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Rund ums Feuer
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 25 Aug 2017 18:43    Titel: Rund ums Feuer
Antworten mit Zitat

Was bisher geschah ...

So also endet alles einmal. Fast allein in einer armseligen, zugigen Hütte, die nur deshalb nicht stinkt, weil es eben so arg zieht.
Einen längeren Moment stand Loreen da und betrachtete die letzten Reste eines Menschen vor ihr. Das Gesicht tief eingefallen, faltiger und grauer als zuvor. Die Altersflecken traten stark hervor, die Nase stach förmlich aus dem Gesicht und das grau-gelbliche Haar stand wild und ungepflegt ab. Er sah sogar friedlich aus, auch wenn sein Leben nicht so endete, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Er hatte immer von Reichtum geträumt. Von schönen Frauen, von gutem Essen, viel Wein und Tabak. Achja, und ein warmes Heim.
Nichts davon hatte er in seinem Leben gehabt. Nie. Nur seine Illusionen, dass er es irgendwann vielleicht mal schaffen könnte. Raus aus diesem stinkenden Loch, angesehen sein, keinen knurrenden Magen mehr. Seine Hoffnungen waren alles, was er am Ende noch hatte. Und sie, seine Schülerin. Die einzige, die noch geblieben war.

Loreen hatte sich oft genug selbst dafür gescholten, dass sie bei dem Alten geblieben war. Die anderen hatten sich neue Wege gesucht. Manche hatten nicht lange überlebt, nach allem, was sie gehört hatte, aber immerhin waren sie manches Mal ihren persönlichen Hoffnungen näher gekommen, als er. Wenige hatten sich sogar einen Namen machen können und waren auf ihrem Gebiet berüchtigt.
Auf was hoffte sie eigentlich?
Sie mochte diese Frage nicht. Hoffnungen, so sagte sie sich, sind was für Leute, die nicht im Hier und Jetzt leben. Also streifte sie die Frage ab und gab sich einen Ruck. Ein gutes Gebet fiel ihr eh nicht ein. Nur ein "Möge Kra'thor dich verschonen".

Es war nicht schwer, den Alten - eingewickelt in seinen Decken - durch die Gassen zum Hundstor zu schleifen. Hier kümmerte es eh kaum einen, wenn spät am Abend irgendein Toter durch den Schlamm gezogen wurde. Man hatte andere Sorgen, vor allem aber wollte man am Leben bleiben und im Ascheviertel blieb man nicht lang am Leben, wenn man zu viele Fragen stellte. Der Alte war auch nicht schwer, was sie eher überraschte. Unter den vielen Lumpenlagen mochte sich wohl nichts weiter, als ein Skelett mit ein bisschen Fleisch und viel graues Haar verbergen. Vielleicht war der Schmutz an ihm sogar das, was am schwersten wog.

Schwerer war es dagegen, so spät am Abend trockenes Holz aufzutreiben. In den nahen, lichten Wald traute sie sich nicht - am Tage achteten die Späher darauf, dass nicht Hinz und Kunz ohne irgendeine Erlaubnis dort das rare Holz schlugen, so spät jedoch lauerten wesentlich bissigere Gefahren im Unterholz, die mit Sicherheit nicht nach irgendeinem Schein fragten.
Also begann Loreen das Treibholz am Strand zu sichten und aufzulesen. Vorsorglich hatte sie eine Flasche des übelsten Fusels, den der Alte immer so gerne trank, mitgenommen und konnte so letztendlich doch noch das Holz in Flammen setzen - mittendrin der Alte, ihr Mentor in den letzten Jahren.

Sie stand länger dort, als sie vorgehabt hatte, denn so ein Feuer am Strand lockte eigentlich irgendwann neugierige Beobachter an. Dennoch konnte sie sich vom Tanz der Flammen kaum losreißen und betrachtete sie, wie sie am Leib des Alten züngelten. Der Geruch des Fleisches kitzelte in ihrer Nase, zeitweise erzeugte er ein Magenknurren und es war der Rest von Moral, der sie dazu brachte, ein mulmiges Gefühl bei diesem Appetit, den sie verspürte, zu bekommen. Loreen nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, leerte sie endgültig und riss sich vom warmen Feuer und seiner zerstörerischen Kraft los.
Es war Zeit, die wenigen Habseligkeiten, die sie besaß und die wenigen Münzen, die der Alte gehortet hatte, zusammen zu raffen und die Stadt zu verlassen. Ihr war danach. Irgendwas musste es im Leben doch geben, außer fleißigen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 25 Aug 2017 23:40, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 18 Sep 2017 12:11    Titel:
Antworten mit Zitat

Als die Flammen in der Ferne hochzüngelten, die letzten Schmerzensschreie verklungen waren und die Geräusche von reitenden Personen in schweren Rüstungen sich entfernten, kletterte Loreen vorsichtig von der alten Eiche wieder hinab. Einen Moment lang haderte sie, ob sie noch einmal zum Unterschlupf der Räuberbande, mit der sie die letzten zwei Monate verbracht und sie unterstützt hatte, zurückkehren sollte oder nicht. Es gab gute Gründe dagegen, aber die Neugier trieb sie letztlich doch voran im Schein der allmählich aufgehenden Sonne das alte Lager aufzusuchen.

Zwei Monate lang war sie Teil dieser kleinen Gruppe abgerissener Banditen gewesen. Manche von ihnen waren einst einfache Tagelöhner wie ihre Eltern gewesen, andere Bauern, die von Missernten so geplagt gewesen waren, dass sie sich eine andere Möglichkeit suchten, um sich übers Wasser zu halten. Vereinzelt gab es auch junge Burschen, gerade dem Kindesalter entwachsen, die einfach nur das Abenteuer gesucht hatten. Einer von den Männern behauptete sogar, einst ein Ritter gewesen zu sein, ehe er seinem Kodex abschwor. Die Geschichte, warum er das tat, variierte jedes Mal ein wenig und Loreen war versucht gewesen, ihm das alles nicht zu glauben, aber die Rüstung, seine Wortwahl und das - wenn auch schon in die Jahre gekommene - Pferd schienen die Geschichten zu untermauern.
Zwei Monate lang war sie bei jedem Überfall dabei. Stürzte sich mal von einem Ast hinab auf einen Ochsenkarren, legte Stolperfallen oder hub Gruben aus. An Kämpfen beteiligte sie sich selten. Sie blieb lieber im Hintergrund oder sicherte die Beute.

Das war nun vorbei und mit tief in die Hosentaschen vergrabenen Händen stand sie mit einem gehörigen Sicherheitsabstand vom alten Unterschlupf - einer ehemaligen Bauernkate am Waldrand - entfernt und sah, wie dieser verbrannte. Leichen lagen davor, andere brannten wohl im Haus, dem Geruch nach zu urteilen, der zu ihr hinüber waberte und Erinnerungen weckte. Eigentümlich, dass es schon wieder mit diesem Geruch endete.

"Lilli!"
Loreen zuckte bei der Nennung des Namens zusammen. Sie hatte sich durchaus daran gewöhnt, aber es hatte einen anderen Grund, warum sich ihre Nackenhaare aufstellten, als sie sich umdrehte und in das pickelige Gesicht von Pietje blickte. Ausgerechnet Pietje hatte überlebt. Der größte Angsthase der Truppe - ein Umstand, der ihm zwar stets Spott eingebracht, aber ihm nun offenbar das Leben gerettet hatte. Er stieß nur wenige Tage nach ihr zu der Räuberbande. Ein junger Bursche von wohl 15 Jahren, der von zu Hause ausgerissen war und so etwas wie ein "Glücksritter" werden wollte.
"Ein Glück, du hast überlebt, Lilli! Oh, wie schrecklich, wie ..."
Pietje sah zu dem Haus, sah die Leichen, drehte sich zur Seite weg und übergab sich geräuschvoll.
Loreen sah ihm einen Moment zu, betrachtete seinen Rücken, ehe sie aber ihr Augenmerk auf die Umgebung hielt.
"Ich habe mich verstecken können, als die Reiter des Barons kamen, Piet."
"Oh, ich auch, ich ... urgs!"
Seufzend drehte sich Loreen weg.
"Ist wohl besser, wenn wir beiden verschwinden. Mein Rat an dich - geh zurück zu deinen Eltern."
Mit einer fast weinerlich anmutenden Miene richtete sich der Backfisch wieder auf und wischte sich mit dem Ärmel über seinen Mund.
"Kann ich nicht mit dir mit?"
"Das ist zu riskant. Die suchen sicher schon nach uns."
"Aber ..."
"Piet," Loreen setzte ein sanftes Lächeln auf und wandte sich ihm wieder zu, "wenn es dir so wichtig ist, dann schlage ich vor, dass wir uns in zwei Tagen in der alten Hütte am Bärensee treffen, ja?"
Piets Miene hellte sich auf.
"Und dann machen wir eine neue Räuberbande, ja? Wir werden auch Raubritter, Lilli!"
"Sicher, Piet."

***

Loreen schnupperte kurz an der Kleidung. Ja, das war annehmbar und das bisschen Geld, was sie noch hatte, war gut im Besuch des Badehauses angelegt worden. Ihr Blick glitt hinüber zu der alten, eher kleinen Burg des Barons und innerlich bereitete sie sich vor, vor ihm oder zumindest seinen Hauptmann zu treten. Die Haltung gestrafft, doch locker und der Gang fest und selbstbewusst wirken lassend, machte sie sich auf den Weg zum Tor des gedrungenen, einfachen Baus.
Fünfzig Kronen. So viel Geld hatte sie noch nie besessen. Und was wohl dabei heraus springen würde, wenn sie ihnen noch verraten würde, dass sich mehrere geflohene Räuber in der alten Hütte am Bärensee aufhalten würden? Danach musste sie allerdings Fersengeld geben, denn der naive Piet wäre keine einzelne Krone wert.
Piet. Für einen Moment meldete sich das schlechte Gewissen. Genauso wie am gestrigen Tag, als sie die Leichen gesehen hatte. Aber es waren Räuber. Es war Unrecht, was sie taten, nicht wahr? Das sagte sich Loreen immer wieder in der Nacht darauf, als sie nur schwer einschlafen konnte. Davon ab - sie brauchte das Geld. Die Räuberbande war zwar halbwegs erfolgreich, aber für sie war - für ihr Empfinden - zu wenig von der Beute abgefallen. Dann noch diese elendige, alte Bauernkate, wo es aus allen Ecken her zog, bisweilen regnete es rein. Sie hatte es satt, so zu leben.

"Euer Begehr?"
Die Wache am Tor hielt sie mit strengem Blick auf und kippte die Hellebarde etwas zur Seite. Sicher, sie hätte drum herum gehen können, denn mehr als eine Wache, noch dazu ein alter Mann mit weißem Bart, war es nicht.
"Ich muss mit dem Hauptmann oder dem Baron sprechen. Geht um die Räuberbande."
"Ach, sieh an. Die verräterische Schlange," höhnte sogleich die Stimme des Hauptmannes und zufrieden grinsend stolzierte der Mittvierziger durch das Torhaus auf sie zu.
Das traf schon ein wenig, auch wenn er recht hatte, dachte sich Loreen.
"Du willst dein Geld, was?" Der Hauptmann verengte die Augen, das Grinsen verließ seinen Blick, ließ ihn nur noch die Zähne blecken und taxierte das schmale Hühnchen vor sich.
"Japp. 50 Kronen waren ausgemacht."
Sogleich änderte sich die Mimik des Mannes und zeigte eine ernste, bedrohliche Miene.
"Hau ab oder du kriegst 50 Stockhiebe."
"Was?!"
"Du hast mich schon gehört. Verlass das Lehen. Ich schenke dir diesen Tag noch, dass du abhauen kannst, aber wenn wir dich morgen hier irgendwo finden, bist du genauso tot wie das Pack, zu dem du gehört hast."
"Aber ..."
Ein Deut zu der Wache, der Hauptmann drehte sich um und der alte Soldat stellte sich ihr nun gänzlich in den Weg und sah sie aus recht kalten Augen an.
"Du hast ihn gehört. Verlass das Lehen, wenn dir dein Leben lieb ist."

Loreen hatte verstanden. Ein kurzer Blick noch auf zur Burg und sie nahm noch wahr, wie die dicke Gestalt des Barons sich von seinem Balkon in das Burginnere schob. Hörte sie da ein höhnisches Lachen?
Aber sie hing an ihrem Leben. Zerknirscht und wütend drehte sie sich um und tat das, was sie am besten konnte - abhauen.

***

Stirnrunzelnd und nebenher einen seiner Pickel ausdrückend las Pietje die Notiz in der Hütte. Es kostete ihn einiges an Mühe, aber dann hatte er die Worte entziffert.


Verschwinde und mach was aus deinem Leben.
Vertraue niemandem.

L.


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 18 Sep 2017 12:23, insgesamt einmal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 10 Okt 2017 11:32    Titel:
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Gedanken in der Gegenwart

Zitat:
Das letzte Mal, als ich das Wort "Heimat" wahrhaftig gefühlt hatte, war wohl während meiner Kindheit gewesen, umringt von - für meinen Geschmack - zu vielen Geschwistern, gütigen Großeltern und Eltern, die stets bemüht waren, jedem von uns ein halbwegs besseres Leben zu ermöglichen. Zugegeben - ihre Bemühungen hatte ich damals nicht sonderlich zu schätzen gewusst. Ich wollte lieber draußen spielen, als bei dem trocken-knöchrigen Gelehrten zu hocken, dem meine Eltern Geld gegeben hatten, damit wir Kinder Schreiben, Lesen, Rechnen und vielleicht ein wenig Allgemeinwissen erlernen. Später merkte ich erst, wie überaus nützlich dieses Wissen und Können ist. Wo wäre ich nun, wenn ich nicht Schreiben und Lesen könnte? Bisweilen hatte ich sogar überlegt, meinen Eltern einen Brief zu schreiben, ihnen zu versichern, dass es mir gut geht. Aber ob sie das wirklich wissen möchten? Ob sie mir zürnen, dass ich ihren Wunsch, etwas "Anständiges" zu lernen, in den Wind schlug und meinen eigenen Weg ging? Ich weiß nicht einmal mehr, ob sie noch leben. Sicher ist nur, dass sie zumindest nicht begeistert wären, wenn sie wüssten, welchem Glauben ich nun folge - vielleicht wären dann sogar die letzten Bande zueinander zerschnitten, wenn ich das offenbaren würde.
Ihre Wünsche, ihre Worte, ihre Güte und Strenge, die scheinbar ewig langen Sommertage im Spiel mit meinen Geschwistern und auch die Streitereien mit ihnen, das Lauschen der Geschichten meiner Großeltern, die Streiche mit anderen Kindern, aber auch die Arbeit, wenn das Geld knapp wurde und wir Kinder mit anpacken mussten - all das ist trotz allem immer noch ein Stück weit Heimat, aber eine alte Heimat und so vergangen wie irgendein Traum der letzten Nacht. An vieles erinnere ich mich nur noch bruchstückhaft.

Stattdessen merke ich, dass ich gerade dabei bin, mir eine neue Heimat zu schaffen. Vielleicht sind die Zeiten des Umherziehens tatsächlich vorbei. Man wird ja auch nicht jünger. Hier, im alatarischen Reich, wurde ich bisher gut aufgenommen und es scheint wohl keinen zu stören, dass ich nicht im Glauben an Alatar aufgezogen worden war. Dennoch erscheint mir dieser Glaube passender für mich und mein Leben. Gerechter vor allem.
Ich merke aber auch, dass ich nicht das gleiche Feuer zu haben scheine, wie andere. Es gab Lektionen in meinem Leben, die mir gezeigt hatten, dass es besser war, das Feuer zu ersticken, um nicht selber zu verbrennen. Nicht, dass ich nichts mehr fühle. Manchmal kocht es auch in mir hoch, aber ich versuche es dann möglichst wieder im Zaum zu halten und eher den Verstand einzuschalten. Vielleicht sollte ich mich bald mal an die Vicaria wenden, die ich anfangs hier kennengelernt hatte. Lana schwärmte so manches Mal von ihr.

Achja, Lana. Das Einohr. Es ist lange her, dass ich so etwas fühlte, aber sie würde ich tatsächlich als Freundin bezeichnen. Ich liebe es mit ihr zu tratschen und zu scherzen und manches Mal habe ich mich dabei ertappt, wie ich zu große Lust darauf verspürt hatte, ihr einfach einen Kuss auf diese schönen Lippen zu drücken. Und diese Haare! Wie vom Feuer geküsst. Sie ist so ganz anders als ich - weiblicher vor allem. Aber ich halte mich zurück. Sie als Freundin zu haben ist letztendlich wertvoller.

Außerdem reicht mir ein Unfall.
Naja, zwei.
Ich merke, dass mir kalt wird.
Es wird Zeit, dass ich mir einen Kamin zulege, ehe ich schwach werde. Ich brauche das Feuer - dessen Wärme, der Tanz der Flammen, vernichtend und lebenserhaltend zugleich.

...

Gut, dass ich so einen Quatsch nicht aufschreibe. So wie ein Tagebuch. Solche Phrasen sind peinlich. Und am Ende liest es noch jemand.
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 18 Okt 2017 22:31    Titel:
Antworten mit Zitat

- Musik -

Silbern schien der Vollmond rund und satt hinab und beleuchtete die Umgebung mit einem - im Gegensatz zur Sonne - schwachen, aber harten, kalten Licht. Vereinzelte Bäume, deren Blattwerk sich nun allmählich herbstlich verfärbten, spendeten hier und da Schatten auf den weiten Wiesen, die still da lagen, und in den wenigen Büschen raschelte es leise. Kein Windhauch regte sich und irgendwo in weiter Ferne hörte man die Geräusche der kleinen Flusshafenstadt. Ein Fuchs rief.

Keuchend zog Loreen den schweren, eher länglichen Sack hinter sich her. Ihr rechter Arm schmerzte vor Anstrengung und in ihrer Hand kribbelte es unangenehm. Schweiß floss an ihr hinab - das Gesicht glänzend, der Rücken klatschnass und zugleich fror sie. Sie war sich sicher, dass dieses Vorhaben mit einer Erkältung enden würde. Vielleicht würde es auch mit einer Lungenentzündung ein Ende nehmen. Egal. Sie konnte nicht mehr anders und spürte gerade eine enorme Erleichterung und doch zugleich, wie irgendwas in ihrem Nacken saß - wie ein Jäger.
Ein Spaten lehnte auf ihrer linken Schulter und wurde von der Hand dort getragen, ab und an wechselte sie hektisch und wie getrieben, um die Last zu verteilen, ansonsten aber nahm sie ihren Weg unbeirrt weiter hinaus zu den Weiden, wo am Tage Schäfer und Ziegenjungen mit ihren Herden umherzogen und die Tiere grasen ließen. Die Ziegen waren nun in der Nacht wieder auf ihre Ställe in der Umgebung verteilt und die Schäfer waren offenbar auch weitergezogen. Notfalls hatte sie einen gut gefüllten Beutel mit Münzen und - wenn das nichts half - einen Dolch dabei, um neugierige Hirten loszuwerden.
Ohne Unterlass zog sie ihre schwere Last weiter, zerrte bisweilen wie wild, wenn der Sack mal wieder irgendwo an einem Stein oder Strauch festhing. Bloß nicht innehalten. Und vor allem bloß weg mit dem Inhalt des Sacks!

Es dauerte ein wenig, dann aber hatte Loreen den Platz erreicht, den sie sich sorgsam ausgesucht hatte. Sowohl am Tag, als auch in der Nacht war sie hier gewesen, um ihn auch bei Dunkelheit wiedererkennen zu können. Für alle Fälle hatte sie noch einen Ast in den Boden gesteckt und glücklicherweise war niemand auf die Idee gekommen, ihn wieder herauszuziehen. Ein paar stachelige Brombeerbüsche wuchsen in der Nähe und boten etwas Sichtschutz. Eine Trauerbirke ließ ihre dünnen Zweige hinabhängen, die ein interessantes Schattenspiel auf den Boden warfen. Doch für all diese nächtliche Schönheit und Ruhe war Loreen gerade nicht empfänglich. Vom Sack ablassend, zögerte sie nicht lang und markierte mit ihrem Spaten auf dem Boden einen Winkel, ging einen Schritt weiter, zeichnete den nächsten Winkel in den Boden, dann zwei Schritte, noch ein Winkel, dann ein letzter Schritt - noch ein Winkel. Wieder ohne zu zögern begann sie zu graben. Immer noch keuchte sie, schwitzte und fror zugleich, hub aber nun eilig die Grube aus und warf die Erde auf einem Haufen beiseite. Ab und an stieß sie auf einen größeren Stein und knurrend mühte sie sich ab, diesen mit ihren puren Händen beiseite zu schaffen. Der ganze Körper schmerzte und schien ihren Verstand anzuschreien, dass sie endlich innehalten solle. Aber der Verstand hatte andere Sorgen.

Dieser Hass!
Sie hatte nichts anderes mehr fühlen können, als puren, giftigen, brodelnden, bisweilen auch fast explosiven Hass. Immer weiter und weiter hatte er sich aufgebaut, genährt von der Schwäche, die sie zuvor noch gefühlt hatte. Schwäche vor diesem Mann. Und vor der Schwäche war Liebe. Oder war das auch Schwäche? Mittlerweile war sich Loreen sicher, dass sie das gewesen war.
Ja, sie war schwach gewesen, als sie ihn kennengelernt hatte. Davor hatte sie Heimweh gefühlt und sich gefragt, ob sie nicht besser zurückkehren und das tun sollte, was ihre Eltern von ihr erwartet hatten. Irgendeinen anständigen Handwerksberuf erlernen oder zumindest einen ordentlichen Mann heiraten und ihm Kinder gebären. Und da erschien er ihr. Ihr nicht ganz unähnlich, nur erfolgreicher. Plötzlich ergab wieder alles einen Sinn und der Wunsch, umzukehren, verblasste.
Sicher, es hatte schon vorher Männer in ihrem Leben gegeben, die sie gemocht hatte und in den ein oder anderen hatte sie sich auch etwas verliebt. Aber dieser hier war anders. Gemeinsam begingen sie Einbrüche und verhökerten das Zeug auf dem Schwarzmarkt. Süße Worte ließ er in ihre Ohren tropfen und verführte sie dazu, mehr für ihn aufzugeben, als sie es üblicherweise wohl getan hätte. Ja, sie hätte alles für ihn getan und ließ sich viel zu vieles gefallen.
Irgendwann, als sie eines Tages in den Spiegel sah und ihr ein Gesicht entgegenblickte, was sie nicht mehr wiedererkannte, wachte ihr Verstand auf und rüttelte sie innerlich durch. Er spürte es und zog die Zügel straffer, erhöhte den Druck auf ihr - am Ende wusste er sie erfolgreich zu erpressen und spielte mit ihrer Angst. Das war der Moment, als der Hass in ihr erwachte. Ein reines Weglaufen hätte vielleicht auch geholfen, aber das Gefühl der Rache überkam sie. Nicht mit mir, war der Gedanke, der nun Loreen im Griff hatte.

Es hatte etwas gedauert. Sie brauchte jemanden, der verschwiegen war und keinen Kontakt zu ihm pflegte, was nicht einfach war in der Unterwelt dieser Stadt, wo er sich erfolgreich ein Netzwerk aufgebaut hatte. Diese seltsame, alte Frau in den Wäldern war ihre Lösung. Die Alte schien zu ahnen, worum es Loreen ging und dem Blick nach zu urteilen, hatte diese offenbar ihr Vergnügen daran, der jungen Frau bei ihrem Problem zu helfen. Der Preis, den sie forderte war ... gelinde gesagt eigenartig und widerlich. Und doch zugleich so befriedigend. Dafür erhielt Loreen eine Phiole mit einem Gift und eine weitere Phiole mit einem Gegengift, falls sie in die Verlegenheit kam, die Vorkosterin mimen zu müssen.
Am Ende lag er vor ihr - das Gesicht bläulich angelaufen und verkrampft wirkend. In seinen weit aufgerissenen Augen spiegelten sich noch immer Erkenntnis und unverhohlener Hass. Länger als nötig stand Loreen mit einem gewissen Sicherheitsabstand über ihm, hielt den Atem an, abwartend, ob er sich nicht doch noch wieder regen könnte. Dann sorgte sie mit einem scharfen Messer dafür, dass die Alte ihren Preis bekommen sollte.

Ein Grinsen zog sich über Loreens Gesicht, während sie die Grube weiter aushob. Nicht zu tief, denn sie wollte hier wieder rauskommen.
Das Grinsen ging über in ein leises, keuchendes Lachen, als sie aus der Grube stieg, den Spaten beiseite warf und mit Armen, die sich schon längst wie Blei anfühlten, den toten Körper des einst geliebten Menschen in die Grube zu schieben. Flüsternd und begleitend von ihrem Lachen sprach sie Verwünschungen ihm gegenüber aus - dass Kra'thor seine Seele genüsslich fressen solle, dass sein Leib erst stinkend verrotten, dann sich erheben solle, um wieder und wieder von irgendwelchen dahergelaufenen Abenteuerern umgehauen zu werden. Diverse unflätige Schimpfwörter umrahmten all diese Flüche - aber gehen der Autorin dieses Textes doch etwas zu weit. Ja, Loreen suhlte sich förmlich in ihrem Hass und griff am Ende noch zu dem Sack, war versucht, ihn von seinem Gesicht zu ziehen und irgendwas damit anzustellen.

Doch in diesem Moment hielt sie inne, das nun schon heisere Lachen ebbte ab.
Wer war sie eigentlich noch? War sie überhaupt noch ein Mensch, wenn sie das tun würde, was sie jetzt am liebsten getan hätte? War sie nicht auch ein Stück weit selber schuld gewesen an ihrem Dilemma? Und hatte sie nicht jetzt endlich das, was sie wollte?

Müde ließ sie vom rauen Stoff des Sacks ab und griff wieder zu ihrem Spaten. Schwerfällig und eigentlich schon am Ende ihrer Kräfte angekommen, fing sie nun an, die Erde in die Grube zurück zu schaufeln. Kein Lachen mehr. Selbst der Hass brannte nieder zu Asche. Zufriedenheit wollte sich aber auch nicht einstellen. Stattdessen fruchtete in ihr die Erkenntnis, dass Gefühle eine gefährliche Sache werden konnten. Niemals wieder wollte sie es soweit kommen lassen.

Zitat:
Keuchend erwachte ich und erschrak mich, als ich neben mir einen Mann liegen sah. Ein paar Augenblicke brauchte ich, um im Hier und Jetzt anzukommen und währenddessen stolperte ich hektisch aus dem Bett, lief fast gegen die Wand daneben und hielt mich am Vorhang des Fensters fest. Brummend drehte sich die vermeintliche Leiche um und erst jetzt verstand ich, dass alles seine Ordnung hatte.
Oder auch nicht.
Noch mit klopfendem Herzen verließ ich die Schlafnische und ließ mich müde auf den Kissen vor dem fast erloschenen Kamin fallen. Es dauerte etwas, bis ich meine Gedanken wieder im Zaume halten konnte und ruhiger wurde.
Was war überhaupt sinnvoll an Hass oder Liebe, fragte ich mich noch einen Moment, ehe ich letztendlich doch wieder wegdämmerte.


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 18 Okt 2017 22:44, insgesamt einmal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 30 Okt 2017 20:17    Titel:
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Zitat:
Ich habe nicht viel Ahnung von Kunst. Im Grunde genommen so gut wie gar keine. Zwar reiste ich mit Schaustellern umher, nachdem ich mein Elternhaus verlassen hatte, aber das war eben doch eine etwas andere Art von Kunst. Unterhaltung eben. Direkter und deutlicher auf das Publikum einwirkend, damit die Geldkatze ihr Maul weit genug aufreißt und ihren Inhalt in den herumgehenden Hüten entlässt. Genauso die einfachen Barden in den Tavernen. Das Geld, was dann fließen soll, ist der Antrieb, Kunst zu schaffen. Wenn man es noch so nennen mag.
Anders dieses Gemälde. Als ich es betrachtete, wurden meine Knie förmlich weich. Es traf mich mit so einer direkten Wucht, dass ich nicht wusste, wie mir geschah. Da war diese Spannung im Bild, die mich erreichte und letztendlich gab ich meinen Schutz auf. Es kann sein, dass ich es irgendwann bereue und darauf stelle ich mich vorsichtshalber ein.

Momentan trudeln Aufträge ein, so dass ich merke, wie ich ein wenig in Terminnot gerate. Während ich im alumenischen Reich mich lieber bedeckt gehalten hatte, was mein Können anging, so bin ich hier offen, auch wenn es etwas Überwindung am Anfang gekostet hatte. Eine Prägung legt man eben nicht so schnell ab. Hier im alatarischen Reich jedoch fühle ich mich freier und lupfe gerne die Maske, die ich sonst so sorgsam aufgelegt hatte. Natürlich bedeutet auch das eine gewisse Schutzlosigkeit, aber ich fühle mich dennoch weniger verletzlich, als im anderen Fall. Es ist eben leichter, sein Aussehen zu manipulieren, als die Gefühle.

Ich bin immer noch froh, dass ich kein Tagebuch schreibe. Was für ein Quark ...
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 17 Nov 2017 10:55    Titel:
Antworten mit Zitat

Zitat:
Etwas Distanz einnehmen. Man sagt ja auch, aus der Ferne lassen sich die Dinge besser betrachten. Der eigentliche Grund war jedoch, dass ich sauer war. Als wenn er nichts dazulernen würde! Und am Ende würde er wieder meckern. Schon verrückt, wie sich das zu gleichen schien.
Der Brief wiederum war immerhin bei weitem nicht so schockiernd, wie ich befürchtet hatte. Nicht unbedingt klug, meiner Meinung nach, und natürlich störte es mich, dass mein Ratschlag in den Wind geschlagen wurde, aber der Rest war weder überraschend, noch erschreckend. So war er eben und ich könnte wohl damit leben, wenn ich nicht das Gefühl hätte, er wäre von etwas besessen. Doch immer, wenn ich mir sage, was für ein Depp er doch eigentlich ist, kommen andere Erinnerungen auf und lassen mich ins Grübeln verfallen. Tatsächlich kann wohl wirklich nur die Zeit und ein wenig Abstand alles richten.

Ich werde mir auch Zeit nehmen, um vielleicht dem Rat des Ritters nachzugehen und mir diese eine Geschichte anhören. Im Hort des Wissens und in der Bibliothek des Rathauses konnte ich sie nicht finden. Also doch zum Tempel. Fraglich nur, was ich damit offenbare, wenn ich nach der Geschichte frage. Vielleicht sollte ich nochmal versuchen, den Ritter etwas zu löchern. Aber vorsichtig. Dumm ist er ja wirklich nicht.

Ansonsten nutze ich die Zeit, um meinen Aufgaben nachzugehen. Um an mir zu arbeiten - mit dem Dolch, dem Bogen, dem Gift und was es sonst noch zu verbessern gilt. Um meine Notizen über dies und das und diese und jene Person in Ordnung zu bringen. Um für Lana da zu sein - im Vergleich zu ihrem Problem ist meines eh ein Fliegenschiss.

Eigentlich sind doch Männer das Problem, oder? Der eine ist ein Depp, der wohl irgendeinem Traum nachjagt, der andere komplett bekloppt geworden und gerade dabei einen Traum zu zerschlagen, wiederum ein anderer scheint wohl dringend ein körperliches Defizit ausgleichen zu müssen und ein anderer schafft es, dass man von Gewissensbissen förmlich zerkaut wird.

Vielleicht sollte ich wirklich mit Lana durchbrennen.
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 19 Nov 2017 10:51    Titel:
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie dieser Fremde vor mir stand. Diese Drohung, das Klicken, der Dolch in seiner Hand - viel zu nah an meinen Hals. Ich hatte keine Zweifel, dass ich jederzeit tot sein könnte, wenn ich das Falsche sagen oder tun würde. Das war kein Spiel mehr, sondern, wenn ich einen falschen Schritt tat oder ein falsches Wort sagte, blutiger Ernst. Nicht ein Hauch von Sympathie, sondern das pure Misstrauen schlug mir schmerzhaft entgegen.

Etliche Stunden später schien der Schrecken vergangen, ähnlich einem bösen Traum, aus dem ich erwacht war. Schlafen konnte ich allerdings nicht mehr, sondern lag grübelnd herum und so krabbelte ich möglichst leise aus dem Bett heraus, zog mir etwas an und tat das, was ich am liebsten tat, wenn ich zu früh wach wurde - die Stille der Stadt genießen.
Bis auf ein paar Wachen war kaum jemand auf den Beinen. Ein paar Nebelschwaden zogen hier und da durch die Gassen und dämpften die stadtüblichen Geräusche noch ein Stück weit mehr. Solche Momente liebte ich. Man konnte in Ruhe grübeln, wenngleich ich seit dem Toten vor meinem Haus etwas wachsamer geworden war.

Ein paar Schritte nur und ich stand vor seinem Haus. Klar, es war zu früh, als dass ich hier hätte Leben vermuten können und so passierte ich es, während ich es aus den Augenwinkeln betrachtete. Ich konnte das Gleiche tun wie er. Vermutlich würde es ihn nicht mal stören, weil ich mich eh geirrt hatte. Unfälle passieren. Das war mir lieber, als irgendwelche langen Reden zu halten und dabei irgendwas wieder zu offenbaren. Ich glaubte eh zu ahnen, wie er reagieren würde und am Ende würde ich mich wie ein dummes Mädchen fühlen. Nein, viel lieber würde ich ihn nun dumm dastehen lassen ...

Meine Füße trugen mich weiter durch die Gassen, bis hin zum Hafen. Auch hier war es, bis auf ein paar Wachen, ruhig. Die Fischer waren wohl draußen auf dem Meer, um den Fang des Tages zu holen und die meisten Arbeiter schliefen noch. Ich atmete tief die kühle, feuchte Luft ein und sah hinaus in die dichte Suppe, die über dem dunklen Meer hing. Irgendwo kreischte eine Möwe, während ich meinen Gedanken weiter nachhing.

Etwas, was mein Leben wert ist.

Stirnrunzelnd stand ich eine Weile grübelnd da, bis ich fröstelte, mich umdrehte und den Heimweg antrat.
Ich musste das irgendwie unter diesen einen Hut bringen.
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 29 Nov 2017 11:31    Titel:
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ein gewaltiges lippenloses Maul öffnete sich grollend und verschluckte mich.
(...)
Mordlüstern-anmutende Augen fokussierten mich und eine kalte, scharfe Klinge legte sich an meine Kehle.
(...)
Auferstanden von den Toten wandte er sich mir zu und schenkte mir ein selbstsicheres, siegessicheres Lächeln.




Als ich aus meinem unruhigen, alptraumgeschwängerten Schlaf erwachte, stellte ich erstmal ganz banal fest, dass der Kamin erloschen und es außerhalb meiner Decke zu kalt war. So blieb ich liegen, schlummerte traumlos wieder ein und wachte irgendwann wieder auf.
Ein Kater blieb mir erspart. Dafür war es dann doch nicht so viel Rum gewesen. Ich hatte nur das Bedürfnis, einen ordentlichen Schluck Wasser zu trinken und mit irgendeiner leichten Speise meinen leeren, knurrenden Magen zu füllen und so schlich ich mich müde in die Küche.

Es war ja auch eigentlich alles gut. Das letzte Mal - ein paar Jahre ist es nun her -, als ich es vollkommen übertrieben hatte, erwachte ich am Morgen auf dem Rücken einer schwarz-weiß-gefleckten Kuh irgendwo auf einer Wiese im Nirgendwo auf und wusste gar nichts, außer dass ich am Vorabend auf die Idee gekommen war, nach einem recht widerlichen Eintopf einer Garküche einen Schnaps zum Aufräumen meines Magens zu trinken.
Seither hatte ich mich möglichst zurückgehalten, mich lieber an Bier oder Wein festgehalten oder es tatsächlich geschafft, bloß einen Kurzen zu trinken. Gestern reichten auf meinem nüchternen Magen jedoch ein Bier und ein Krug Rum, um mich allerhand sinnloses Zeug schwafeln zu lassen und eine Verlobung mit Shianna einzugehen - immerhin war mir die Erinnerung an diesem Quatsch geblieben.
Ja, selbst der Grund, warum ich zum Rum gegriffen hatte, war mir klar. Ich brauchte etwas, um mich ein wenig zu beruhigen. Der Krathori einerseits, der wohl in den Köpfen der anderen Gäste herumgespukt und damit eine bedrohliche Situation herauf beschworen hatte, dazu seine "Begleitung" und die Ankündigung - oder Drohung - heute beim Kartenspiel zu erscheinen und dann auch noch er. Ich war für einen längeren, schwachen Moment so unangenehm von der Angst in die Kneifzange genommen, dass ich nicht mehr wusste, was zu tun war. Wie eine Maus, die feststellen musste, dass sich zur Schlange noch der Skorpion gesellt hatte.
"Das müssen wir in den Griff kriegen, ne?"
Ja, wenn er wüsste ...


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 29 Nov 2017 11:31, insgesamt einmal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 11 Jan 2018 11:01    Titel:
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Für den Bruchteil eines Augenblickes war ich versucht, zu Temora zu sprechen, zu beten, wie auch immer man das nennen wollte. "Ein Geschäft vorzuschlagen" wäre sogar die passendste Bezeichnung. Aber einer Gottheit ein Geschäft vorzuschlagen, dürfte wohl wenig erfolgreich sein. Im schlimmsten Falle schlägt mir einer ihrer sterblichen Handlanger den Schädel vom Hals. So beließ ich es bei dem, was ich bisher tat - möglichst unauffällig für die Götter zu bleiben. Ich lasse euch in Ruhe und ihr lasst mich in Ruhe, indem ihr gar nicht erst merkt, dass ich da bin. Lediglich Alatar gegenüber war ich gewillt - möglichst positiv - aufzufallen, allein schon, um Kra'thor von der Schippe zu springen.

Das mit der Unauffälligkeit ist aber so eine Sache. Natürlich ist es bequem, sich wie eine Maus zu verstecken, ab und an die Nase mal vorsichtig rauszustrecken und zu schnuppern, um dann wieder rasch zu verschwinden. Auf der anderen Seite kommt man aber so schwer an die - um beim Mausbeispiel zu bleiben - Leckereien in der Küche heran. Ich war schon etwas näher heran getrippelt und hielt immer wieder Ausschau nach einem bestimmten Koch dieser Küche - jener, dem bereits ein paar Brocken vom Brett gekullert waren und die ich gerne verspeist hatte. Aber Pustekuchen! Dafür machte ich Bekanntschaft mit dem Rest des Hauses und manchmal machte das sogar irgendwie Spaß. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht mit Wut und Hass im Herzen auftrat.

Pragmatische Gründe leiteten mich und der nächste Schritt war ebenso nur ein weiterer, nüchterner Baustein. Reichte ja schon, dass ein anderes starkes Gefühl mich mit sich riss und nun noch dafür sorgte, dass ich mich vor ihr ein Stück weit verkroch. Um wieder zum Mausbeispiel zurück zu kehren - während ich auf die Katzen des Hauses zumarschiere und mit ihnen fröhlich plaudere, mich sogar von ihnen beschnuppern lasse, verkrabbele ich mich vor einer anderen Maus. Bescheuert. Aber das Thema war mir unangenehm und ich wusste keinen wirklich guten, halbwegs intelligenten Einstieg. Jeder Satz, der mir einfiel, kam mir unendlich peinlich vor und manchmal kam mein empörtes Ich hervor und fragte, warum ausgerechnet ich das tun sollte? Für ihn? Ja, das war es wohl und weil ich ihr Können ab und an brauche.

Egal. Es gab erstmal Wichtigeres. Zurück zur Küche. Sollten die Türen tatsächlich verschlossen sein, gab es ja noch das Esszimmer. Vielleicht sollte ich dem Ungeziefer dort bald einen Besuch abstatten.


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 11 Jan 2018 11:03, insgesamt einmal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 13 Feb 2018 11:34    Titel:
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Es war so früh am Morgen, dass man fast noch von Nacht sprechen konnte, als ich das Haus verließ und mich in meinen Mantel einmummelte. Er schlief seinen Rausch aus und mir war gerade nicht nach trauter Zweisamkeit. Ich war zu früh wach geworden, hatte vor mich hin gegrübelt und mehr und mehr rutschte ich über Frustration und Enttäuschung hinüber zu allmählich kochender Wut. Es war eine Sache, zu sagen, dass alles in Ordnung wäre, aber eine andere, wenn es einem tatsächlich noch immer einen Stich versetzte bei dem Gedanken, was passiert war. Warum musste es ausgerechnet sie sein?

Ärgerlich trat ich einen Stein von mir, während ich das Osttor verließ und mich weiter aufmachte in Richtung Wetterau. Auch die Arbeit brachte mir gerade keinerlei Befriedigung. Mir war, als wären alle Türen verschlossen und am liebsten wollte ich wütend dagegen hämmern oder gleich das ganze Haus in Brand setzen. Verdammt, ja! Einfach mal etwas sinnlos zerstören! Danach war mir gerade zumute und im Geiste sah ich mich bescheuert lachend auf rauchenden Ruinen stehen - das klischeehafte Abziehbild eines alatargläubigen Fanatikers aus der Sicht eines vor lauter Licht verblendeten, alumenischen Volltrottels! Ich könnte kotzen.

Apropos kotzen. Warum nicht Gift? Nicht jedes Gift brachte einen um. Ein verdammtes Törtchen mit irgendwas versetzen, was für einen fiesen Durchfall sorgte. Dann war eben das Törtchen schlecht. Kann passieren.
Nur wozu das Ganze? Für drei Sekunden Zufriedenheit, weil es ihr schlecht ging, ohne dass sie den Grund verstand? Und wenn er es herausfand? Es war schlichtweg unvernünftig und änderte gar nichts, vielmehr sorgte es nur für mehr Probleme und verstieß noch dazu gegen eines meiner Prinzipien.
Mir war danach, mir die Haare zu raufen. Stattdessen stand ich nur dumm auf irgendeiner mit Frost überzogenen Wiese herum und wusste nicht, was ich nun tun sollte. So tat ich das, was ich am besten konnte - all die verdammte Wut runter schlucken und weiter meine Pflicht tun, selbst wenn es mir gerade nur Kopfweh bereitete. Ich sah schon den nächsten ritterlichen Arschtritt auf mich zukommen.

Kurz brach es aus mir raus und ich trat mit Schmackes und einem Knurren gegen einen Baum.
Es war gut, dass es so früh am Morgen war. So sah niemand, wie dumm das war und wie ich humpelnd meines Weges zog.


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 13 Feb 2018 13:32, insgesamt 2-mal bearbeitet
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 Beitrag Verfasst am: 25 Feb 2018 20:41    Titel:
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Stirnrunzelnd zupfte ich gerade ein paar Zweigreste aus meinen Haaren und schnippste sie weg, ärgerte mich im Stillen über diese Unachtsamkeit, aber sagte mir auch, dass es wohl keinem aufgefallen sein mochte. Selbst wenn - wer dürfte da wohl die richtige Verbindung herstellen und darauf kommen, dass ich eine Gruppe Menekaner bemüht leise durch das Wäldchen verfolgt hatte?

Ich schloss die Tür des Hauses auf, das ich vor wenigen Stunden mit einem unruhigen Gefühl verlassen hatte und stockte, als ich gerade eingetreten war. Dunkle Knopfaugen sahen mich treuherzig an und die Botschaft, die dieser kleine Stoffgeselle vermittelte, traf mich direkt. Vorsichtig hob ich ihn auf und konnte nicht anders, als ihn an mich zu drücken. Das Herz wurde mir so eigenartig schwer. Reue. Das war es wohl, was ich nun fühlte. Ich hatte gesehen, was meine Optionen bei ihm auslösten, aber hätte ich es nicht getan, wo hätte es dann geendet?

Die Nacht bei Lana war mit wenig Schlaf ausgefüllt. Die meiste Zeit hatte ich nur schlaflos herum gelegen und zu der Glut im Kamin gestarrt, während ich ihrem ruhigen Atem gelauscht hatte. Ich ließ alles nochmal durch meinen Kopf gehen, was passiert war, einzelne Sätze und Satzfragmente schossen mir durch den Kopf und immer wieder hörte ich "Du hast etwas Besseres verdient". Aber gab es etwas Besseres? Dennoch hatte ich mehr und mehr das Vertrauen verloren und das Gefühl, dass es ganz egal war, was ich sagte. Es schien nicht anzukommen und er verstand mich nicht.

Als er es dann wagte, mir einen Befehl zu geben, platzte mir der Kragen. Unangenehm fühlte ich mich wieder an früher erinnert, doch dieses Mal wollte ich nicht den Kopf einziehen und nachgeben. Ich sah förmlich Rot in diesem Moment und sprach deutliche Worte und kurz darauf auch die beiden Optionen aus.
Oh, wie ich Option zwei fürchtete. Ich wusste, was das mit mir machen würde. Ich würde es überleben, keine Frage. Irgendwann hätte ich es sogar gut geheißen. Es war immer noch besser als die Situation, in der ich kurz vorm Aussprechen beider Optionen stand. Eine Situation, in der ich das Gefühl hatte, immer weiter hinab zu sinken.
Er wählte Option eins und ich merkte, diese Option war es, die ihn veränderte und hinabzog. Ich versuchte ihn zu halten, ihm Wärme zu geben, aber es schien vergebens. Es stand nun zwischen uns und ich wusste, ich hätte nie meinen Mund so voll nehmen dürfen und etwas erlauben sollen, von dem ich mir nicht sicher war, ob ich es wirklich aushalten konnte.

Auf dem Markt war ich mir unschlüssig, ob es passend wäre, ihm ein Geschenk mitzubringen. Es erschien mir so seltsam falsch. Als wenn das Frauchen dem Hundchen ein Spielzeug zur Ablenkung mitbringt. Jedoch war mir dieses kleine Stofftier aufgefallen und einen Moment haderte ich doch mit mir, ihm das zu kaufen, ehe ich den Gedanken von mir schob.
Nun vergrub ich mein Gesicht in das weiche Plüschfell und musste mich zusammenreißen, weil mich diese Geste so verdammt rührte. Ich fragte mich, ob ich meine Worte nicht wieder zurücknehmen sollte. Aber andererseits hatte ich mir geschworen, nun konsequent zu bleiben.
Wie bei einem jungen Hund, den man erziehen muss.


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 25 Feb 2018 20:49, insgesamt einmal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 04 Apr 2018 00:27    Titel:
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Ich vermisse Lana.

Gerade jetzt, wo ich das Gefühl habe, es wird wieder schlimmer. Da dachte ich erst noch, es wird alles gut, wir hätten es überstanden und wir würden aus all den Problemen gestärkt herausgehen, auch wenn ich jegliche Konsequenz fallen gelassen hatte. Kaum sagte ich das, kam der Dämpfer und es wurde noch schlimmer an dem vermaledeiten Abend.
Rückblickend merke ich, wie das an mir zehrt und wie ich anfange, mehr und mehr den Kopf einzuziehen und damit in ein altes, verhasstes Muster zurück zu verfallen. Keine Wut mehr, außer als er mir vorwarf, ich würde lügen und wäre nicht vertrauenswürdig.
Wut, weil er nicht verstand, warum ich mich so verhielt, trotz all meiner Versuche, es ihm zu erklären - das Gefühl, nicht ausreichend zu sein und der Wille, es ihm recht zu machen. Aber die Wut verrauchte, als ich das erkannte, was er mir immer wieder gesagt hatte - er war krank. Wie lange hatte ich das ignoriert, nur weil ich ihn auf ein Podest gehievt und ihn idealisiert hatte aus lauter kopfloser Verliebtheit, wie man sie nur am Anfang spürt. Seit dieser Sache mit dieser rothaarigen Schlange - möge sie aufgedunsen in irgendeinem gammeligen Teich im Osten vor sich hinfaulen und selbst Maden ihr Fleisch verschmähen! - war er jedoch von diesem Podest stetig hinabgerutscht auf ein erstmal gesundes Maß, wo ich ihn nun leichter auf Augenhöhe betrachten konnte. Ich weiß nicht, ob ich es mir nur einrede oder ob es wirklich so ist, aber in seiner Krankheit glaube ich den Grund für sein Verhalten zu sehen und die Unfähigkeit, zu verstehen, dass ich das alles nur tat, weil ich es ihm recht machen wollte und weil ich ihn liebe. Mir ist, als wenn er nicht erkennt, wie sehr es mich trifft, wenn er so mit mir spricht, wenn er wieder seine Sachen zusammenrafft und mich verlassen will.
Recht machen aus Liebe, auch wenn man immer wieder verbale Schläge kassiert. Es erschreckt mich, wie sich das alles wiederholt und so war auch der Traum in der Nacht darauf nicht weiter verwunderlich. Nun lag er in dem Grab und ich erwachte erschrocken mit der Gewissheit, dass ich seine Mörderin in diesem Traum war. Nein, so wollte ich es nicht wieder enden lassen! Aber andererseits befürchte ich, dass es mich kaputt zu machen droht, wenn ich weiterhin den Kopf einziehe und alles einfach hinnehme, bis sich in mir eine unzähmbare Wut aufbaut, die dann irgendwann ausbrechen will.

Ja, Lana und die Gespräche mit ihr fehlen mir. Terren kann ich kaum was dazu erzählen, denn die Sorge, dass er ihm dann den Hals umdrehen würde, ist sicher nicht ganz unberechtigt. Gerade jetzt, da nun beide sich besser zu verstehen scheinen, möchte ich keinen Keil dazwischen treiben.
Und sonst? Es gibt natürlich viele nette Leute um mich herum. Aber wem kann man in diesem Schlangennest namens Gerimor schon wirklich vertrauen? Nur dir selber.
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 26 Apr 2018 21:14    Titel:
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Zitat:
Ich vermisse Lana noch immer.
Aber andererseits liegt es an mir, auf andere zuzugehen und die alte Gewohnheit und Vorsicht abzulegen und sich hier und da auf eine Art und Weise zu öffnen, so dass man nicht unbedingt gleich einen Dolch zwischen den Schulterblättern zu spüren bekommt und sei es nur sprichwörtlich. Einen Ruck gab ich mir, indem ich bereit war, meine Gedanken zu teilen, aber es kam doch etwas anders, als gedacht. Seitdem habe ich übrigens einen ziemlichen Appetit auf Erdbeeren! Auch den Abend am Feuer in Bajard kürzlich hatte ich genossen und ja, selbst den gestrigen Abend in der Taverne in gewisser Weise, auch wenn ein Krathori zum Schluss noch eintrudelte.

Diese Rabendiener haben ein echtes Talent, immer dann aufzutauchen, wenn ich dort bin und schwerlich einfach so verschwinden kann. Kurzzeitig geriet der Gedanke, dass dieser Mann dort an der Theke ein Krathori war, sogar in den Hintergrund. Der Abend war angenehm zerstreuend gewesen, doch als er nach meiner Hand griff, schlug in mir alles Alarm und selbst die Vorsicht, meine Angst nicht zeigen zu wollen, um nicht angreifbar zu sein, fiel vor lauter Schreck von mir ab.
Nunja, so wie es aussieht, habe ich meine Seele noch. Also alles gut, denke ich. Zudem war Terren an dem Abend dabei. Den Dolch, den er zu ziehen drohte, entging mir nicht, auch wenn ich bezweifle, dass ich damit gerettet gewesen wäre, hätte der Krathori wirklich versucht, mir irgendwie zugunsten seines Herrn zu schaden. Aber das Wissen, dass der Bruder da war und nicht von der Seite wich, war schon mal beruhigend.

Genauso beruhigend wie das Wissen, dass er nun das Zimmer bezogen hat, was ich so mehr oder weniger als Gästezimmer geplant hatte. Aber noch während ich es einrichtete, wurde klar, für wen es gedacht ist - all die Bücher in dem Raum und das Regal mit Platz für noch mehr Bücher, zeigten schon, an wen ich dabei gedacht hatte. Unweigerlich musste ich heute morgen lächeln, als ich daran dachte, dass wir, wie früher, wieder unter einem Dach schliefen. Jetzt jedoch ohne sich das Bett teilen zu müssen - zum Glück! Fragt sich nur für wen. Bisweilen vermisse ich die tiefschlafenden Geschwister, an denen ich meine kalten Füße wärmen konnte ...

Fußwärmer ...
Er ist wundervoll. Auch wenn immer mal wieder Zweifel aufgekommen waren, aber es gibt wohl keinen, der so perfekt zu mir passt, trotz mancher Streitigkeiten. Letztlich gab es nur ein Thema, an dem sich der Streit gerne mal entzündete und das ist nicht mal mehr ein Thema. Neben all dem Liebeskrimskrams ist er mir auch ein guter Ratgeber und ich werde sicher noch manches von ihm lernen können, wuchs er doch anders auf als ich. Was ich dafür geben kann? Vielleicht den Anklang einer Art Familien- und Nestwärme, ohne dass wir auf einmal zu dritt dastehen. Oder schlimmer. Ricas Vorstellungen will ich jedenfalls nicht erfüllen!


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 26 Apr 2018 21:15, insgesamt einmal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 02 Jul 2018 21:39    Titel:
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Musik

Einige Jahre zuvor ...

Sarestres wippte auf seinen Füßen gemächlich, dabei aus dem vom Staub vieler Jahre und mangelnder Pflege beschlagenen Fenster blickend, den vollen Mond betrachtend und den Blick seines Vertrauten im Rücken spürend. Vor ihnen lag die Stadt ausgebreitet, ruhend und nur hier und da waren wenige Lichter erkennbar. Eigentlich die beste Zeit zum Arbeiten.
"Ich habe mir allmählich Feinde gemacht", sprach er ruhig und bedacht mit dunkler Stimme.
"Der Kaptein? Du bist dreist, aber wenn einer hier das Ruder übernehmen kann, dann du."
"Ja. Aber nicht nur er und seine Gestalten. Sie auch. Loreen."
Der Name rollte ihm über die Zunge hinweg und er fasste mit dem Blick aus seinen dunklen Augen etwas in der Ferne, ein Punkt in der Stadt. Er wusste, sie war dort, schlief hoffentlich, so wie er es ihr gesagt oder eher angeordnet hatte. Derweil entstand ein Moment der Pause, während in seinem Rücken eine Rauchwolke samt Pfeifenduft kräuselnd aufstieg.
"Ich dachte, du hättest sie soweit geformt?"
"Sicher. Aber ihr Blick hat sich in der letzten Zeit verändert. Sie schafft es zum Glück nicht, ihre Gefühle zu verbergen, auch wenn sie sich sichtlich Mühe gibt. In ihren Augen kann ich aber immer noch alles lesen." Ein bitteres Lächeln legte sich auf seine Miene, während er sprach. Er musste sich eingestehen, dass er eigenwillige Gefühle für sie hegte. Er hatte zuvor nie jemanden so nah an sich herangelassen wie sie. Aber er hatte erkannt, dass sie die richtige Person sein könnte. Nicht an seiner Seite, sondern eine Stufe unter ihm, wo er sie bisher erfolgreich gehalten hatte, jedoch ...
"Die Bewunderung am Anfang ist vollständig erloschen und auch diese Ergebenheit."
Ein leises, heiseres und andeutungsweise schadenfrohes Lachen war in seinem Rücken flüchtig zu hören.
"Ah, und du rühmst dich immer damit, wie du andere manipulierst und steuerst. Ausgerechnet an diesem kleinen Käfer scheiterst du? Glaubst du das wirklich? Und wenn ja, dann zerdrücke sie doch. Der große Fisch frisst den kleinen."
Unwillig verzog Sarestres seine Miene, ging auf diese Worte nicht weiter ein.
"Sie plant etwas. Das sehe ich in ihren Augen."
Stirnrunzelnd wandte er sich dem Kerzenschein zu, den Blick seines Gegenübers entgegnend. Einen Moment sah er grübelnd hinüber, dann strich er sich nachdenklich durch den kratzigen Bart und schüttelte den Kopf.
"Ich werde vorsorgen müssen. Sie ist nicht ganz ohne. Wenn ihre Wutausbrüche doch wieder durchkommen, vergisst sie sich unzweifelhaft. Wie so ein verdammter tollwütiger Panther benimmt sie sich dann."
Einen Moment fasste er sein Gegenüber abwägend ins Auge, ein angedeutetes Lächeln legte sich dann aber doch auf seine Miene.
"Du wirst mir helfen. Und zwar ..."

Leise Worte wurden gewechselt, derweil etliche Straßen weiter weg Loreen in dem breiten Bett lag, sich an ein Kissen klammerte und grübelnd ins Dunkel sah, lauschend, ob Schritte zu hören waren. Manchmal wurde sie das Gefühl nicht los, er las in ihr und sie wagte es nicht, das Gesicht wegzudrehen, um so zu offenbaren, dass sie doch etwas im Schilde führte. Morgen, ja, morgen würde sie endlich die Alte im Wald aufsuchen, von der sie so oft Gerüchte gehört hatte. Die Mädels im "Schwalbennest" hatten es ihr leise raunend empfohlen. Mochten sie für Geld auch alles tun - letztlich hatten sie ein Herz und wenn es um schlechte Männer ging, mit denen die Mädels mehr als genug Erfahrungen gemacht hatten, herrschte rasch Solidarität.

"Ich bin nicht dein scheiß Laufbursche", knurrte Sarestres' Gegenüber letztendlich, als er seinen Plan offenbart hatte.
"Und doch - du magst mein Spielchen. Deine Augen sind auch gut lesbar, alter Freund. Außerdem lasse ich sie nicht gewinnen. Du wirst also eh nicht zum Zuge kommen. Eher ist sie Rattenfraß."
Selbstsicher war das Lächeln, was er nun zeigte und zufrieden mit sich und der Welt verabschiedete sich Sarestres von seinem Gegenüber und machte sich auf den Weg zur Wartenden.
Es hatte ja auch sein Gutes, wenn da jemand das Bett wärmte ...


Zuletzt bearbeitet von Loreen Kaloor am 03 Jul 2018 10:02, insgesamt 4-mal bearbeitet
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Loreen Kaloor





 Beitrag Verfasst am: 26 Aug 2018 19:37    Titel:
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Zitat:
Draußen trommelte der Regen gegen das Fenster, ließ mich von dem Buch aufschauen, was ich gerade las und mir fiel auf einmal ein, was ich eigentlich für den Spätsommer angedacht hatte. Wie rasch die Zeit doch vergeht.

Da war unsere Reise zu meiner Familie gewesen - Fiete, Terren und ich. Ich ging hin mit einem reichlich mulmigen Gefühl, doch zurück kam ich angenehm befreit. Es hatte gut getan, sie alle nach der langen Zeit wieder zu sehen und auch wenn da ein klein wenig das schlechte Gewissen an mir nagte, weil ich nicht alles offenbaren konnte, so überwog in der Summe das gute Gefühl, etwas Richtiges getan zu haben. Besonders bewunderte ich Fiete dafür, wie er es geschafft hatte sie alle, sogar Mattes, um den kleinen Finger zu wickeln. Auch das Thema Glaube war kein Problem, aber das überraschte mich wenig. Auch wenn in meiner Familie Eluive und Temora geehrt wurden, besonders tief religiös waren höchstens die Großeltern und die hatten sich irgendwann damit arrangiert, dass der Rest der Familie zu viel um die Ohren hatte, um ständig in eine Kapelle zu rennen. So war es schon in meiner Kindheit, dass wir bloß wenige Male im Jahr zu einer Messe gingen. Das Thema Glaube kam also während unseres Aufenthaltes nicht auf den Tisch und das ersparte mir weitere Lügen.

Zurück auf Gerimor folgte dann recht bald der Umzug nach Düstersee. Vielleicht, weil ich dort eh öfter war und gerne mit Enomis tratschte. Vielleicht, weil ich näher am Hort des Wissens bin, wo ich mich nun als Bibliothekarin nützlich machen möchte. Vielleicht, weil mich das Haus hier ein wenig an mein altes Zuhause meiner Kindheit erinnert. Oder eben alles zusammen. Sieht man davon ab, dass das Herumbrüllen wohl eine der beliebtesten Formen der Kommunikation der Bewohner von Düstersee ist, ist es hier ganz gemütlich, angenehm und persönlicher.

Noch etwas Erfreuliches tat sich auf - ein neuer Auftraggeber, überaus spendabel, selbst wenn man nur einen Wisch aus dem Osten anschleppt. Ich habe das Gefühl, dass ich da niemals feilschen muss und immer zufrieden mit dem Geschäft sein kann. Nun gilt es weiter fleißig zu sein oder besser gesagt: noch ein wenig fleißiger werden. Je seltener ich mich mit dem Kroppzeug in den diversen Höhlen und Katakomben herumplagen muss, um meine Miete zahlen zu können, umso besser.

Ein wenig Geld sollte ich noch für etwas anderes in die Hand nehmen. Schöne, besondere Kleidung (Enomis), beste Speisen und Weine (Luca), ein spätsommerlicher oder frühherbstlicher Abend bei Sonnenschein und dann ...
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