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Die Macht liegt in der Vergangenheit
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Die Macht liegt in der Vergangenheit
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Pavel Istor





 Beitrag Verfasst am: 20 Jan 2009 00:13    Titel: Die Macht liegt in der Vergangenheit
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Sanft und warm wie die Hand einer liebenden Mutter streicht der warme Sommerwind durch mein kurzes, blondes Haar, weht er mir eine Strähne ins Gesicht. Der goldene Schein der Sonne kitzelt auf meiner Haut wie das Gefühl der ersten Frühlingsliebe, die wohl niemals enden will. So unendlich nah scheint das Glück in diesem Moment. Ich halte die Augen geschlossen, atme den Duft der honigfarbenen Ähren tief in meinen Körper, spüre dort die Kraft, den Odem des Lebens. Die Vertrautheit der Heimat verbrennt mein Herz in einem Feuer der Glückseligkeit, das heller scheint als alle Angst der Welt. Langsam öffne ich die Augen, strecke mich, spüre meine Kraft erneut erwachen. Ich sitze in einem Feld aus goldenem Korn, weiter als der Horizont erstreckt es sich, unendlich weit, unendlich nah. Die Halme streifen sanft über meine Arme und zaubern mir ein Lächeln auf die Lippen. Ich erhebe mich, drehe mich, um mich herum wiegen sich die Ähren im Wind, malen zauberhafte Linien, die mir eine Geschichte erzählen wollen. Die Geschichte meiner Herkunft, meines Lebens, meiner Zukunft. Ich lausche ihren Worten, folge ihnen, meine Schritte tragen mich einfach dahin. Am Horizont bleibe ich stehen, in meinem strahlenden Lächeln spiegelt sich das milde Rot der untergehenden Sonne wider. Und mich umfängt... die ewige Dunkelheit.

Ruckartig setzte Pavel sich auf. Das weiße Laken lag auf dem Boden, das Kissen klemmte zerknüllt und nass von Schweiß in einer Ecke des Bettes. Sein Atem ging schnell und vor seinem Kopf drehte sich alles. Nur sein Herz blieb ruhig, gefährlich ruhig, still. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis er sich wieder gefasst hatte, doch die Erinnerungen an seinen Traum blieben schemenhaft zurück. Bedrohlich hingen die Schatten in den Ecken des Raumes, beobachteten ihn, starrten ihn an, schlichen am kalten Stein des Gemäuers entlang.

Der junge Arkorither erhob sich schwerfällig aus seinem Bett. Die Veränderungen im Lied der Schöpfung waren kaum noch mehr als eine lästige Routine, eine kurze Konzentration... und doch gelang es diesmal nicht. Erschöpft schloss er die Augen und genoss einen Moment die Stille. Seine Gedanken kreisten um etwas, das er nicht fassen konnte und auch gar nicht begreifen wollte. Er ahnte die Angst vor dem Dunkel in seinem Inneren, spürte die wachsamen Schläge seines Herzens, das keinen Verrat duldete. Die Angst musste weichen.

Als der schwarze Stoff sich vertraut und eng an seinen Körper schmiegte, fühlte er sich besser. Die kalte Aura, die von seinen Gewändern ausging, dieses tiefe Gefühl, das sie ihm gaben, festigte seinen Willen wieder, half ihm, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Seine Bestimmung waren Robe und Stab, sein Ziel die Macht, seine Waffe die Melodien des Geistes. Der Orden war seine Familie, seine Heimat - und ihm schuldete er mehr als nur sein Leben. Ihm schuldete er alles, was er je besaß, das kostbarste, was einem Menschen nur zueigen sein konnte. Und er tat es aus freiem Stücke.

Regungslos saß Pavel an seinem Tisch, darauf eine wilde Ansammlung dicker Bücher, die aufgeschlagen oder umgeklappt auf der Platte verteilt lagen. Zwischen all dem Wissen lag ein pechschwarzer Stift aus Kohle neben einem weißen Blatt Papier. Wie lachende kleine Dämonen funkelten ihm die Lettern entgegen, die er geschrieben hatte - und doch füllten sie dieses Mal nur wenige Zeilen. Unter ihnen prangte eine große Zeichnung, die das ganze Blatt mit Leben zu füllen schien, so genau und mit jedem Detail war sie gemalt worden. Ein Abdruck aus einer vergessenen Erinnerung, ein Splitter der Vergangenheit. Eine Ähre.
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Pavel Istor





 Beitrag Verfasst am: 20 Jan 2009 01:30    Titel:
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Der kleine Schotterweg, an dem wir als Kinder immer entlang gegangen sind, liegt noch immer wie ein längst vertrockneter Fluss zwischen all den hochgewachsenen Birken und Buchen mit ihren starken Ästen. Wie oft sind wir als an ihnen empor geklettert, um die Welt zu sehen und uns Geschichten auszumalen von wilden Abenteuern, die wir einst bestreiten würden. Ja, ich erinnere mich, ich saß dort oben in der Krone des höchsten Baumes, und meine Freunde riefen mir zu. Doch ich blieb einfach dort. Die Sonne schien auf mein Gesicht, doch die Freude war wie fortgewaschen. In meinem Traum erlebte ich eine Reise voller Gefahren und Wunder, voll treuer Gefährten und schöner Frauen. Ich war der strahlende Held, bejubelt und besungen, frei von Sorge oder Angst, dazu bestimmt, der Welt die Freude zu bringen. Die Träume eines einfachen Jungen, der sich selbst zu Hohem auserkoren sieht, so habe ich es selbst immer gesehen.

Doch es war anders, ganz anders. Der Schatten lag schon damals in meinen Träumen. Der tobende Sturm, der das Schiff bei Nacht zum Kentern brachte, das finstere Gewitter, das Haus und Hof in Brand setzte. Der bittere Geselle, der mit einem hämischen Lachen mein Schwert wegstieß und mich mit sich nahm. Jedes Abenteuer hatte seine dunklen Seiten, doch das waren nicht die Wünsche eines jungen Kindes. Heute weiß ich vieles besser, heute sehe ich mich am Bug des Schiffes, das mein Leben fährt, drehe mich um, sehe zurück, doch das Wasser fehlt. Zurück bleibt nur eine dunkle Wolke, durch die niemand sehen kann.


"Pavel, Fragen?" Der Klang der Stimme riss den Arkorither aus seinen Gedankenfetzen, und erneut blieb kaum mehr zurück als einige undeutliche Schemen, die nur einen schwachen Hauch der Erinnerung brachten. Er fand sich in einem steinernen Stuhl sitzend wieder, vor sich der große Tisch des Lehrsaales, in dem er bereits unzählige Stunden hatte verbringen müssen. Die Magistra sah ihn ausdruckslos an, ihre Frage war Antwort genug auf all die Rätsel in seinem Kopf. Der junge Schüler, der dort vorne sein Referat hatte halten müssen, blickte ihn an. Fragen? Er wusste nicht einmal, welches Thema er bearbeitet hatte, geschweige denn, was er ausgelassen hatte.
"Ich hatte mir einige Fragen für heute zurecht gelegt. Sie wurden alle trefflich beantwortet." Keine ganze Lüge, und doch auch nicht die ganze Wahrheit. Auch wenn er diesen jungen Mann das erste Mal gesehen hatte, war er sich sicher, dass das Referat gut gewesen war. Es interessierte ihn nicht. Doch, es interessierte ihn, aber er hatte nicht den Kopf frei, sich darüber Gedanken zu machen.

Selten war ich je so glücklich wie an jenem Tag, als sie meine Hand hielt. Wir rannten quer über die Wiese, als fände die Welt dahinter nie ein Ende, als könnten wir so vor dem Erwachsenwerden flüchten und uns für alle Zeit halten. Wie von selbst flog die Welt an uns vorüber, Bäume, Sträucher, der kleine Bach, in dem sicher noch heute Kinder nach Fischen hechten und dabei ihre besten Kleider ruinieren. An dem kleinen Schotterweg blieben wir stehen und ich zeigte hoch hinauf in die Luft. "Siehst du den kleinen Vogel dort?", hatte ich gesagt und auf den Spatz gedeutet, der auf dem höchsten Aste des Baumes saß. "So frei will ich einmal sein, ich will durch die Welt reisen wie dieser Vogel und alles sehen!" Und sie lachte und schalt mich einen Narr, denn sie wusste wie ich, dass ich es niemals schaffen würde. Vielleicht zerbrach damals vieles von dem, was später nie mehr wurde.

Wir wurden älter und die Freude am Leben verlor an Bedeutung. Das Leben auf einem Hof kann hart und grausam sein, die Arbeit zerstört Körper und Geist, begräbt, was einst des Kindes Traum gewesen war. Den Mut zu leben verlor ich nie, jedoch die Hoffnung. Als sie an jenem Tage zu unserem Felde kam, kam sie nicht meinetwegen. Sanft gab ihr mein Bruder einen Kuss und führte sie über die Schwelle, doch ihr letzter Blick galt mir. Das breite, dämonische Grinsen des schemenhaften Schattens, der aus ihren Augen zu mir sprach, quält mich noch heute in meinen Gedanken. Und doch ist sie nichts als eine Erinnerung, verdammt dazu, vergessen zu werden.


"Autsch!" Verärgert und mit einem leisen Schmerzenslaut auf den Lippen riss Pavel die Hand zurück und wedelte den Schmerz davon. Die Kerze, die er in er Hand gehalten hatte, war bis auf den letzten Tropfen Wachs zerlaufen, bis die Hitze der Flamme ihn berührte. Ein wütender, abrupter Eingriff in die Klänge der elementaren Kräfte reichte aus, dem Leben des Feuers ein Ende zu bereiten und seine Klänge in alle Winkel des Raumes zu zerstreuen. Er musste sich wirklich besser konzentrieren, selbst einem Magier konnte der willenlose Drang des Feuers gefährlich werden. Noch immer einige düstere Flüche auf den Lippen wusch er sich die wachsverschmierte Hand ab und entzündete eine neue Kerze, um seine Arbeitsfläche zu erhellen.

Seit jeher steht der Hund für den wahren und treuen Freund des Menschen, der ihn lehrte, gesellig und getreu zu sein und seine Befehle rasch und ohne Widerworte zu erfüllen. Gleich einem willenlosen Diener folgt er seinem Herrn und verteidigt ihn in blinder Liebe bis in den Tod, ja selbst über diesen hinaus. Doch so bemerkenswert diese bedingungslose Loyalität dieser Kreaturen auch sein mag, so einfach und unscheinbar ist ihre Existenz in den Grundfesten der Schöpfung. Einem der wahren Gelehrten, die berührt wurden von der Macht der Möglichkeiten, gereicht ein solch einfaches Wesen daher nie zu dem, was er als Begleiter brauchen könnte. So sei es nicht verwunderlich, dass ich den Canes Infernali nur wenig Gemeinsamkeiten mit dem gemeinen Hausrat des Menschen zuschreibe.

Pavel streifte die tintenbewehrte Feder an dem kleinen Tintengefäß ab, das in der Mitte des Tisches stand, und legte sie beiseite. Es hatte ihn viel Arbeit gekostet, all das wertvolle Wissen um die Kreaturen zusammen zu tragen, die man ihm aufgetragen hatte. Doch war es wirklich die Aufgabe allein gewesen, die ihn immer weiter trieb? Ihr Blick stand ihm immer noch vor Augen. Was hatte sie ihm zugetraut, dem kleinen, dummen Bauernjungen, der sich anmaßte, die Kunst der Macht kennen zu lernen? Wie lange hatte sie ihm gegeben, bis er seinen Tod finden würde? Hatte er nicht in Wirklichkeit all die Zeit nur gelebt, um sich vor ihr zu beweisen?

Die besondere Bedeutung des Höllenhundes als Geschöpf der Applicatio Advocatur liegt nicht zuletzt in den wundersamen Fähigkeiten verborgen, die schon der Name jener Wesenheiten anklingen lässt. Ihr mächtiges, kräftiges Erscheinungsbild mit den vier breiten, klauenbewehrten Pranken und dem muskulösen, peitschenartigen Schwanz stellt nur einen Teil ihrer enormen Gefährlichkeit dar. Die spitzen, wachsamen Ohren, die ungeheuer feine Nase machen den Höllenhund zu einem Feind, der nicht zu überrumpeln ist. Doch die wahre Bedeutung liegt, wie in fast jedem Wesen, in der Natur des melodischen Elementes, der Verwebung der Elemente zu einem großen Ganzen, und so will ich hier, auch wenn es anderslautende Meinungen gibt, nach den Worten eines großen Elementaristen sprechen, wenn ich behaupte, dass die Macht des Feuers hier überdeutlich zutage tritt.

Müde strich sich Pavel mit zwei Fingern über die nunmehr recht kleinen Augen. Wieder einmal hatte er über seiner Schrift die Zeit verloren. Nachdenklich glitt sein Blick zum Eingangsbereich seines Zimmers. Am anderen Ende des Flurs hatte sich Jana einquartiert. Was sie wohl gerade machte, in welchem Schatten sie sich in diesem Augenblick herumtrieb? Es mutete ihm seltsam an, ausgerechnet einem Arkorither in irgendeiner Form zu vertrauen, und sie war mit Abstand die launischste und unberechenbarste von allen. Was hatte Valterian ihn noch vor kurzem gefragt? Ob sie ihn... "bereits ranlasse"? Der Gedanke trieb ihm wie von selbst ein fahles Lächeln auf die Lippen - wie sie wohl reagiert hätte, wenn sie ihn so sprechen gehört hätte? Und obwohl Pavel sich aus derlei Dingen nichts mehr zu machen pflegte, so ließ ihn der Gedanke an sie für diesen Abend nicht mehr los. Fast widerstrebend hielt die Hand vor der Türklinke inne und die Finger krümmten sich leicht nach innen. Fast bedauerte er, auch sie für seine Zwecke verwenden zu müssen.
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Pavel Istor





 Beitrag Verfasst am: 20 Jan 2009 01:30    Titel:
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In einer zorningen Handbewegung fegte der junge Arkorither des gesamten Arbeitstisch frei, auf dem nicht nur ein ganzer Berg ausgewählter Bücher gelegen hatte, die er für sein kommendes Referat ausgesucht und analysiert hatte, sondern auch einige wichtige Manuskripte, Schreibfedern und zwei kleine Tintenfässer, deren Inhalt sich nun wie schwarzes Blut über den Boden ergoss. Aber das störte ihn nicht weiter, im Gegenteil - mit einer gewissen Genugtuung betrachtete er nun das entstandene Chaos, das vorher ein aufgeräumtes Zimmer gewesen war.

Zuvor war Pavel einige Stunden lang wie ein wütender Berserker durch den Schnee gestapft und hatte dabei die halbe Insel durchquert, zumindest fühlte er sich nun so. Er hatte wieder einmal die Beherrschung verloren und sich seinen inneren Gefühlen hingegeben, statt der kalte und unberechenbare Eisklotz zu sein, der er so gerne wäre. Wieder einmal musste er sich nachträglich einen Narren nennen, der nicht in der Lage war, eine Situation zu seinem Vorteil auszunutzen. Und erneut wusste er nicht, welche Strafe für ihn schlimmer war - zu fühlen, wie gering er sich selbst schätzte, oder die Schmerzen, die er sich in Andenken an seinen Ungehorsam zufügen würde.

In gewisser Weise hatte er sein altes Leben noch immer nicht vollständig abgestreift. Zwar hatte er nun schon seit Wochen keine Visionen aus seiner Vergangenheit mehr erlebt - oder zumindest dem, was er dafür hielt - doch seine rohe, ländliche Natur und seine Unfähigkeit zu klarem Denken in gefährlichen Situationen überkam ihn dennoch ab und an. Die Magistra hatte Recht behalten, er war nicht mehr als ein dummer, einfältiger Bauer, nicht in der Lage, seine Macht gezielt einzusetzen. Was erlaubte sich dieses arrogante Stück, sich vor ihm so empor zu spielen? Ihm so gezielt ins Gesicht zu sagen, wem die Magistra Aufgaben anvertraute und wem vor allem nicht?

Ein erneuter Handgriff und sämtliche Bücher stürzten vom nächstbesten Regal auf den Fußboden. Es würde ihn Stunden kosten, diese Unordnung wieder zu beseitigen, aber in diesem Augenblick war es ihm egal. Für diese Schmach würde sie zu leiden haben, jetzt oder zu einem Augenblick, an dem sie es nicht erwartete. Und in diesem Augenblick seines Triumphes würde ihr niemand mehr helfen können, nicht einmal eine mächtige Anverwandte.

Ruhe und eine tödliche Gelassenheit machten sich langsam wieder in den Gliedern des Magiers breit, als er sich inmitten eines gewaltigen Bücherhaufens auf einen Stuhl fallen ließ. Er wusste, dass er sich eines Tages rächen würde, und dass sein Plan keine Lücken zeigen würde. Bis dahin sollte sie sich in Sicherheit wiegen - er würde an ihrer Seite kämpfen, bis außer ihnen niemand mehr da war. Finster starrte er an die Wand ihm gegenüber und beobachtete die Schatten in den Winkeln.


Zuletzt bearbeitet von Pavel Istor am 04 Aug 2009 16:10, insgesamt 4-mal bearbeitet
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