Die Sehnsucht

[Alluin Ivalur]

Das raue Lied des Meeres eine Sehnsucht in den Herzen, so war es schon immer für Alluin, der sein Leben schon jeher diesem Klang widmete. Als junger Elf trat er in die Reihen der Seegarde ein, seine Seele sehnte sich nach den unergründlichen Weiten des Ozeans, nach den verborgenen Geheimnissen, die in den Tiefen lauerten. Er segelte über die endlosen Wellen, sein Blick stets auf den fernen Horizont gerichtet, sein Geist auf der Suche nach Abenteuern und den Mysterien des Wassers. Ein Elf von unerschütterlichem Stolz und einer Seele, die dem Ozean gehörte. Rastlosigkeit war sein Begleiter an Land, es zog ihn immer wieder an das Wasser. Sesshaftigkeit war ihm zuwider, schon seit dem er wieder nach Ered Luin heimkehrte, merkte er dies.
Ein Entschluss wurde gefasst, es zog ihn wieder hinaus. Eines der prachtvollen Galeonen der Elfen lag im Hafen, bereit für eine weitere Erkundung. Als die Sehnsucht nach den unendlichen Weiten des Ozeans in Alluin zu stark wurden, stach er mit dieser Galeone wieder in See, um die Geheimnisse der fernen Küsten zu erkunden. Tage, Wochen vergingen. Doch selbst in den sichersten Gewässern lauert manchmal das Unheil.

Eine Insel, dort ist eine Insel! In Alluin’s Kopf erklang nur: Wo denn, wo denn?
Nach einem längeren Blick erkannte er, was der junge Elf vom Ausguck aus als Insel bezeichnete, es war aber keine Insel. Er merkte direkt, dass die Seeluft vor Spannung schwerer wurde, als die Galeone durch die endlosen Weiten des Ozeans schnitt und sich dieser vermeintlichen Insel näherte. Aus den tiefen Gewässern erhob sich eine Kreatur von ungeheurer Größe und majestätischer Anmut, kam unaufhaltsam näher. Ein Wasserdrache, dessen Schuppen glitzerten wie kostbare Juwelen im Licht, dessen lange, schlängelnde Gestalt durch die Wellen brach, als wäre er der Herrscher der Meere selbst. Alluin erstarrte, als er den Drachen in seiner Gänze erblickte, seine Augen weiteten sich vor Ehrfurcht und Faszination. Doch inmitten dieser Erhabenheit lag auch eine bedrohliche Aura, eine unmissverständliche Warnung vor dem Tod, der über sie alle kommen will. Ohne Vorwarnung und mit einem donnernden Aufschrei stürzte er sich auf das Elfenschiff. Das Knirschen von zerberstendem Holz erfüllte die Luft, als der Drache mit einem gewaltigen Schwanzschlag das Schiff in zwei Teile brach. Elfen wurden in die eiskalten Fluten gerissen, während andere verzweifelt um ihr Leben kämpften, sich an den Trümmern des Wracks festklammernd. Der junge Elf aus dem Ausguck war der einzige, der sich noch vorbereiten konnte, so wandelte sich seine Gestalt in die eines Adlers, trotzdem wurde er durch die Luft geschleudert.
Alluin stand auf einem zersplitterten Mast, sein Schwert erhoben gegen den tosenden Drachen. Seine Augen voll Entschlossenheit, sein Herz ein Feuer aus Mut und Tapferkeit. Um ihn herum kämpften seine Gefährten, ihre Schwerter schimmernd im schwachen Licht des Abends, ihre Stimmen vereint in einem Chor des Widerstands. Die Schlacht auf den Wrackteilen war ein Wirbelwind aus Chaos und Verzweiflung, die Elfen kämpften mit jeder Faser ihres Seins gegen den unaufhaltsamen Ansturm des Drachen. Es war ein Spektakel von unvergleichlicher Schönheit und Zerstörung, der Himmel und Meer erzittern ließ. In einem Strudel aus Magie und Wasser, aus Stahl und Schuppen, kämpften sie, bis die Dämmerung langsam über das Meer glitt und die Wellen sich beruhigten. Das Schiff, die Elfen, der Drache, alles von dem Wasser verschlungen.
Der qualvolle Schrei des Adlers war das einzige was übrig blieb, der junge Elf aus dem Ausguck soll weiterleben und kann von der Tragödie berichten. Alluin und die anderen Elfen waren tot, die Körper eins mit dem Ozean und die Seelen mit den Sternen vereint.
Während die letzten Strahlen des Tageslichts über das Meer glitten, flog der junge Elf wieder zurück, Richtung Ered Luin. Noch im Kopf die letzten Worte von Alluin, als sie losfuhren:
"Endlich wieder eins mit dem Meer."