Sieben Strafen

[Yashira Yazir]

Der Regen prasselte heute wie auch in den letzten Tagen unaufhörlich auf die Stadt Menek’Ur nieder. Seit fast drei Stunden war Yashira nun schon auf der Wache. Ihren Posten konnte und wollte sie nicht verlassen, auch wenn ihre Rüstung inzwischen völlig durchnässt war. Der Wind zog über die Mauern und löste bei ihr ein Frösteln aus. Die Kälte fühlte die junge Akemi aber nicht, viel zu sehr war sie in ihre Gedanken vertieft. Gedanken um Rache, um Strafe und Vergeltung. All das würde sie sich holen und schon heute wollte sie damit beginnen.

„Diese Renana! Mich einfach zu kratzen. Sieben Strafen für sieben Striemen. Aber mit was fange ich am besten an? Ich darf es natürlich auch neda übertreiben..“ Mit einem Seufzen schaute sie in die Ferne. Dunkle Gewitterwolken über die ganze Wüste hinweg. Nur dort hinten bei den Bergen zum Norden hin wurde es heller. Was ein Unglück, erst vor einer halben Stunde noch hatte sie sich abgeschuftet und das Wasser mit Eimern die Mauer hinab geschüttet. Sie fühlte sich schon jetzt erledigt, aber an Pause war noch nicht zu denken. Die Knochen schmerzten und irgendwie hatte sie nur noch den Drang zu schlafen. Was ein blöder Abend…

Die Nacht war noch lang bis Yashiras Wache endlich ein Ende fand und sie nach Hause gehen durfte. Die Straßen waren leer und auch auf den Wegen zeigte sich keine Seele mehr. Die ganze Zeit über hatte sie gerätselt und überlegt. Was für Strafen würden bei dem was Renana gemacht hatte in Frage kommen? Übertrieb sie mit den Strafen vielleicht schon generell? Was, wenn daraus nun noch eine Feindschaft entstehen würde? Sie konnte doch unmöglich jemanden nicht mögen. Eigentlich war das völlig untypisch. Sie mochte jeden! Ausnahmslos! Eigentlich. Aber irgendwie konnte sie es auch nicht auf sich sitzen -und Renana davonkommen lassen. Nachdem sie daheim angekommen war, entledigte sie sich zunächst ihrer nassen Rüstung und trocknete sich mit einem großen Stofftuch ab. Sie warf einen Blick aus dem Fenster hinüber zum großen Gemeinschaftshaus. Keine Lichter, alle mussten inzwischen schon schlafen. Es war ein Vorteil den Dienst zu so später Stunde anzutreten. Es dauerte eine Weile bis Yashira sich trockene, anständige Kleidung gesucht und wieder angezogen hatte. Bewaffnet mit einer kleinen Kerze in einem roten Glasgefäß, schlich sich Yashira hinüber zu dem großen Gebäude. Auf Zehnspitzen suchte sie sich ihren Weg nach oben, in den Gemeinschaftsschlafraum der Frauen. Dort, irgendwo, musste Renana wohl schlafen.



Nur ein kleiner Leuchtkegel ging von ihrer Kerze aus, mit der Yashira nach und nach alles absuchte. Sie konnte das leise Atmen der anderen Natifahs hören, wie diese friedlich vor sich hin schlummerten. Nur keinen Lärm machen. Die Anspannung war Yashira in die Glieder gefahren. Heimlichkeit war auch nicht gerade etwas das sie täglich übte und so fiel ihr diese Aktion doch nicht gerade leicht. Als sie endlich fündig wurde, lächelte sie matt. Sie war am Ziel, dort am Ende des großen Betts lag ihre Beute. Vorsichtig machte sie sich daran alle Kleidung einzusammeln, die sie Renana zuordnen konnte. Ob dies als ‚Strafe‘ taugte, wusste Yashira nicht, aber es wäre immerhin ein harmloser Anfang. Auf Zehenspitzen wieder machte sie sich davon…