Eine hungrige Insel

[Der Erzähler]

„Das kann nicht ihr Ernst sein… was will das Weibsstück noch alles mitschleppen?", fragte Trubak aufgeregt, sich enger in den Fellmantel hüllend. Er betrachtete eine blonde Angurin mit blauem Kilt dabei, wie sie sich mehr schlecht als recht daran versuchte, einen Beutel voller Kohl und einen Beutel voller Weizen gleichzeitig auf die Schultern zu bekommen, ohne dabei das Dörrfleisch, welches an einem Seil aus ihrem Mund hing, zu arg über das harte Pflaster der Straßen zu schleifen. „Artrark hat mir davon erzählt, dass das da noch lange nicht die Spitze ist, bei den Ahnen…" Auch Skrekjar war begeistert von der Sturheit der vielleicht 20 Winter zählenden Frau. Muskulös, aber keineswegs befreit von aller Weiblichkeit, bot sie einen sehr anregenden Anblick, besonders nun, da sich zur Beharrlichkeit der erste Funke des Zorns mischte. Skrekjar mochte die Weiber so wild wie den Norden – auch, wenn er sich fast schon vor seinem Hausdrachen fürchtete. „Wirklich? Nu' aber beiseite mit deinen Saufgeschichten, sag, wer schleppte noch mehr?" Trubak ließ sich das Schauspiel nicht entgehen, doch sparte er sich seine helfende Hand. Hilfe wäre bei dieser jungen Kriegerin ein Schlag ins Gesicht gewesen, ein Herabwürdigen ihrer eigenen körperlichen Fähigkeiten. Somit blieb nur das Zusehen, welches umso lustiger wurde, als ein dicklicher, auf einem Auge schielender Blaukilt mit nur einem Sack auf den Schultern frohen Mutes an seiner Clansschwester vorbeistapfte. Sie nahm zwischenzeitlich ein gesundes Rot in ihre sonst vornehm blassen Züge auf.



„Nun sag' schon!"



„Na sieh' se dir an. Die schleppt schon gut, aber du weißt, dass der Clan nicht nur starke Töchter, sondern auch starke Söhne vorbrachte. Und sture." Skrekjar spielte mit seiner Antwort, posaunte sie nicht ohne weiteres einfach hinaus. Sein Wachkamerad dankte es ihm nicht, doch war ihm dieses Gehabe wohl bekannt. „Mach endlich dein Maul auf, quassel nicht wie ein altes Weib ohne Zähne."



„Artrark meinte, da war einer, der trug sechs Säcke davon! Und es war der mit dem Hut."



„Der Chieftain hat sechs..?"



„Sechs. Und ein totes Pferd."



„Und wie hat er das gemacht?"



„Das… hat Artrark nicht erzählt."



Das Schweigen der Denker legte sich über die zwei Beobachter, welche der Angurin unentwegt auf die arbeitenden Beine starrten, als jene sich langsam durch das Dorf kämpfte mitsamt des aufgebürdeten Ballastes. Prächtig anzusehende Hüften schleppten dort die vergänglichen Waren, während nicht nur die Augenpaare der beiden Wachen auf der Frau ruhten. Auch der Kapitän des Schiffes konnte nur ungläubig dreinschauen bei dem Anblick, der sich ihm bot. Schon wieder. Die Anguren hamsterten verderbliche Waren, als hätten sie ein Mittel gefunden, es durch den harten Winter zu bringen, ohne Nager, Ungetier oder Verwesung anzulocken. Dabei war der Clan seines Wissens niemals groß genug, um solche Unmengen zu vernichten – Nahrung von der „Grünen Insel", die bei den blau bekilteten ohnehin nicht hoch im Kurs stand. Etwas war seltsam daran, gleich, wie es sich der alte Eisbart zurechtlegte. Doch sie zahlten immerhin manchmal die Überfahrt und randalierten niemals. Auch, wenn Diskretion sein Kredo war, die Crew scherte sich spätestens nach dem ersten Rum nicht mehr darum. Wohl auch in manch anderen Hafenstädten erzählten sie von der „hungrigen Insel!", von riesigen Gelagen und unfassbar großartigen Opfergaben an die heidnischen Gottheiten Fuachteros.