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Vivianne
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Verfasst am: 20 Sep 2005 15:20 Titel: Lektionen, wie Mutter sie zuweilen erteilt |
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Als ich heute am Morgen meine Augen öffne, weiß ich etwas ist anders und im Grunde war dieses Anders zu erwarten gewesen, wenngleich es mich dennoch überrascht.
Ich habe in der Hoffnung zu lange die Augen geschlossen gehalten und nicht gesehen.
Ich werde gerufen und ich folge dem Ruf ohne mich zu widersetzen. So setze ich Schritt um Schritt zum See und senke meinen Blick auf die Wasseroberfläche, die heute Morgen einem ruhigen Spiegel gleicht.
Die Züge einer alten Frau, umrahmt von fast weißem Haar lassen mich Gewißheit spüren und gleichsam für einen Moment zurück prallen, ehe ich mich diesem Bild erneut stelle.
Was hatte ich erwartet? Morgen ist Mabon, Tag der Ernte und was mir entgegen schlägt ist die Meine.
Beinahe ohne mein Zutun sinke ich auf die Knie, senke mein Haupt, schließe die Augen und verharre so im stillen Zwiegespräch mit mir selbst und Mutter.
Sie sind jung; werfe ich mir und ihr hin, in einem leichten Anflug von Trotz, der eher einer jungen Tochter passen würde; hätte ich sie drängen sollen?
Das folgende Schweigen legt sich, einem Mantel aus Eis gleich, um meine Schultern und sagt mehr als tausend Worte.
Ein in den Morgennebel gehauchtes, „Ich habe verstanden... Mutter.. und ich füge mich deinem Wunsche“ verläßt meine zitternden Lippen, obgleich ich ihr lieber sagen möchte, dass meine Zeit vorbei, ich kraftlos bin und sie mich zu sich holen solle und meiner Sehnsucht nachgeben, endlich den ewigen Hain betreten zu dürfen.
Fröstelnd erhebe ich mich, die Arme um meinen Körper geschlungen, mit den Händen versuchend die Kälte zu vertreiben, ohne Erfolg.. aber ich habe auch keinen erwartet.
Der Anflug von Trotz ist verflogen und so beuge ich mich ihrem Willen, mache mich an die Vorbereitungen, wie mir aufgetragen, den jungen Töchtern eine Lektion zu erteilen... |
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Vivianne
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Verfasst am: 21 Sep 2005 11:57 Titel: |
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Die eisige Kälte des Mantels der sich um meine Schulter gelegt hatte, bahnt sich einen Weg in meinen Körper und ich weiß, dass die Bitte um Wärme mir versagt bleibt, so ich wagen würde, sie auszusprechen.
Ebenso ist mir bewußt, dass es nur eine Möglichkeit gibt, mich von ihr zu befreien.
So trete ich vor das Haus zu den Beeten und strecke meine Hände aus... in einer langsamen ausladenden Geste.
Ein Zittern bemächtigt sich meines ganzen Körpers, welches mich auf die Knie zwingt, während die Kälte quälend langsam meinen Körper verläßt und sich einem Eishauch gleich über Haus, Beete und Obstbäume legt.
Eine Eisblume schmiegt sich an die Nächste und scheint mit ihr zu verschmelzen, gleichsam eine Decke bildend. Ein Bild, was mich abermals frösteln läßt, obwohl ich die Kälte nicht mehr spüre.
Nach dem ich eine Weile Kraft schöpfend verharrte, erhebe ich mich, meine Schritte ins Haus lenkend, um dort in einen Beutel zu füllen, was der Vorrat an Ernteerzeugnissen hergibt... |
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Vivianne
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Verfasst am: 24 Sep 2005 10:07 Titel: |
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Als alle Vorbereitungen getroffen, begebe ich mich langsamen Schrittes zu dem Platz, wo Mutters Nähe am Stärksten spürbar ist.
Ich trete in den Kreis des Pentagramms mit den Gaben, die meinen Dank symbolisieren sollen und während meiner leise gesprochenen Worte, verbindet sich der warme Atem mit der Kühle der Luft, sichtbar vor meinen Lippen.
Ich stelle Kerzen auf für die lange vor mir gegangenen Töchter und verharre im lautlosen Zwiegespräch mit ihnen, denn es ist die Nacht, in der die Grenze zwischen der Dieswelt und der Anderswelt so dünn ist, dass es Jene Kontakte ermöglicht.
Bis der Morgen graut werde ich hier verweilen, in Mutters Schoß, ihrer Wärme und Geborgenheit, mein Herz und mein Geist im Einklang ihrer Melodie.
Wenn sich die ersten, noch kühlen Strahlen der Sonne ihren Weg bahnen, um die Nacht zu vertreiben, werden alle Gaben ans Feuer gegeben sein.
Kein Fest wird folgen mit den jungen Töchtern wie sonst üblich, kein beieinander sitzen in Besinnlichkeit und keine ausgelassenen Tänze im Reigen der Flammen, begleitet vom Trommelklang. |
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