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Sechs Buchstaben für den Frieden
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Sechs Buchstaben für den Frieden
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Keruan Esgarath





 Beitrag Verfasst am: 24 Jul 2008 21:14    Titel: Sechs Buchstaben für den Frieden
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Am ersten Tage wird geschaffen
was deine Hände nicht zerschindet.
Denn wenn die Arbeit abends endet
kannst du fleißig Früchte raffen.

Am zweiten Tage sollst du ruhn
denn nur dein Werke zu verrichten
hindert dich von andern Pflichten
die du sonst noch hast zu tun.

So rennt der Wochenlauf davon,
und mit glockenklarem Ton
singt und jubelt dir dein Herz
frei von jedem Alltagsschmerz,
und überm hellen Himmelsdach
seh ich die Götter fröhlich lach.


Breit lächelnd bog Keruan von der großen Marktstraße Varunas in eine der kleinen Seitengassen ein, dabei eben diesen kurzen Reim auf den Lippen, den er zusammen mit seinen Kindheitsfreunden voller Stolz jedes Mal rezitiert hatte, kaum dass die Eltern mal wieder herbeigeeilt kamen: "Sohnemann, es gibt Essen!" - "Mein lieber Herr, ich hab dir nicht gesagt, dass du schon Pause machen kannst!" - "Freundchen, ab in die Werkstatt, sonst hast du den Rest des Tages Stubenarrest!". Die meisten der Sprüche hatte er noch zur Genüge in Erinnerung und so blieb dem noch recht jungen Priester kaum mehr als ein amüsiertes Kopfschütteln, wenn der arme Bursche von nebenan mal wieder am Ohr nach Hause befördert wurde. Erfreulich würde manchem der frechen Gören und Jungen irgendwann zu Gute kommen, dass sich vor allem die schlimmsten Kinder am leichtesten in die Herzen eines anderen Menschen einschleichen können.

Eigentlich hatte Keruan keine Ahnung mehr, wieso er sich an diesen merkwürdigen Kinderreim erinnert hatte. Es war auch hier wie mit so vielen Dingen, man läuft eine ganz bestimmte Straße entlang, schnuppert einen altbekannten Duft oder hört eine vertraute Melodie und plötzlich wird man sich vergangener Dinge gewahr, die man schon lange vergessen gehabt zu haben scheint. Und sind es nicht gerade die Reime und Lieder der Kinder, der unschuldigsten Wesen unter den schützenden Armen der Erdenmutter, welche noch den reinen, unverfälschten Blick auf die Welt und ihr Geschick offenbaren? Im Laufe seines "Weges", wie er seine Aufgabe gerne zu nennen pflegte, hatte er so manchen Handwerker getroffen, der sich in all seiner Arbeit, in all seinem Werk vollkommen selbst vergessen hatte. Dies allein mag noch kein Unheil sein, doch wenn man schon sein eigenes Wesen und seine eigenen Bedürfnisse vergisst - wie leicht mag ein solcher Mensch auch den Kern seines Seins verlieren? Und so schien Keruan auch an diesem frühen Abend das Lachen der Kinder und ihr fröhliches Spiel so gar nicht laut genug.

Inzwischen hatten ihn seine Füße weitergetragen bis an den Rand des Armenviertels. Ein Viertel mit herabgekommenen, einfachen Stein- und Holzhütten, erbaut oder eher abgetrennt alleine für diejenigen, die sich keine prächtige Villa oder ein Landhaus leisten konnten. Die mitunter nicht einmal in der Lage sein mochten, sich ihr nächstes Frühstück auf ehrliche Art und Weise zu verdienen. Die nicht in edlen Kleidern durch die Straßen der Stadt liefen, sondern in armseligen, zerrissenen Lumpenkleidern - nun gut, selbst unter den Armen gab es solche und solche.

Umso merkwürdiger mag es scheinen, dass gerade im einfachsten und übelsten Viertel der Stadt ein Ort zu finden ist, der die Lehre der Mutter auf wundervollste Art und Weise repräsentiert. Vor wenigen Tagen noch hatte ihre Eminenz Lefar den jungen Priester um ein Gespräch ersucht und ihn dabei eher beiläufig zu jenem kleinen Teich geführt, an dessen Ufer ein merkwürdiges Denkmal zu sehen war. Auf der Vorderseite, dem Teich zugewandt, standen nur einige wenige Worte:

"I. - Mutters Kreis"

Und obenauf lag ein Buch. Der Deckel trug die gleiche Inschrift, doch was in den Seiten selbst zu finden war, schenkte Hoffnung und Zuversicht für den Kampf um das Gute und Gerechte in der Welt.

Einen Augenblick verweilte Keruan auch an diesem Abend vor jenem Buche, ohne es zu lesen oder zu berühren. Allein, er starrte auf den verschlossenen Buchdeckel und schien vollkommen in sich gekehrt... und mit einem Mal keimte in ihm eine Erkenntnis...



E - Ewige Vergebung

Fern schien dem jungen Priester mit einem Mal die Grafenstadt mit seinen lauten, lärmenden Bewohnern und verschwamm vor einem geistigen Bilde, das sich langsam in sein Bewusstsein schob. Er sieht eine alternde Frau, zahlreiche Falten bedecken bereits ihr Gesicht und sie geht krumm. Neben ihr ein jüngerer Mann, vielleicht ihr Sohn... doch scheint sie Sorgen in sich zu tragen. Wütend gestikuliert der Mann vor ihr herum, schreit sie an und stampft heftig auf den Boden auf - doch sie sieht nur zu Boden und nickt.

Ein zweites Bild, wieder eine Frau, doch wesentlich jünger. Es scheint die gleiche Frau zu sein wie zuvor, in jüngeren Jahren, und ihr Sohn, der ebenfalls wieder bei ihr steht, ist keine 10 Jahre alt. Er tanzt wild um sie herum, lacht, singt, lärmt und zerschlägt an Pflanzen und Tieren, was in greifbare Reichweite kommt. Oft stellt sie sich ihm in den Weg... bis er sie schlägt...

Das Bild verschwimmt wieder... und macht einer liegenden Frau Platz. Laute, ängstliche Schreie durchziehen Mark und Bein, als sich neues Leben langsam auf die Welt schiebt - wenn auch nicht so sorgenfrei, wie es sein sollte. Eine Heilerin nimmt sich nun einer Frau an, die blass und ohnmächtig auf dem Bett zusammen gesunken liegt... und hofft kaum noch. Sie wird wieder gesund. Ihr Sohn... wird ihr einziger bleiben.

Das Bild macht ein letztes Mal einer neuen Szene Platz. Die Frau ist nun wieder gealtert, sehr gealtert, krank und schwach liegt sie in einem armseligen Bettchen, die Decke bis zum Hals nach oben gezogen und die Augen schon halb geschlossen. Sie stirbt. An ihrem Bett sitzt ein junger Mann, hält ihre Hand und - weint. Ein allerletztes Mal hebt sie ihre Hand, lächelt und berührt seine Stirn - ehe ihre Seele zurückkehrt in den Schoß der gütigen Mutter. Und das Bild... verblasst...


Das Herz einer Mutter verlässt niemals das eigen Fleisch und Blut. Wie die göttliche Mutter trotz all ihrer Not, trotz all ihres Leidens noch immer jedes einzelne ihrer Kinder liebt wie die ganze Schöpfung, so ist dies Empfinden jeder Frau mit ihrer Geburt mitgegeben, denn hoch stehe das Leben, und hoch stehe die Gabe des Verzeihens.

Wie eine Mutter ihrem Kind die grausamste Tat verzeiht, so verzeihe ein jeder seinem Bruder, seiner Schwester im göttlichen Sinne und führe sie zurück auf den Weg der Besinnung. Tost der Schmerz der Enttäuschung auch schwer in der eigenen Brust, zerbricht der eigene Körper an den Folgen des Kampfes, so soll nicht Wut, so soll nicht Zorn, sondern Vergeben unsere Herzen regieren. Denn wie jener Sohn, der am Totenbette der Mutter sein Leben begreift, so wird jeder Mensch vor der Rückkehr in den Schoß der Göttlichen den wahren Sinn begreifen.

So sei dies die erste aller Lehren: Vergebung. Denn entbricht ungehemmt der Sturm der Wut, kommt jede andere Lehre zu spät. Wer vergibt, schenkt Hoffnung. Wer Hoffnung schenkt, gibt eine Chance auf ein neues Leben.



Und so klärt sich der Dunst des Gedankens wieder, als Keruan die Augen öffnet und auf den Buchdeckel vor sich starrt:

I. - Mutters Kreis

Der Kreis des Lebens und der Lehren... ein endloser, doch niemals sinnloser Pfad.
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