Alter Weg und neuer Pfad..

[Myriande Nueh]

Myriande sitzt an dem Tisch in der Mitter eines geräumigen Zimmer in dem noch zwei Betten an der Wand, zwei Kommoden und zwei Schränke stehen. Durch den Spalt in der kalten Mauer sieht sie, wie die Sonne, welche langsam den Horizont empor kletter, den Morgen in ein sanftes orange-rot tüncht. Mit einer Hand fährt sie sich durch ihr dunkelbraunes lockiges Haar und lässt den Blick in Gedanken versunken durch den Raum schweifen.

"Ich habe es geschafft..",murmelt sie leise zu sich selbst. Ein kurzes Nicken folgt sogleich auf ihre Worte. Sie hält einen Moment inne und atmet ruhig und konzentriert tief ein und aus.

Im Gedanken lässt sie die letzten Wochen Revue passieren und erinnert sich an die unangenehme Zeit vor der Aufname im Kloster.
Sie denkt daran, wie sie einst ihre Mutter verlor und sich ihr Vater mit ihrem Bruder zusammen das Leben nahm. Damals, als ihre Welt noch von harter Hausarbeit und Sorge um die Ihren beherrscht wurde.
Nach dem Tod ihrer Familie und der Verpfändung des Hauses kurz nach deren Ableben, musste sie ihr Dasein auf den Straßen fristen.
Sie schlief in Gassen oder suchte sich ihren Schlafplatz vor den Öfen von Gaststätten und Tavernen, welchen sie sich durch Arbeit in der Küche verdient hatte.
Es war eine Zeit voller Entbehrungen. Doch niemals beklagte sie sich ob ihres Daseins, denn die Hoffnung auf eine bessere Zeit trug sie auf den Schwingen der Zuversicht. Wie sie es einst von ihrer Mutter lernte, betete sie jeden Tag zu Eluive, der erhabenen Schöpferin der Welt. Zu wenig hatte sie über den Glauben gelernt; zu wenig Wissen hatte sie sich aneignen können, denn ihr Vater legte mehr Wert auf die Bildung seines Sohnen - ihres Bruders. Nichts desto trotz hatte sich der Glauben an jene Eine von Tag zu Tag gefestigt und wurde ihr Grundgerüst, dass sie in kühlen einsamen Nächten oder regnerischen gar stürmischen Tagen stütze.
Jahre zogen ins Land und irgendwann fasste sie einen Entschluss. Sie wollte ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und machte sich auf den Weg - auf die Suche nach der Priesterschaft der Eluive.
Sie irrte durch Bajard, denn dort hielt sie sich zuletzt auf, und ließ sich den Weg weisen. Zuerst nach Adoran und dann zum Orden der Temora. Dort setzte sie sich vor den Mauern nieder und harrte aus, bis da einer kam, der sie zum Kloster führte. Dort wurde sie schließlich von Sanyarin Lefar und Taridan Erken aufgelesen, die sie mit Freundlichkeit und Güte empfingen und in das Kloster einließen.
Sie beschlossen sie als Akoluthin aufzunehmen und mit diesem Entschluss sprang ihr Herz vor Freude und sie konnte sich einige Tränen nicht verkneifen, so hatte sie doch ihren alten, beschwerlichen und steinigen Weg hinter sich gelassen und wurde mit Eluives Segen auf einen neuen Pfad der Güte und des Lichts geführt.
"Ich arbeite und helfe gerne..", sagte sie lächelnd zu Taridan, als er ihr auftrug das Feld zu bestellen und die Efeuranken an den Klosterwänden zu stutzen, und krempelte die Ärmel ihrer schmutzigen alten Robe empor.

Und diese Arbeit verrichtet sie immernoch gerne, auch wenn die Aufnahme ins Kloster schon etwas zurückliegt. Eifrig versucht sie die Wissenslücken schnellstmöglich aufzuholen. Daher setzt sie sich zuweilen in die Klosterbibliothek und liest aufmerksam die Foliante, die die Schöpfungsgeschichte und andere glaubensrelevante Aufsätze beinhalten.
Das ist ihr täglicher Rhythmus: das kleine Feld bestellen, Efeu stutzen, die Laubgänge ausfegen und sich für ein paar Stündchen in die Bibliothek setzen, um ein wenig zu lernen. "Es ist viel zu tun..", denkt sie und erhebt sich langsam, die neue Robe in der Farbe des Ordens zurechtrückend, und schreitet langsam in Richtung Zimmertür..