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Insomnia
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Insomnia
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Ceylin'Tyrs





 Beitrag Verfasst am: 09 März 2008 21:03    Titel: Insomnia
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Ein Riese stand über ihr, als sie im Gras in der Nähe eines Flusses auf dem Boden lag und dem Rauschen des Wassers lauschte. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie fühlte sich so schwach wie ein neugeborenes Baby. Der Riese stieß ihr mit dem Ende eines Stabs in die Rippen. Seine Ausmaße waren gewaltig. Bestimmt an die 8 Fuß hoch, mit ebenso breiten Schultern und kräftigem Körperbau, mochte er gut das Dreifache der Lethra wiegen.
Sie blinzelte, als ihr beim Versuch, das Gesicht des Riesen zu erkennen, das Sonnenlicht schmerzhaft in die Augen stach. Der hoch stehende Feuerball schien direkt hinter dem Riesen aufzuragen und ließ sie, bis auf einen wallenden Bart, der flüssig in den Haaransatz überging, nichts von seinem Gesicht erkennen.

“Die Rückzahlung deiner Schuld ist lange überfällig!”

“Welcher Schuld?” antwortete Ceylin’Tyrs ihm in der Handelssprache.
Sie strich sich mit den Fingerspitzen vorsichtig über die Rippen, um sicher zu gehen, dass noch alle vorhanden waren.

“Die Schuld für dein Fleisch”, erwiderte der Riese und piesackte sie abermals mit seinem Stab.
“Gar nicht zu reden von deinem Geist. Es geht um die Schuld für dein Fleisch und deinen Geist, die ein und dasselbe sind.”

Ceylin’Tyrs versuchte sich zu erheben. Niemand, nicht einmal dieser Hüne stieß ihr in die Rippen und kam ungestraft davon.
Der Riese, der ihre sinnlose Bemühungen ignorierte, reckte den mächtigen Schädel in den Nacken, den Stand der Sonne abschätzend, ehe er anfügte:

”Sie ist schon lange überfällig.”

Eine kühle Briese wehte über ihren Körper und das leichte Frösteln machte ihr bewusst, dass sie nackt war. Ihr Kopf, ihr Rücken, die Beine und die Innenfläche ihrer Hände lagen auf Gras. Nichts schien sie physisch festzuhalten und doch vergingen scheinbar endlose Minuten, bis sie sich aufgerichtet hatte.
Ihre Nacktheit machte ihr nichts aus. Besaßen Letharen bereits ein geringes Schamgefühl für ihren Körper, war es bei ihr nicht einmal ansatzweise vorhanden. Auch wies ihr Körper wenig Rundungen auf, die es zu verdecken gegolten hätte. Ganz im Gegensatz zu dem Riesen, der ihre Bemühungen auf die Beine zu kommen, bis jetzt stillschweigend akzeptiert hatte.

“Wer bist du?”

Wenn Ceylin’Tyrs vom Anblick des Hünen eingeschüchtert war, so zeigte sie es ihm jedoch nicht. Kämpferisch richtete sie sich vor ihm zu voller Größe auf, die Schultern nach hinten gedrückt, versuchte sie Entschlossenheit zu demonstrieren.

“Der die Schuld eintreibt.”

Als hätte die Frage ihn aus der Lethargie gerissen - sein mächtiger Korpus verlieh den Worten einen Klang, der fast nur aus Bässen zu bestehen schien, begann sich seine Hand langsam zur Faust zu schließen. Ceylin’Tyrs zog sich einen Schritt weit zurück. Auf ihr Geschick vertrauend nahm sie an, jedem Angriff mit Leichtigkeit ausweichen zu können. Ansatzlos schoss die Hand des Hünen vor. Mit einer Geschwindigkeit, die selbst einen erfahrenen Kämpfer überrascht hätte, und einer Kraft, die eine Parade für die Lethra ins Reich der Unmöglichkeiten verwies, war es einem Reflex zu verdanken, der sie nach hinten taumeln ließ, dass er ihr Gesicht verfehlte. Einem Hammerschlag gleich traf seine Faust ihren Solarplexus. Sämtliche Luft wurde ihr aus den Lungen getrieben und die schiere Kraft des Aufpralls reichte aus, sie zwei Meter durch die Luft zu tragen. Der weiche Grund federte ihren Aufprall ab und bewahrte sie davor, das Bewusstsein zu verlieren. Auf ihrem Gesicht führte das Entsetzen ein Schauspiel auf. Hektisch begann sie, wie ein Fisch auf dem trockenen, nach Luft zu japsen. Mehrere Rippen waren gebrochen. Wo sich manch Anderer vom Schmerz überwältigen ließ, klammerte sich die Lethra an ihm fest - vergegenwärtigte ihn sich, um der aufflammenden Wut Nahrung zu schenken.

Doch der Hüne hatte nicht die Absicht, sie zu Atem kommen zu lassen. Sein gewaltiger Stiefel - allein so lang, wie ihre Schultern breit - stellte sich auf ihren Brustkorb. Schon nahm der Druck zu, als er langsam das Gewicht zu verlagern begann. Mit beiden Armen panisch um sich schlagend, das Gesicht zu einer hasserfüllten Grimasse verzerrt, kämpfte sie um ihr Leben. Doch ohne Wirkung. Wie ein Insekt schien er sie unter der Sohle seines schmutzigen Stiefels zertreten zu wollen. Schon brach eine weitere Rippe und bohrte sich in ihre Lunge. Blut rann ihr aus dem Mundwinkel als sich die Dunkelheit auf sie herabsenkte…
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Ceylin'Tyrs





 Beitrag Verfasst am: 13 März 2008 20:26    Titel:
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Das feine Ufergras kitzelt sie unter den Fußsohlen.
Kein Laut dringt an ihr Ohr. Selbst der Fluss scheint dieses mal den Atem anzuhalten. Nur das leise Rascheln ihrer eigenen Schritte im knöcheltiefen Gras.
Die scharfe Kante eines Steines reißt ihr die Haut am Fußballen auf.
Um sie herum scheint alles still zu stehen. Die glatte Oberfläche des Flusses erinnert an einen See. Der Geruch von frisch geschlagenem Holz. Dieses mal keine Sonne - dennoch ist es taghell.
Sand dringt in die Wunde ein; ein brennender, von seinem Ursprung aus konzentrisch pulsierender Schmerz.
Absolute Windstille. Der nahe Wald gleicht einer unterbewussten Wahrnehmung am Rand ihres Sichtfeldes. Keine Tiere.
Details verschwimmen in Träumen, außer, man konzentriert sich auf sie. Doch Ceylin weiß bereits, wie dieser enden wird. Sie weiß, was sie in jeder Himmelsrichtung erwartet.

Ihre Schritte beschleunigen sich. Tunnelblick. In weiter Ferne kann sie bereits die Konturen seines gewaltigen Körpers erkennen. Dahinter eine hölzerne Palisade. Unbeirrt hält sie auf ihn zu. Die Zeit verkommt zum Detail - sie steht vor ihm.

Bist du gekommen, um deine Schuld zu begleichen?

Sein Blick löst sich von ihrem Gesicht, wandert langsam abwärts, über die Brüste und stoppt oberhalb der Scham. Die längliche Narbe auf ihrem flachen Bauch wirkt unwirklich groß und viel zu frisch. Aus Jahren sind Minuten geworden und der Gedanke an vergangenen Schmerz scheint näher denn je.

Nein, bist du nicht. Was kannst du ihm sonst bieten, Templerin?

Unverholender Spott trieft aus seiner Stimme. Jedes seiner Worte ist wie ein Stich in ihr Herz.
Hass.
Das wohlige Gefühl grenzenlosen Hasses breitet sich in ihr aus - scheint jede andere Empfindung zu überlagern.

Schwaches Fleisch. Dein Körper beginnt bereits von Innen heraus zu faulen. Der Hass frisst dich auf.

Unter der Oberfläche brodelt es - ein Vulkan - kurz vor dem Ausbruch. Ein steter Strom. Sie kanalisiert all jene Wut - fokussiert sie auf ein Ziel - das Gefühl ist berauschend, sie will es endlos lang hinauszögern. Doch weiß sie um die Gefahr. Sie darf die Kontrolle nicht verlieren oder das Feuer wird sie verzehren.

Du bist schwach, Templerin. Dein Gott treibt ein aberwitziges Spiel mit dir.

Zwei schnelle Schritte - sie springt - reißt das linke Bein hoch, doch ihr Knie findet nie sein Ziel.
Keinen Boden unter den Füßen, beide Beine strampeln im Leeren. Sie tritt weiter nach ihm, doch er hält sie in sicherem Abstand von sich weg. Ein Gefühl von Hilflosigkeit.
Das Blut schießt ihr in den Kopf, sie scheint keine Luft mehr zu kriegen, als er die Hand um ihren Hals langsam zudrückt. Sie greift nach seinen Fingern, versucht sie einzeln nach hinten zu biegen, um sich so aus seinem Griff zu lösen. Vergeblich.

Es gibt immer einen zweiten Weg, Lethra. Suchst du wahre Stärke?

Sie gibt es auf, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Bald wird es wieder vorbei sein.
Ein letzter, von Hass durchtränkter Blick.

Als sie aufwacht, hallt das Brechen ihres Genicks ihr noch in den Ohren nach.


Zuletzt bearbeitet von Ceylin'Tyrs am 13 März 2008 20:30, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Ceylin'Tyrs





 Beitrag Verfasst am: 30 März 2008 19:26    Titel:
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Dank der Informationen, die sie vom Erzlethyr Syrr’ael erhalten hatte, fand sie das Lager auf Anhieb. Es war viel weiter von Rahal entfernt, als sie es sich zunächst ausgemalt hatte, jedoch, für ihren Geschmack, noch immer viel zu dicht an Varuna.
Doch sie hatte Glück. Sie begegnete niemanden der es gewagt hätte, eine Lethra aufzuhalten.
Völlig unbewaffnet und nur ein paar alte Stofffetzen am Leib, hatte sie die Reise auf sich genommen. Zwar mied sie die Straßen wo es nur ging, doch lauerten auch in den Wäldern rund um die verfluchte Stadt Varuna allerhand Gefahren.

Der Panther stieß ein missmutiges Knurren aus, als sie im Schutz eines kleinen Wäldchens anhielten. Von hier hatten sie einen guten Blick auf die Palisade und konnte auch bereits die ersten Wachen ausmachen. Ein direkter Angriff kam nicht in Frage. Um überhaupt eine Chance zu haben an den Anguren heran zu kommen, den sie Jall nannten, musste man sie ins Lager lassen. Nur, wenn sie sich einigermaßen frei bewegen konnte, würde ihr Plan gelingen.
Ihre Rüstung sowie Waffen wären ihr dabei nur im Weg gewesen und hätten vermutlich noch den Argwohn der Anguren provoziert. Sie wollte geschickter vorgehen und sich die Schwäche all jener Wesen zunutze machen, die nicht dem wahren Glauben dienten.

Das magische Wesen an ihrer Seite hatte bereits Anweisungen erhalten. Alles hing davon ab, dass keiner ihrer Schamanen auf der Wehr stand und den Panther wohlmöglich enttarnte. In diesem Fall würde es für sie brenzlig werden, denn das Tier hatte klare Befehle.

Mehrmals stieß der Panther ein markerschütterndes Gebrüll aus - dann rannte Ceylin’Tyrs los. Noch im Laufen versicherte sie sich aus den Augenwinkeln, dass die Wachen auch auf sie aufmerksam werden würden. Sie musste eine Strecke von gut 50 Schritt überwinden, um wenigstens in Reichweite ihrer Bögen zu kommen. Den Ausdruck von Panik und Hilflosigkeit hatte sie schon des Öfteren auf den Gesichtern von Menschen und Elfen gesehen und so war es für sie keine große Herausforderung, diesen perfekt zu imitieren.

Sie sah nach hinten, der Panther war ihr längst gefolgt und holte mit mächtigen Sprüngen schnell zu ihr auf. Beinahe geriert sie ins Stolpern, als sie abermals über die Schulter sah. Mit Mühe und einem gehörigen Maß an Glück gelang es ihr jedoch, weiter zu laufen.
Der Panther musste sie jeden Moment erreicht haben. Wenige Meter noch - das Ziel vor Augen - sie schrie. Dann wurde ihr mit einem mal sämtliche Luft aus den Lungen gepresst, als sie der Panther mit der Wucht eines Hammers von hinten ansprang. Schmerzhaft ging sie zu Boden - rutschte noch mehrere Meter über das Gras, bis sie zum liegen kam. Das beinahe 200 Pfund schwere Tier hockte auf ihrem Rücken. Es sollte seine Pranken einsetzen und nur im Notfall, wenn keiner der Anguren Anstalten machte zu reagieren, auch vom Gebiss gebrauch machen.
Die ersten Hiebe gingen auf sie Nieder - zunächst nur das Reißen von Stoff, doch schon nach wenigen Sekunden lag ihre Kleidung in Fetzen. Immer wieder gruben sich die Krallen der Katze in ihr weiches Fleisch, hinterließen lange, parallel verlaufene Furchen auf ihrem Rücken. Der Schmerz war ungeheuerlich. Noch nie hatte sie solche Mater durchlitten. Doch durfte sie sich der Wut und dem brüllenden Hass dieses mal nicht hingeben. Alles in ihr verlangte danach, sich zur Wehr zu setzen und das Tier abzuwerfen - doch würde man ihr dann noch helfen? Sie schrie abermals laut auf, flehend, winselnd, um Hilfe bettelnd.
Hatte sie sich in den Anguren getäuscht? Würden sie zusehen, wie vor ihren Augen eine wehrlose Frau zerfleischt wurde?
Der Schmerz drohte sie zu überwältigen. Längst hatte sie keine Kraft mehr, weiter um Hilfe zu rufen. Sie wollte bei Bewusstsein bleiben - wollte nicht die Kontrolle verlieren.

Als sich die Zähne der Katze in ihre Schulter bohrten, gab sie nach. Im selben Moment, da es ihr die Besinnung raubte, glaubte sie einen Pfeil an sich vorbei zischen zu sehen - ein zweiter folgte.
Die Katze ließ in der Sekunde von ihr ab, als ihr schwarz vor Augen wurde.

Als sie wieder zu sich kam lag sie auf hölzernen Planken. Das rauschen des Flusses war ganz nah, sie konnte es deutlich hören.
Einzig ihre Stoffhose hatte den Angriff unbeschadet überstanden. Den Rest ihrer Kleidung hatten die Anguren wohl entsorgt. Statt ihrem Hemd und der Tunika, hatte man ihr Bandagen angelegt und sie - einer Mumie gleich - um ihren Oberkörper gewickelt.
Es hatte geklappt!
Er jetzt wurde sie sich gewahr, dass sie nicht allein war. Eine Frau saß dicht neben ihr und schien den Inhalt einer kleinen Phiole zu überprüfen. Das waren also Anguren. Alles an ihr - so kam es Ceylin’Tyrs in diesem Augenblick zumindest vor - schien ein wenig zu groß geraten. Schwer behangen mit Fellen, lange wallende Haare und winterfeste Kleidung ließen erahnen, welch widriger Umstände zu trotzen sie in der Lage waren. Das schüchtern freundliche Lächeln, das ihr die Angure entgegen brachte, bestätigte ihr, dass ihr Plan richtig gewesen war. Mitleid und Zuneigung. Selbst die gottlosen Anguren waren vor dieser Schwäche nicht gefeilt und so war es Ceylin ein Leichtes, durch mehrfache Dankesbekundungen und einfältig schüchternem Gebaren - so war sie sich sicher - ihr Vertrauen zu gewinnen. Die Angure kümmerte sich rührend um sie und Ceylin zahlte es ihr mit weit aufgerissenen, scheu dreinblickenden Augen, elfischen Ursprungs zurück. Man fraß ihr aus der Hand.

Dennoch war sie körperlich geschwächt. Der Panther hatte sie wesentlich länger bearbeitet, als es ihr lieb gewesen war. Man hatte sie zwar gut versorgt, doch erinnerte sie jede Bewegung daran, was die grausamen Krallen der Katze wohl auf ihrem Rücken veranstaltet hatten. So kam es ihr recht gelegen, als - nachdem ihr eine Phiole gereicht wurde - sie eine bleierne Müdigkeit überfiel und sie binnen Sekunden einschlief.
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Ceylin'Tyrs





 Beitrag Verfasst am: 04 Apr 2008 22:30    Titel:
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Längst war die Nacht herein gebrochen. Die Dunkelheit hatte sich wie ein schwerer Schleier über das Lager der Anguren gelegt, der nur durch vereinzelten Fackelschein durchbrochen wurde. Die Wirkung des Schlafmittels hatte schon vor geraumer Zeit nachgelassen, doch Ceylin hielt es für besser, ihre Retterin im Glauben zu lassen, sie stünde immer noch unter dem Einfluss des Tranks.
Rund zwei Dutzend Anguren ruhten bereits in dem geräumigen Zelt. Sie konnte nur erahnen, wie viele von ihnen sich noch Draußen aufhielten. Die Angure, die sich zunächst um sie gekümmert hatte, war die ganze Zeit über nicht von ihrer Seite gewichen. Mit einer Axt bewaffnet, hatte man sie wohl beauftragt, auf die Lethra acht zu geben. Welch Ironie - würde sich bald keine Gelegenheit für sie ergeben, unbemerkt das Zelt zu verlassen, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich der Angure so schnell wie möglich zu entledigen. Am Morgen würde man sie sicher wieder aus dem Lager vertreiben, wenn es ihr -und dafür hatte die junge Angure gesorgt - wieder besser ging. Dabei stünden ihre Chancen gar nicht einmal so schlecht, denn der Lärm, den zwei Dutzend Anguren im Schlaf produzieren, ist in etwa vergleichbar mit 2 Hundertschaften Letharen, die in eine Schlacht ziehen. Trotzdem blieb dieses Szenario als ultima ratio. Man hatte Ceylin ausdrücklich davor gewarnt, dem Nordvolk allzu offensichtlich Schaden zuzufügen. Zu kostbar waren die Beziehungen, die der Erzlethyr mit ihrem Anführer aufgebaut hatte.
Immer wieder vergewisserte sich Ceylin durch kurzes Blinzeln, dass sie noch immer bewacht wurde. Bis zum Sonnenaufgang blieben ihr noch 2 Stunden - dann würde es zu spät sein. Schon war sie am überlegen, wie sie der kräftigen Frau die Axt entwenden konnte, als eine weitere Person eilig das Zelt betrag. Hastig näherten sich die Fußschritte, ehe sie unmittelbar vor Ceylin zum stehen kamen. Aufgeregt nach Luft schnappend - der Mann war offensichtlich gerannt -, brabbelte er ein paar Brocken in einer Sprache, die der Lethra fremd war.

Hey Fjonar, was hockst’ hier noch rum. Beweg’n Arsch nach draus’n und schau nach’m MacNamara.

Was hat’r denn sch’wied’r? Wenn’r säuft wie’n MacGaulich kann’ch nix ändern!

Hör a´f z’schwatz’n und komm’. D’r blutet wie’n aufg´schlitzt’s Schwein!


Schon erhob sie sich und wollte nach Draußen eilen. Doch etwas hielt sie zurück. Ceylin wagte es nicht zu blinzeln, doch sie war sich sicher, dass die Angure noch nicht weit gelaufen war. Die Schritte waren mit einem Mal verstummt. Vielleicht wollte sie sich noch vergewissern, dass die Lethra auch wirklich schlief. Vielleicht weckte sie aber auch jemand anders, der die Wache übernehmen sollte. Endlose Sekunden verstrichen, in denen Ceylin immer wieder gegen den Drang ankämpfen musste, die Augen zu öffnen und sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
Es zahlte sich aus. Kurze Zeit später hörte sie, wie jemand das Zelt verließ. Jetzt oder nie!
Sie riss die Augen auf.
Die Angure war fort. Außer den Schlafenden, befand sich niemand weiteres im Zelt. Doch für wie lange?

Ceylin zog sich die Stiefel aus, ließ sie unter den Fellen verschwinden und schlich sich auf Zehenspitzen an die schmale Zeltöffnung. Draußen war niemand zu sehen. Lediglich die Wachen auf der Wehr, doch diese hatten leidlich andere Aufgaben, als das Lagerinnere zu überwachen.
In gebückter Haltung, dem Schein des Lagerfeuers so gut wie möglich ausweichend, stahl sich die Lethra an den Rand des großen Schlafzeltes. Von hieraus konnte sie sich einen ersten Überblick verschaffen, ohne direkt das Risiko einzugehen, entdeckt zu werden.
Das Lager musste erst kürzlich errichtet worden sein. An vielen Stellen zeugte Baumaterial davon, dass man die Verteidigung noch nicht vollständig fertig gestellt hatte. Beinahe schien es, als bestünde das gesamte Camp ausschließlich aus Holz und Fellen. Das Nordvolk wusste beides äußerst effizient einzusetzen und Ceylin fragte sich bereits, welche ihrer Talente man sich zu Nutzen machen sollte, als sie ihre Gedanken wieder zur Raison rief. Man konnte sie jeden Augenblick entdecken oder die junge Angure wieder zurückkehren - also musste sie schnell handeln.
Da sich Jall nicht unter den Schlafenden befand, er aber vermutlich einer ihrer Anführer war, vermutete sie, dass er in einem separaten Zelt untergebracht war.
Das Erste, in das sie vorsichtig ihren Kopf hinein steckte, entpuppte sich als Lagerkammer. Trotz des flüchtigen Blickes fiel ihr auf, dass diese beinahe überzuquellen schien. Überall stapelten sich die Fässer oder hatte man Nahrungsmittel in Kisten abgepackt, ganz so, als bereite man sich auf eine schlechte Ernte vor. Oder einen Krieg.
Beim nächsten Zelt hatte sie mehr Glück. Zwar wollte sie sich bereits abwenden - es schien ihr eher, als würde das Zelt als Lagerstätte für allerhand alchemistischer Zutaten gebraucht werden - als sie ein Schnarchen vernahm. Schnell huschte sie ins Innere. Es war nicht nötig, den Zelteingang offen stehen zu lassen. Längst schon war sie in der Lage, ihre Sehkraft magisch zu verstärken, dass sie selbst in absoluter Dunkelheit sehen konnte, als wäre es taghell.
Ohne sich groß umzublicken, schlich sie durch das Zelt. Ihre zierlichen Füße verursachten keinen Laut, als sie sich den beiden Schlafenden näherte. Sie erkannte ihn sofort. Das Gesicht - unverkennbar - der Bart, er kam ihr wie eine einzige Masse vor, aus deren Ende Zöpfe geflochten waren. Der Stab lehne an der Zeltwand.
So nah! Sie hatte nie daran gezweifelt, auch jene zweite Prüfung zu bestehen. Richtete sich die erste nach an ihre Willenskraft und Überzeugung, galt es dieses Mal, sich gegen einen überlegenen Gegner zu beweisen. Im ersten Traum war es ihr noch nicht klar gewesen, als sich dieser bereits in der Nacht darauf wiederholte, ahnte sie bereits, dass man sie abermals auf die Probe stellte. Wochenlang quälte sie immer der selbe Traum, an dessen Ende sie jedes Mal starb und mit kaltem Schweiß bedeckt, aus dem Schlaf gerissen wurde. Dann endlich erhielt sie den entscheidenden Hinweis. Und nun stand sie hier, blickte auf den scheinbar wehrlosen Jall herab und war sich ihrer Sache sicher wie nie zuvor. Sie musste ihn nicht töten. Ihren Sieg konnte sie davontragen, ohne dass Blut vergossen wurde -und somit auch den Erzlethyr zufrieden stellen, der um die Beziehungen zu den Anguren besorgt war. Zwar hätte ihr die Vernichtung einer weiteren Kreatur der Weltenhure ein äußerstes Maß an Genugtuung, sowie den Segen des allmächtigen Vaters eingebracht, doch hallten die Worte Syrr’aels immer noch nach.
Auf einem Beistelltisch nahe der Schlafstätte entdeckte sie einen Gürtel. Zahllose kleine Beutel erregten weniger ihr Interesse, als es der glänzende, unverkennbar aus Diamant bestehende, Rapier tat. Die Waffe war von perfekter Machart und wog sich ebenso meisterlich ausbalanciert in der Hand. Für Ceylin bestand keine Frage - es war kein Zufall, dass sie hier diese Waffe fand, deren filigrane Handhabe der Lethra wie auf den Leib geschrieben war. Alatar spottet jenen jämmerlichen Kreaturen, deren Obsession es ist, großklobige Äxte und Hämmer zu schwingen.
Langsam ließ sie die Spitze der Waffe sich dem Gesicht des Anguren nähern, wanderte abwärts, den Hals entlang, während sich die Lethra vorstellte, welches Schauspiel die überlange zweischneidige Klinge mit dem gewaltigen Kehlkopf des Anguren veranstalten konnte. Sie frohlockte bei dem Gedanken und feine Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf. Ein kurzer Streich - dann hielt sie den prächtigsten der Bartzöpfe des Schamanen in der Hand. Sie gestattete sich ein perfides Lächeln, ehe sie sich - den Rapier in der Rechten, den Zopf in der Linken - aus dem Zelt schlich. Scheinbar hatte man ihr Verschwinden noch nicht bemerkt und sie wollte auch nicht, dass sie sich noch in Sichtweite zum Lager befand, wenn es soweit war.
Geduckt, als befände sie sich unter ständigem Beschuss durch Pfeile, durchquerte sie abermals das Camp. Es dauerte länger, als es ihr lieb war, bis sie das Flussufer erreicht hatte. Immer wieder musste sie im Schatten eines Zeltes warten, wenn sie annahm, dass eine Wache zu ihr hinüber sah. Doch erwies es sich mal um mal als übertriebene Vorsicht.
Die Strömung war an dieser Stelle nicht zu verachten, doch sie musste nur das andere Ufer erreichen, dann würde sie im Schutz der Bäume verschwinden können - falls man sich überhaupt die Mühe machte, sie zu verfolgen. Der Frühling hatte gerade erst eingesetzt und noch kaum Gelegenheit gefunden, dass Wasser merklich zu erwärmen. Es kam der Lethra vor, als würden ihr augenblicklich sämtliche Gliedmaßen zu Eis gefrieren. Aber davon würde sie sich jetzt auch nicht mehr aufhalten lassen.


[….]
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