Piraten in Bajard? - Eine Impression am Hafen

[Cassandra Nox]

Auch wenn es eigentlich eine ungewöhnliche Tageszeit zum Angeln ist, da man nun eher nur gewöhnliche Fische an den Haken bekommen mag, machte sich die Schneiderin mit einer Angelrute und einem Eimer auf in Richtung des Hafenbeckens von Bajard, um sich nach einem weiteren Morgen - welchen sie damit verbrachte, sich wieder um die Tiere im Gehege zu kümmern und Ordnung in das Lager zu bringen, sowie das ein oder andere Kleidungsstück für den Verkauf anzufertigen - eine wohlverdiente Abwechslung zu gönnen. Schließlich hatte sie doch nicht unlängst auch das Kochen als eine neue Lieblingsbeschäftigung entdeckt. Da kämen auch gerade die gewöhnlichen Fische nicht unrecht, da würde schließlich nichts kaputt gehen, wenn es einmal an der heimischen Kochstelle nicht so funktionieren sollte wie gewünscht.

An dem kleinen Anglersteg am Hafen von Bajard angekommen, begrüßte sie auch schon Piaras, welchen man wohl zu jeder Tageszeit hier anfinden mag, wenn er nicht gerade in der Taverne sitzt, um sich den Salzgeschmack aus Nase und Mund mit der schlechten Luft der Spelunke und dem ein oder anderem Bier zu vertreiben, gleich mit einem freundlichen Lächeln. Sanft und freundlich mögen sich ihre Mundwinkel zu einem eben solchen Lächeln anheben und auch sie mag dem alten Seemann zunicken, ehe sie bis an das Ende des Steges hinausgeht, die Angel ablegt und den Eimer, an einem Seil befestigt, hinab in das Wasser lässt, ehe sie ihn wieder hochzieht und neben sich abstellen mag. Nachdem sie dies getan hat, legt sie ihre zierlichen Finger um die Rute, hebt diese wieder auf und nach kurzer Überprüfung der Leine sowie des Hakens bestückt sie diesen und holt dann auch schon weit aus, um die Angel auszuwerfen. Der Haken mit dem Köder taucht mit einem kleinem „Platsch“ in das Wasser ein und sinkt auch sogleich tiefer, ehe sich auch schon alsbald die Schnur straffen mag und der erste Fisch angebissen hat. Mit einem kräftigen Ruck an der Rute mag dieser auch aus dem Wasser gezogen und an Land gebracht werden. Ein Barsch solle es sein, welchen sie vom Haken nimmt und in den Eimer neben sich wirft. Den Haken neu ausgestattet und wieder Schwung geholt, mag der neue Köder auch erneut wieder ins Wasser sausen. In relativ kurzer Zeit mag sich auch der kleine Eimer neben ihr mit einem Fang nach dem anderen füllen, ehe das Anbeißen der Fische mit einmal endet und sich lange Zeit nichts mehr tut. Egal wohin sie die Angel auch auswerfen mag, es will und will einfach kein Fisch mehr anbeißen.

Mit einmal jedoch, als sie gerade die Schnur wieder einziehen will, spannt sich diese und scheint gar selbst an der Rute und ihren Händen zu ziehen. Erschrocken klammert sie ihre Finger fest um die Rute und zieht mit einmal kräftig daran, dass wenn sich ein Fisch am anderen Ende befinden sollte, sich der Haken auch in seinem Mund verfangen oder sich durch sein Fleisch bohren mag. Doch schon als der Haken mit der Beute das Wasser verlassen mag und ein zunächst unscheinbarer und doch recht schwerer, dunkler Gegenstand daran hängen mag, war klar, dass dies kein Fisch sein mag. Die Rute nach oben streckend baumelt der Fang nun vor ihrem Gesicht.

„Eine Flasche!?“, sagt sie dann leise und nachdenklich. Sie betrachtet die sehr dunkle, beinahe schon schwarze Flasche nun etwas genauer, um deren Hals sich die Schnur gelegt und der Haken sich darin verfangen hat. Die Flasche von dem Haken und der Schnur befreiend und nun einen eindringlicheren Blick auf das nun ruhige Objekt werfend mag sie erkennen, dass jenes Etikett durch das Meerwasser bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht, weißt dieses schon längst keine Tinte mehr auf. Daraufhin greift sie in ihre Tasche und zieht geschickt mit ihrem Werkzeug den Korken aus der Flasche, um vorsichtig daran zu schnuppern.

„Riecht wie… Rum… wie die stinkende Kleidung der Piraten, die sich einst immer im Südosten von Lameriast tummelten… Aber was hat diese Flasche hier verloren? Sie wurde doch nicht den weiten Weg von Lameriast hergeschwemmt? Oder kann es sein…“, murmelt sie eher nachdenklich und leise vor sich hin.

„La Cabeza“, Insel der Sagen und Legenden, Heimat der Piraten - so sagt man.

Diese mächtigen Worte schossen sofort durch ihren Kopf. Doch ist diese Insel weit abgelegen, mehrere Hundert Seemeilen entfernt von Bajard. Es wäre auch unmöglich gewesen, dass eine Flasche von dort hierher in das Hafenbecken geschwemmt wurde.
Mag dies etwa gar ein Hinweis auf den Piraten sein, auf den unlängst von den Adelshäusern ein Kopfgeld – und dies nicht zu knapp – ausgesetzt worden war? Oder einer seiner Kameraden, welcher vielleicht über seinen Aufenthaltsort Bescheid weiß?

Durch leise unmerkliche Schritte hinter ihr, die auf den alten Brettern des Steges früher oder später unweigerlich zu einem Knarren dieser führen, aus den Gedanken gerissen, wird sie eben durch diese von der Angst gepackt, greift die Rute fest mit beiden Händen und dreht sich mit Schwung um und schlägt zu.

Das etwas dünnere Ende der Rute mag peitschend und schmerzend auf eine blanke und ungeschützte Hand niederfahren, ehe sie an dem Arm entlang zum Gesicht der Person sieht und sogleich die Rute erschrocken fallen lässt…

Es war einmal mehr der junge Bursche Sebastian, der sich von hinten an sie herangeschlichen hat, aber vielleicht mag es ihm dieses Mal eine Lehre sein. Trotz des Schocks mögen ihr allerdings nicht die Gedanken über die Flasche, deren Herkunft und die Piraten aus dem Kopf gehen…