stellte sie eilig und schwungvoll den Krug hin, sodass ein guter Teil des Inhaltes über die Platte floss. Wie die Kellnerin jedoch weitergehen möchte, packt sie der andere mit einer blitzschnellen Bewegung am Handgelenk, was sie laut und spitz vor Überraschung und Furcht aufschreien lässt. Sie dreht sich ruckartig zu dem Mann um und für einen Sekundenbruchteil sieht sie sein Gesicht, die wilden aber doch edlen Züge, die Entschlossenheit in seinen tiefbraunen Augen (oder ist es nicht eher ein bittender, flehender Blick?), die Strähnen des nachtschwarzen und durchnässten Haares an seinen Wangen. Doch schon einen Lidschlag später hat der Fremde bereits den Kopf wieder tief gesenkt und ihren Arm losgelassen. Vereinzelt ist ein Gast aufgesprungen, bereit, auf den Reisenden loszugehen, jedoch das Kopfschütteln und entschuldigende Lächeln der Magd lassen sie bald wieder auf ihre Stühle zurücksinken. Dieser Vorfall hat aber auch die Aufmerksamkeit einiger junger Burschen auf sich gezogen, die nun geschlossen zu dem Tisch des Wanderers gehen. Sie setzen sich an die freien Plätze neben ihm und als er keine Anstalten macht, sie zu vertreiben, siegt die Neugierde nun doch bei den meisten der Gäste über ihren Argwohn. Tische werden herangerückt und auch die letzten Kerzen werden wieder entzündet. Man prostet dem Herrn zu und fordert ihn auf, von den Ereignissen in der weiten Welt dort draußen zu berichten.
Nach einer Weile setzt der Mann dann tatsächlich zum Reden an. Tief und voll klingt seine Stimme, ruhig und gemäßigt sein Tonfall, gewählt und bedacht seine Wortwahl:
„Nun denn“ beginnt er und schlägt seine Kapuze zurück. Jeder kann nun das stolze Gesicht mit den schönen Augen und dem schwarzen Haar sehen und ein Raunen geht durch die Menge.
„Ich komme wahrlich von weit her. Auch habe ich viel gehört und gesehen auf meiner Reise hierher, was ich euch erzählen könnte, doch ich ahne bereits, dass euch in einer Nacht wie dieser der Sinn eher nach einem großen Abenteuer, nach Schlachten und nach Sieg und Ruhm steht. Von großen und bedeutenden Schlachten weiß ich euch durchaus zu berichten, jedoch Ruhm und Sieg werdet ihr in ihnen vergeblich suchen.“ Der Erzähler mustert daraufhin die versammelten Arbeiter eingehend, sie alle hängen gebannt an seinen Lippen und scheinen den Sinn seiner Worte noch gar nicht verstanden zu haben. Ihnen steht der Sinn gewiss nach Abenteuern, das merkt er und darum fährt er fort: „Ich habe mein Leben dem Krieg gewidmet. Das mag sich in euren Ohren vielleicht spannend und aufregend anhören, doch das ist es beileibe nicht. Ich habe mehr Männer in Me’Rhandrons Hallen geschickt, als in diesem Dorf wohnen und bei einigen bin ich nicht einmal sicher, ob sie auch dort angekommen sind. Ich werde euch also vom Krieg berichten, der in allen Ecken der Welt tobt, falls ihr das wirklich wollt.“ Nach einigem zustimmenden Gemurmel aus der Gruppe der Zuhörer, fährt er fort: „Kennt ihr die Einsamen Wölfe? Den Orden des Phönix? Die Schwarzen Speere? Nein? Dann will ich euch von ihnen berichten. Diese Namen gehören, oder besser, gehörten zu drei großen Armeen von Söldnern, allesamt bestens organisiert und mehrere Hundertschaften Mann stark. Ich kämpfte für und mit den Einsamen Wölfen, denn bei ihnen wuchs ich auf und bei ihnen lernte ich zu töten um zu leben. Jedoch wurden wir auch stets gewarnt, im Kampfe niemals die Kontrolle zu verlieren und Belhalars ewigen Verlockungen zu erliegen. Wir kämpften unerbittlich aber redlich und niemals töteten wir Gefangene oder Wehrlose, wenn es sich irgend vermeiden ließ. Denn eines sollte euch bewusst sein, im Krieg gewinnt immer der bessere Stratege. Und Strategien werden ohne Rücksicht auf Menschenleben geschmiedet. Im Krieg heißt es, überrasche den Feind, triff ihn dort, wo er es nicht erwartet, wo er also wehrlos ist, bevor er desgleichen bei dir tut. Unser Anführer wusste das, wir alle wussten es und trotzdem taten wir es. Im Krieg zählt eben nicht die Ehre, es zählt einzig die Vernichtung des Anderen, welche dann oft der Einfachheit halber Sieg genannt wird. In dieser Armee kämpfte einst ein junger Mann und in dieser Armee erhielt er seinen Namen: Viridian Todesfaust, der Unbesiegte.“


Zweiter Abschnitt: Die Geschichte eines Lebens

Inzwischen war die Nacht weiter fortgeschritten, als manchen der Schankgäste lieb war, doch die Geschichte des Fremden ließ ihnen keine Ruhe. Er erzählte vom Leben des Söldners Viridian, und das war ein wahrhaft Erzählenswertes gewesen. Geboren wurde Viridian in einer kleinen Stadt in einem kleinen Land, welches seit langem in Fehden mit den umliegenden kleinen Ländern verwickelt war.
Unglücklicherweise lag eben Viridians kleine Stadt nahe der Grenze zu einem der kleinen Nachbarländer, mit welchem seit kurzem Krieg herrschte. Und eines Morgens fielen die Soldaten des kleinen Nachbarlandes in Viridians kleine Stadt ein, welche nach einer kurzen Belagerung hatte aufgeben müssen, weil sie der Übermacht nicht gewachsen war. Raubend, mordend und plündernd zogen die Sieger durch die kleine Stadt und nahmen mit, was nicht niet- und nagelfest war, darunter auch junge Mädchen und Frauen. Die Männer töteten sie, falls diese sich gegen die Menschenräuber wehrten.
So kamen die Krieger auch zum Haus von Viridians Familie, wo seine Eltern die Kinder, den damals achtjährigen Viridian und seine elf und sechzehn Jahre alten Schwestern in einem winzigen Kellerchen unter einer getarnten Luke verborgen hatten. Durch die Ritzen jener Falltür blinzelten die Kinder in die Stube hinauf. Die älteste Schwester hielt die beiden kleinen Geschwister fest an sich gedrückt damit sie nicht zu weinen anfingen. In der Stube standen drei Krieger, allesamt bereits angetrunken und dementsprechend laut und aggressiv. Mit polternder Stimme fragte ein besonders großer und besonders fetter Krieger den Vater, ob im Hause noch mehr Menschen lebten. Seine Angst unterdrückend erwiderte der Vater dass Layande der Ehe bisher leider nicht ein einziges Kind geschenkt habe, worüber er und seine Frau selbst sehr traurig wären. Damit schienen sich die betrunkenen Männer zufrieden zu geben und die Anspannung wich aus den Gesichtern der Eltern und auch der Kinder im Versteck.
Die Plünderer waren gerade im Begriff, das Haus zu verlassen und weiter zu ziehen, als sich einer umdrehte und an den zu Tode erschrockenen Eltern vorbeiging, geradewegs auf die Bodenluke zu. Seine schweren, wiegenden Schritte kamen immer näher heran. Jetzt stieg er über die Luke hinweg, wobei eine Brise Staubkörnchen zwischen den Ritzen hindurch in das Versteck fiel. Dieser von den Göttern verdammte Staub kitzelte die Kinder allesamt in der Nase und sie rangen verzweifelt damit, ein Niesen zu unterdrücken. Aber die erwartete Katastrophe blieb aus, weil alle Kinder sich mit eisernem Willen beherrschten. Der Krieger oben in der Stube war derweil zur Kochstelle gegangen und hatte sich von dort aus den Vorräten bedient, während seine Kumpanen auf ihn warteten. Kurze Zeit später machte sich der verfressene Krieger wieder auf den Weg zurück durch die Stube und zu seinen Freunden. Wieder holperte er über die Luke hinweg aber diesmal gab das Holz seinem Gewicht nach. Mit einem erschrockenen Aufschrei fiel der Mann in das Versteck. Die kleinen Kinder hielten sich panisch die Augen zu, als wenn sie meinten, dass sie damit eben so wenig gesehen würden wie sie selbst etwas sahen. Nur die älteste Schwester blickte mit weit geöffneten Augen auf den Mann, der dort vor ihr lag und sich krümmte. Seine Hose war dicht über dem Knöchel rot verfärbt und der Fuß selber lag in einem erschreckend unmöglichen Winkel nach hinten gedreht. Bevor die Kinder jedoch einen klaren Gedanken fassen konnten, hörten sie von oben aus der Stube bereits Lärm. Da droben fand ein Kampf statt! Die drei Kinder in dem entdeckten Versteck weinten leise während sich der Mann einige Handbreit vor ihnen immer weniger bewegte und die Blutlache am Boden immer größer wurde. Mit einem Mal verstummte der Lärm oben, was die Angst der im Keller fest sitzenden Kinder zum Äußersten steigerte. Nach einer schier endlosen Zeit des bangen Wartens, tauchte ein Gesicht über dem Rand der ehemaligen Luke auf. Es war das blutverschmierte, übel zugerichtete Gesicht jenes fetten Plünderers mit der polternden Stimme. Eine Weile lang sah er nur stumm in den Keller hinab, dann aber begann er kreischend zu schreien.
Danach versank die Welt in einem tiefen, schwarzen Loch. Komisch, dachte Viridian, ich hatte mir den Tod immer anders vorgestellt, irgendwie trauriger. Aber ich bin gar nicht traurig, nicht ein Stück. Nur leer, so unendlich leer und ich falle und falle immer tiefer. Warum falle ich? Und wohin falle ich? Es ist warm hier, ich falle in die Unterwelt, wo die Teufel und Dämonen hausen. Aber es ist mir egal, so egal. Alles ist so leer, so leer. Ich könnte eigentlich die Augen schließen und einfach gar nichts mehr tun, mich einfach immer tiefer fallen lassen. „Hi...“ Ein Licht? „...ir“ Wer stört mich? Lass mich in Ruhe!
„Hilf mir!“ Warum denn? Alles ist fühlt sich so schön leer an.
Halt! Licht! Es blendet mich in den Augen aber... sie sind doch geschlossen! Oh ihr Götter ich komme zu euch! Ich komme zu euch!
Da war sie wieder, die Sonne. Warum darf die Sonne scheinen? Warum darf sie an einem solchen Tag scheinen wo die Welt im Blut ihrer Kinder ertrinkt? Ein fester Griff hält meine rechte Hand. Da liegt mein Vater in seinem Blut und da in der Ecke... meine Mutter. Meinem Vater haben sie den Schädel gespalten nachdem er scheinbar mit einem großen Messer einen der Plünderer niedergestochen hatte. Aus dem Bauch meiner Mutter quellen Würmer hervor oder so etwas... die Wohnung stinkt entsetzlich. Wo sind meine Schwestern? Sind sie auch tot? Nein. Sie leben, ich kann sie sehen, mit gesenkten Köpfen werden sie die Straße hinuntergeführt. Jetzt kann ich sie nicht mehr sehen.
Aber das Schwert. Es liegt fast direkt vor mir, warum sieht es der Fettwanst denn nicht? Ja der Fette hält mich fest, er sieht mich mit einem Blick an, bei dem mir ein Schauer über den Rücken jagt. „Na mein Junge?“ Er reißt mein Hemd mit seiner linken Hand auf, er steht hinter mir, seine Rechte hält meine Rechte fest. Nur ein kleines Stückchen! Sein Atem schlägt mir heiß ins Genick. Langsam zu Boden gehen, ganz langsam damit er nichts merkt. So nah, so nah bin ich schon! Seine Finger streicheln über mein Gesicht, meinen Nacken und meinen Rücken. Jetzt, jetzt! Eine schnelle Drehung, das Schwert ganz fest in der linken Hand. Die Klinge durchtrennt Stoff und Haut. Ein Schwall hellroten Blutes quillt aus dem Spalt hervor, läuft an der Klinge hinab, der Griff um meine Hand wird locker. Stich. Hieb, Stich. Hieb, Hieb, Hieb, Stich. Jetzt ist er still, endlich, kein Röcheln mehr. Weg hier, nur weg hier! Die Straße hinunter, Wächter am Stadttor. Sie haben mich nicht gesehen, oder? Aus der Stadt, immer an der Mauer entlang, ein Haus, hinein und in den ersten Stock laufen. Fenster, offen, ein Meter voraus der Wehrgang. Schwert nach drüben schmeißen, Klirren, Rufe. Sprung. Landung, hart auf Stein, Schmerzen im Unterschenkel. Humpeln, zur Zinne. Heller Tag, Wald in hundert Schritten aber keiner sieht mich hier. Sprung, tief nach unten. Schmerz, Dunkelheit, dann Lichtgeflimmer. Laufen immer laufen in den Wald laufen und weiter laufen nur immer weg, weg.
In der Schankstube war es totenstill. Der Fremde nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierkrug, bevor er wieder zu reden ansetzte.


Dritter Abschnitt: Ein Leben für den Kampf

Und so lief der Junge, am Ende seiner Kräfte, in den Wald. Sobald ihn die kühle, reine Waldluft umfing, fühlte er jedoch seine Müdigkeit und Verzweiflung aufsteigen. So lehnte er sich an den Stamm eines mächtigen, alten Baumes und schloss die Augen. Jedoch sein Schlaf war keineswegs heilsam und beruhigend, wie Schlaf eigentlich sein sollte, nein, Alpträume plagten ihn in denen er immer wieder seine erschlagenen Eltern sah und seine eigene Hilflosigkeit. Er musste tatenlos zusehen wie sie vor seinen Augen ermordet wurden, immer wieder.
Ein panischer Schrei holte ihn wieder in die Realität zurück. Noch immer geschwächt von seinen Verletzungen, dauerte es eine Zeit, bis er sich orientieren konnte. Er lag noch wie zuvor an jenen Baum gelehnt im Wald, wo bereits die Dämmerung hereingebrochen war und die Nachtvögel ihre Lieder anstimmten. Nach einigem Lauschen in den ansonsten friedlichen Wald, kam er zu dem Schluss, dass er von seinen eigenen Schreien erwacht sein musste.
Es lag einen halben Meter neben ihm, das Schwert. Hastig griff er nach der Waffe, rammte sie vor sich in den Waldboden und stemmte sich an ihm in die Höhe. Als er schwankend dastand, zog er auch das Schwert wieder heraus. Lange sah er es einfach nur stumm an, prägte sich jede Scharte, jeden Fleck getrockneten Blutes auf der Klinge genau ein. Ein recht gewöhnliches Schwert war es, allerdings ein wenig länger, als ein Langschwert und außerdem mit einem recht langen Griff, an dessen unterem Ende ein Knauf saß. Das Schwert lag schwer in seiner rechten Hand und nach kurzer Zeit musste er es auch noch mit der Linken halten. Und siehe da, der Schwertgriff bot beiden Händen genügend Platz, auch wenn es diejenigen eines Erwachsenen gewesen wären. Und es ließ sich sogar schwingen! Solch eine Waffe hatte er nie zuvor gesehen. Wohl kannte er die Langschwerter und auch die zweihändigen Schwerter, aber so etwas hatte er in seinem ganzen Leben nicht zu Gesicht bekommen.
Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, das Schwert legte er bereits nach kurzem über die linke Schulter, damit seine Hände nicht alleine das Gewicht tragen mussten. Je länger er nämlich ging, desto schwerer wurde die Waffe. Der Junge konzentrierte all seinen Willen auf das Festhalten der Waffe, sodass er weder Augen noch Ohren für seine Umwelt hatte. Ebenso wenig bemerkte er jenes zehrende Gefühl in ihm, den Hunger, da er ja seit fast einem Tag nichts mehr gegessen hatte. Weiter und weiter stolperte er durch den nächtlichen Wald. Irgendwann brach er zusammen, richtete sich mühsam wieder auf und setzte den Weg fort.
Längst hatte er jegliches Zeitgefühl verloren und der Hunger ließ ihn bereits phantasieren. Endlich brach der Wald auf und vor seinen müden Augen erstreckte sich ein weites, hügeliges Grasland. Seine Blicke schweiften umher über kleine Flüsse, die in gewundenen Linien das Land wie blaue Bänder zerteilten, auf kleine Weiler aus deren Schornsteinen der Rauch in den wolkenklaren Sommervormittagshimmel zog, aber auch auf die Ansammlung von Karren und Zelten recht nah bei ihm, wo dunkel aussehende Gestalten herumliefen. Er roch gebratenes Fleisch und kalten Rauch und sein Magen verkrampfe sich, dass es weh tat. Seine Ankunft in dem Tal war indes nicht unbemerkt geblieben, denn auf einmal hörte er irgendwo neben sich eine Stimme, die ihm befahl, das Schwert auf den Boden zu legen. Der Junge aber stand nur weiterhin stumm da und machte keine Anstalten den Worten der Stimme Folge zu leisten, was dazu führte, dass ein ziemlich großer Mann, welcher eine beschlagene Lederrüstung und am Gürtel ein langes Schwert trug, hinter einem Busch hervorkam. Endlich reagierte der Junge. Er senkte die Waffe, sah dem Mann in die Augen, dann sprintete er auf ihn zu, wobei er die Spitze des Schwertes neben seinem linken Fuß wenige Fingerlängen über dem Boden hielt, um sie dann, kurz vor dem Mann in einem schnellen Bogen nach rechts oben zu reißen. Er sah noch das verdutzte Gesicht des Mannes, ehe er, mit einem sinnraubenden Schmerz im rechten Oberarm vor ihm niedersank. Da lag er nun, zu Füßen des Mannes, das Schwert lag griffbereit in seiner Nähe, nur sein Arm wollte es einfach nicht greifen, weil ihn jedes Mal, wenn er nach dem Schaft greifen wollte, eine Welle unsäglichen Schmerzes durch den Arm wogte. Tatenlos musste er mit ansehen, wie sich der Mann langsam über ihn beugte. Doch irgend etwas an diesem Mann beunruhigte ihn und es dauerte eine Weile bis er herausfand, was es war. Die Augen, die Augen des, wie er jetzt bemerkte, noch recht jungen Mannes von etwa 20 Sommern, diese Augen, die ihn nicht voller Hass, sondern mit einer Mischung aus Ungläubigkeit, leichtem Spott und Bewunderung ansahen. Dann ein kurzer, heftiger Ruck in seinem rechten Arm, eine neue Welle der Pein, diesmal so stark, dass dem Jungen schwarz vor Augen wurde.
Er erwachte mit starken Kopfschmerzen, sobald er seine Augen öffnete um sich umzusehen, steigerten sie sich zu wahren Feuerwerken des Schmerzes in seinem Kopf. Sofort schloss er seine Augen wieder und versuchte erst einmal mit seinen andren Sinnen zu erfassen, wo er sich befand. Er lag auf einer weichen Matte, auf seiner Stirn ein kühles feuchtes Tuch. Die Luft war kühl, windstill und erfüllt von einer Mischung aus Bratengeruch, Schweiß und Exkrementen. Aber hauptsächlich Braten... Braten, wie hungrig er war merkte er erst jetzt. Mit aller Kraft zwang er sich die Augen wieder zu öffnen und sich erneut umzusehen. Sein Lager war eine Hängematte in einem Zelt aus brauner Wildlederplane. Der Versuch, sich aufzurichten um mehr erkennen zu können, scheiterte an der sachten Berührung einer schlanken aber doch entschlossenen Hand auf seiner Brust. Sie gehörte einem Mädchen, etwa acht Jahre alt, mit zwei langen blonden Zöpfen. Sie sah ihn spöttisch und fast verächtlich an, während ihre schnippische Stimme ihm mit den Worten „bleib liegen, Idiot“ einen fast körperlich spürbaren Schlag versetzte. Von diesem Tag an würde er das unverschämte Mädchen hassen, das nahm sich der verletzte Junge erbittert vor. Mit einem gereizten Seufzer nahm das Mädchen eine Schüssel und einen Holzlöffel in die Hände und begann ihn zu füttern. Wie erniedrigend. Fest verschloss er die Lippen, aber das Mädchen presste ihm den Löffel mit der heißen Suppe rücksichtslos auf den Mund so dass er vor Schmerz und Überraschung aufschrie. Ungerührt flößte sie ihm daraufhin die Flüssigkeit ein und wider Willen musste er anerkennen dass es eine sehr schmackhafte Suppe war und sein Körper mit jedem heißen Schluck an Kraft zu gewinnen schien. Dennoch dauerte es eine geraume Weile bis die Holzschüssel geleert war und er aufgefordert wurde sich zu erheben. Wieder in diesem herrisch-herablassenden Tonfall. Wie er dieses Mädchen verfluchte! Jetzt musste sie ihm sogar noch helfen, sich anzuziehen, was sie mit spitzen Bemerkungen auch tat. Es war kaum zu glauben für den Jungen, dass dieses Mädchen wie er selbst wahrscheinlich den zehnten Sommer noch nicht erreicht hatte. Wie anders sie doch war, als seine Schwestern, sie benahm sich irgendwie erwachsener und auch männlicher, als sie nach den bisherigen Vorstellungen des Jungen hätte tun dürfen. Dafür verabscheute er sie. Fertig gekleidet in, wie er erstaunt feststellte, neue, aber doch genau passende Bundhosen und ein raues Hemd aus Leinen, musste er das Zelt verlassen, da er, wie das Mädchen ihm spöttisch lachend erklärte, erwartet wurde. Taumelnd trat er ins Freie, unterdrückte mit Mühe eine neue Ohnmacht angesichts der hellen Sonne und schleppte sich hinter dem ungerührt vorausmarschierenden Mädchen her, wobei er das Lager um sich herum aufmerksam aus den Augenwinkeln beobachtete. Es war unzweifelhaft das Lager, welches er vom Wald aus gesehen hatte, genau wie er erwartet hatte. An einem besonders schön geschmückten Zelt, vor dem zwei etwa dreißigjährige grimmig aussehende Männer mit gekreuzten Speeren und beschlagenen Lederkleidern Wache hielten, drehte das Mädchen sich zu dem Jungen um und wartete ungeduldig, bis er heran war. Dann drückte sie mit einer abfällig wirkenden Bewegung die vor dem Eingang des Zeltes gekreuzten Speere auseinander und verschwand im Innern des Zeltes. Unsicher folgte ihr der junge Viridian.


Vierter Abschnitt: Die Aufnahme

Das Krähen eines Hahnes zerriss die gespannte Atmosphäre in dem kleinen Wirtshaus. Murren und Klagen der übermüdeten Arbeiter erfüllten den Raum. Stühle wurden gerückt und Tische verschoben, die Kerzen, welche inzwischen eh nur noch als kleine Stumpen auf den massiven Holztischen klebten, wurden ausgeblasen. Nach und nach verklangen auch diese Geräusche und wichen einer fast absoluten Stille. Außer dem Wirtspersonal war der Schankraum nun leer, zumindest fast, weil der Fremde bisher keine Anstalten gemacht hatte, ebenfalls zu gehen. Nachdem er die Einnahmen des Tages gezählt hatte, kam der Wirt an den Tisch des Reisenden und setzte sich zu diesem. Mit einem Wink forderte er eine Schankdirne auf, ihnen etwas zu Trinken zu bringen. Bei einem Humpen Kuhmilch betrachtete der Wirt seinen Gast mit offensichtlichem Interesse. „Mein Herr“ setzte er mit unterwürfiger, öliger Stimme an, „Eure Geschichte hat mich sehr beeindruckt. Sagt, würde es Euch gefallen, Euch heute hier in meinem bescheidenen Haus auszuruhen und am Abend mit Eurer Erzählung fortzufahren?“. Der Mann sah den Wirt eine Weile still an, während er von der Milch trank. Sie beide kannten den wahren Grund, warum der Wirt die Geschichte gerne weitergehört hätte, die prall gefüllte Kasse am Tresen war nicht zu übersehen. „Ich bin müde. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich das Zimmer gerne sogleich in Anspruch nehmen.“, sagte der Fremde endlich und stand leicht schwankend auf. Von der Wirtin selbst wurde er in den hinteren Bereich des Hauses geführt, wo sich einige Schlafkammern befanden. Er bekam einen kleinen Raum mit einfacher Einrichtung, was er jedoch mit keinem Wort zur Kenntnis nahm, sondern sogleich zu dem schmalen Bett ging. Noch ehe die Wirtin die Tür hinter ihm schließen konnte, hatte er damit begonnen, sich auszuziehen, was ihr den Blick auf seinen nackten Rücken gestattete. Hastig und ein wenig zu laut fiel die Tür ins Schloss. Der Wanderer aber legte sich, noch immer in seine ledernen Beinkleider gehüllt zu Bett und schloss die Augen. Er wollte schlafen, aber die Ruhe im Zimmer machte das unmöglich. Zu laut wurden ihm dadurch seine eigenen Gedanken, welche sich ihm nun wieder ins Bewusstsein drängten. Gedanken an Leid, Verletzung und Tod, an Intrige und feigen Verrat, an den Schmerz des Verlusts. Unruhig drehte er sich von einer Seite auf die andere, bis endlich die Müdigkeit wie ein heilendes schwarzes Tuch sich über seinen Gedanken ausbreitete und ihn in den Schlaf wiegte.
Die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten, als der Mann wieder erwachte. Kurz huschte ein Ausdruck von Verwirrung über sein Gesicht, doch dann stand er auf, um sich anzuziehen. Jemand musste in dem Raum gewesen sein, denn seine Kleider waren scheinbar gereinigt worden und eine kleine Waschschüssel stand neben dem Bett. Das nächste Mal würde er hinter sich abschließen, wenn er schlafen ging. Kurze Zeit später sah man den Mann durch die Straßen und über die Plätze des Dorfes wandern. Das Gewitter der vergangenen Nacht schien vergessen, die Luft war wieder erfüllt vom Duft der Herbstlandschaft, einzig einige zerbrochene Schindeln und die emsigen Handwerker auf den Hausdächern zeugten noch davon, welcher Sturm in der vergangenen Nacht über Dandrai gewütet hatte. Dandrai im Königreich Estegard im Kontinent Terrestria, so war ihm das Dorf vorgestellt worden, durch welches er nun ging, an dem einen oder anderen Marktstand anhaltend und die Waren begutachtend. Die Erwachsenen ringsum begegneten ihm distanziert und mit teilweise schlecht verhohlenem Misstrauen, die Kinder indes mit interessierter Scheu. Keiner sprach ihn an und er machte auch kaum Anstalten, etwas zu fragen. Das war er gewohnt, so sollte es sein und doch... diesmal schien es irgendwie- anders zu sein, oder war das nur die stille Hoffnung eines hoffnungslosen Narren?
Wenn er vorbeiging, steckten die Menschen hinter seinem Rücken die Köpfe zusammen, um dann bei seinen gelegentlichen Blicken über die Schulter nach hinten eilig ihrer Wege zu gehen. So wurde es wieder Abend über dem kleinen Dorf inmitten der grünen Wiesen und schattigen Wälder und in den Häusern erloschen nach und nach die Lichter. Nur aus dem hell erleuchteten Wirtshaus drangen die Geräusche des regen Treibens im Schankraum auf die Straße. Diesmal hatte man dem Fremden den Tisch in der Mitte gegeben und alle anderen Tische darum herum platziert, damit jeder die Geschichte vernehmen könne. Dicht an dicht drängten sich die Arbeiter und jungen Leute des Vorabends und sogar eine Gruppe hübscher junger Damen hatte sich eingefunden, welche sich angeregt mit den umstehenden Leuten unterhielten. Zweifelsohne war die Anwesenheit der jungen Damen dem Wirt ein Dorn im Auge, doch er schwieg mit zusammengekniffenen Lippen und warf ihnen nur einen gelegentlichen bösen Blick zu. „So wurde der Junge in das Zelt geführt.“ Augenblicklich verstummten die gedämpften Gespräche und eine fast absolute Stille kehrte ein, einzig unterbrochen von gelegentlichem unterdrückten Husten und dem Geräusch von Bierhumpen, die zum Trinken angehoben und wieder auf den Tisch gestellt wurden. Am Tisch des Fremden hatten sich wieder die jungen Leute vom vergangenen Abend niedergelassen, jeder mit einem steinernen Bierkrug vor sich, aber ohne das kühle Gebräu auch nur anzurühren.

So wurde der Junge in das Zelt geführt, in welchem eine Gruppe von Männern eifrig diskutierte. „Und ich sage dir Jason das ist ein großer Fehler. Siehst du den Wall im Südwesten? Wenn wir sie von da anpacken, haben wir sie so gut wie sicher!“ „Nein Arnaut, genau das denke ich nicht. Der Wall selber ist schlecht befestigt, das stimmt, aber sicher nicht ohne Grund. Ich habe mir das aus der Nähe angesehen. Ein breites Becken, gesäumt von dichtem Wald führt auf den Wall zu. Wir wissen leider nicht genau was sich hinter den Palisaden verbirgt aber ich kann es mir vorstellen. Ihr kennt ja alle den Verlauf des Pladwe nehme ich an? Der Fluss läuft direkt am Lager vorbei...“ In der Stimme des Sprechers lag etwas Vertrautes und als er ihm ins Gesicht sah, wusste der Junge auch, warum. Es war der Mann gewesen, auf den er mit seinem Schwert losgegangen war. „...aufgestaut. Das sind verschlagene Bastarde die uns elendig ersaufen lassen wollen. Jenseits des Lagers fließt er nämlich seit einigen Jahren in einem neuen Becken, das zur Bewässerung der Felder dort im Osten angelegt wurde. Ich bin sicher, sie haben ihn schon aufgestaut in Erwartung unsrer Dummheit.“ Daraufhin schwiegen alle im Zelt. In dieser Zeit bemerkten sie auch die beiden Kinder, die sich bisher still am Eingang aufgehalten hatten. „Da ist ja unser großer Krieger“, höhnte einer Anwesenden, ein Hüne von gut zwei Schritt Körpergröße und Muskeln, von deren bloßem Anblick manchen Angreifern der Mut vergangen sein musste. Eine breite, dunkle Narbe zog sich über sein Gesicht, beginnend bei der linken Schläfe verschwand sie hinter der Augenklappe vor seinem linken Auge, wanderte weiter über die kaum noch vorhandene Nase, durchzog dunkel die Lippen, bis sie auf seinem Kinn zur Ruhe kam- wahrlich ein Anblick, bei dem einem das Blut in den Adern gefrieren konnte. Der Junge aber schien die spöttische Bemerkung nicht einmal gehört zu haben, sondern stand noch immer einfach da. „Sag mal, bist du taub oder was, du kleiner Rotzbengel?“. Ein kleiner hagerer Mann mit verschlagen wirkenden Zügen, ähnlich denen eines Wiesels, sah ihn mit unverhohlener Ablehnung an.
„Lasst ihn, Männer, seht ihr nicht, dass der Kleine nicht mit euch reden will?“
Schlagartig verstummten die Provokationen und alle Anwesenden senkten den Blick. Nur der Junge und das Mädchen sahen zu dem großgewachsenen, an der Stirnseite des Tisches über eine Karte gelehnten Mann, der eben gesprochen hatte. Das Auffälligste an ihm war wohl sein Gesicht, welches, von scheinbar nicht zu bändigenden weißblonden Locken umgeben, mit seinen weichen und edlen Zügen, die fast knabenhaft wirkten und den wunderschönen blauen Augen über einer schmalen Nase und dem sinnlichen Mund unter dem ein kleiner Flaum wuchs, eine Ausstrahlung hatte, mit welcher er sofort die Menschen um sich herum in seinen Bann zu schlagen vermochte. Sein wachsamer Blick, in dem sich unzweifelhaft eine große Intelligenz spiegelte, schweifte kurz über die beiden Kinder hinweg, ehe er ihnen zunickte und lächelte. „Du bist also der Junge, der es ganz alleine mit unsrem Jason aufgenommen hat. Das war eine sehr kühne Tat, wenngleich auch eine sehr Dumme dazu.“ Wenn er gehofft hatte, den Jungen damit zu einer Reaktion zu bewegen, so wurde diese Hoffnung nicht erfüllt. Als er das merkte, fuhr der Mann zu sprechen fort: „Du hattest ein interessantes Schwert bei dir, mein Junge. Wo hattest du es her? Gestohlen?“ Die Augen des Jungen flackerten einen kurzen Moment auf, doch kein Wort drang über seine Lippen. Der Mann aber hatte es sehr wohl bemerkt und ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, als er weiterfragte: „Wir haben es also mit einem kleinen Dieb zu tun, hm? Schämst du dich denn nicht, das Eigentum andrer Leute zu nehmen? Hat man dir nicht beigebracht, was Tugend und Ehrlichkeit sind?“ Jedes Wort schien den Jungen wie ein Peitschenhieb zu treffen und dann hielt er es nicht mehr aus. „Halt dein Maul, halt endlich dein verdammtes Schandmaul du verfluchter Sohn vieler Väter!“ Schwerter wurden klirrend aus ihren Scheiden gezogen, das Mädchen hielt sich in einem Reflex die Hand auf den Mund, aber der Mann an der Stirnseite des Tisches sagte kein Wort. Mit einer kleinen Handbewegung gebot er den Anwesenden, ihre Waffen wieder einzustecken, was manche von ihnen scheinbar nur widerwillig taten. „Das waren keine sehr netten Worte, junger Mann. Wobei ich eingestehen muss, dass auch die meinen nicht gerade zuvorkommend gewählt waren. Aber ich nehme sie dir nicht übel, Junge, zumal ich mir denken kann woher du diese Klinge hast.“
Bei diesen Worten legte er das Schwert, welches neben ihm auf der Bank gelegen haben musste, auf den Tisch. Als er es sah, machte der Junge einen Satz nach vorne, wohl um auf den Tisch zu springen und sich das Schwert zu holen. Statt dessen aber endete der kraftlose Sprung auf dem erdigen Boden des Zeltes, wo er mit seinem Kinn aufschlug. Auf einen Wink Jasons hin half das blonde Mädchen ihm leise schimpfend auf die Beine, wobei sie ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Eine blutende und dreckverschmierte Schramme zierte nun das Kinn des Jungen, was diesen aber nicht zu stören vermochte. „Gebt mir mein Schwert“, presste er zwischen den Lippen hervor, „damit ich Rache üben kann. Ja das ist nicht mein Schwert, das habt Ihr gut erkannt... es hat dem Mann gehört der meine Eltern totgeschlagen hat. Und jetzt werde ich sie rächen.“
Wenn der Mann erstaunt war über diese Worte eines sicherlich nicht einmal zehnjährigen Jungen, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. „Hör zu, Junge. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber nach allem was ich jetzt verstanden habe, hast du kein Zuhause mehr. Rache... das ist ein schlimmes Bedürfnis, weißt du. Es hilft einem zwar, aber nur am Anfang, weil wenn du das Ziel deiner Rache erfüllt hast, verliert dein Leben mit einem Schlag jedweden Sinn. Glaube mir, das Leben ist zu wertvoll, um es mit Rache zu verschwenden.“ Er machte eine kurze Pause, während derer er den Jungen genau ansah. Dann fuhr er fort: „Du hast bewiesen, dass du Furchtlosigkeit besitzt, mein Junge. Du hast das Zeug zum Kämpfer, das sehe ich dir an. Wenn du mir versprichst, dass dein Leben fortan nicht mehr der Rache dienen soll, würde ich dich gerne bei uns aufnehmen.“ Er warf einen Blick in die Runde. „Oder gibt es irgendwelche Einwände?“ Keiner sagte ein Wort, wenngleich manchem der Schweiß auf der Stirn stand und so manche Hand zur Faust geballt war. „Dann ist es also beschlossen. Jetzt nenne uns deinen Namen, Junge.“ Keiner hatte den Jungen nach seiner Meinung gefragt und das machte ihn ein wenig wütend, aber dieser Mann hatte etwas an sich, das ihn faszinierte, darum sagte er nur: „Viridian. Und wer seid Ihr?“ Mit einem Lachen antwortete der Mann unter einer kleinen Verbeugung: „Nenn mich Arlon. Meine Tochter Samantha kennst du ja bereits. Die Männer hier sind Jason, der kleine wieselgesichtige Kerl da ist Lanjan und der Riese dort ist Arnaut.“ Damit stand er auf, um noch auf zwei weitere Anwesende zu deuten, die sich bisher völlig ruhig verhalten hatten und auch jetzt keine Anstalten machten, das zu ändern. „Die Zwillinge Inor und Inar, unsre fähigsten Kundschafter“, erklärte Arlon.
Mit einigen Schritten kam er um den Tisch herum auf Viridian zu und legte ihm den Arm auf die Schulter. „Ich heiße dich bei den Einsamen Wölfen willkommen. Jason wird dich ausbilden, er ist unser bester Schwertkämpfer. Deine alte Waffe werde ich dir nicht wiedergeben, denn nichts soll dich an deine Vergangenheit erinnern. Erfülle jede Aufgabe, die man dir zutragen wird, getreulich, dann wirst du dich hier gut eingliedern. Samantha wird dir das Lager zeigen.“ Das Mädchen sah ihren Vater kurz mit geweiteten Augen an, in denen ein deutlicher Trotz zu erkennen war, aber dann nickte sie dennoch, wenn auch widerwillig. „Ist gut, Vater. Also komm mit, du großer Krieger, dann werde ich dir halt unser Lager zeigen“. Mittlerweile hatte sich Viridian aber schon so an die schnippische Art des Mädchen gewöhnt, dass sie ihm fast nichts mehr ausmachte. Nach einem letzten kurzen Blick in die Runde verließ er ebenfalls das Zelt und folgte dem Mädchen. Viridian war nun also einer der Einsamen Wölfe geworden.


Fünfter Abschnitt: Die Lehrjahre

Die Jahre zogen ins Land, bereits drei Sommer hatte der junge Viridian mit den Einsamen Wölfen verbracht. Jeder seiner Tage war vom ersten Hahnenschrei bis lange nach Sonnenuntergang mit Arbeiten aller Art und mit Jasons Schwertübungen ausgefüllt, sodass der Junge sich langsam immer weniger an seine grausamen Erlebnisse erinnerte. Zu Anfang hatte diese Entwicklung ihn beunruhigt, erzürnt und verängstigt, auf keinen Fall wollte er vergessen, was man seinen Eltern und seinen Schwestern angetan hatte, doch mit der Zeit fügte er sich in sein neues Leben.
Mit Samantha kam er nach wie vor nicht sonderlich gut aus, dauernd war sie unzufrieden und nörglerisch und ihre spitzen Anmerkungen begleiteten ihn weiterhin bei allem was er tat. Doch selbst das störte ihn nach und nach immer weniger. Sollte sie doch meckern, soviel sie wollte, wer war sie schon. Sie war seine Tochter, verdammt sie war seine Tochter, Arlons Tochter, sein Kind, das Kind des einzigen Mannes, den er mehr als akzeptierte, den er respektierte.
Mit den Gleichaltrigen im Lager, meist die Kinder der anderen Söldner, hatte er kaum Kontakt, standen sie ihm doch fast ausnahmslos ablehnend bis feindselig gegenüber. Raufereien waren an der Tagesordnung und führten zu einigen Prellungen und Schürfwunden und Viridian unterlag jedes Mal, weil wann immer er seinen Gegner zu besiegen drohte, kamen dem Anderen seine Freunde zu Hilfe, die den Einzelgänger gnadenlos niederrangen. Danach musste er sich gelegentlich sogar von einer Wundärztin behandeln lassen, und wie es sein Glück wollte geriet er dabei fast ausschließlich an Samantha, die sich für diesen Weg entschieden hatte, weil ihr das „kindische Mitsteckenrumfuchteln und Imschlammrumrollen“, wie sie sich auszudrücken pflegte, nicht zusagte.
Jason verhielt sich ihm gegenüber nie übermäßig grob, außer Viridian stellte sich gar zu ungeschickt an bei seinen Schwertübungen, doch Viridian war nicht sicher, ob Jasons Verhalten nicht lediglich auf dessen Ehrfurcht vor Arlon zurückzuführen war.
Freunde hatte er keine in diesen ersten Jahren, mit einer Ausnahme. Viridian kam eines Tages dazu, wie einige der größeren Burschen im Kreis um einen schlaksigen rothaarigen Jungen standen und ihn mit Stecken malträtierten. Ohne lange zu überlegen, packte er sich ebenfalls einen Stock, der am Boden herumlag und stürzte sich auf den nächst besten der Peiniger, welchem er einen wohlgezielten Schlag aufs Unterkiefer verpasste. Einen Lidschlag später versank die Szene in Chaos, wie Bluthunde gingen die Jungen aufeinander los, zwei gerade elfjährige Bengel gegen ein halbes Dutzend Fünfzehnjähriger. Als die von dem ungewöhnlich lauten Kampf herbeigerufenen Erwachsenen endlich das Knäuel ineinander verkeilter Jungen lösten, waren zwei von ihnen dem Tode näher, als dem Leben.
Viridians Körper war übersäht mit Blutergüssen und Quetschungen. Auch der andere Junge sah nicht viel besser aus. Die großen Jungen waren, bis auf den einen, der Viridians Stecken geschmeckt hatte, weitestgehend unversehrt. Das Letzte, woran Viridian sich erinnern konnte, ehe er in eine traumlose Dunkelheit tauchte, war das Gesicht des anderen Jungen und da fiel ihm dessen Name ein: Lors.
Jemand weinte leise in der Finsternis. Das musste ihn geweckt haben, aber er konnte beim besten Willen nichts erkennen, so dunkel war die Welt um ihn herum. Ein erstickter Laut, dann ein Schniefen und dann ein sich hastig entfernendes Tapsen. Erneut schloss Viridian seine Augen, auf einmal erfüllt von tiefer, friedlicher Müdigkeit.
Als er das nächste Mal erwachte musste es immer noch Nacht sein, nach der grellen Schwärze zu urteilen, die ihn umgab. Diesmal schienen in seiner Nähe einige Menschen mit gedämpfter Stimme eine Unterhaltung zu führen, von der er nichts verstand, da die Worte wie durch eine Art Wand an seine Ohren drang, die nur ein kaum variierendes Gemurmel zu ihm durchließ. Er wollte etwas sagen, doch seine Zunge lag schwer in seinem staubtrockenen Mund und so brachte er kaum mehr als ein Röcheln zu Stande.
Doch scheinbar hatte man ihn dennoch gehört, denn gleich darauf spürte er eine Hand in seinem Nacken, die ihm den Kopf anhob und dann rann eine kühle, klare Flüssigkeit durch seine leicht geöffneten Lippen, befeuchtete die ausgetrocknete Mundhöhle dahinter und rann endlich prickelnd seinen Rachen herunter. Wasser. Nie in seinem Leben hatte es ihm so gut geschmeckt.
„Bist du endlich aufgewacht?“
Da er seiner Stimme noch nicht recht traute, entschied sich Viridian für ein knappes Nicken als Antwort. „Den Göttern sei Dank“, fuhr die Stimme fort, und dann, lauter: „er ist wieder aufgewacht, Jason, Vater, kommt schnell, er ist wieder aufgewacht!“ Das war doch... Samantha, die da redete, aber... warum und... er seufzte in sich hinein, scheinbar wollte außer seiner Zunge auch sein Gehirn noch nicht wieder so, wie er wollte. So viele Fragen drängten sich ihm auf: Wo war er, warum war es so verdammt dunkel und warum... Samantha?
„Viridian, Junge, kannst du mich hören?“ Das war Jason, der da sprach, allerdings schwang in seiner Stimme etwas mit, was Viridian nie zuvor darin bemerkt hatte: Sorge.
„Natürlich kann er dich hören, du Esel!“
Samantha, charmant wie eh und je. Unter Aufbringung all seiner Konzentration gelang es Viridian endlich, seine rebellische Zunge dazu zu bewegen, ihm zu gehorchen. „Ich kann euch nicht sehen“, brachte er krächzend hervor. Plötzliche Panik erfasste ihn, als er seine eigenen Worte hörte, da sie ihm erst klar machten, dass die Dunkelheit, die ihn umgab, nicht für die anderen Anwesenden um ihn herum zu gelten schien. Ein Seufzen, nah an seinem linken Ohr, dann eine leise Stimme, Samanthas Stimme: „Mach dir keine Sorgen... es kommt alles wieder in Ordnung“
Er konnte nicht sagen, was ihn härter traf. War es, dass sie eine dieser ärztlichen Floskeln verwendete, die nichts weiter besagten als „es ist schlimm und ich habe keine Ahnung ob es je wieder verheilt“ - oder war es das Fehlen jeglicher Schärfe in ihrer Stimme, jeglicher versteckter Spitze in ihren Worten? Sollte es ihm wirklich so schlecht gehen, dass selbst Samantha ihn in Ruhe zu lassen beschlossen hatte?
„Du brauchst jetzt Ruhe, Junge, schlafe jetzt.“ Während Jason noch zu ihm sprach, bemerkte Viridian schon, wie die Welt sich von ihm entfernte, das letzte Wort Jasons nahm er nur noch wie ein Echo wahr, dann schlief er ein.
Fast einen Monat hatte er auf dem Krankenbett zubringen müssen, ehe man ihm die Augenbinde, den Grund für die ewige Dunkelheit um ihn, abnahm und er erkennen musste dass es bereits Hochsommer war. Er sei jetzt wieder soweit genesen, dass er versuchen solle, ein wenig herumzugehen.
Auf dem Streifzug durch das Lager dachte er ständig über allerlei nach, weshalb er sie erst gar nicht bemerkte. Samantha war an seine Seite getreten und begleitete ihn jetzt, während sie wieder in ihrer gewohnten, hämischen Art mit ihm sprach. Mittlerweile war Viridian sich sicher, dass er sich an dem Tag, wo er meinte, sie sei ehrlich um ihn besorgt, einfach nur getäuscht haben musste. Aber weshalb verschwendete er überhaupt so viele Gedanken an das Gör, sie war für ihn gänzlich ohne Bedeutung, es gab Aufgaben, die seiner harrten. Vor allem: Üben mit der Klinge, Jason zeigen, dass er genesen und überdies auch bereit war, sich zu verbessern. Beim Betreten des provisorischen Kampfplatzes, wo der aufgewirbelte Staub unter den Füßen der übenden Kontrahenten in der heißen Luft schwebte und sich sofort auf die schweißnasse Haut der beiden Kinder setzte, verzog Samantha den Mund und verabschiedete sich mit missbilligenden Worten von ihrem Begleiter. Erleichtert aufatmend, dass er sie endlich los war, trat Viridian auf Jason zu, der, als er des Jungen gewahr wurde, nach einem Holzschwert griff und es ihm zuwarf. Beim Fangen der Waffe spürte Viridian sofort wieder die Schmerzen in seinem Körper, doch biss er still die Zähne zusammen und nickt Jason zu, dass er bereit sei für einen Kampf. Jason hatte sich wohl entschlossen, den Jungen erst einmal zu schonen und startete daher einen kraftlosen Angriff, was ihm einen schmerzhaften Schlag gegen die linke Schulter einbrachte.
„Oha, habe ich dich also unterschätzt. Noch einmal wird das nicht geschehen.“
Noch während er sprach, machte der Schwertmeister einen Satz nach vorne, um Viridian mit diesem Ausfall die Waffe aus der Hand zu schleudern, doch eine schnelle Ausweichbewegung Viridians vereitelte dieses Vorhaben und Jason traf nur die Luft neben Viridian. Die beiden wichen jeweils einen Schritt zurück und sahen sich gegenseitig in die Augen. Schweißtropfen perlten ihnen von der Stirn, bahnten sich eine sichtbare Spur in den staubverklebten Gesichtern und fielen endlich auf den Boden, wo sie sogleich zu Dampf gebacken wurden. Wieder ein Aufeinanderprallen der Klingen und ein Auseinanderweichen, gegenseitiges Belagern. Aus dem Augenwinkel meinte Viridian die schmale Gestalt Samanthas am Rande der Sandfläche wahrzunehmen, doch als er nach einem parierten Angriff Jasons wieder hinsah, war von ihr nichts mehr zu sehen. Bereits nach einer halben Stunde war Viridian derart erschöpft, dass Jason ihn für den restlichen Tag befreite mit den Worten, er hätte sich eh schon viel zu sehr verausgabt dafür, dass er gestern noch das Krankenbett gehütet hatte. Widerwillig verließ der Junge den Platz, um auch den Rest des Tages irgendwie hinter sich zu bringen.
So viel Nutzlosigkeit um ihn, Freizeit, was für eine Verschwendung wertvoller Stunden, die er lieber damit verbracht hätte, seine Fähigkeiten im Umgang mit dem Schwert zu schulen. In dieser Stimmung missmutigen Grübelns entdeckte er unverhofft einen Jungen im Schatten eines Heuwagens. Lors, der vor sich hindöste. Ihn hatten die anderen Jungen nicht so übel zugerichtet, er hatte das Lazarett nach drei Tagen wieder verlassen können, wenngleich er auch die linke Hand in einem Verband tragen musste. Während Viridian noch unschlüssig dastand und den Jungen beobachtete, drehte dieser seinen Kopf zu ihm hin und öffnete das rechte Auge einen Spalt breit.
„Danke für alles.“
Ein lange vergessen geglaubtes Gefühl regte sich in Viridain bei Lors’ Worten: Freude. Ja, er freute sch für die Dankbarkeit dieses unbedeutenden Menschen, der faul und nutzlos im Schatten döste. War es Schwäche oder etwas anderes? Menschlichkeit? Derartige Fragen schossen ihm durch den Kopf, während Lors aufstand und sich ihm langsam näherte. „Freunde?“
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Ein strîter sô gelêret was, daz er an den buochen las, swaz er dar an geschriben vant: der was Viridian genant, dienstman was er ze Mêrswaht.


Zuletzt bearbeitet von Viridian am 20 Feb 2009 21:10, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Viridian





 Beitrag Verfasst am: 20 Feb 2009 21:11    Titel:
Antworten mit Zitat

Nicht zu fassen, dieser Wicht, der es wagte, ihn das zu fragen, ausgerechnet ihn, Viridian, der nichts weniger brauchte als Freunde.
„Gerne“, hörte er seine Stimme antworten und sah, wie sich sein Arm hob, um dem andern die Hand zu reichen. Fassungslos beobachtete er, wie der andere zaghaft die Hand mit seiner umschloss und sie dann kräftig schüttelte. Was ging hier vor sich? Was sollte das werden? Er brauchte keine Freunde, er brauchte niemanden, schon gar keine schwächlichen im Schatten dösenden Weicheier wie dieses hier. Verdammt, aber er konnte einfach nicht anders, die schüchternen Worte, das schiefe Grinsen und scheue Zutrauen mit welchem Lors ihm begegnete, ließen Viridians inneres Bollwerk, welches er lange für uneinnehmbar gehalten hatte, von den Grundfesten auf erzittern.
Seither sah man die beiden kaum mehr alleine, ständig steckten sie wie zwei Verschwörer beieinander, leise flüsternd in einer dunkeln Ecke, an der Kante der Bank beim Essen, dass sie bald einen zweifelhaften Ruf im Lager bekamen. „Da kommen die beiden Sonderlinge“, war noch ein erträglicher Kommentar, anders verhielt es sich da bei Aussagen, laut derer sie... verbotene Gefühle füreinander haben sollten. Doch was wussten schon diese Narren da draußen über die beiden? Sollten sie nur lästern, dachte Viridian, das hält sie davon ab, die Wahrheit zu erkennen.
Die Wahrheit bestand nämlich darin, dass er in Lors einen Verbündeten gefunden hatte, einen, der sein Schicksal verstand und ihm helfen wollte, so gut er konnte, um stark zu werden und fähig mit der Klinge, auf dass Viridian endlich seine Rache haben sollte. Heimlich übten die beiden sich nachts im Kampf mit der Klinge, die sie vorsorglich mit Stoffen umwickelten, um Lärm zu vermeiden. Unbemerkt von den Wachen schlichen sie vom Lager weg, in einen nahen Wald, wo sie manchmal über mehrere Stunden übten. Auch veranstalteten sie spielerische Wettläufe, testeten, wer schneller einen Baum erklimmen konnte und bauten sich Hindernisläufe durch den Wald. Auf diese Art zogen die Wochen ins Land und der Sommer neigte sich seinem Ende zu, die Bäume färbten ihr Kleid bereits in den Farben der untergehenden Sonne und der Tag, da die Söldner ihr Sommerlager abbrechen und weiterziehen würden, rückte näher. Dieser Sommer war für sie nicht sonderlich einträglich gewesen, Aufträge waren selten und wenn, dann wenig lohnend gewesen und jeder war erpicht darauf, diesen Landstrich bald hinter sich zu lassen.
In dieser Zeit des nahenden Aufbruchs war die Stimmung im Lager für gewöhnlich am hitzigsten. Streitigkeiten waren häufiger und arteten öfter in Handgreiflichkeiten aus, als üblich. Davon blieben auch Viridian und Lors nicht verschont. Bisher hatten sie es nach Kräften vermieden, den älteren Jungen wieder zu begegnen und wenn, waren sie meist zu zweit gegen einen oder zwei von ihnen gestanden, sodass die anderen keinen Streit anfangen wollten. An diesem Tag also waren sie wieder einmal unterwegs gewesen, beim Fischen und im Wald. Bei ihrer Rückkehr ins Lager wurden sie bereits erwartet.
Sieben Jungen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren umringten sie, bewaffnet mit Stöcken oder bloßen Fäusten, einer gar mit einem kurzen Messer. Die beiden wussten, dass ihre Chancen äußerst schlecht standen. Kurz sahen sie sich an, dann sprangen sie fast zeitgleich nach vorne, wie zum Angriff, doch sogleich schlug jeder einen Haken in eine andere Richtung und sie stoben auseinander. Die größeren Jungen waren zum Glück einen Moment verwirrt, doch dann begannen sie die Verfolgung, drei nahmen sich Viridian vor und vier Lors. Dank der wochenlangen Übungen war Viridians Ausdauer erheblich besser, als die seiner Jäger und er konnte seinen Vorsprung immer weiter ausbauen. Doch mit einem Mal verlor er den Boden unter den Füßen und fiel der Länge nach hin. Verdutzt machte er sich daran, wieder aufzustehen, doch jemand stellte seinen Fuß zwischen seine Schulterblätter und gab ihm keine Möglichkeit, sich zu wehren. „Nur Feiglinge rennen davon, du Hosenscheißer“, sagte kein Anderer als Lanjan, das Wiesel.
Viridian wusste nicht, warum, doch dieser Mann schien es in besonderem Maße auf ihn abgesehen zu haben. Seit er sich erinnern konnte, hatte Lanjan ihn wo er konnte geschunden und gequält und nur Viridians Respekt vor Arlon hatten ihn bisher davon abgehalten, Lanjan sein Verhalten heimzuzahlen. Doch während der Mann schwer auf seinem Rücken stand, wie ein Gladiator auf seinem erschlagenen Gegner zur Belustigung der Menge, da schäumte der Hass in ihm über und Viridian nahm sich vor, ungeachtete der Konsequenzen Lanjan einen Denkzettel zu verpassen.
Lanjan ließ erst ab von ihm, als die andern Jungen um eine Ecke stürmten. Schnell entfernte er sich, damit sie ihn nicht sehen konnten, doch ihre Blicke waren sowieso blind für alles was nicht Viridian hieß. Zu dritt begannen sie, auf ihr hilflos am Boden liegendes Opfer einzutreten und so sehr Viridian sich auch zusammenkauerte, gelegentlich traf ihn ein Fuß in die Rippen oder in den Bauch oder im Schritt. Erst ein lauter Schrei gebot der Meute Einhalt. Jemand kam wie der Blitz auf die Jungen zugestürmt und warf sich kratzend und beißend auf den erstbesten Jungen, der im Weg war. Trotz seiner Schmerzen erkannte Viridian den unverhofften Helfer sofort. Es war kein anderer als Samantha, die sich da wie eine der legendären Amazonen auf die gut zwei Köpfe größeren Jungen warf und sie niederkämpfte. Von der unerwarteten Attacke überrumpelt, waren es diesmal die großen Burschen, die ihr Heil in der Flucht suchen mussten. Samantha lief ihnen noch ein paar Meter nach, ehe sie sich umdrehte und auf den am Boden liegenden Viridian zuging, der sich langsam erhob.
„Den Tag will ich erleben, an dem ich dich einmal nicht vor dem sicheren Tod retten muss, Idiot“, war alles, was sie zu ihm sagte, bevor sie an ihm vorbeiging. Einen halben Schritt hinter ihm blieb sie jedoch stehen, scheinbar um auf etwa wartend, aber Viridian ging wortlos seines Weges und hörte sie hinter sich davonstürmen.
Was für ein seltsames Mädchen, was wollte sie nur von ihm? Hatte er sie jemals um ihre Hilfe gebeten, oder um einen ihrer verfluchten bissigen Kommentare? Kopfschüttelnd entfernte er sich von dem Ort seiner erneuten Demütigung, doch bald vergaß er Samantha und widmete sich den Gedanken an seine Rache an Lanjan.
Die Gelegenheit dafür ließ nicht lange auf sich warten. Schon am Abend des selben Tages sollte Viridian seine Chance bekommen. Lanjan hatte einige merkwürdige Angewohnheiten und eine von ihnen war, dass er niemals zusammen mit den anderen Generälen zu speisen gedachte, sondern stets in der Abgeschiedenheit seines Zeltes seine Mahlzeiten zu sich nahm. Und gerade heute war es Lors’ Aufgabe, ihm seine Suppe zu bringen. Erstaunlicherweise war die Portion diesmal erheblich größer als gewöhnlich, Lors musste nämlich einen ganzen Kessel voll schleppen, was er alleine nie bewältigen hätte können. Also bot Viridian ihm seine Hilfe an. Lors war auch nicht weiter erstaunt, als Viridian ihm sagte, er wolle den Kessel nicht sogleich in Lanjans Zelt, sonder erst in einen abgelegenen Winkel des Lagers tragen. Dort angekommen, stellten sie den Kessel mit der dampfenden Suppe ab und sahen sich schweigend an. „Findest du nicht auch, dass die Suppe zu kalt ist?“, fragte Viridan dann. Lors nickte und grinste zugleich bis über beide Ohren. „Das sollten wir auf der Stelle ändern, was Lors?“, sagte Viridian, ließ seine Hosen herunter und pinkelte in den Kessel.
Nach vollbrachter Arbeit nahmen sie den Kessel wieder auf, um ihn dem Wiesel zu bringen.
Wie groß war ihr Erschrecken, als sie das Zelt Lanjans betraten. Dort saßen sämtliche Generäle des Lagers versammelt und schauten in Erwartung ihrer Mahlzeit zu den beiden Jungen. Im ersten Schock standen die beiden wie vom Donner gerührt, dann ließen sie den Topf fallen und rannten um ihr Leben. Hinter sich hörten sie erst verwirrte, dann fragende und schließlich wutentbrannte Rufe der versammelten Befehlshaber, Arlon eingeschlossen. Während Lors, dem heiße Suppe über das rechte Bein gelaufen war, immer weiter zurückfiel, rannte Viridian blindlings vorwärts. Immer vorwärts, nur weg vom Lager und der Schande. Er hatte Arlon verraten, er hatte sich selbst verraten. Wenn er gehofft hatte, seine Rache an Lanjan würde ihm Genugtuung verschaffen, so musste er jetzt erkennen, dass sie ihm stattdessen nur weitere Schmach und Demütigung eingebracht hatte. Tränen stiegen ihm in die Augen und verschleierten seinen Blick, als er die Stimmen bemerkte. Man verfolgte ihn. Plötzlich war er sich mit allen Fasern seines Seins bewusst, sie würden ihn töten. Als Gast hatte man ihn aufgenommen, wenn auch schon vor Jahren und so hatte er sich dafür bedankt.

Als der Fremde diesmal aufhörte zu erzählen, war der Abend noch nicht so weit fortgeschritten wie beim letzten Mal. Vereinzelt wurden Bierkrüge gehoben und langsam begannen die im Schankraum versammelten Leute, sich mit gedämpfter Stimme zu unterhalten. Der Fremde stand auf und ließ seinen Blick durch die Wirtsstube schweifen, wo die Anwesenden sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten widmeten. Mit einem Nicken signalisierte er dem Wirt, dass er sich zur Ruhe legen wollte und verließ den Raum.
In seiner Kammer angelangt, lauschte er den Geräuschen aus der Schankstube. Wie lange mochte diese Nacht nun zurückliegen, zehn Jahre waren es sicherlich gewesen. Mit einem Mal erinnerte er sich wieder an die Flucht vor den Söldnern und auch an alles, was sich während dieser zugetragen hatte. Und er erinnerte sich an sie. Die plötzliche Erinnerung traf ihn wie ein Schlag, einen Moment drehte sich alles um ihn, dann hatte er sich wieder gefangen. Was wohl aus ihr geworden sein mochte? Ob sie ihn auch vergessen hatte? Ob sie gerade jetzt an ihn dachte- nein, dachte er lächelnd, sicherlich nicht. Zum ersten Mal seit vielen Jahren schlief er in dieser Nacht wieder ruhig, ohne dass die Stimmen der Vergangenheit ihn bedrängten.


Sechster Abschnitt: Die Flucht

Den ganzen Tag lang dachte der Fremde nach, wie er weitererzählen sollte und ob überhaupt. Sicher, der Wirt garantierte ihm eine freie Unterkunft und drei warme Mahlzeiten am Tag, wenn er nur Abend für Abend dafür sorgte, dass der Schankraum sich füllte. Dennoch, er war mit der Geschichte an einem Punkt angelangt, nachdem sich die Geschehnisse in einer Art weiterentwickelt hatten, die ihn beunruhigte. Beunruhigte? Nein, dachte er grimmig, sie beunruhigte ihn nicht, sie schockierte ihn bis in den Grund seiner Seele, jenes dunklen und stillen Ortes tief in seinem Inneren. Ja, dunkel war der Ort, dunkel und einsam.
In Gedanken versunken schlenderte er durch Dandrais Gassen, die Geräusche und Gerüche des Tages streiften sein Bewusstsein nur am Rande, so sehr war er in sich versunken. Und er drohte tiefer in sich zu versinken. Mit einem Ruck hob er den Blick, sodass einige der Gaffer, die ihn wie immer behelligten, aufgescheucht das Weite suchten.
Nur eine Geschichte, verdammt es war nur eine Geschichte, warum machte er sich nur so viele Sorgen darüber? Eine leise Stimme in ihm sagte, weil es mehr war als nur eine Geschichte, doch er hörte nicht darauf. Viridian, er musste den Kopf schütteln, ein närrischer Mensch dieser Viridian und närrisch auch seine Taten. Der Fremde dachte an den Jungen, den er einst gekannt hatte, oder geglaubt hatte zu kennen, diesen Viridian, der nichts als Schwachheiten im Kopf hatte und ein entsprechendes Leben führte. Und dennoch, er würde der versammelten Menge nichts erzählen von ihr, das sollte Viridians Geheimnis bleiben, wenigstens das war er ihm schuldig. Nein, er war Viridian nichts schuldig, gar nichts, immerhin war es Viridians Schuld, dass er heute war, wer er war, ein Fremder in einem fremden Land, der allabendlich seine Geschichten zum Besten gab, damit ein fetter Wirt noch mehr Geld scheffeln konnte. Aber das war nicht der einzige Grund für ihn diese Geschichte zu erzählen, sagte die Stimme in ihm, er erzählte, um sich zu befreien, von der Vergangenheit und ihren Schrecken.

Viridian war vor den Söldnern auf der Flucht. Hakenschlagend rannte er in den nahen Wald, hinter sich nur das Brüllen der Verfolger. Er drehte sich nicht um, wozu auch, die Schreie verrieten ihm mehr, als ihm lieb war, die Männer holten auf. Er hatte keine Fackel bei sich, die ihm den Weg geleuchtet hätte und entsprechend oft stolperte er daher über Wurzeln und Steine. Mehr als einmal fiel er hin, was ihm Schürfwunden an Armen und Knien einbrachte. Aber die Dunkelheit hatte auch eine gute Seite. Durch sie fiel es auch seinen Hetzern schwerer, ihm zu folgen und das wusste er auch.
Nach einer Weile meinte er, die Schreie wieder aus weiterer Ferne und weniger entschlossen zu hören, doch der Instinkt riet ihm, weiterzurennen. Irgendwann brach er zusammen. Zum zweiten Mal in seinem kurzen Leben saß er alleine in einem Wald, zum zweiten Mal war er auf der Flucht, rannte er um sein Leben. Das wurde ihm schlagartig bewusst. Die Vergangenheit schien sich zu wiederholen, der bloße Gedanke brachte ihn einem Zusammenbruch nahe. Er war schuld daran, er selbst, kein fremder Feind von außerhalb, den man dafür hassen konnte, nur er selber.
Also fing er an, sich selbst zu hassen, aus tiefstem Herzen Abscheu für sich zu empfinden. Und es half. Am Rande der Erschöpfung erreichte er einen Waldbach, durch den Regen des Vortags etwas breiter als sonst. An beiden Ufer wuchsen große Bäume, er wusste ihren Namen nicht und ihm war es auch herzlich egal, wie sie hießen. Langsam wanderte er stromaufwärts, bis er fand, wonach er Ausschau gehalten hatte: unter den Wurzeln eines der Bäume hatte sich eine natürliche Höhle gebildet, gerade groß genug, um sich hineinzulegen und ein wenig zu schlafen. Seine Kräfte reichten gerade noch, eine provisorische Tarnung aus Ästen vor der Höhle aufzuschichten, dann fiel er in einen tiefen Schlaf.
Hunde bellten, das weckte ihn auf. Verschlafen blickte er sich um, verwirrt, dass er nicht in seinem Zelt schlief, nicht die Hängematte unter sich und die warmen Decken über sich hatte. Ihn fröstelte. Wieder bellte in der Ferne ein Hund. Mit einem Schlag war er wach und kurz davor, in Panik zu verfallen. Sie hatten die Hunde auf ihn angesetzt, dachte er entsetzt. Die Züchter behaupteten , sie wären die schnellsten und stärksten Kampfhunde des Landes und Viridian hatte ihre Worte niemals in Zweifel gezogen. Und jetzt waren diese vierbeinigen Tötungsmaschinen hinter ihm her. Seine Gedanken rasten, doch ihm wollte einfach nichts einfallen, was er hätte tun können. Schließlich überließ er das Denken seinen Beinen, die ihn schnurstracks zum Bach führten. Die Berührung mit dem eiskalten Wasser brachte endlich die erhoffte Ordnung in sein Gehirn. Alle die Dinge, die er über eine Flucht vor Hunden gelernt hatte, fielen ihm wieder ein. Zuerst einmal musste er seine Fährte verbergen, darum watete er ans andere Ufer des Bachs. Danach verwischte er die Fußspuren, die er im morastigen Uferbereich hinterlassen hatte und verschwand wieder im Wald. Krampfhaft zwang er sich dazu, nicht zu schnell zu rennen und gut darauf zu achten, dass er keine Spur auf geknickten Zweigen und zertretenen Pflanzen hinterließ. Nach gut einer halben Stunde dieses nervenaufreibenden Marsches verfiel er dann wieder in einen leichten Trab, ein Tempo, von dem er wusste, dass er es über längere Zeit würde durchhalten können. Gelegentlich lauschte er, ob nicht hinter ihm das Gekläffe der Hunde zu vernehmen sei, doch außer dem Gesang der Vögel und dem Rauschen des Windes in den Bäumen war alles friedlich und still um ihn herum. Gegen Mittag erreichte er einen weiteren Bach, oder war es derselbe, der einen großen Bogen gemacht hatte? Oder war er es am Ende, der im Kreis gelaufen war? Wieder drohte die Panik ihn zu durchfluten und seine Gedanken einzusperren. Da sah er sie.
Ein kleines Mädchen, gerade einmal fünf Sommer mochte sie alt sein, saß dort am Ufer und blickte aufs Wasser. Im selben Moment, als sie aufblickte und ihm in die Augen sah, hörte er die Hunde. Gehetzt blickte er sich um und wollte weiterlaufen, als sein Blick wieder auf das Mädchen fiel. Er wusste nicht, ob aus Angst, sie würde ihn verraten, oder Angst, ihr könnte etwas zustoßen, sollten die Hunde hier herkommen, überwand Viridian die wenigen Schritte zu ihr in großer Eile und packte sie am Handgelenk. Das Mädchen schien viel zu erschrocken zu sein, um zu schreien oder zu versuchen, sich von ihm loszureißen. Also zerrte er sie hinter sich her. Allerdings kam er auf diese Weise nicht eben schnell voran, weshalb er sie nach kurzer Zeit einfach hochhob und über die Schulter trug, wie einen Mehlsack. Die Kraftübungen im Wald zahlten sich wieder einmal aus.
Hastig suchend blickte er sich um. In der Nähe hörte er das laute Rauschen von Wasser und als er näher kam, entdeckte er einen Wasserfall, keine drei Schritt hoch. Irgend jemand hatte ihm einmal gesagt, dass es hinter Wasserfällen oft Höhlen gäbe. Da er keine Zeit zu verlieren hatte, wagte er kurz entschlossen den Schritt durch den nassen Vorhang und trat, selbst ein wenig erstaunt, gleich darauf auf glitschiges Gestein. Schnell schritt er vor und hatte nun das Rauschen des Wassers hinter sich. Langsam setzte er das Mädchen ab und sah sich um. Das Licht brach sich im Wasser und warf tanzende Flecken grünlicher Helligkeit an die Wände. Auch das Rauschen klang hier anders, irgendwie dröhnender in der kleinen Höhle. Dann wanderte sein Blick zu dem Kind. Sie stand da, ohne sich zu bewegen und sah ihn mit großen Augen an. Bei diesem Anblick regte sich etwas tief in Viridian. Er erinnerte sich, dass auch er einmal eine Schwester gehabt hatte, die er so gesehen hatte, wie das Mädchen jetzt. Seine Knie gaben nach und er sackte in die Hocke, wodurch ihre Augen sich nun auf gleicher Höhe befanden. Seine Lippen bebten, er erinnerte sich an seine Kindheit, sein unbeschwertes Leben mit einem Vater und einer Mutter und zwei älteren Schwestern.
Seine Augen füllten sich mit Tränen und er musste stark dagegen ankämpfen, nicht loszuheulen wie ein Kleinkind.
Seine Arme schienen die eines Anderen zu sein, als er sie ausstreckte und das Mädchen umarmte. Leise Worte entwichen seinen Lippen „fürchte dich nicht, hier bist du in Sicherheit“. Auf einmal fühlte er sich unendlich müde. Das Mädchen hatte alles still über sich ergehen lassen, doch auf einmal drückte sie sich an ihn und schien sich regelrecht an ihm festzuklammern. Er wusste nicht, wie lange sie so in der Höhle verbracht hatten, einander umarmend, der Kopf des Mädchens auf seiner Schulter in reglosem Verharren. Doch die Zeit stand auch für sie nicht still. Draußen kläfften erneut die Hunde. Viridian löste die Umarmung und drehte sich zum Eingang der Höhle. „Sie sind hinter mir her, verstehst du? Bleib hier, versteck dich, dann werden sie dir nichts antun.“ Er drehte sich wieder zu ihr hin und ehe er sich versah hatte er ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt. Hastig wandte er sich ab und wollte eben wieder durch das Wasser, als sie leise sagte: „ Ich heiße Feyana. Und du?“ „Viridian. Gib auf dich acht, Feyana“. Dann stand er wieder im hellen Licht der Sonne. Die Hunde bellten ungleich lauter als eben noch und er rannte weiter um sein Leben. Sie kamen den Bach entlang hinter ihm her und in Gedanken bat er alle ihm bekannten guten Götter, sie mögen machen, dass das Mädchen in der Höhle blieb. Er wusste nicht was das gewesen war, was er plötzlich für sie empfand, aber es durchströmte ihn wie Branntwein, so wohlig warm. Er beschleunigte seine Schritte weiter, doch er merkte, dass seine Kräfte schwanden.

Über den Grübeleien war es Abend geworden. Der Fremde machte sich auf den Rückweg zur Schänke. Nein, dachte er bei sich, er würde nichts von ihr erzählen. Er würde den Leuten endlich einen Eindruck vom Krieg vermitteln, vom Töten, um ihnen die Augen zu öffnen, doch wahrscheinlich würden sie sich nur gut unterhalten fühlen und weiterzechen. Verbittert dachte er, dass man den Schrecken des Krieges nie versteht, wenn man nicht selbst einen erlebt hat, ganz gleich, was man hört. Als er seinen gewohnten Platz einnahm und den bereits versammelten Leuten zunickte, wobei er wieder die bekannten Gesichter ausmachte, fiel es ihm plötzlich leicht, weiter zu erzählen. Wieder würde er ihnen einen Abend mit dem Leben Viridians versüßen.


Siebter Abschnitt: Die Bewährung

Langsam aber sicher waren die allabendlichen Geschichten zu einer Art gewohntem Treffen für einige der Bewohner Dandrais geworden. Wer von sich sagen konnte, er sei seit dem ersten Abend dabei gewesen, genoss allgemeine Anerkennung. Tags über wurde das am Abend gehörte erst daheim an Frau und Kinder und später auf den Feldern, in den Wäldern und unter Tage bei der Arbeit an die armen Kameraden, die nicht hatten ins Wirtshaus kommen können, weitererzählt. Der Fremde wusste das wohl, begründete diese Tatsache doch das Waschweibergeschwätz, das ihm auf seinen Ausflügen in die Straßen und Gassen Dandrais wie ein exotischer Geruch nachfolgte. Aber es störte ihn nicht weiter, sollten sie sich doch über ihn, den sie den Fremden nannten und seine Märchengestalt Viridian das Maul zerreißen.
„Nun meine Freunde.“ Leise sprach er die Worte, doch sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Schlagartig verstummten aufs Neue die Klänge in der Wirtsstube, man machte sich auf eine weitere Etappe aus Viridians Leben gefasst. Der Fremde wartete noch eine Weile, in der er genüsslich sein Bier trank und dabei aus den Augenwinkeln zum Wirt sah, der wie immer hochzufrieden wirkte. Ja, ja, dachte er bei sich, man tut was man kann. Prost, Herr Wirt! „Unser junger Held war also davongerannt in die Nacht, hinter ihm die johlende Meute, die ihn unzweifelhaft in Stücke reißen würde, sollte sie seiner habhaft werden. Eine Nacht und einen Tag lang wachten die Götter über seine Flucht, doch einmal musste der Augenblick kommen, da sie ihn verließen...“

Seine Lungen brannten wie Feuer unterm Hals. Jeder Schritt war Ursache unzähliger Schmerzen, angefangen bei den wunden Fußsohlen, über die aufgerissenen Knie den Oberschenkel hinauf, durch die Leere in seinem Bauch, hin zu den feuergefüllten Lungen. Viridian ahnte es mehr, als er es wusste: sie hatten ihn gestellt. Der Tag neigte sich dem Ende zu und mit ihm sein junges Leben, erkannte er resigniert. Wie zur Bestätigung konnte er ganz nah die Stimme Jasons hören: „Gib doch endlich auf, Junge! Komm heraus und beende dieses Spiel für dich und uns. Es hat doch keinen Sinn mehr!“ Spiel? Hatte er es ein Spiel genannt? Fassungslos saß er in seine Deckung geduckt und meinte den gleichmäßigen Schlag der Kriegstrommeln zu hören, oder war es nur der Schlag seines Herzens? Seine Hände wühlten suchend über den Waldboden neben ihm, bis sich die Finger der linken Hand um einen Gegenstand legten, der seinen Anforderungen entsprach. Den knorrigen Ast von der linken in die rechte Hand wechselnd, stand er auf. Jason hatte Recht. Es war sinnlos, zu versuchen, weiterzulaufen. Nun gut, sollte dieser Ort der letzte sein, den er sehen würde, er würde ihn in ein Schlachtfeld verwandeln und möglichst viele von den Söldnern mit sich in die Hölle nehmen. Doch er kam nicht dazu. Kaum hatte er sich aufgerichtet, schon ertönte ein abgehacktes „da ist er!“ und im nächsten Moment spürte der Junge ein dumpfes Pochen zwischen den Schultern. Die Farben des Waldes um ihn begannen sich zu vermischen, als er langsam erst auf die Knie sank und schließlich gänzlich auf den erdigen Waldboden aufschlug.
„Man könnte fast meinen, das Lazarett ist dein liebster Ort, Idiot. Nein, mach dir gar nicht die Mühe, zu antworten, halt lieber deinen Mund und spar deine Kräfte, Idiot.“ Samantha... wie gerne wäre er aufgestanden und hätte ihr endlich einmal seine Meinung deutlich gemacht, aber... sie hatte Recht, der bloße Versuch, sich zu rühren, ließ die Wunden auf seinem Körper um die Wette schmerzen. „Verdammt“, presste er zwischen den Zähnen hervor „nicht einmal die Hölle ist mir gegönnt!“ Er konnte sie nur verschwommen wahrnehmen, doch war er sich einen Augenblick lang fast sicher, gesehen zu haben, wie Samantha zusammenzuckte. „Die Hölle ist noch ein viel zu guter Ort für dich, Idiot“, erwiderte sie und fügte hastig hinzu „nach dem was nein Vater mit dir vorhat.“ Damit wandte sie sich um und eilte aus dem Zelt. Alleine mit seinen Gedanken, fielen Viridian wieder die Worte Samanthas ein, das Lazarett sei wohl sein liebster Ort, was ihn schmunzeln ließ. Sie hatte Recht, aber die Art, wie sie mit ihm umging, war alles andere als akzeptabel. Andererseits, was konnte er auch groß verlangen? Weil ihm gerade nichts anderes einfiel, dachte er über sie nach. Seit die beiden sich kannten, war das Mädchen immer nur patzig gewesen, hatte ihn am liebsten einen Idioten oder Trottel genannt und sich über ihn lustig gemacht. Anfangs hatte ihn das ziemlich aufgeregt, doch seine allgemeine Gleichgültigkeit, anderen Menschen gegenüber, hatte ihn dagegen abgeschirmt. Zu schade, dass er ihr so gar nicht gleichgültig sein wollte. Wo er auch hinging, meinte er sie in der Nähe zu bemerken, wie eine Spionin immer auf seinen Fersen. Scheinbar sah sie in ihm die beste Zielscheibe für ihren Spott und weil sie nebenbei auch noch die Tochter des Anführers war, hatte sie nicht einmal etwas zu fürchten dabei. Und trotzdem, manchmal benahm sie sich sonderbar und mehr als einmal meinte Viridian zu erkennen, dass die harte Schale der Überheblichkeit, mit der sie sich umgab nichts als ein Schutz für ihr zerbrechliches wahres Ich darstellte. Doch immer in solchen Situationen kam schon bald der nächste Spott und wischte die Überlegung hinfort. Nicht so dieses Mal im Lazarett, nachdem sie praktisch vor ihm geflüchtet war. Geradezu zwang er sich, ihr Gesicht vor sich heraufzubeschwören, das Lächeln, welches sie nur sehr selten zeigte und nie für lange, dieses Lächeln, das so sehr an Arlon erinnerte. Und hatte sie ihm nicht, all ihren Äußerungen zum Hohne, stets beigestanden, wenn er in Bedrängnis war? Nun ja, so oft sie konnte, zumindest. Die Stimme eines Mannes riss ihn aus seinen Überlegungen. Es war Arnaut, der „Riese“, der ihm mit barscher Stimme befahl, aufzustehen. Ehe Viridian erklären konnte, dafür fühle er sich noch zu schwach, hatten die starken Hände des „Riesen“ ihn bereits unsanft auf die Beine befördert. Wohl oder übel musste er nun also vor dem Hünen hergehen, der nicht müde wurde, seinen Vordermann bei jedem Anzeichen von Schwäche einen ordentlichen Stoß zu versetzen. Endlich erreichten sie Arlons Zelt, wo man über den Geflohenen zu Gericht sitzen würde. Innerlich zuckte Viridian mit den Schultern. Was wollten sie ihm schon tun, sie konnten ihn bestrafen oder töten und beides hätte ihn nicht weiter gestört. Tot war er eh seit nunmehr drei Jahren. Doch wieder einmal sollte er sich in Arlon irren.
Drei Stunden berieten sie in Arlons Zelt, nachdem man Viridian angehört hatte, es war kaum zu verkennen, dass man ihn damit auf die Folter spannen wollte, aber seine Gleichmut und offenkundige Gelassenheit zeigte deutlich, wie wenig das bei ihm fruchtete. Schließlich traten Inor und Inar aus dem Zelt, um den Delinquenten zur Urteilsverkündung zu rufen. Jetzt erst fiel Viridian auf, dass alle im Lager sich heute ungewöhnlich ruhig verhalten hatten, fast wie man es von Tieren kennt, ganz kurz vor einem Unwetter. Als würden alle miteinander in gebannter Erwartung eines kommenden Spektakels den Atem anhalten. Die Kühle im Zelt war ihm eine willkommene Abwechslung zu der brütenden Hitze in der er bis eben hatte ausharren müssen, doch die auf ihn gerichteten Gesichter ließen ihn erschauern, sodass er sich sofort wieder nach der Wärme draußen zu sehnen begann. Alle waren da, Arnaut, Jason, die Zwillinge natürlich und Lanjan und Arlon. Das „Wiesel“ warf dem Jungen einen vernichtenden Blick zu, Arnaut grinste, Jason wandte den Kopf zur Seite als Viridian zu ihm sah und die Gesichter der Zwillinge hinter ihm konnte er nur erahnen. Wahrscheinlich ausdruckslos wie immer, dachte er. Arlon lächelte ihn an. Im ersten Moment musste Viridian gegen die ohnmächtige Wut ankämpfen, dass der Mann, dem er als einzigem Menschen wirkliches Vertrauen entgegenbrachte, nun Freude zu empfinden schien, ihn zu bestrafen. Dann aber erkannte er das Lächeln des Anführers, wie es wirklich war. Nicht grausame Vorfreude auf eine kommende, sicher qualvolle Strafe, sondern tief und aufrichtig empfundene Anteilnahme spiegelten sich darin und noch etwas, das der Junge nicht benennen konnte. Jahre später würde er es als den Stolz eines Vaters auf seinen Sohn bezeichnen.
„Komm näher, Junge“. Forderte der Anführer ihn mit ruhiger Stimme auf. In gewohnter Manier setzten sich Viridians Beine auch sofort in Bewegung, bis er direkt vor dem Platz Arlons stand. Die anderen Anwesenden bildeten somit einen Halbkreis um ihn, wie er aus den Augenwinkeln bemerkte. Er versuchte, einen trotzigen Blick zu zeigen, doch seine Augen spielten ihm einen bösen Streich, denn sie füllten sich auf einmal mit Wasser. Er konnte es nicht fassen... wieder einmal wurde er von seinem vermaledeiten Körper derart verraten, doch er konnte nichts dagegen tun. Die Tränen flossen lautlos über seine Wangen und hinterließen ein prickelndes Gefühl auf der Haut. „Wir haben uns entschieden, was dein Urteil betrifft, mein Junge. Gemessen an der Härte deines Vergehens, haben wir uns darauf geeinigt, dich folgendermaßen zu bestrafen: Da du scheinbar in deiner freien Zeit nichts als Unfug machst, haben wir uns entschlossen, dir von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang keine freie Stunde mehr zu geben. Du wirst von nun an von zwei Lehrern ausgebildet werden. Jason wird weiterhin deine Schwertkünste schulen und danach... übst du mit Arnaut.“ Bei diesen Worten stand er auf und wischte dem Jungen mit dem Daumen die Tränen aus dem Gesicht. Dann verließ Arlon wortlos das Zelt, gefolgt von allen anderen außer Jason und Arnaut. Viridian stand wie versteinert. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit, dass man ihm „vergeben“ könnte. Wieder einmal hatte Arlon ihm seine Größe aufgezeigt und Viridian damit seine eigene Unbedeutendheit vor Augen geführt.
Eine starke, schlanke und eine noch viel stärkere und um einiges größere Hand legten sich auf seine Schultern. Ruckartig drehte der Junge sich um und stand Auge in Auge mit den beiden Kriegern, die sich hinter ihm hingekniet hatten. Jetzt erst erkannte er, dass das freche Grinsen Arnauts nichts mit Häme gegen ihn zu tun hatte, sondern eher die Bewunderung des „Riesen“ für den gelungenen Bubenstreich darstellte. Und Jason, der seinen Kopf weggedreht hatte, tat es also nur, um sein breites Grinsen zu verbergen. Der Junge blickte von einem zum anderen und da überkam ihn ein Gefühl der Scham. Aber wie hätte er wissen sollen, dass sie auf seiner Seite standen, immer gestanden hatten? Eine Weile verharrten die drei so, bis sich endlich Arnaut räusperte und aufstand. Doch diesen Augenblick mit Arnaut und Jason würde Viridian nie mehr vergessen, zu tief hatte er sich in seine Seele eingebrannt, ein kleines Bild wie ein Feuerfunken, am Grunde eines nachtschwarzen Teichs. Und neben diesem waren noch andere Funken, manche heller und manche weniger hell, am deutlichsten aber einer, der drei Jahre zurücklag...
Die Strafe war allerdings mitnichten so gnädig gewesen, wie Viridian zuerst angenommen hatte. In den folgenden fünf Jahren, in denen er wirklich fast keinen Augenblick mehr für sich hatte, da er rund um die Uhr den Diener für zwei Krieger spielen musste, wenn sie ihn nicht gerade mit den härtesten Übungen schleiften, wuchs Viridian zu einem jungen Mann heran. Sein Körper hatte durch die endlosen kraftanstrengenden Übungen mit Arnaut beachtliche Muskeln bekommen und dank Jasons flinkem Kampfstil, den er dem Jungen täglich vermittelte, besaß er zudem eine enorme Schnelligkeit und Gewandtheit. Das Langschwert und der Anderthalbhänder waren seine Waffen geworden, ferner beherrschte er die Grundzüge im Umgang mit Messern, Speeren und Äxten, die er aber nur im Notfall einsetzte. Auch reiten hatte er geübt und saß jetzt sicher im Sattel, selbst wenn er sein Schwert führte. Doch Arlon hatte ihn für die Fußtruppen eingeteilt und er musste sich fügen. Interessanter Weise war die Zahl seiner offenen Feinde im Lager von Jahr zu Jahr weniger geworden, ja einige hatten sogar im letzten Jahr damit angefangen, um seine Freundschaft zu werben, was Viridian jedoch freundlich ablehnte. Der Umgang mit anderen Menschen bereitete ihm nach wie vor große Probleme, besonders der mit Frauen und hier besonders: mit Samantha. Auch die Tochter des Anführers war zu einer jungen Frau herangewachsen und ihre Schönheit wurde nur noch übertroffen von ihrer spitzen Zunge.
Eines Tages, er hatte gerade Jason einen fordernden Zweikampf geliefert und dafür bis zum Mittag frei bekommen, schlenderte der junge Mann durch das Lager, als er in einiger Entfernung Samantha in einem offensichtlich sehr angeregten Gespräch mit einem etwa zwanzigjährigen Söldner befand, den Viridian nur zu gut kannte. Es war Kannos, einer von denen, die ihn früher bei jeder sich bietenden Gelegenheit geprügelt hatten, sich jedoch von ihm fernhielten, seit der mächtige Arnaut und der geschickte Jason Viridian quasi zu ihrem Zögling erkoren hatten. Kurz überlegte Viridian, was er tun sollte, näherkommen, oder sich umdrehen und die beiden einander überlassen und entschied sich dann, dass er ja wohl hingehen könne, wo er wolle und dass gerade diese beiden dort ihn nicht daran hindern würden. Also setzte er seinen Weg in ihre Richtung fort, sodass er bald die ersten Worte ihres Gesprächs hören konnte. Scheinbar war die Situation nahe an einer Eskalation, denn die beiden setzten gerade an, sich gegenseitig die wildesten Schimpfnamen an den Kopf zu werfen. Mit einem belustigten Grinsen auf den Lippen verfolgte Viridian diesen verbalen Zweikampf, bei dem Kannos eine derbe Niederlage einstecken musste. Deutlich sah man, wie dem kräftig gebauten jungen Mann die Zornesröte ins Gesicht stieg, da er doch tatsächlich im Begriff war, dieser Frau zu unterliegen. Viridian hatte sich bereits auf sechs Schritt genähert, als Kannos mit einem Mal ausholte und Samantha mit der flachen Hand so fest ins Gesicht schlug, dass das Mädchen zurücktaumelte und sich an einer Zeltwand festhalten musste. Etwas tief in Viridian schaltete sich bei diesem Anblick aus, er merkte, wie er die Kontrolle über seine Muskeln verlor, als sich in seinem Kopf ein Bild zu manifestieren begann. Erst verschleiert, dann immer deutlicher sah er zwei Mädchen, die von einem gepanzerten Mann gewaltsam weggezogen wurden, die Straße hinab. Einen ewigen Augenblick lang blickte er mit Adleraugen auf die Szene, jede Einzelheit prägte sich in seine Gedanken, das Bild übernahm sein Bewusstsein, lenkte seine Füße zu Kannos, ließ ihn mit seiner rechten Hand, die in einem ledernen Handschuh steckte, ausholen und... gerade noch rechtzeitig konnte er seinen Schlag zur Seite richten, bevor er Samanthas Gesicht getroffen hätte. Er hatte nicht bemerkt, wie sie sich von der Zeltplane abgestoßen und ihm in den Weg gestellt hatte. Seine Gedanken wurden wieder klar, während er, ohne nach außen eine Regung zu zeigen, in ihre entschlossen blitzenden Augen schaute. „Was machst du denn hier, Idiot? Willst du vielleicht den Helden spielen?“
Er konnte Kannos hinter Samantha auflachen hören. Das Mädchen wirbelte daraufhin herum und verpasste ihm einen so gewaltigen Schlag ins Gesicht, dass Blut aus Nase und Mund zu fließen begann. „Halts Maul, wenn du nicht gefragt wirst, und jetzt schau, dass du Boden gewinnst, ich kann deinen Anblick nicht mehr ertragen. Ach.... und wir sind noch lange nicht fertig miteinander!“
Tatsächlich verkroch sich Kannos daraufhin wie ein geschlagener Hund, nicht aber, ohne Viridian davor noch einen verachtenden Blick zuzuwerfen. „So, jetzt wieder zu dir, du Held“, fuhr sie fort, „was hast du dir jetzt schon wieder dabei gedacht? Ach, wie ich dich kenne hast du wieder mal gar nicht nachgedacht, was? Hör zu, ich brauche deine Hilfe nicht, klar? Misch dich nie wieder in meine Angelegenheiten ein, verstanden?“ Sie sah ihn mit herausfordernd vorgerecktem Kinn abwartend an. Eine Weile schien es, als wolle er nichts antworten und sie war gerade im Begriff, ihm den Rücken zuzudrehen, als er leise sagte: „es tut mir leid.“ Wie angewurzelt blieb Samantha stehen. Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um und fragte: „was... was hast du da eben gesagt?“ „Dass es mir leid tut“, erwiderte Viridian laut und deutlich. „Es tut mir leid, aber ich konnte nicht anders. Versteh das oder nicht, aber wenn ich sehe, wie einer eine Frau schlägt, dann kann ich mich eben einfach nicht mehr beherrschen.“ Jetzt war es an ihr, ihn wortlos anzustarren. Nach einer Weile wurden ihre Augen feucht und Tränen liefen ihr lautlos über die Wangen. Damit hatte Viridian wirklich nicht gerechnet. Unbeholfen stand er da, ohne zu wissen, was er tun sollte. Nur seine Gedanken schwirrten ihm wie wild im Kopf herum. Warum weint sie denn jetzt? Habe ich etwas falsch gemacht? Vielleicht spürt sie den Schlag von diesem Bastard jetzt erst wirklich? Vielleicht...
„Da sieh mal einer an, Viridian, der Mann, der die Frauen zu Tränen rührt!“ Jason hatte sich von beiden unbemerkt genährt und stand jetzt neben Viridian. Als Samantha seine Stimme hörte, schien sie sich erst der Situation bewusst zu werden und wurde hochrot. „Und hier haben wir Jason, den schwerterschwingenden Weiberhelden. Verzeiht, dass ich meine Unschuld vor Euch retten muss, mein Herr“, warf sie Jason hin und eilte davon. Der Krieger grinste nur breit, während er Viridian prüfend musterte. „Ich habe sie nicht mehr weinen sehen, seit dem Tag, als ihre Mutter starb. Sag, was hast du gemacht, mein Junge?“ „Ich? Gar nichts, ehrlich!“, versicherte Viridian rasch, doch war er sich dessen gar nicht so sicher. Um von dem Thema abzulenken, fragte er seinen Lehrer möglichst gelassen: „warum seid Ihr eigentlich hier, Meister? Ich dachte, ich hätte frei bekommen?!“. Die förmliche Anrede Jasons schien ihm aus irgendeinem Grund richtig. „Das hast du auch, mein Junge. Allerdings hat sich etwas ergeben... ich muss dich bitten, deine Waffen zu schleifen und deine Rüstung auf Hochglanz zu polieren. Und, keine Fragen, klar?“ Viridian wusste nicht genau, was das zu bedeuten hatte, denn so etwas hatte Jason noch nie zu ihm gesagt. Doch er wagte nicht, seinem Lehrer zu widersprechen, daher nickte er nur stumm und eilte zu seinem Zelt, wo er wie befohlen seine Waffen überprüfte. Eigentlich war es gar nicht nötig, denn es gehörte zu Viridians Pflichten, seine Waffen stets in bestem Zustand zu halten, aber er war irgendwie sogar froh über die Beschäftigung, damit er nicht nachdenken musste. Sobald ihm der Gedanke an Jasons Worte, oder an Samanthas Verhalten kamen, begann er, wie wild mit dem Lederlappen über den Stahl seines Brustpanzers zu wischen, bis dieser das Licht, welches durch den Eingang ins Zelt drang, widerspiegelte. Er wollte nicht denken, nicht an Jason und vor allem nicht an Samantha, denn er hasste Fragen, auf die er keine Antworten wusste. Zumindest was Jason anging, sollte er seine Antwort bald bekommen.
Als er zum Mittagsmahl kam, wurde er sogleich von Jason bei Seite genommen. „Du wirst heute nicht mit den anderen essen. Pack deine Ausrüstung zusammen und komm dann zu den Pferden. Sprich mit niemandem.“ Wieder blieb Viridian nichts übrig, als still zu nicken und zu tun, was ihm befohlen worden war. Er schnallte sich gerade den Brustpanzer um, als Samantha ins Zelt kam. „Wir müssen reden.“ Keine Begrüßung? Nun, das war ja auch nicht anders zu erwarten, dachte er, während er ihr zunickte. „Na dann, aber mach schnell, ich habe nicht viel Zeit.“ Die erwartete spöttische Erwiderung ließ vergebens auf sich warten, statt dessen meinte sie nur: „ich weiß. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Hör zu: Egal was passiert, lass dich nicht töten, bitte. Versprich es mir.“ Die Welt schien völlig verrückt zu spielen. Was wollte dieses Mädchen nur von ihm? Schon wollte er eine bissige Antwort geben, als er in ihre Augen blickte. Zu seinem Erstaunen konnte er darin nicht die Spur von Schalk entdecken, nur tiefe Sorge. Darum biss er sich auf die Zunge und rang sich ein leichtes Nicken ab. Doch sie schüttelte energisch den Kopf. „Das reicht mir nicht. Sag es. Versprich es!“ Sie sprach mit einer so flehenden Eindringlichkeit, dass Viridian stutzte. Mit einem Mal kam ihm der Gedanke, dass er Samantha eigentlich nie wirklich gekannt hatte. „Ich verspreche es. Du weißt doch, wir Idioten haben einen besonderen Schutzengel.“ Eigentlich hatte er nur einen Scherz machen wollen, doch dieser verfehlte zu seinem Schrecken völlig seine Wirkung. Statt zu lachen, oder wenigstens zu lächeln, fing das Mädchen nämlich an, zu weinen. Dabei ging sie langsam auf ihn zu, der seine Rüstung bei Seite gelegt hatte und aufgestanden war und legte ihren Kopf an seine Schulter. Er konnte es einfach nicht fassen, sie weinte schon wieder! Er spürte ihren warmen Kopf an seiner Schulter, roch den Duft ihrer Haare und war völlig unfähig, sich zu bewegen. Die Szene befremdete ihn, doch irgendwo tief in sich spürte er eine Sehnsucht erwachen, von der er nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab. Das heißt, nein, er wusste es, doch er hatte sie eigenhändig begraben! Warum wollte sie denn nicht tot bleiben? Hatte er sich nicht geschworen, dieser Sehnsucht niemals nachzugeben? Wollte sein verfluchter Körper ihn etwa schon wieder betrügen? Sachte umfasste er Samanthas Schultern und drückte das Mädchen von sich weg, bis er ihr in die verheulten Augen sehen konnte. „Ich muss jetzt gehen, Jason wird bestimmt schon ungeduldig.“ Samantha wischte sich mit dem linken Unterarm mehrmals über die geröteten Augen und nickte schließlich. Dann verließ sie rasch, und ohne sich nochmals umzudrehen, das Zelt. Viridian wartete noch eine Weile und machte sich dann auf den Weg zu den Pferden, wo er bereits ungeduldig erwartet wurde.
Neben Jason sah er noch vier weitere Männer, alle älter als er selber, aber das störte ihn nicht. Die Kämpfer waren, soweit Viridian das richtig in Erinnerung hatte, alle dem Befehl von Jason unterstellt. Ohne große Worte schwangen sie sich in die Sättel ihrer Pferde und ritten los. Keiner sprach ein Wort, den ganzen Tag nicht, bis der Abend dämmerte. Dann schlugen sie, ebenfalls schweigend, ihr Lager auf. Außer bei der Einteilung der Wachen wurde nicht ein Wort gesprochen. Hatte Viridian sich auch anfangs noch gefragt, wo die Reise denn hingehe, so hatte seine Neugier sich verflüchtigt, als die anderen ihm bei jedem zaghaften Ansatz, eine Frage zu stellen, nur stille Blicke zuwarfen, die ihm deutlich machten, wie viel Sinn es haben würde, weiterzufragen. Der nächste Tag verlief genau wie der Erste und der danach ebenso. Da eine Konversation ziemlich unmöglich war, richtete Viridian seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Landschaft, die sich durchquerten. Waren sie anfangs zumeist über weite Wiesen und durch schattige Wälder gekommen, so veränderte sich die Umgebung am dritten Tag. Die weiten Ebenen waren mehr und mehr durchsetzt mit Hügeln und der Weg führte nun stetig bergan. Hatte man zuvor noch in der Ferne vereinzelte Weiler gesehen, so versperrte die immer dichtere Bewaldung bald den Ausblick. Irgendwann blieben Viridian nur noch zwei Gewissheiten: sie ritten durch einen Wald von enormer Ausdehnung und es ging bergan. Sowie sich das Landschaftsbild nicht mehr fortwährend veränderte, bemerkte Viridian dafür, wie seine Gefährten lebhafter wurden. Er beobachtete, wie sie ständig nach allen Seiten Ausschau hielten und spürte, wie die Anspannung der anderen mit jeder Stunde zunahm. Als es dämmerte, führte Jason die Gruppe vom Hauptweg ab und in den Wald hinein. Keiner murrte, obwohl das Vorankommen sich jetzt merklich schwieriger gestaltete. Als eben das letzte Licht des Tages verblasste, ließ Jason die Gruppe mit einer Handbewegung anhalten. Still bedeutete er ihnen, abzusteigen und sich still zu verhalten. Dann entfernte er selbst sich in den Wald und war bald den Blicken der anderen entschwunden. Kurze Zeit später verstummte auch das gelegentliche Rascheln im Unterholz, das sein Vorankommen kennzeichnete. Viridian wartete schweigend, was als nächstes geschehen möge. Er wartete mit den anderen zusammen fast eine Stunde lang, ohne ein Wort zu sprechen. Rings umher begannen die Nachtvögel mit ihrem Gesang, die Stille des Waldes zu durchbrechen.
Als Jason zurückkehrte, verkündete er ihnen im Flüsterton, wie es weitergehen sollte: „Also schön, das Lager ist etwa zehn Minuten von hier entfernt, zehn Zelte, fünfzig Mann. Daron, du bleibst bei den Pferden, ihr anderen, folgt mir. Unser Ziel ist das Zelt des Kommandanten. Sollten wir entdeckt werden, sofort in den Wald fliehen. Verstanden?“ Alle nickten, als er ihnen reihum in die Augen blickte. „Viridian, du und Ferson, ihr nehmt euch die Wachposten ums Lager herum vor, Klester und Sander, ihr räumt die Wachen auf dem Weg zum Hauptzelt aus dem Weg. Und los!“
Ein Attentat war also der Auftrag, keine sehr ruhmreiche Aufgabe, aber was soll man machen, Befehl ist Befehl. Ein Attentat, und weiter? Wen sollten sie denn umbringen? Ach ja, die Wachposten, den Rest, was immer das sein sollte, wollte ja Jason übernehmen. Ferson, na ja ein fähiger Mann, er würde seiner Aufgabe sicher nachkommen können. Es galt, sich einzig auf die eigene Aufgabe zu konzentrieren, denn von ihm hing genauso viel ab, wie von allen anderen. Fünf Mann gegen fünfzig, das könnte knifflig werden, die Übermacht wäre einfach überwältigen, darum musste alles heimlich passieren.
Für weitere Gedanken blieb keine Zeit, denn sie hatten die Lichtung erreicht, worauf das Lager aufgebaut war. In alle vier Richtungen waren Wachposten aufgestellt, immer zwei Mann an einem Lagerfeuer, die sich gegenseitig den Rücken deckten. Na schön, ein Spaziergang würde es nicht werden, aber das war ja eh klar gewesen. Alle Zelte waren dunkel, nur in einem brannte Licht, das musste das Zelt des Kommandanten sein. Ferson hatte seine Armbrust bereits gespannt, eine interessante Waffe, da sie über zwei Sehnen verfügte, womit sie zwei Bolzen verschießen konnte, ohne nachladen zu müssen. Er flüsterte Viridian zu: „Ich übernehme die beiden, die am nächsten am Zelt des Kommandanten sind. Du umrundest das Lager und zählst dabei bis hundert. Dann nimmst du dir die beiden vor. Das sollte für ein wenig Tumult sorgen. Die andern sollten währenddessen ihre Aufgaben erledigen können, das heißt für dich, du fliehst, sobald deine Gegner erledigt sind. Alles klar?“ Viridian nickte stumm. Er hasste es, von anderen Befehle entgegennehmen zu müssen, aber hier half keine Diskussion, Ferson war einfach der erfahrene Mann in solchen Dingen. Auf leisen Sohlen machte er sich darum auf dem Weg zu den Wachposten am andern Ende des Lagers, wo er wieder in Deckung ging und anfing zu zählen.
Sieben, acht neun, Samantha hat sich Sorgen um mich gemacht, dreizehn vierzehn, warum, ich dachte ich bin für sie nur der Idiot, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, verdammt ich lasse mich ablenken, siebenundzwanzig, achtundzwanzig, ich werde schon überleben, dreißig...
Das Klingen von Stahl auf Stahl bei neunundachtzig. Bei einundneunzig schoss Viridian, die Klinge ziehend, aus seinem Versteck und erledigte den ersten, völlig verdutzten Wachposten mit nur einem Streich quer über die Kehle. Der zweite leistete bei neunundneunzig heftigen Widerstand. Hunderteins, Ausfall Viridians, hundertzwei, abgeblockt, hundertdrei, Konterangriff, hundertvier, ausweichen, die Welt verschwand hinter Zahlen, hundertacht, Finte, hundertzehn, die Schwerter prallen klirrend aufeinander, Vereinzelte Schreie bei hundertdreizehn. Blut begleitete hundertfünfzehn, hundertsechzehn, hundertsiebzehn. Gerade Zahl: Angriff. Ungerade Zahl: Block. Was ist das? Ein System, hundertvierzig, hunderteinundvierzig, tatsächlich, aber das heißt doch, wenn man, hundertvierundvierzig, kein Angriff, Angriff kurz vor hundertfünfundvierzig, das Schwert schneidet sich seinen Weg durch das Fleisch des Wächters.
Mit einem überraschten Aufschrei ging der Mann zu Boden, Blut quoll aus seinem rechten Oberarm, das Schwert hatte er fallen gelassen. Er lag da, völlig wehrlos, „Stich zu“, meinte Viridian zu hören, „mach seinem Leiden ein Ende!“ Aber er konnte nicht. Und bevor er noch lange überlegen konnte, stürmte ein weiterer Mann an ihn heran. Viridian ließ sich anfangs zurückdrängen, denn während er seine Deckung wahrte, rechnete er im Stillen. Dieser Mann kämpfte schneller, aber auch das würde ihn nicht retten. Bei eins fing Viridian an, sich zu wehren. Schläge bei drei, fünf, sieben, neun. Dann einer kurz vor elf, der hätte beinahe getroffen. Wieder versank die Umgebung in Dunkelheit, nur erhellt von den Funken, die beim Aufeinanderschlagen der Klingen in alle Richtungen stoben. Stechender Schmerz bei zweiunddreißig, er hatte nicht aufgepasst. Wärme auf seiner Wange, heiße Wut in ihm. „Gib dich ihr hin, überlasse mir deinen Körper, ich werde für dich siegen!“ „Wer bist du? Bist du überhaupt wirklich?“ Lachen. „Ja, ich bin wirklich, ich bin du, Viridian. Lass mich dir helfen!“ Die Stimme wurde immer eindringlicher und Viridian dachte schon daran, ihr nachzugeben, als sein Gegner bei dreiundvierzig auf einmal zusammenbrach, ein Bolzen hatte sich in seine linke Seite gerammt, vermutlich die Milz zerfetzt. „Komm endlich! Wir müssen hier weg!“ Fersons Stimme brachte ihn wieder zurück auf den Boden der Realität. Das kleine Lager brannte. Menschen schrieen und liefen umher, panisch. Aus den Flammen lösten sich vier Gestalten, alle in Harnische und Leder gekleidet, ähnlich wie auch Viridian. Für den Bruchteil einer Sekunde wägte er seine Chancen ab und lief dann so schnell er konnte hinter Ferson her zu den Pferden. Jason und die andern waren bereits im Sattel und gaben ihren Tieren die Sporen, sobald sie die anderen kommen sahen.
Sie ritten die ganze Nacht, erst im schnellen Galopp, dann nach einer Weile etwas langsamer. Wie auf dem Hinweg sprach keiner ein Wort. Von Verfolgern keine Spur. Irgendwann ging die Sonne auf, doch keiner schenkte dem neuen Tag besondere Beachtung. Viridian hatte wieder getötet, das erste Mal in seinem Leben auf Befehl. Zwei seiner Gegner waren mit großer Wahrscheinlichkeit tot, der, den er am Arm getroffen hatte, vielleicht noch am Leben. Ihm hatte Viridian kurzerhand einen Fußtritt in die Rippen verpasst, dass er es knacken hören konnte. Eigentlich, eigentlich hatte er nur einen Mann getötet und den hatte er eigentlich ermordet. Er hatte ja nicht einmal Zeit gehabt, seine Waffe zu ziehen. „Denk nicht darüber nach. Das macht es nur schlimmer. Denk daran, dass es ein Befehl war und dass wir ihn mit Erfolg ausgeführt haben.“ Jason hatte sein Pferd an den grübelnden Viridian herangelenkt, ohne dass es diesem aufgefallen wäre. Statt zu antworten, blickte der Junge seinem Lehrer nur stumm in die Augen, bis dieser sich seufzend abwandte. So erreichte die kleine Gruppe nach drei Tagen wieder das heimatliche Lager. Klester war unterwegs an den Folgen einer Lungenverletzung unter Qualen gestorben.
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Ein strîter sô gelêret was, daz er an den buochen las, swaz er dar an geschriben vant: der was Viridian genant, dienstman was er ze Mêrswaht.
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Viridian





 Beitrag Verfasst am: 20 Feb 2009 21:12    Titel:
Antworten mit Zitat

Achter Abschnitt: Viridian und Samantha

Seit seiner Rückkehr war Viridian noch schweigsamer, als vorher. Von seinen wenigen Freunden ließ er keinen an sich heran, noch nicht einmal mit Arlon wollte er ein längeres Gespräch führen. Seine Aufgaben erfüllte er zwar weiterhin gewissenhaft, doch konnte man ihm deutlich ansehen, dass seine Gedanken dabei in weiter Ferne weilten. Jeden Abend saß er alleine auf einem Hügel in der Nähe des Lagers und blickte schweigend zu den Sternen empor. Jason hatte es einmal gewagt, ihn dabei anzusprechen und leicht am Oberarm zu berühren, was ihm einen Schnitt in die linke Wange beschert hatte. Viridian trug neuerdings nämlich auch zwei lange und, wie Jason jedem bestätigen konnte, gut geschärfte Dolche bei sich, die er nicht einmal zum Schlafen ablegte.
Da der Sommer nun endgültig dem Herbst gewichen war, bereiteten sich die Söldner vor, weiter zu ziehen. Zweimal hatte Arlon ihren Aufenthalt kurzfristig verlängert, das erste Mal kurz vor Viridians erstem Auftrag und das zweite Mal knapp zwei Wochen später. Viridian wusste nicht, was es diesmal wohl zu tun gegeben hatte, doch es war ihm egal. Er kannte dieses Gefühl, hatte er es doch oft genug empfunden, diese Gleichgültigkeit gegenüber dem, was um ihn herum passierte. Doch im Unterschied zu früher war ihm jetzt nicht alles gleichgültig. Während er sich nach außen hin wie ein harter, kalter Felsen verhielt, brodelten in ihm die Gedanken. Er war ein Mörder geworden, genau zu dem, was er hatte bekämpfen wollen.
Aber es war nicht seine Schuld, oder? Er hätte nicht auf diese Mission gehen müssen, oder? Es war ein Befehl gewesen, den er ausführen musste, noch dazu weil er anfangs keine Ahnung hatte, was genau es zu tun galt. Oder? In ihm reifte ein Entschluss, doch noch fühlte er sich nicht bereit dazu, ihn in die Tat umzusetzen.
Der Tag des Aufbruchs war gekommen. Alle Zelte waren abgebaut und auf Wägen verstaut, ebenso die anderen Ausrüstungsgegenstände, die Waffen und Rüstungen, Kleider und Werkzeuge. Um die Zugpferde zu schonen, trugen aber auch die Männer voll gepackte Rücksäcke. Der Zug wurde nach allen Seiten von Bewaffneten abgeschirmt, denn ein Tross bot ein weitaus besseres Ziel für einen Angriff, als ein Lager. Auch Viridian war als Wächter eingeteilt worden, an der rechten Flanke ritt er, unweit Arlons Wagen, an der Spitze der Kolonne.
Wachsam blickte er sich nach allen Seiten um. Er hatte jetzt, da sein Entschluss endgültig feststand, den Kopf wieder frei, um seinen Pflichten nicht nur aus Gewohnheit, sondern mit ungeteilter Aufmerksamkeit nachzukommen. Gerade beobachtete er die bewaldeten Hänge entlang des Pfades, als jemand hinter ihm seinen Namen rief. Schnell drehte er den Kopf in die entsprechende Richtung, um Jason einen fragenden Blick zuzuwerfen.
„Junge, kann ich dich etwas fragen?“ Viridian zögerte. Jason sprach sonst nie so mit ihm, selbst wenn er etwas wissen wollte, formulierte er das einfach als einen Befehl, etwa „sag mir sofort, wo du dich wieder herumgetrieben hast!“ Ob er etwas von dem ahnte, was Viridian vorhatte? Obwohl ihm dieses Verhalten seines Lehrers nicht geheuer war, nickte er schließlich.
„Gut. Komm zu mir, Lors wird deine Position einnehmen.“ Sowohl Viridian, als auch Lors gehorchten, ohne zu zögern. Im Gehen übernahm Viridian Lors’ Rucksack, wobei die beiden Jungen einander kurz in die Augen blickten. Viridian meinte so etwas wie Sorge in Lors’ Blick zu lesen, ließ sich jedoch selbst nicht ansehen, was in ihm vorging. Dann marschierte er auch schon neben Jason her, den Blick auf den Boden vor den eigenen Füßen gerichtet. Eine Weile schwiegen sie beide. Dann setzte Jason an, zu sprechen: „Niemand wollte, dass es so ausgeht, Junge.“ Das Rattern und Klappern um sie herum übertönte Jasons Worte, sodass schon Viridian Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. „Du musst mir glauben, wir wussten nicht, dass wir auf so unerwartet heftigen Widerstand stoßen würden.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach.
„Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, worüber du so ausgiebig gegrübelt hast, Junge. Erst dachte ich, es sei der Tod von Klester gewesen, aber... das passt nicht zu dir.“ Er blickte zu Viridian, als erwarte er eine Antwort. Viridian drehte langsam den Kopf und sah Jason in die Augen. Dann antwortete er: „Du kennst mich gut, Meister Jason. Das war wirklich nicht der Grund.“ Er konnte Jason einfach nicht anlügen. Jason seufzte.
„Das hatte ich befürchtet. Damit käme ich zu meiner nächsten Überlegung. Der Grund deines Verhaltens könnte auch sein, dass du dich fragst, warum man dir nicht von Anfang an sagte, was du tun solltest. Traut man dir nicht? Ja ich denke, das ist eher, was du dich fragst, nicht wahr?“ Viridian nickte leicht. „Ja, auch das ist richtig, Meister Jason, das habe ich mich in der Tat gefragt, aber das ist es auch nicht gewesen.“ Mit Nachdruck fügte er hinzu: „Ich vertraue Arlon.“ Mehr schien es in dieser Sache von Viridians Seite nicht zu sagen zu geben.
Jason sah ihn eine Weile an, als wollte er noch etwas hinzufügen, doch dann richtete er den Blick wieder nach vorne. Etwas in Viridian atmete erleichtert auf. Jason war der Antwort nahe gewesen, sehr nahe sogar, aber er hatte die entscheidende Frage nicht gestellt. Jason ließ sich fast eine Stunde Zeit dafür. Dann sagte er: „Aber dennoch, du empfindest das, was du getan hast, als falsch. Nicht einmal die Tatsache, dass es ein Befehl von Arlon war, kann das ändern.“
Viridians Hände ballten sich zu Fäusten. Jason wusste es. Er musste nur noch einen Schritt weitergehen, dann wusste er alles. Dann würde er entweder Viridian eine Frage stellen, eine einfache Frage, auf die man nur ja oder nein sagen musste, oder er würde Arlon Bericht erstatten. Jason setzte an, etwas zu sagen, und Viridian spürte, wie er sich verkrampfte. Da gellte ein Schrei von hinten durch die Kolonne: „Ein Hinterhalt! Zu den Waffen! Zu den Waffen!“
Pfeile flogen durch die Luft, durchbohrten Holz, Leder und Haut. Waffen klirrten. Befehle wurden gebrüllt. Aufsteigender Staub verhüllte binnen Kurzem die Sicht und machte es schwer, etwas zu erkennen, Freund und Feind zu trennen. Aus dem Wald strömten Soldaten. Alle trugen ein Wappen, welches einen roten Vogel auf schwarzem Grund zeigte.
Viridian hatte inzwischen die hinderliche Last von seinem Rücken abgestreift und das Schwert gezogen. Da er keinen Schild besaß, zückte er mit der linken Hand einen seiner Dolche. Eilig blickte er sich um, dann stürmte er zur Spitze der Kolonne. Sein Schwert prallte auf das eines der Angreifer, sein hervorschnellender Dolch aber durchbohrte den rechten Oberarm des Gegners. Der nächste Schwertstreich Viridians führte diesen Kampf zu einem schnellen Ende. Doch schon tauchte ein weiterer Soldat mit dem Wappen des roten Vogels vor ihm auf. Funken sprühend krachten die Schwerter aneinander. Viridian spürte, dass es wieder anfing. Einmal mehr begann die Welt um ihn herum zu schrumpfen. Es gab einfach nichts mehr anderes, als den Kampf. Angriff und Parade, kurzes Umsehen, sein Gehirn registrierte die Lage ganz von selbst, während er seinen nächsten Schlag vorbereitete. Auch spürte er keine Schmerzen mehr, nur ein dumpfes Pochen, wo er getroffen wurde.
Viridian wusste nicht, wie lange er so gekämpft hatte –auch die Zeit hatte jegliche Bedeutung für ihn verloren- als er den Hilfeschrei hörte. Er hätte diese Stimme unter tausend anderen erkannt, sie gehörte Samantha.
Im Nachhinein konnte er nicht sagen, was es war, das ihn dazu trieb, seinem derzeitigen Gegner den Dolchknauf mit aller Wucht gegen das Kinn zu schlagen, herumzuwirbeln und zu Arlons Planwagen zu sprinten. Etwas hatte ihn von Grund auf erschüttert. Vielleicht lag es an dem alten Trauma wegen seinen geraubten Schwestern, das ihn dazu veranlasste, alle Vorsicht zu vergessen um einer Frau in Not beizustehen. Vielleicht handelte er auch einzig im Wissen um den Nutzen, den es für seine Entscheidung haben könnte, wenn er Arlon den größten möglichen Dienst erwies und sein einziges Kind rettete. Vielleicht, aber nur vielleicht, lag es auch daran, dass er Samantha niemals zuvor in seinem Leben so voll Panik hatte schreien gehört. Er würde es nie mit Sicherheit sagen können.
Als er den Wagen erreichte, setzte dieser sich eben in Bewegung. Auf dem Kutschbock saßen zwei Männer mit dem Wappen des roten Vogels, einer hielt die Zügel in der Hand, der andere stach mit seinem Schwert nach jedem, der sich dem Wagen näherte. Als Viridian versuchte, auf den Wagen aufzuspringen, stieß der Soldat ihn mit dem Stiefel wieder herunter. Kurz wurde dem jungen Söldner schwarz vor Augen, doch sofort rappelte er sich wieder auf und sah sich um. Der Planwagen war aus der Kolonne ausgebrochen und entfernte sich weiter und weiter die Straße hinab.
Viridian handelte instinktiv. Er eilte zu einem der Pferde, die den nächsten Wagen zogen, befreite es mit seinem Dolch von dem Geschirr und schwang sich in den Sattel. Ohne Sattel jagte er, fest in die Mähne des Tieres gekrallt, dem Planwagen hinterher. Staub vernebelte ihm die Sicht und der Wind trieb ihm Tränen in die Augen, doch konnte er feststellen, dass sich der Abstand zwischen ihm und dem Wagen verringerte. Der Soldat, der ihn zuvor vom Wagen gestoßen hatte, sah über die Schulter zurück und bemerkte den Verfolger, worauf der Planwagen an Geschwindigkeit gewann. Wiederum vergrößerte sich der Abstand zwischen Viridian und dem Planwagen.
Viridian sah nicht zurück. Der Kampf um den Tross war nicht mehr sein Kampf, die Einsamen Wölfe würden ihre Angreifer auch ohne seine Hilfe zerfleischen, dessen war er sich sicher. Er wusste nicht, ob außer ihm noch jemand die Verfolgung des Planwagens aufgenommen hatte, aber auch das war ihm derzeit egal. Denn selbst wenn es weitere Verfolger gab, so waren diese sicher viel zu weit entfernt, als dass sie ihm eine Hilfe hätten sein können.
Er sah, wie der eine Soldat sich halb herumdrehte, eine Armbrust in der rechten Hand. Schnell ritt er auf die andere Seite der Straße, sodass der Schütze ihn nicht mehr sehen konnte, denn nun war er bereits bis auf zehn Schritt an den Wagen heran. Und er trieb das Pferd immer noch weiter an. Näher und näher kam er dem Planwagen. Nun war er nur noch drei Schritt dahinter, noch zwei, jetzt ritt er rechts neben dem Planwagen her, im Gras neben der Straße, wohin ihn der Wagenlenker abgedrängt hatte. Weiter konnte der Wagen nicht von der Straße, das wusste Viridian, denn sonst war die Gefahr zu groß, dass im holprigen Graß ein Rad brach. Allerdings schien das den beiden Soldaten egal zu sein, sie verließen die Straße und Viridian musste sein Pferd langsamer reiten lassen, um nicht in den Wald zu geraten.
Wieder befand er sich hinter dem Wagen, der nun mit zwei Rädern über hüft hohes Gras holperte. Innerlich fluchte er, denn so konnte er sich nicht mehr weiter nähern. Entweder ritt er in den Wald, wo Sträucher und vor allem Bäume sein Vorankommen behinderten, oder er ritt zur linken Seite des Planwagens, wo ein Soldat mit einer Armbrust im Anschlag wartete. Er musste sich also in Geduld üben und hoffen, dass sich eine andere Möglichkeit bot. Um ein Haar wäre Viridian diese Möglichkeit zum Verhängnis geworden. Holzsplitter flogen durch die Luft und dicht an Viridian vorbei, als das Hinterrad des Planwagens auseinandergerissen wurde. Offenbar war der Wagen über einen größeren Stein oder dergleichen gefahren. Mehr und mehr löste das Rad sich auf, und der Planwagen wurde zusehends langsamer. Jetzt oder nie, dachte Viridian, zog das Schwert aus der Scheide und ließ sein Pferd links an dem Planwagen vorbeipreschen. Er traf den Soldaten mit der Armbrust, als er an ihm vorbeiritt, indem er sein Schwert nach hinten schwingen ließ. Sein Pferd aber wieherte laut und schmerzerfüllt auf, während es stark hinkend immer langsamer ritt und schließlich, zwanzig Schritt vor dem Planwagen, zusammenbrach. Viridian war rechtzeitig zur Seite abgesprungen.
Seine Landung auf der harten Straße war alles andere als angenehm, doch Viridian biss die Zähne zusammen und richtete sich auf. Als er zum Planwagen sah, spannte der andere Soldat soeben wieder die Armbrust. Hastig suchte Viridian Schutz im nahen Wald, wobei er mehr stolperte, als lief. Im sicheren Schatten angekommen, näherte er sich dann so leise wie möglich und tief gebückt dem Wagen. Der Soldat zielte derweil auf gut Glück in den Wald. Viridian schlich weiter durchs Unterholz, bis er sich hinter dem Wagen befand und sprang dann mit einem Satz in die Deckung des Planwagens, genau hinter dem gebrochenen Rad. Vorsichtig spähte er um die Ecke an der rechten Seite des Wagens entlang nach vorne, doch er konnte den Wächter nicht sehen. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Da seine Augen ihm gerade nicht weiterhelfen konnte, verließ er sich auf seine Ohren. Angestrengt lauschte er auf Schritte auf der linken Seite des Wagens, doch er konnte beim besten Willen nichts Verdächtiges hören.
Nach kurzem Überlegen verließ Viridian seine Deckung und schlich an der rechten Wagenseite entlang nach vorne. Langsam, ganz langsam glitt er an dem Holz entlang, bis er um die Ecke spähen konnte. Der Anblick verschlug ihm fast den Atem. Dort saßen die beiden Soldaten nebeneinander und sahen beinahe so aus, als schliefen sie. Doch zumindest die Dolchspitze, die aus der Brust des einen, der sich die Armbrust genommen hatte, ragte, sprach dagegen. Blut tropfte von der Dolchspitze. Ohne lange nachzudenken, schwang sich Viridian auf den Wagen. Aus dem Wageninneren drang leises Schluchzen an seine Ohren. Er zerrte den Soldaten mit dem Dolch in der Brust vom Kutschbock, um unter die Plane sehen zu können. Aus irgendeinem Grund scheute er davor zurück, Arlons Wagen zu beschädigen, indem er etwa die Plane mit dem Dolch aufschnitt.
Im Halbdunkel erkannte er eine zusammengekauerte Gestalt zwischen den durcheinandergewürfelten Kisten, Truhen und Fässchen. Samantha weinte und schluchzte und schien ihn gar nicht zu bemerken. Vorsichtig näherte er sich ihr und ging neben ihr in die Hocke. Da erst hob sie den Kopf und sah ihn mit großen, verweinten Augen an. Dann legte sie die Arme um ihn, presste den Kopf gegen seine rechte Schulter und fing an, laut und hemmungslos zu weinen. Tausend Gedanken und Gefühle wirkten mit einem Mal zugleich auf Viridian ein und machten ihn unfähig, zu reagieren. Er spürte jede Prellung und jede Schnittwunde, die er sich in dem Kampf zugefügt hatte und dazu kamen Erstaunen, Unverständnis und das Gefühl von Hilflosigkeit, wie er es lange Zeit nicht mehr empfunden hatte. Doch da war noch etwas anderes. Viridian spürte auch die Wärme von Samanthas Körper, er spürte ihren Kopf an seiner Schulter, roch den Duft ihres Haares, spürte ihren Atem an seinem Hals.
Entsetzt begann er zu begreifen, dass er ihre Nähe angenehm fand. Das war doch nicht möglich! Immerhin war das hier Samantha, die Samantha, die keine Gelegenheit ausließ, ihn lächerlich zu machen mit ihren bissigen Kommentaren. Aber wie sie so an ihn gekauert lag, schwach und verletzlich, so gar nicht die schlagfertige Tochter Arlons, die man sonst kannte, da wurde Viridian klar, dass es nicht nur die eine Samantha gab. Gerade er hätte wissen müssen, dass ein Mensch im Innern ganz anders sein kann, als er sich nach außen hin gibt. Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er ihre Worte erst gar nicht wahrnahm. Erst als sie ihn fragend anblickte, riss er sich von seinen Grübeleien los.
„Entschuldige bitte, ich... könntest du das bitte noch mal sagen?“ Samantha nickte leicht. „Ich möchte bitte nach draußen...“ Sie schien mehr sagen zu wollen, sah ihn aber nur stumm an. Nie zuvor waren ihre Augen so... weich gewesen, bemerkte Viridian, als er ihr ebenso wortlos zunickte.
„Kannst du gehen?“ Sie versuchte sich aufzurichten, aber ihre Beine versagten kläglich den Dienst. „Warte, ich trage dich... aber natürlich nur, wenn es dir recht ist.“ Samantha schluckte und nickte dann leicht, woraufhin er sie sanft unter den Armen und an den Oberschenkeln umfasste und hochhob. Behutsam trug er sie aus dem Wagen, brachte sie intuitiv außer Sicht der Toten und setzte sie schließlich im Gras am Wegrand ab. Als er sich entfernen wollte, griff sie nach seiner Hand und zog ihn zu sich. „Setz dich... bitte... “ Wieder kam es ihm so vor, als wollte sie noch mehr sagen, aber sie schwieg und so setzte er sich neben sie ins Gras. Noch immer hielt sie seine Hand mit der ihren umfasst und machte keine Anstalten, sie loszulassen. Unter anderen Umständen hätte Viridian sie einfach weggezogen, aber hier und jetzt fühlte es sich so... richtig an. Darum ließ er es ohne Widerstreben geschehen. Nach einer Weile legte sie wieder den Kopf auf seine Schulter, doch auch das fühlte sich richtig an und darum wehrte er sich nicht dagegen.
Als nach einer Weile das Getrappel von Pferdehufen auf dem Weg die nahende Ankunft der anderen Einsamen Wölfe ankündigte, stieß Samantha sich ruckartig von Viridian weg. Er musste nicht in ihre entschuldigenden Augen sehen, damit er verstand. Sie war noch immer zu tief in ihrer Rolle verstrickt, als dass sie es hätte zulassen können, in den Armen eines Mannes, noch dazu dieses unergründlichen Viridian gesehen zu werden. Samantha stand eilig auf und auch der Junge erhob sich, doch während sie zu den Reitern eilte, reinigte er sein Schwert an einem Lappen, bis die Klinge im Licht glänzte. Auch er wollte sich nichts von dem anmerken lassen, was in ihm vorging.
Von der anderen Seite des Wagens her lauschte er dem Gespräch zwischen Samantha und Jason, der offenbar der Anführer des Verfolgungstrupps war. Sie erzählte ihm, wie die Angreifer auf den Wagen gesprungen waren und sie nach hinten gestoßen hatten. Eben als sie wieder aufstehen wollte, war der Wagen dann so ruckartig losgefahren, dass sie stürzte, wobei sie sich mit dem Kopf an einer Kiste stieß und ohnmächtig wurde. Beim unsanften Halten des Wagens war sie wieder erwacht und nach vorne geschlichen, wo sie dann dem einen Soldaten ihren Dolch in den Rücken stieß.
„Den Rest kann euch ja Viridian erzählen. Ich... muss mich jetzt... ausruhen,“ fügte sie hörbar geschwächt hinzu. Viridian steckte das gereinigte Schwert wieder in seine Scheide und wartete auf Jason, der kurz darauf um den Wagen herum zu ihm kam. Der Schwertmeister sah seinen Schüler eine Weile nachdenklich an und legte ihm dann die rechte Hand auf die linke Schulter.
„Was du getan hast, war sehr mutig. Und fast ebenso dumm. Wie hattest du dir vorgestellt, alleine mit zwei Söldnern des Ordens des Phönix fertig zu werden? Ich möchte wetten, dass du dir wieder einmal überhaupt keine Gedanken gemacht hast, sondern einfach drauflosgestürmt bist. Du könntest jetzt tot hier am Straßenrand liegen, von einem Bolzen durchbohrt, wie das arme Pferd, das du in den Tod geritten hast.“ Viridian blickte seinen Meister trotzig an. „Wenn ihr nicht so verdammt langsam gewesen wärt, hätte es überhaupt keine Probleme gegeben. Was kann ich denn dafür, wenn ihr zu unfähig seid, schnell zu handeln, wenn es darauf ankommt?“ Er sah, wie Jason die linke Hand zur Faust ballte, doch er machte keine Anstalten, sich zu wehren. Jasons Faust flog direkt auf sein Kinn zu und Viridian bereitete sich innerlich auf den Schmerz vor, der gleich folgen würde. Doch zu seinem Erstaunen blieb dieser aus, denn die Faust war dicht vor seinem Kinn stehen geblieben. Dann sank sie kraftlos zu Boden.
„Vielleicht hast du recht. Es war nicht deine Schuld, Junge, aber ich war so...“ Jason schüttelte den Kopf und stand auf. „Vielleicht kann ich mich nur nicht damit abfinden, dass du erwachsen geworden bist, Junge. Nimm es mir nicht übel. Komm jetzt, wir reiten zurück zu den anderen.“
Jason befahl drei seiner Begleiter, beim Wagen zu bleiben, die Toten zu begraben und den Wagen soweit wie möglich wieder flott zu machen. Dann stiegen er, Viridian, Samantha und die andern zwei Soldaten aus Jasons Trupp wieder auf die Pferde um zum Tross zurückzukehren.

Wieder war eine Nacht dem Morgen gewichen und wieder hatte der Fremde die ganze Zeit in der Wirtsstube erzählt. Seine Zuhörer wirkten allesamt müde, aber dennoch war die Stimmung den Umständen entsprechend gut, denn der gerade angebrochene Tag war der Sonnentag, der siebte Tag der Woche, welcher Aphadriel, dem Gott des Lichts geweiht war. Dieser Tag galt überall als Feiertag, an dem nicht gearbeitet werden musste. Der Fremde wandte sich an einen der jungen Leute die ständig am nächsten bei ihm saßen.
„Sag, gibt es hier nicht einen Tempel des Aphadriel, an dem ich beten könnte? Es ist genau die richtige Zeit dafür.“ Der junge Mann, dessen Name Alarion lautete, nickte. „Wenn Ihr nach Süden aus der Stadt geht und immer der Straße folgt, so werdet Ihr an der Brücke über den Rurien rechter Hand einen kleinen Schrein entdecken, der Aphadriel geweiht ist, Herr.“
Der Fremde dankte dem jungen Mann und machte sich kurz darauf auf den Weg. Er wusste nicht, ob es klug war, was er tat, doch fühlte er einen so unwiderstehlichen Drang in sich, dass er letztendlich den von Alarion beschriebenen Weg einschlug.
Aphadriel. Der Name pochte in seinen Gedanken. Wie inbrünstig hatte er an den Gott des Lichtes und der Reinheit geglaubt und wie abgrundtief hatte er ihn verachtet. Seit über einem Jahr hatte er nicht mehr zu ihm gebetet und all seine Gedanken an ihn waren voll Hass und Wut gewesen. Wie hatte er das alles zulassen können, all das Leid, all das sinnlose sterben, wenn er doch so mächtig war?
Und doch wusste der Mann, der sich selbst ein Fremder war, dass es in Wahrheit nicht die Schuld des Herrn des Lichtes war. Hatte er nicht selbst wieder und wieder zum Schwert gegriffen, um das Leben anderer vorzeitig zu beenden? Und hatte er dabei nicht jedes Mal diese leise, lockende Stimme vernommen? Anfangs hatte er nicht gewusst, wer das war, der da zu ihm sprach, ihm zuflüsterte. Doch er hatte gelernt, hatte die Zeit, in der er auf Grund seiner Verletzungen nichts tun konnte, als abzuwarten, gut genutzt. Und endlich war es ihm möglich gewesen, der Stimme einen Namen zu geben: Belhalar.
Konnte es sein, dass zwei Götter sich um eine Seele zankten? Durfte er einem von ihnen vertrauen, wo er ja nicht einmal wusste, ob er sich selbst vertrauen konnte? Der Fremde spürte, dass die Zeit der Entscheidung noch nicht gekommen war, dass sie niemals kommen würde, wenn er nicht mit sich selbst im Reinen war. Seine Füße hatten den Wanderer mittlerweile bis vor den kleinen Schrein Aphadriels geführt. Er sah sich nach allen Seiten um und trat dann in den kleinen Raum aus weißem Marmor, während draußen die Sonne aufging und ihr Licht durch die bunten Glasfenster des Schreins fiel.


Neunter Abschnitt: Die Entscheidung

Der Fremde verbrachte den gesamten Sonnentag in stiller Andacht im Schrein des Aphadriel. Niemand störte seine Ruhe, denn die meisten Leute nutzten den freien Tag, um ihn im Kreise der Familie oder guter Freunde zu verbringen. Kniend betete der Fremde, anfangs murmelte er stockend die vergessen geglaubten förmlichen Gebete, doch gegen Mittag begann er, in seinen eigenen Worten zu erzählen, was ihn quälte. Während er das tat, formte sich in ihm eine seltsame Gewissheit.

Ein weiteres Mal brach der Abend über das Land herein. Doch da heute ja der Feiertag Aphadriels war, blieb auch die kleine Wirtschaft geschlossen. Also begab sich der Fremde nach einem einfachen, aber sättigenden Abendessen unverzüglich auf seine Stube. Dort wusch er sich ausgiebig und hörte erst auf damit, als seine Haut an Armen und Beinen stark gerötet war und jede Berührung mit dem rauen Waschtuch ihn schmerzte. Jetzt erst fühlte er sich wirklich sauber und bereit, die schwerste Hürde seit mehr als drei Jahren zu nehmen: er würde Viridians Geschichte bis zu ihrem bitteren Ende erzählen und dabei vor keiner Erinnerung, auch nicht vor der Schmerzhaftesten, zurückschrecken. Als er einschlief, spürte er noch immer dieses neuartige Gefühl, das ihn seit diesem Tag begleitete, das Gefühl, dass er nach all den Jahren endlich wieder ein kleines Stückchen näher an Aphadriel herangerückt war.
Den nächsten Tag verbrachte er vorwiegend damit, sich die Worte für den nächsten Teil seiner Erzählung zurechtzulegen. Er hatte sich dazu entschlossen, nach Möglichkeit keine eigene Bewertung der Ereignisse einfließen zu lassen. Die Leute sollten sich ihr eigenes Urteil bilden. Doch dies war nicht der wichtigste Grund. Denn von den neuen Gefühlen, die sich seit dem gestrigen Tage in ihm regten überragte eines alle anderen. Dasjenige nämlich, welches man Mitgefühl nannte. Nicht länger konnte er Viridian hassen, dieser Damm war gebrochen, dieser Schutzwall war geschleift worden. Nicht länger konnte er Viridian als seinen Feind ansehen und deswegen durfte er ihn nicht in den Ohren der anderen verurteilen. Sollten jedoch die von ihm angeführten Tatsachen selbst dazu führen, dass man Viridian verurteilte, würde er ihn auch nicht verteidigen!
Im Schankraum hatte sich bereits die treue Zuhörerschaft um den zentralen Platz des Fremden versammelt, und nachdem er sich gesetzt hatte und ein frisch gezapftes Bier vor ihn auf den Tisch gestellt worden war, dauerte es nur einen Augenblick, ehe ihm erwartungsvolles Schweigen zuteil wurde.

„Nun gut. Der Überfall auf den Tross der Einsamen Wölfe war also abgewehrt worden und Samantha kehrte fast unversehrt zu ihrem Vater zurück.“

Als Viridian den Tross erreichte, machte er sich als Erstes ein Bild von den Verlusten. Angesichts des wilden Durcheinanders, war dies aber kein leichtes Unterfangen. Doch nach einer Weile wusste er, dass vier Einsame Wölfe ihr Leben bei der Verteidigung gelassen hatten. Eines der Opfer war die vierzehnjährige Elisa, ein munteres und in Viridians Augen zu lautes Mädchen.
Und nun war sie tot. Viridian wurde klar, dass ihm ihr Tod und auch der der anderen Söldner, nahe ging. Er hatte sie alle gekannt, zwar mit keinem kaum mehr, als ein paar Worte gewechselt und sich gelegentlich über sie geärgert – wie über Elisas unbeschwertes, naives Gelächter – doch nun waren sie tot.
Nicht dass er ihren Verlust betrauert hätte, damals noch nicht, vielmehr war es dieses Gefühl der Endgültigkeit, den der Tod mit sich brachte, welches ihn beschäftigte. Dieses war ihm bisher nie derart bewusst geworden. Als seine Eltern ermordet wurden, hatte sein Leben eine völlig neue Wendung genommen, er hatte einen anderen Weg beschritten, bei dem Eltern keine Rolle mehr spielten. Und die Männer in dem Lager und an der Kutsche hatte er nie gekannt.
Doch würde sich durch ihren Tod an seinem Leben nicht viel ändern. Er würde weiter mit den Einsamen Wölfen ziehen, nur ohne diese vier. Und die andern würden um sie trauern und es ihm damit schwer machen, sie einfach zu vergessen.
Fortan war es aus mit Viridians gewohnter, eher unauffälliger Lebensweise. Er hatte die Tochter Arlons gerettet, des Mannes, der das uneingeschränkte Vertrauen der Söldner und ihre bedingungslose Loyalität genoss. Mochte man nun von Viridian halten was man wollte, nach dieser gewagten Aktion des jungen Söldners konnten die Anderen ihn nur noch bewundern. Nur eine Person verhielt sich nach wie vor feindselig Viridian gegenüber, und das war niemand anderer als Lanjan.
Viridian hatte früh gelernt, dass man seine Feinde so genau wie möglich kennen musste, nicht nur, um ihre Schwächen herauszufinden, sondern auch -und das hatte er erst sehr viel später verstanden- weil sie in gewisser Weise der Spiegel der eigenen Schwächen waren. So hatte er angefangen, Informationen über Lanjan zu sammeln, indem er Gespräche der anderen Söldner belauschte, wann immer er den Namen des Wiesels heraushörte. Aber gelegentlich hatte er auch die eine oder andere unschuldige Frage an einen seiner Lehrmeister Arnaut und Jason gestellt, etwa „Sagt, Meister, wisst Ihr eigentlich, wie alt Lanjan ist?“, oder „Meister Jason, seit wann ist Lanjan eigentlich ein Mitglied der Einsamen Wölfe?“
Doch die Antworten fielen sehr spärlich aus und Viridian begann zu begreifen, dass eigentlich niemand im ganzen Lager recht viel mehr über das Wiesel wusste, als dessen Namen. Wenn Lanjan überhaupt sein Name war. Nur eine Person wusste mit Sicherheit mehr über Lanjan: Arlon. Doch Viridian hütete sich davor, beim Anführer auch nur den Verdacht zu erwecken, er spioniere Lanjan aus.
Der Winter erwies sich bei Viridians Unterfangen als unverhoffte Hilfe. Bereits im frühen Herbst, ungewöhnlich früh für diese Gefilde, lagen die weiten Ebenen unter einer weißen Haube verborgen. Das mochte zwar von Ferne hübsch anzusehen sein, wer jedoch bei klirrender Kälte auf dem Kutschbock sitzen und die auf Eisplatten ausgleitenden Pferde im Zaum halten, oder mit drei, vier anderen zusammen ein ums andere Mal mit aller Kraft einen Wagen anschieben musste, weil sich dessen Räder wieder in den matschigen Schlamm verbissen hatten, der verlor schnell seine Neigung zur Winterromantik. Der Schnee war es schließlich auch, der den Tross der Söldner zu einer ungeplanten Pause zwang. Sie mochten noch gut eine Wochenreise von ihrem Ziel, der Stadt Fanrek entfernt gewesen sein, als in einer Nacht ein derartiger Schneesturm über sie hereinbrach, dass sie jegliche Orientierung verloren und gezwungen waren, eine Wagenburg zu errichten, um darin dem unerbittlich heranpeitschenden Schnee zu entgehen. Eine große Zeltplane wurde eilig aus mehreren kleineren zusammengeschnürt und anschließend über die Wagenburg gespannt, wobei eine vier Schritt hohe, ebenfalls hastig improvisierte Mittelstange für eine Schräge sorgte, damit der Schnee nach außen abfallen konnte. Da dies aber wohl gegen die weißen Massen nicht ausgereicht hätte, wurde unter Arlons persönlicher Aufsicht an weiteren Streben gearbeitet, die sternförmig von der Mittelstrebe zu den Planwagen führten.
Derweil hatten andere den Schnee unter der Plane weggeschaufelt, soweit es ging und den Rest festgetrampelt, sowie ein notdürftiges Feuer entfacht. Der Rauch konnte dabei lediglich durch eine Lücke in der Wagenburg an der windabgewandten Seite der Wagenburg entweichen, was jedoch niemanden störte, da die Wärme des Feuers ihnen eindeutig wichtiger war. Besonders hart traf es, wer sich erleichtern musste. Dazu hatte man die schützende Burg durch bereits erwähnte Lücke zu verlassen und zu einem in der Nähe aufgeschütteten Schneehaufen zu gehen, hinter welchem man dann einigermaßen vor dem eisigen Wind geschützt war.
Über dem Feuer hatten sie einen der großen Kochtöpfe angebracht, in dem der hineingeschaufelte Neuschnee bereits flüssig geworden war. Alleine der Gedanke, dass bald heißes Wasser die Runde machen würde, wärmte die Herzen, doch als Inar einen kleinen Beutel mit getrockneten Pfefferminzblättern aus seiner Reisetruhe kramte und kurzerhand den gesamten Inhalt in das bereits laufwarme Wasser warf, verfielen die Söldner in eine wahre Hochstimmung. Das Wasser schmeckte zwar etwas rauchig, aber zusammen mit dem Aroma der Blätter und einem gehörigen Schuss Schnaps, den sich fast jeder dazu gönnte, erfüllte es seinen Zweck zur Genüge.
Obwohl man den Pferden draußen eilig ein provisorisches Gatter gebaut hatte, war kaum ein Platz in der Wagenburg, an dem sich nicht die Menschen drängten. Selbst Arlon und seine Offiziere hatten auf einen abgetrennten Bereich verzichtet und saßen bei den anderen, tranken das Wasser und führten halblaute Gespräche. Viridian hielt derweil von seinem Platz nahe einem Planwagen nach Lanjan Ausschau. Eben als er ihn inmitten einiger jüngerer Söldner erspäht zu haben meinte, vernahm er eine ihm nur allzu vertraute Stimme von rechts:
„Wenn du hier alleine herumsitzt, wirst du dich erkälten und dann darf ich dich wieder gesund pflegen, Idiot.“
„Dir auch einen angenehmen Abend. Wenn du nur gekommen bist, um mich zu belehren, dann hast du deine Aufgabe hiermit erfüllt und kannst wieder gehen. Ich bin beschäftigt.“
Viridian hatte sich nicht die Mühe gemacht, zu Samantha aufzublicken, die mittlerweile neben ihn getreten war. Er behielt Lanjan im Auge und hatte dabei das Gefühl, dass dieser ganz genau zu wissen schien, dass er beobachtet wurde. Samantha stand weiterhin neben ihm und er konnte ihren Blick auf sich spüren. Das machte ihn nervös und ärgerlich, er verlor die Konzentration. Als er es nicht mehr aushielt, schaute er zu ihr hinauf, funkelte sie mit wütenden Augen an und meinte, mit gepresster Stimme:
„Du störst. Warum gehst du nicht und belästigst jemand anderen?“
Nur das Wissen, dass er mit Arlons Tochter sprach, hielt ihn davor zurück, deutlichere Worte zu wählen. Ohne auf ihre Antwort zu warten, wandte er sofort den Blick wieder ab und richtete ihn auf die Stelle, wo Lanjan eben noch gesessen hatte. Wie er es erwartet hatte, fand er das Wiesel nicht mehr dort. Er wollte sich eben wieder auf die Suche machen, als er die Hand auf seiner rechten Schulter spürte. Sein erster Gedanke war, die Hand mit einer entschlossenen Geste abzuschütteln, um ihr so endlich deutlich zu machen, dass er seine Ruhe haben wollte. Dann spürte er das Zittern. Durch die Handschuhe, die sie trug, durch die Schichten aus wärmender Wolle und Leder, die er trug hindurch spürte er das Zittern. Und er wusste, dass es nicht von der Kälte kam.
„Dann setz dich eben zu mir. Willst du einen Schluck heißes Wasser? Nun ja, es ist kaum noch warm. Einen Schluck Schnaps dazu?“
Es war ein seltsames Gefühl, sie so nah an seiner Seite zu spüren. Es ist kalt, sehr kalt. Menschen rücken bei Kälte zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Ich tue das nur, um mich nicht zu erkälten oder gar zu erfrieren, mahnte er sich selbst. Er erinnerte sich an den Tag des Überfalls, als er Samantha gerettet hatte. Damals hatte er etwas empfunden, das ihn ärgerte, nein eigentlich ängstigte und das er danach wie eine blutende Wunde zugenäht hatte. Bis heute hatte die Naht gehalten, nicht zuletzt deshalb, weil er sich seitdem nach Kräften von ihr ferngehalten hatte. Nun jedoch, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sie sein Wasser aus dem Holzbecher trank, ohne Schnaps, wie sie den leeren Becher absetzte, ein Niesen unterdrückte und ihm den Becher zurückreichte mit diesen Lächeln, diesem Blick, da rissen die Nähte und das Gefühl quoll wie rotes Blut im Takt des Herzens durch ihn hindurch, nahm ihn als Geisel und unterwarf ihn sich. Die Zuneigung zu ihr, jetzt war sie wieder erwacht, stärker als je zuvor und, jeden Widerstand Viridians im Keim erstickend, versuchte, sich ihr bemerkbar zu machen. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Erstaunen musste Viridian ohnmächtig mit ansehen, wie sein rechter Arm sich um ihre Schultern legte und sie noch ein wenig näher zu ihm zog. Es wäre ihm um einiges leichter gefallen, sich zu widersetzen, wenn er nicht diese Gewissheit gehabt hätte, die ihm niemand gegeben hatte, die einfach nur da war, die Gewissheit, dass das, was er tat, richtig war.
„Siehst du, dir ist doch kalt, ich habe es ja gleich gesagt, Idiot. Du kannst wirklich von Glück sagen, dass ich dauernd für dich sorge, obwohl du so ein ungehobelter Flegel bist. Ach ja, nur damit du es dir merkst und nicht anfängst, dir wer weiß was einzubilden, ich tue das nur für mich, um mir die Mühe zu ersparen, dich tagelang gesund zu pflegen!“
„Ja, das hast du mir schon gesagt und ich habe es nicht vergessen. Und sei unbesorgt, ich weiß doch, dass du das nur um deinetwillen machst.“
Danach schwiegen sie sich eine Weile an. Viridian beobachtete wieder das Lager, versuchte, aus Gestik und Mimik auf den Inhalt ihrer Gespräche zu schlussfolgern und kam zu der Erkenntnis, dass die Meisten sich über den Schneesturm und die von ihm verursachten Unannehmlichkeiten unterhielten. Doch er sah auch Paare aus jungen Männern und Frauen, die sich leise unterhielten, zwischenzeitlich lange in die Augen blickten und gemäß ihren Wesen verstohlene, zärtliche oder leidenschaftliche Küsse tauschten. Samanthas Stimme riss ihn aus seiner Studie des Lagers.
„Kannos hat mir einen Antrag gemacht. Er hat sich Vaters Segen dafür geholt. Ich werde ihn wohl annehmen.“
Wenn Viridian je gedacht hatte, Schmerzen zu kennen, so straften ihn diese Worte Lügen. Sein Arm, der noch immer um Samanthas Schultern lag, fiel kraftlos herab und er rückte ein Stück von ihr fort. Unfähig, etwas zu sagen, starrte er sie einfach nur an. Er wusste, dass er dabei reichlich dumm aussehen musste, doch es wollte ihm nicht gelingen, sein Gesicht unter Kontrolle zu bringen. Zu allem Überfluss öffnete und schloss er immer wieder den Mund gleich einem Fisch auf dem Trockenen.
„Sieh mich nicht so belämmert an, man könnte ja fast meinen, dass dir daran etwas nicht passt. Gut, von dir hatte ich nicht erwartet, dass du dich für mich freust, du denkst ja immer nur an dich. Ich erwarte auch gar nicht, dass du mir gratulierst, ich wollte es dir nur mitteilen. Du bist doch immer so gerne über alles informiert. Hast du mir jetzt etwas dazu zu sagen, denn sonst gehe ich jetzt. Du solltest dich zu den Anderen setzen.“
Ob er ihr etwas sagen wollte? Sie hatte ja keine Vorstellung davon, wie viel er ihr sagen wollte. Aber was hätte er sagen können? Dass es nicht richtig sei, wenn sie Kannos nähme, dass es richtig sei, wenn sie bei ihm, ausgerechnet bei ihm bliebe? Warum überhaupt Kannos? Er hatte sie geschlagen, der brutale Mistkerl, er war überhaupt jähzornig und verlogen und hinterhältig, ein Mistkerl durch und durch eben! Und mit diesem, diesem… Waldschrat wollte sie ihr restliches Leben verbringen? Wie konnte sie nur so blind sein!
Das alles wollte er ihr sagen in dieser Winternacht, während der Schneesturm um die Wagenburg brandete und an den Planen zerrte und rüttelte, als wolle er sie mit sich fortwehen.
Viridian antwortete, und die Worte gingen ihm leicht von den Lippen und jedes Wort war ehrlich gemeint:
„Wenn du von ganzem Herzen weißt, dass er der Richtige für dich ist, dann freue ich mich für dich, Samantha. Ich wünsche euch beiden ein glückliches Leben miteinander.“
Daraufhin stand er auf, etwas schwankend wegen der steifen Gelenke und reichte ihr die Hand hinunter. Mit einem „Danke“, wobei er nicht wusste, ob sie es wegen seiner Worte oder seiner Hand sagte, ergriff sie diese und stand mit seiner Hilfe ebenfalls auf. Während sie ging und Viridian die Decke, auf der sie gesessen hatten, näher zu den anderen zog, wischte Samantha sich mehrmals mit der rechten Hand über die Augen. Doch Viridian sah es nicht.

Viridian lag auf dem Rücken, unter ihm die Decke, die ihn vor der Kälte des Bodens schütze, eingewickelt in zwei weitere Decken, die ihn vor der Kälte der Nachtluft schützten und blickte zu der Plane hinauf, die unter der Schneelast gelegentlich knirschte. Im Lager war es jetzt so still, wie es nur sein kann, wenn ein ganzer Trupp Söldner schläft und vier Mann Wache halten, einer am Feuer, zwei am Eingang und einer draußen bei den Pferden in der jetzt windstillen Nacht, durch die vereinzelte Schneeflocken lautlos zur Erde tanzten. Er wusste nicht, wann er eingeschlafen war, noch, wann der Morgen grauen würde, geschweige denn, was ihn geweckt hatte. Sein Wachdienst konnte jedenfalls noch nicht begonnen haben. Während er dalag, dem Schnarchen, gelegentlichen Grunzen, Ächzen und einem plötzlichen „hmnein hmich hmwaars hmnich…“ lauschte und auf die Rückkehr des Schlafs wartete, vernahm er mit einem Mal noch etwas anderes. Die beiden Wachen am Eingang unterhielten sich leise und er hätte ihrem Gespräch keine Bedeutung beigemessen, hätte er nicht die eine Stimme als die Lanjans erkannt. Mit wem sprach er, und worüber? Angestrengt versuchte er, die Worte zu belauschen und hörte:
„… kein Zweifel, er muss es sein. Glaube mir, der Junge wird uns alle in den Untergang… die Zeichen sind eindeutig, er hasst jeden von uns… wartet nur auf die richtige Gelegenheit… deine Tochter…“
Wenn Viridian von diesen Worten überrascht war, so erschütterte ihn die Antwort geradezu, vor allem angesichts der Tatsache, wer da sprach, nämlich Arlon selbst.
„Du weißt, dass ich dir stets mit Hochachtung begegne, Lanjan. Dein Wissen um die Arkanen Künste schätze ich fast ebenso sehr, wie deine Freundschaft. Ich habe noch nie einen Rat von dir ausgeschlagen, doch diesmal zögere ich. Der Junge mag meinetwegen sonderbar sein, ein Eigenbrötler, verschlossen und unnahbar. Aber dass Viridian der Dämon sein soll, der dich seit jeher verfolgt, das kann ich einfach nicht glauben. Wenn du Beweise für diese Behauptung hast, werde ich handeln, doch bis dahin bringe ich es nicht übers Herz. Sieh mich nicht so an, du weißt, dass ich mir immer einen Sohn gewünscht habe. Natürlich liebe ich meine Samantha über alles, aber…“
Arlon hatte bislang laut genug gesprochen, dass Viridian ihm ohne Probleme hatte zuhören können. Dann aber senkte er die Stimme, sodass Viridian das, was er noch sagen mochte, nicht mehr verstand. Doch er hatte eh genug gehört, auch wenn er zugeben musste, dass sich ihm der Sinn des Gesagten nicht erschloss. Lanjan schien ihn für einen leibhaftigen Dämon zu halten! Außerdem war das Wiesel ein Gelehrter, wenn nicht gar ein Zauberkünstler. Und er war nicht nur ein Berater Arlons, sondern dessen persönlicher Freund, verdammt und zugenäht, sein Freund!
Jeden Respekt, den Viridian für Arlon empfunden haben mochte, verbannte er wütend aus seinem Bewusstsein. Ein Mann, der sich auf das Wiesel als seinen wichtigsten Berater im Stillen verließ, hatte seinen Respekt nicht verdient! Für diesen Mann hatte er sein heiliges Ziel der Rache aufgegeben und für diesen Mann hatte er Menschen ermordet, mit denen sich sein Lebensweg ansonsten wahrscheinlich niemals gekreuzt hätte. Er hatte gemordet für Ziele, die nicht die seinen waren, alles nur aus Respekt vor Arlon. Aber damit war es jetzt ein für allemal aus, sein Entschluss war endgültig gefasst. Er würde die Einsamen Wölfe verlassen.
Er wiederholte diesen Gedanken flüsternd, doch noch ehe er geendet hatte, war er von einer tiefen Müdigkeit übermannt eingeschlafen.

„Ich möchte, dass ihr ihn euch vorstellt, diesen jungen Mann. Wie er daliegt, in seine Decken gewickelt und schläft. Sein Atem geht ruhig und ebenmäßig und die flackernden Lider künden von einem unruhigen Schlaf. Wovon er träumt, wollt ihr wissen? Wer weiß, vielleicht malt er sich aus, was für ein Gesicht die Anderen machen werden, wenn er ihnen seine Entscheidung mitteilt. Womöglich träumt er aber auch von Samantha, der kleine Narr.“
Der junge Mann, Alarion, der seit der ersten Nacht dabei war, nutzte die Pause, als der der Fremde von seinem Bier trank, für eine Zwischenfrage.
„Dieser Viridian… der war doch gar nicht wirklich wütend auf Arlon, habe ich nicht recht? Es ist wegen dem Mädchen, nicht wahr? Er ist in sie verliebt… und sie auch in ihn, irgendwie, aber sie… naja wie die Weiber halt so sind, nicht wahr, versucht ihn eifersüchtig zu machen und so für sich zu gewinnen. Und er gibt einfach klein bei und sucht sich den erst besten Vorwand zur Flucht. Ehrlich gesagt, ich finde das ziemlich feige und närrisch!“
Der Fremde musterte Alarion eine Weile schweigend, dann sagte er, jedoch an den Wirt gewandt:
„Ein Bier für diesen Mann. Er hat sehr aufmerksam zugehört und sich vortreffliche Gedanken gemacht, das will ich belohnen. Einen Erzähler freut schließlich nichts mehr, als aufmerksame Zuhörer. Ja, was Ihr gesagt habt, trifft im Wesentlichen wohl zu. Sicherlich, es gab dieses Problem, dass Viridian auf Arlons Befehl hin gemordet hatte, was ihm nicht gerade Vergnügen bereitete, aber das hätte er sicherlich aus der Welt schaffen können. Und Arlon hätte sicherlich alles in seiner Macht stehende getan, ihm dabei zu helfen. Nein, der wahre Grund war wirklich das Mädchen, in das er sich tatsächlich verliebt hatte.
Kannos hatte bei Arlon tatsächlich um Samanthas Hand angehalten und dieser hatte ihm genehmigt, um seine Tochter zu werben. Dabei müsst ihr allerdings eines bedenken: Kannos war recht beliebt, besonders bei den jungen Söldnern, außerdem war er ein nicht zu verachtender Kämpfer, dem Feigheit fast ebenso fremd war, wie Vernunft. Hätte Arlon den Antrag abgelehnt, wäre es mit Sicherheit zu Unruhen innerhalb der Söldner gekommen.
Samantha wusste das natürlich auch. Oh, sie liebte Kannos nicht, ihr Herz schlug für Viridian, aber auch sie war nicht imstande, ihm ihre Gefühle zu gestehen.
Es schmerzt mich, nur daran zu denken, wie viel Leid durch drei kleine Wörter hätte vermieden werden können, hätte nur einer der Beiden den Mut gehabt, sie auszusprechen: Ich liebe dich.
Kurzum, sie sprachen die Worte nicht aus und die Geschichte nahm ihren Lauf.
Jedoch werde ich für heute nicht mehr weitererzählen. Ich will nicht, dass eure Frauen sich beschweren, dass ihr eure Abende lieber mit mir, als mit ihnen verbringt und eure Dienstherren mir zürnen, weil ihr wegen mir nicht zum Schlafen kommt.
Auf, auf, leert den Krug
Ein Mann leert ihn in einem Zug
Wer seinen Krug nicht leeren kann
Der ist nur ein Knabe, noch kein Mann!“
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Ein strîter sô gelêret was, daz er an den buochen las, swaz er dar an geschriben vant: der was Viridian genant, dienstman was er ze Mêrswaht.
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