Der Frühling erwacht im Herbst

[Mia Kyteler]

Es war noch früh am Morgen, als Mia vor die Tür trat und mit einem tiefen Atemzug die klare, kalte Herbstluft einsog. Die ersten Sonnenstrahlen krochen gerade über den Horizont, beleuchteten das kräftige Rot und Gold der Herbstblätter und drangen durch ihr dickes Wollkleid, um sie sanft zu wärmen. Sie blinzelte dem Licht entgegen, genoß die wärmenden Strahlen der Sonne und lächelte zufrieden in den Morgen. Es war gut, wieder vorauszuschauen, Pläne zu schmieden und Perspektiven zu haben. Zu lange hatte sie ihre Feldarbeit stets dadurch unterbrochen, daß sie sich aufrichtete, die Augen beschattete und hoffte, irgendwo am Horizont würde die vertraute Gestalt des Druiden auftauchen, den sie einst geliebt hatte. Doch er war nicht mehr gekommen, der Sommer war ins Land gezogen und mittlerweile regierten die goldenen Strahlen des Herbstes das Land.
Mia warf einen Blick nach links zum Hühnergehege, in dem das erste verschlafene Huhn hinter einem Strohballen hervorkam und sich ausgiebig streckte, bevor es begann, den Boden nach Futter zu durchsuchen.
Die junge Bäuerin schüttelte sacht den Kopf und blickte wieder über ihre Felder hinaus. Sie hatte einen Hof zu führen, hatte Verpflichtungen dem Freiherren gegenüber - es wurde Zeit, daß das Leben weiterging.
Die Sache mit Gutfried war eine gute Idee gewesen, jetzt galt es nur noch, den Bauern gänzlich davon zu überzeugen. Sie wirtschafteten gut zusammen, doch diese Zusammenarbeit konnte nur allzu schnell beendet sein. Er brauchte nur auf die Idee zu kommen, sich endlich eine Frau zu nehmen und schon würde sie mit ihrem Hof alleine da stehen, schutzlos den Gegebenheiten ausgeliefert. Aber da er nun schonmal heiraten wollte war es gut, daß sie die richtige Frau für ihn bereits gefunden hatte. Sie mußte ihn nur noch überzeugen. Aber es würde ihr schon gelingen ihm klarzumachen, daß sie die richtige Frau für ihn war. Ihre Güter wären vereint, sie könnten sich weiterhin gegenseitig zur Hand gehen, er bekäme eine Frau, die ihm den Haushalt führte und sie einen Mann, der sie beschützte - es war perfekt. Und daß Liebesheiraten im allgemeinen Schwachsinn waren, würde sie ihm schon noch klar machen. Und vielleicht hatte er ja recht, vielleicht stellte sich die Liebe ja auch mit der Zeit ein. Vorläufig würde eine freundliche Zuneigung von ihrer Seite genügen müssen.