FAQ Login
Suchen Profil
Mitgliederliste Benutzergruppen
Einloggen, um private Nachrichten zu lesen
        Login
Das stille, dunkle Kämmerchen des Holzwurmes
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Das stille, dunkle Kämmerchen des Holzwurmes
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Kentius





 Beitrag Verfasst am: 07 Jun 2018 17:01    Titel: Das stille, dunkle Kämmerchen des Holzwurmes
Antworten mit Zitat

...und da saß er nun. Kentius, der seine schweißtreibende Arbeit als Holzhandwerker nun mehr gänzlich vernachlässigte. Nur selten wird man den Burschen noch in den Wäldern erblicken. Doch begründete sein Besuch zwischen den vielzähligen Bäumen weniger seinem früheren Tun. Wo einst die Stille des Waldes durch gekonnte Hiebe seiner Axt unterbrochen wurden, findet sich nun die Ruhe und erlaubte dem Waldstück wieder das Atmen. Eine Ruhe, die in manchen wohl eine ungewohntes und bedenkliches Gefühl hervorrief - denn jene Stille war man wahrlich nicht gewöhnt. Er hatte sich wieder in das öffentliche Handwerkshaus zu Bajard zurückgezogen. Hier würde man ihn ob seiner Erlebnisse und Erkenntnisse nur gelegentlich stören. Zeit genug, um über einiges tiefer nachzudenken. Gelegentlich erwischte er sich selbst, wie ihn das Grübeln zum kleinen Bruder des Todes trug - dem Schlaf. Doch selbst das Nächtigen ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, denn es zeigte sich wieder das Mal des Raben. Die daraus entstandenen Träume konnten ihn nur mehr an jenes Zeichen erinnern, was seine zukünftige Bestimmung bis zum Tage seines Ablebens begleiten sollte. Wenngleich der Ausgang seines Weges noch in tiefster Ungewissheit war. Träume, die die meisten Menschen Gerimors als reine Alpträume abtun würden und selbige so schnell wie möglich vergessen wollen würden. Doch statt sich dieser Visionen in seinem Ruhen schlicht und feige zu entledigen, hielt er an jenen fest, verewigte diese gar auf alten, durchlebten Pergamenten. Nicht um diese Träume zu vergessen, wie könnte er auch. Vielmehr soll ihn Zeile für Zeile, Silbe für Silbe, ja, gar Buchstabe für Buchstabe an seinen künftigen Weg erinnern. Seine Augen sollen das Gelesene in sein Gedächtnis aufnhemen, sich tief in die verzwickten Gedankengänge einbrennen und sich dort verewigen. Je öfter er sich seine geschriebenen Zeilen überflog, umso wichtiger erschien es ihm, den darin enthaltenen Botschaften und Zeichen stand zu halten. Angst, Furcht und Argwohn waren Mal für Mal gemindert - doch nie gänzlich verschwunden. Und so holte er abermals ein zerschlissenes, leeres Pergament hervor und faltete es auf seinen geräumigen Tisch im gemütlichen Zimmer aus. Flink entzündete er eine Kerze auf dem Tisch, die schon halb durchgebrannt war, tunkte schon fast etwas forsch die Feder in das kleine Tintenfässchen und begann einige Zeilen niederzuschreiben.

Der sechste Tag der Mitte

"Ich wurde wieder durch einen meiner Träume aus meinem Schlaf gerissen. Zwar gewöhne ich mich immer mehr an die schauerhaften und scheußlichen Bilder, die sich mir in diesen Momenten darbieten, doch gänzlich kann ich meine Angst davor nicht verbergen. Ich habe sie wieder gesehen: Gestalten, die schlurfend und ächzend die Landen Gerimors ziellos umherstreifen. Sie tragen blasse Blicke in ihren Linsen - sofern sie noch welche in sich trugen und man selbige noch als Linsen bezeichnen kann. Manche der Wesen, die mir erschienen sind, nennen gar keine Augen mehr ihr Eigen. Und so blickte ich manchmal in tiefschwarze Augenhöhlen, die etwas geheimnisvolles in sich verbargen. Es war eine Leere, die in mir ein wohliges Gefühl hervorbrachte und mir eine gewisse Art von Frieden schenkte. Das melodische Ächzen und das Stöhnen, das Schlurfen der Gebeine, die manchmal nur noch mühsam an den Extremitäten dieser Wesen angebracht waren. Das abblätternde Fleisch, welches sich allmählich von den Knochen löste. Der ob des Prozesses der Verwesung entfaltete, süßliche Geruch der Verwesung, der durch den Gegenwind zu mir in meine Nase drang - ich es dem Geruch sogar erlaubte sich tief in mein Gedächtnis zu graben, auf dass ich ihn nie vergesse. All diese Kleinigkeiten verbanden sich für mich zu einer melodischen Symphonie, was in mir eine gewisse Art von Glück hervorrief. Ferner hoben mich diese lieblichen Klänge in Sphären höchster Verzückung. Wenn ich an diesen Moment zurückdenke, fällt mir doch gar ein altes Sprichtwort ein, welches mir mal zu Kindertagen in meine Ohren drang:

"Gewöhnung schafft Gefallen...
Gefallen schafft Wohltun...
Wohltun schafft Hingabe...
Hingabe schafft Glück."

"Und so ließ ich den Traum, wie alle anderen bereits dagewesenen auch, auf mich ergehen und gab mich auch diesem hin. Ich wollte wohl sehen, wohin mich die Reise führt."

"...und dennoch: gelegentliche Schauer, Furcht, einen gewissen Grundrespekt vor meinen Visionen habe ich trotzdem. Ob diese Gefühle wohl noch gemindert würden? Wieso fühle ich bei der Umgebung dieser Materie überhaupt Gefallen und einen Wissensdurst, der mich anstrebt? Ich tue wohl gut daran, auch ob meiner Gesundheit willen, im Stillschweigen weiter darüber nachzudenken."

Theatralisch schwungvoll führte er die marmorierte Feder zum Ende seines Satzes. und bettete selbige wieder in ihr heimisches Tintenfass. Er wird sein Geschriebenes wohl noch eine ganze Weile aufmerksam nachlesen. Die Kerze ist mitlerweile fast gänzlich heruntergebrannt und hüllte den doch ohnehin schon gemütlichen Raum in eine immer eindrückenderen Dunkelheit. Kentius konnte sichtlich spüren, wie das Finstere Gemüt von den Zehen beginnend gemächlich bis zu seinen Schläfen wanderte und ihm ein doch mulmiges Gefühl bescherrte. Doch noch ist nicht annähernd das Ziel seiner Reise bestimmt - nicht einmal ansatzweise. "...Bursche, du hast keine Ahnung". Dieser Satz, der an Kentius selbst gerichtet war, brannte sich tief in sein Gehör und ließ ihn für keinen einzigen Moment ruhen. Für wahr, er ist den Berüchtigten begegnet: den Dienern des Raben höchstpersönlich im Fleisch und Blute. Er erwischt sich bei einem sachten Lächeln während seines Grübelns. Hatte er denn überhaupt eine große Wahl gehabt? Hätte er gespurt, hätten sie den jungen Kerl gewaltsam seinen Ruf folgen lassen. Und dann wäre der Ursprung dieses Rufes mit einer großen Erzürnung des Dämons verbunden gewesen. Herrje, man hätte Kentius diesen Fehler wohl mit deutlichen Exempeln zu verstehen gegeben. Unter unruhigen Pupillen beäugte er sich die dunkel berobten Gestalten - eine Schauderhafter, wie der Andere. "Mögt ihr Rätsel", ertönte es rau aus einen der erwählten Seelen. Kentius nickte mit einer anschließenden Untermalung eines ob der Furcht erzwungenen: "gewiss doch". Er würde eine Aufgabe bekommen, die einen sehr großen Bereich seines neuen Lebensweges entscheiden wird. Und so lauschte er den prüfenden Worten, die sich wie eine Schlange um sein Gedächtnis klammerte und es ihm beim lauschen das Atmen vergessen ließ:

"Ihr geht auf diesen Menschen zu ohne darüber nachzudenken.
Ihr könnt seine Ängste sehen, doch nicht verhindern ohne Weiteres.
Zeit und Tod jedoch, verändern euch Beide im gleichen Maße.
Könnt ihr mir ein Bild dieser Person erschaffen?"

Er würde in baldiger Zeit über dieses Rätsel Antwort stehen müssen. Zwar wurde ihm keine Frist ob einer Antwort gegeben, doch wollte er die Prüfung so schnell wie möglich erledigt wissen - weniger um sein ausbaufähiges Ego unter Beweis zu stellen, eher um seine Würde gegenüber der Prüfenden zu behaupten. Letztlich, um der Gemeindschaft und vorallem Kra'thor als würdig befunden zu werden. Es vergingen ganze Tage, in denen er stumm in seinem Zimmer verweilte und man nicht das kleinste Geräusch aus dem Raum vernahm. Nur Speis und Trank lockten ihn noch aus seinem nicht gerade geräumigen Zimmer und erinnerten ihn an seine Menschlichkeit. Doch wurde ihm rasch bewusst, dass das Rätsel diesen Kalibers kein einfaches war. Und so vergingen noch einige Tage mehr, die zu dem gleichen Ergebnis seines intensiven Grübelns gefunden hatten - der ewigen Leere. Kentius fand sich etwas untersetzt im Raum wieder. Was genau hatten diese Sätze zu beudeten. Worin verstecken sich die Gemeinsamkeiten der Zeilen, die letztlich zur Lösung seiner auferlegten Prüfung führen. Und wie sollte er vor allem ein Bild der Lösung erschaffen? All das Grübeln machte ihn über die Tage hinweg müde. Er unterließ es auch, irgendjemanden von diesen Zeilen zu berichten. Zu groß wäre die Gefahr, dass die Leute argwöhnisch darüber reagieren könnten. Und was der Mensch nicht versteht, will er aus seinen Blickwinkeln vermieden wissen. Ihn überkam die Verzeiflung bei dem Gedanken, der Prüfung nicht gewachsen zu sein. Mit seinen Kräften, die ihn ob des hungerns in der einsamen Kammer noch geblieben war, stellte er sich vor seinen kleinen Spiegel und blickte in sein kümmerliches Antlitz. Schweissgebadet erblickte er sein von der Müdigkeit verbrauchtes Gesicht. Er ballte wutentbrannt seine rechte Faust zusammen und ließ sie gegen den Spiegel gehen, der daraufhin in alle Richtungen zersplitterte. Schrille, eindringliches Töne erklingten, als viele der Splitter auf dem Boden aufprallten und in weitere kleinere Exemplare zerbrach. Seine ausführende Hand färbte sich langsam in einem satten rot, welches langsam vom Handballden bis hin zu seinem Ellenbogen hinunterflos und die Tropfen schliesslich das gleiche Schicksal der Splitter erwarteten. Ein weiteres Mal blickte er unter starkem Schnauben auf den zersplitterten Spiegel, an dem tatsächlich noch einige größere Splitter verblieben waren. Wenig später begann er seine Augen zu weiten. Die Stirn legte sich dabei in mehrere kleine Falten. Zitternd ließ er seine blutende Hand gegen Schulterhöhe sinken. Ungläubichen Blickes wendete er einen Sekundenbruchteil den Blick von der Zerstörung. Dann überkam ihn ein sachtes Prusten, welches er sich eigentlich verwehren wollte. Dieses entwickelte sich weniger später zu einem lauten Auflachen. Menschen entwickeln ja bekanntlich kurz vor aussichtlosen Momenten einen durchaus eigenartigen Humor. Oder war der junge Bursche etwas freudig?

"Manchmal bin ich ein echter Narr! Wie kann etwas, dass von Anfang an so erreichbar war, mir für Tage die Sinne beschäftigen", wird er zu sich selbst sprechen. Beiläufig wischt er sich seinen von Blut benetzten Arm an einem größeren Stofffetzen ab. Sogleich beginnt er einige der größer verbliebenen Scherben vom Boden aufzusammeln und sie mit etwas klebender Tinktur eines herkömmlichen Alchemisten wieder anzukleben. Nun sieht der Spiegel wie ein farbloses Mosaikgemälde aus, auf dem er selbst in mehreren Ausführungen zu sehen ist.

Ohne groß darüber nachzudenken, besinnte er sich seinem Selbst und ließ diesen Augenblick für einen kurzen Moment verweilen.
Seine Augen gehen über seine eigene Reflektion und in seinem Blick verbargen sich vielerlei Ängste und Ungewissheiten. Angst zu versagen, seinen neuen Wegen nicht standhalten zu können, Missgunst, Leid, Schande, Verlust seines ehemaligen "Ich's". All diese Ängste waren wahrlich in seinem Gesicht verankert, welche sich über die ganzen Scherben des Spiegels in verschiedene Variationen, wie in einer Collage, erstrecken und unkontrolliert in den Splittern verweilten. Und je länger er sich in seinem Abbild betrachtete, umso eindeutige wurde bei ihm die Gewissheit, dass diese Furcht nicht so einfach zu unterdrücken galt. Hier wird wohl viel Erfahrung und Wissen nötig sein, welche er noch nicht einmal ansatzweise sein Eigen nennen kann. Und er wusste, er wird diesen Augenblick irgendwann erreichen und dieses Können an sich binden.
Würde er altern, oder sich anderweitig verändern, bildet der Spiegel ein perfektes Replika seiner selbst. Ganz egal, was ihm auch widerfahren würde, der Spiegel würde es ihm gleich tun. Dies ist das Bild, das er für Tage gesucht und nun endlich in seinen blutigen Händen halten kann:
...das Spiegelbild seiner selbst...

Doch wie würde er nun nach der gefundenen Lösung vorgehen? Denn er muss ja schließlich noch die Lösung seiner neuen Gemeinschaft verkünden. Diese Überlegung galt es nun anschließend zu treffen. Und er wusste auch schon, dass es kein gewöhnlicher Taschenspiegel sein durfte - wehe seiner Seele, wenn er sich so eine Dreistigkeit erlaubt. Und so schlich er sich mit einem Jutesack bestückt Abends regelmäßer Natur nach draussen zu den "gefährlicheren" Friedhöfen der Lande. Schon fast penibelster Art begann er auf den Flächen der Verstorbenden und Wandelnden, die Knochen zusammenzutragen, die für dieses "Bild" in seinen Augen für würdig befunden waren. Er nahm es sich auch nicht heraus, das Fleisch vom Knochen selbst zu lösen, wenn es ob der Qualität der Gebeine denn sein musste. Kentius wurde jedoch regelmäßig durch Lebende und Untote zugleich aufgehalten und so musste er sich das ein oder andere Male schützend hinter einen prunkvoll gemeisselten Grabstein schützen. Waren es nun schlicht Geschöpfe auf der Durchreise, oder umherwandelnde Hüllen, die nach saftigem Fleisch und der Erlösung trachteten - all das barg große Gefahr während seines Tuns. Die Knochen zurück in sein Zimmer zu transportieren war alles andere als schwierig. Zwar reagierten die Wachen bei gelegentlichen Prüfungen etwas überrascht, aber zu Kentius' Glück sind Knochen im Handwerk gesellschaftlich akzeptiert.

.....und so fertigte er in der feinfühligsten Präzision aus den erlesensten Gebeinen ein letztes Mal ein Möbelstück, welches über seinen zukünftigen Weg und Bestimmung entscheiden sollte. Die von Blasen übersäten Hände griffen nach dem Spiegel, der sich in einem Rahmen feinster präparierter Knochen wiederfand, und hüllte diesen sorgfältig in Stoff. Er würde den Spiegel bis zum Ort seiner Bestimmung tragen, um seine Lösung darzubieten. Die Schweissperlen rinnten ihm von der Stirn, als er Schritt für Schritt den Ort seines Zieles immer näher kommt. Nur die Neugier und das Streben halten ihn an, seinen Weg fortzuführen. Würde er das Rätsel, wie aufgetragen, richtig verstanden haben? Oder wird es sich vielmehr zu einer missverstandenen Katastrophe entwickeln, die ihn zu einer selbigen ziellosen Hülle werden ließe?

Fragen, zu die er vermutlich bald Antworten erhalten wird....
 Nach oben »
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Das stille, dunkle Kämmerchen des Holzwurmes
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.




phpBB theme/template by Tobias Braun
Copyright © Alathair



Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
Deutsche Übersetzung von phpBB.de