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Strophe für Strophe
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Merileth Ilanorel





 Beitrag Verfasst am: 03 Jun 2018 20:34    Titel: Strophe für Strophe
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Leise raschelte das feine Papier, als Merileth den Brief sorgsam faltete, noch einmal darüber strich, um es zu glätten, ehe sie ihn in eine Tasche an ihrer Seite behutsam legte, damit er keine Falten erhielt und wandte daraufhin ihren Blick aus den saphirblauen Augen vom Balkon über die Klippen hinaus zum Meer, deren Gischt von der untergehenden Sonne rotgold gefärbt wurde. Einer der Adler, der seinen Horst an den Klippen knapp unterhalb ihres Platzes hatte, kehrte zurück, quietschend-kreischend begrüßt von den Jungen, doch dieses Mal erregten sie nicht ihr Interesse. Merileth hing eine Weile ihren Gedanken nach, lediglich unterbrochen von angenehmen Eindrücken, wie dem kühlen Wind, der von der See her zu ihr wehte und durch ihr Haar strich und den Duft des Meeres mit sich trug. So hielt sie inne, stützte sich auf der Brüstung des Balkons ab und genoss den Moment, hinter dem langsam ihre Gedanken verblassten.

Erste Sterne zeigten sich am Himmelszelt und das Meer lag ruhiger, aber auch dunkler vor ihr da. Der Wind hatte nachgelassen und auch im Horst an den Klippen war Ruhe eingekehrt. Man könnte fast meinen, die Welt wäre zu Ruhe gekommen und machte sich daran, sich schlafen zu legen, aber der ferne Ruf eines Fuchses verdeutlichte, dass nun eine andere Seite der Welt erwacht war. Auf Merileths Zügen bildete sich ein feines Schmunzeln. Der Ruf des Fuchses erinnerte sie an ihre Aufgabe, die sie vor sich hatte und tief atmete sie durch, riss sich von diesem Ort los, an dem sie so gerne verweilte. Sicher, hier fühlte sie sich wohl, aber sie brauchte einen Ort, der sie nicht ablenkte mit majestätischen Adlern, dem lockenden Wind, der sie manchmal geradezu einzuladen schien, mit ihm zu tanzen und einer großartigen Aussicht.
Anfangs hatte sie an einen Berggipfel gedacht, als sie überlegt hatte, wo sie ihre Aufgabe angehen könnte. Aber der Wind ...
So hatte sie sich für einen Ort entschieden, der nicht unbedingt frei von Reizen war, aber halbwegs frei von Verlockungen, die sie auf angenehme Weise ablenken konnten.

Merileth verließ Ered Luin, durchschritt den Nebelwald, der, abgesehen von den tanzenden Irrlichtern, finster und zugleich so vertraut und Geborgenheit vermittelnd dalag und erreichte die Grenze des Waldes. Im tiefen Schatten eines Baumes hielt sie inne, legte eine Hand an diesen, wie man es bei einem Freund tut, den man trifft und hielt Ausschau. Eine weite Graslandschaft breitete sich vor ihr aus, matt beleuchtet durch den Mond, der sich anschickte, in wenigen Tagen zum Vollmond vollendet zu werden. In weiter Ferne leuchteten vereinzelte Lichter - die Häuser der Menschen. Länger als üblich hielt sie inne, ließ den Blick kreisen, lauschte, achtete auf die Zeichen der Natur. Waren Nachttiere zu hören? Aufgeschreckt oder eher entspannt? Erst, als alles wie immer erschien, löste sie sich vom Schatten des Baumes, noch einmal über seine rauhe Borke streichend und trat durch das raschelnde Gras, ging einige Schritte, bis sie eine kleine Ansammlung von flachen Felsen fand, die sie schon am Tage auserkoren hatte. Auch hier ließ sie noch einmal ihren Blick schweifen und lauschte. Auch wenn es nicht weit bis zum Nebelwald war - es war gefährlich geworden. Letharen wagten sich immer tiefer ins Herz des lichten Reiches auf Gerimor.

Sie sind der Grund, warum sie hier war. Merileth hätte sich für den Weg der Bardin entscheiden können, ihren Eltern folgen und damit ein Leben führen können, was vermutlich behüteter geworden wäre, als das, was sie nun erwarten würde. Es wäre einfacher gewesen, in so vielerlei Hinsicht. Aber es wäre nicht richtig gewesen. Erst vor kurzem war Merileth, wie so viele ihres Volkes, von einer langen Reise zurückgekehrt und es waren Berichte über die sich nähernde Dunkelheit, die sie mit als erstes zu hören bekam. Damals, als sie ihre Reise aufgenommen hatte, war sie noch mehr ein Kind, als heute. Zwar hat sie immer noch einen Teil ihrer Jugend und damit eine gewisse Unbeschwertheit bewahrt, aber ihr war auch klar geworden, dass sie ihrem Volk kaum hilfreich zur Seite stehen konnte, wenn sie es sich einfach machte, den Schutz suchte, den Kinder suchten und vor allem - sie musste einfach das Geschenk annehmen, was ihr gegeben wurde, auch wenn es ein Geschenk mit Schattenseiten war.

Im Schneidersitz machte es sich Merileth auf einem der Felsen halbwegs gemütlich und stellte behutsam einen kleinen, irdenen Becher vor sich ab. Feine, verschlungene Linien waren in ihm geritzt worden, bevor er gebrannt worden war. Ansonsten jedoch war er schmucklos und farblos gehalten, dafür konnten aufmerksame Betrachter und Kenner bemerken, dass sehr viele Mühe darin investiert worden war, ihn sehr gleichmäßig und glatt zu töpfern. Keine Delle, Beule oder Rille zierten ihn, als hätte ein Meister ihn geformt. Oder ein Angehöriger der Eledhrim, der die nötige Geduld besaß, über Jahre hinweg ein und dieselbe Form immer wieder zu wiederholen, um über Perfektion hinaus zu gehen. Wieviel von dem Lied seines Schöpfers mochte wohl in dem Becher selbst stecken? War das überhaupt möglich?

Merileth wusste noch zu wenig darüber. Das Lied zu nutzen, um im Dunklen besser sehen zu können oder sich von Giften zu reinigen, war etwas, was ihr, wie all den anderen Eledhrim, förmlich in Fleisch und Blut übergegangen war. Es war wie Gehen oder Atmen. Man dachte irgendwann nicht mehr darüber nach, tat es einfach und das über Jahrzehnte, über ein Jahrhundert lang hinweg. Als nun Merileth kürzlich wieder versuchte, zu ergründen, was sie da eigentlich tat und was mit ihr passierte, als sie sich im Dunklen eine bessere Sicht verschaffen wollte, passierte etwas Ungewohntes - es funktionierte nicht. Irgendwas zerrte kurz an ihr und es blieb dunkel. Dieser Moment erwischt sie eiskalt und sie versuchte es ein weiteres Mal und wie ein Redner, der sich in einem Vortrag verplapperte und anfing nervös zu stottern, erging es auch ihr für einen Moment, bis sie innehielt, sich beruhigte und es dann letzten Endes doch schaffte, wieder im Dunkeln wie gewohnt zu sehen.
Merileth war klar, dass sie wohl solche Momente noch viele weitere Male erleben wird. So, wie der Töpfer wohl bei seinen ersten Bechern krumme und schiefe Gebilde erhielt, so würde auch sie immer mal wieder scheitern, doch in dem Scheitern sah sie die Möglichkeit zu lernen und zur Meisterschaft zu gelangen. Wie eben jener, der diesen Becher erschaffen hatte.

Etwas rückte sich die Elfe auf dem Felsen zurecht, ein letzter, sich vergewissernder Blick ringsum, dann jedoch schloss sie ihre Augen, atmet tief und ruhig durch die Nase ein, ebenso ruhig wieder aus. Sie begann sich auf den Moment zu konzentrieren.
Auf ihre Haltung, ihren Körper. Dort, wo er sich anspannte, entspannte sie ihn.
Ruhe. Loslassen.
Keine Sorgen. Keine Zukunft, keine Vergangenheit. Keine Pläne.
Und dann ... versinken in einem Meer aus Tönen.

So vertraut war der Klang, der sich durch das Gewebe der Welt spannte. Unbeschreiblich und harmonisch, alles zusammenhaltend, alles verbindend. Steter Begleiter, das ganze Leben schon hindurch. Die Augen blieben geschlossen und der Fokus richtete sich auf einzelne Klänge, die durchschimmerten, so als wenn man in einem Konzert versucht, ein Instrument wahrzunehmen, welches zum Gesamtwerk beiträgt. Schwer fassbar und vor allem noch schwerer erkennbar, welcher Ton welchen Ursprung hatte. War es der grollende Laut? Das feine Zirpen?

Die Augenlider der Elfe flatterten leicht, das Kopf ruckte gar, während sie versuchte das Klangmuster, welches sie suchte, auszumachen. Wie in einem Labyrinth aus Tönen kam sie sich vor. Unwohl war ihr jedoch nicht zumute. Dafür kam in ihr immer mehr und mehr das Gefühl von Verlorenheit im Vertrauten auf. Als wenn sich zu viele Arme um sie warm und einfühlsam legen, zu viele freundliche, liebevolle Stimmen auf sie einredeten und sie ablenkten.
Ein Bild schob sich dazwischen - gewaltige Flügel, die sich spannten, Raum schafften. Ein Wind zog kräftig auf, der Platz schaffte, die Töne nicht vertrieb, aber sie dämpfte, für Ruhe sorgte und dann ...

Metallisch. Feucht. Weich. Der Duft von Erde ...

Können Töne duften?

Blinzelnd schlug Merileth die Augen auf und runzelte ihre Stirn, dann atmete sie durch und blickte hinab zu dem Becher. Sie wusste noch nicht viel über das Lied, aber was sie wusste: sie war noch so weit am Anfang, dass sie erstmal lernen musste, nicht den Faden zu verlieren. Da war etwas, glaubte sie zumindest. Irgendwas hatte sie wahrgenommen und es erinnerte sie an den Becher. Vorsichtig hob sie ihn auf, zwei Fingerkuppen strichen unten am Boden entlang, fühlten den eingeritzten Initialen nach - ein Werk des Vaters ihres Vaters, entstanden zu einer Zeit, als selbst der Camvaethol noch eher jung an Jahren war.

Einen Moment saß sie so versunken im Anblick des Bechers da, ehe sie in weiter Ferne, dort, wo die Menschen lebten, das hektisch-aggressive Bellen eines Hundes wahrnahm. Unwohl sah Merileth in diese Richtung, erhob sich leise vom Felsen und barg den Becher in ihren Händen, während sie sich auf den Weg zurück in den Nebelwald machte. Erst, als sie ihn erreicht hatte, wagte sie nochmal einen Blick zurück und lauschte. Stille war wieder eingekehrt, doch ein unwohles Gefühl blieb bestehen. Sie würde ein anderes Mal einen erneuten Versuch wagen.
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Merileth Ilanorel





 Beitrag Verfasst am: 23 Jul 2018 20:24    Titel:
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Behutsam stellte Merileth die metallene Schale auf einem ebenso aus Metall gefertigen Fuß ab, prüfte nochmal die Standfestigkeit von Fuß und Schale und füllte dann letzere mit dem mitgebrachten Holz. Es war sehr trocken und würde so nur wenig Rauch entwickeln. Etwas Reisig kam noch dazu und dann zog sie ein Schlageisen hervor, um vorsichtig ein Feuer zu entfachen.
Sicher, es gab einen anderen Weg für sie, Feuer zu machen, aber sie ließ lieber erstmal Vorsicht walten. Hätte Shalaryl kürzlich im Unterricht nicht bei ihrem Schutz eingegriffen, hätte sie sich mit Sicherheit die Finger verbrannt als sie das erste Mal einen kleinen Feuerball schuf und bevor sie nun anfing, mit Hilfe des Liedes Feuer zu wirken, galt es erstmal sich selber zu schützen und dies vor allem zu üben, bis es ihr praktisch im Schlaf gelingen würde.

Dass es irgendwann mal soweit kommen würde, da hatte sie keine Zweifel dran, aber Merileth war sich auch bewusst, dass der Weg dorthin ein recht langer war. Eine Erfahrung, die sie in ihrem ursprünglich angedachten Weg als Talagan gemacht hatte. Schon von kleinauf übte sie damals täglich auf den Instrumenten, die sie von ihren Eltern, ebenso beide Telegain, erhielt. Die ersten Töne waren immer schräg und es dauerte eben seine Zeit, bis es besser wurde. Oft war es eine pure Qual für das feine Gehör ihrer Eltern und all der anderen Eledhrim in ihrem Umfeld. Ja, auch für Merileth selbst. Doch selbst, als sie noch sehr klein war, verlor sie nicht den Mut und wenn, dann nicht sehr lange. Beharrlich übte sie also weiter und es stellten sich erste Erfolge ein.

So war es gewiss auch mit dem Lied. Ein Talent zu haben war gut und schön, doch die wahre Meisterschaft kam einzig durch die regelmäßige Anwendung und damit Übung und heute war ein Tag, wo sie sich wieder ganz dieser Übung widmen wollte. Zumal sie nun eine kühlende Salbe hatte, die ihr im Falle einer Verbrennung Linderung verschaffen konnte.
Unweigerlich schweifte Merileths Blick aus den saphirblauen Augen hinauf, die Klippen, an denen die Adler ihre Horste hatten, entlang und auf zu dem Haus, was dort stand und auf dessen Balkon die Rosen blühten. Sie glaubte den Duft der Blumen wahrzunehmen und mit ihnen trug der Wind noch einen anderen, mittlerweile sehr vertrauten Duft. Ein Lächeln legte sich auf ihre Züge, derweil sich ein angenehm warmes Gefühl in ihrer Brust ausbreitete und nach einem Moment des Innehaltens und sich diesem Gefühl hingebend, ging sie weiter ihren Vorbereitungen nach, dabei jedoch leise ein Lied vor sich hinsummend.

Die lindernde Salbe wurde parat gelegt, eine Schale füllte sie mit klaren, kühlen Wasser und während all dem griff das Feuer in der Schale mehr und mehr auf das Holz über. Flackernde Flammen tanzten umher und nährten sich gierig vom trockenen Holz.
Merileth wiederum ließ sich vor der Schale im Schneidersitz nieder, bekleidet in einer lockeren, weiten Robe, deren Ärmel sie jedoch weiter aufgekrempelt hatte. Einen längeren Moment hielt sie inne, schloss dann ruhig die Augen und atmete gleichmäßig durch, fühlte ihrem Atem nach, der durch ihren Körper zu streichen schien, ehe er ihn verließ und sich mit dem Wind vereinte.
Behutsam schob sie ihre Gedanken beiseite - auch die schönen. Sie suchte eine Mitte, eine gelassene Ruhe, fernab stärkerer Gefühle. Rationalität war das Ideal - nicht gerade ein geistiger Zustand, den Merileth beständig pflegte, aber in diesem Falle sah sie ein, dass es Sinn machte, jegliche stärkeren Emotionen zu dämpfen. Auch die Sorgen über das, was in der Welt vor sich ging, traten zurück.
Zurück blieb einzig der Moment und ein beständiger Ton, der die Welt durchzog, alles miteinander verband, mal stärker, mal schwächer ausgeprägt und in diesem allumfassenden Ton, begann ihr eigenes Lied langsam mitzuschwingen. Vorsichtig stimmte sie sich darauf ein, ohne in das Gesamtlied aufzugehen. Erst dann, als sie das Gefühl hatte, eins mit sich und der Umgebung zu sein, schlug sie ihre Augen auf, fixierte die zuckenden Flammen vor sich und das Ziel - den Schutz vor dem Schaden, den das Feuer verursachen könnte.

Behutsam hob sie ihre zarten, feingliedrigen Hände an, sie fühlte die trockende Wärme, die zunahm, als sie sich mit ihren Händen der Schale und dem Feuer näherte, hielt inne, lauschte. In diesem Gesamtlied gab es einen Ton, dem sie nachspürte. Er schien mehr im Hintergrund zu bleiben. Dumpf meistens nur, bisweilen aber auch grollend, als würden Felsmassen sich bewegen, als würde die Erde tief vibrieren. Diesen Ton nahm sie auf und mit ihren Händen winkte sie leicht von unten heran etwas nach oben, als würde sie einen Teil der Erde vor sich aufheben wollen. Weiterhin fokussierte sich Merileth auf ihr Ziel und vor ihrem geistigen Augen sah sie, wie sich ihre Hände mit Erde überzogen, wie kleine Kiesel über ihre Haut rollten und sich verdichteten - das Bild der puren Hände, bar jeglicher Erde oder Gestein, verblasste vor ihren Augen und sehr langsam schob sie ihre Hände voran in Richtung Feuer, bemüht, diese Änderung im Gefüge des Liedes aufrecht zu erhalten.

Es war warm, aber es war nicht die Hitze, die man erwarten würde, wenn man seine Hände so dicht vor ein flackerndes Feuer hielt. Ab und an züngelten Flammen in Richtung ihrer Hände und Merileth kam nicht umhin, erfreut aufzulächeln ob des Erfolges ...

Und da war es ihr, als wenn die Erde förmlich abfiel in dicken Brocken, zusammen mit den Kieseln und die Hitze nahm schlagartig zu. Hastig und erschrocken atmete Merileth ein und zog eilig die Hände zurück, streckte sie flugs in die Schale mit dem Wasser. Einen Moment hielt sie so inne, ehe sie die vor Nässe tropfenden Hände wieder hervorzog. Nur leicht gerötet waren sie an wenigen Stellen. Wohl war es mehr der Schreck, dass der Schutz nachließ, der sie so reagieren ließ und weniger die Verletzung, die nicht so arg ausfiel, wie befürchtet. Vorsichtig trocknete sie ihre Hände ab, griff zu der mitgebrachten Salbe und verstrich sie behutsam, während das Feuer in der Schale langsam herunterbrannte.

Tief atmete sie nochmals durch, wieder schweifte ihr Blick und damit auch ihre Gedanken, an den Klippen entlang und hinauf und die Erinnerung an einen Nachmittag vor langer Zeit kam in ihr hoch - zwei Elfenkinder, eines sitzt weinend am Boden, das andere beugt sich sorgend über ihr blutiges, aufgeschürftes Knie.
Wenn du gewusst hättest, was diese Erfahrung uns beiden gelehrt hat, kleine Merileth, dachte sich die ältere Merileth im Stillen und lächelnd begann sie ihre Sachen zusammen zu räumen, um wenig später den Platz so zu hinterlassen, wie sie ihn vorgefunden hatte.


Zuletzt bearbeitet von Merileth Ilanorel am 24 Jul 2018 20:39, insgesamt einmal bearbeitet
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Merileth Ilanorel





 Beitrag Verfasst am: 12 Aug 2018 09:04    Titel:
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Konzentriert war der Blick aus den saphirblauen Augen auf die Flammen gerichtet, die sich an der hellgoldenen, zarten Haut der Hände und Handgelenke zu den Unterarmen hinaufleckten, sie umzüngelten und doch blieb die Haut unversehrt. Tief und ruhig ging der Atem und die gesamte Umgebung war für diesen Moment ausgeblendet. Einzig dem Lied wurde gelauscht und nach einer Weile des Verharrens, zogen sich die Hände behutsam, ohne Hast wieder zurück.
Nun erst erlaubte sich Merileth ein zufriedenes Lächeln, als sie die ihre Haut betrachtete und sich nicht mal mehr Rötungen zeigten. Der erste Schritt für einen wirkungsvollen Zauber war getan. Ein wenig üben wollte sie diesen Schutz vor den Flammen noch, bis er praktisch im Schlaf saß und sie das erste Mal einen kleinen Feuerball formen konnte, ohne großartig über den Schutz, den sie für ihre Hände benötigte, nachdenken musste.
Dennoch - sie griff zu dem Tiegel, der neben ihr stand und nahm eine gute Portion der duftenden Salbe heraus, verteilte sie gründlich auf ihren Händen und Handgelenken und spürte die angenehm kühlende Wirkung. Es war mehr wie ein abschließendes Ritual und nicht mehr eine Notwendigkeit.

Konzentration war wichtig. Das hatte Merileth auch kürzlich beim Unterricht wieder erfahren müssen. Fest war sie auf die Umformung konzentriert gewesen, doch als sie Worte und Bewegungen wahrnahm, ließ sie sich ablenken und schon ging es schief. Zum Glück betraf die versuchte Umformung lediglich Obst, so dass man kaum von einem tragischen Unfall sprechen konnte. Andererseits merkte sie aber auch, dass sie, was die Konzentration anging, sich allmählich auf einen guten Weg befand.
Es ist ein Merkmal der Kindheit und Jugend, dass die Konzentration oft nicht die Beste ist - zu viel gibt es auf der Welt, was sich zu bestaunen und entdecken lohnt und über viele Jahrzehnte hinweg hatte sich Merileth, ohne es darauf angelegt zu haben, diesen Wesenszug bewahrt. Aber nicht jede Ablenkung ist es wert, ihr Aufmerksamkeit zu schenken.
Saverandlir beschied ihr kürzlich, dass sie allmählich konzentrierter wirkte. Beim Fest der Glaur Eith war dies auch nötig gewesen - irgendwann war das Haus am Rande des Nebelwaldes voller Menschen mit all ihren Stimmen, ihren Gerüchen, ihrer wuselig-anmutenden Existenz. Wen sie kannte, den grüßte sie und verhielt sich höflich, wie man es eben erwartete. Aber ihr Fokus lag doch mehr auf ihr grünhäutiges, erdbeerliebendes Gegenüber und auf das Gespräch über die Kristalle. Saverandlir, der sich etwas zurückgezogen hatte, hatte still das Gespräch der beiden belauscht und so war es ihm wohl aufgefallen, welche Entwicklung Merileth langsam durchmachte. Sie glaubte ihm gerne, dass sie sich veränderte - es gab kaum jemanden, der sie besser und gleichzeitig länger kannte.

Langsam zog die kühlende, angenehm duftende Salbe in die Haut ein und einen Moment genoss sie das angenehme Gefühl auf der Haut, atmete den Duft tief ein, dann schweiften Merileths Gedanken weiter, hin zu den Kristallen. Seither sie von dem Thema gehört hatte, faszinierten sie sie. Die Klangsteine einerseits, die während ihrer Reise hier offenbar errichtet wurden und einen praktischen Nutzen hatten, aber auch diese neuen Kristalle, die kürzlich deutlicher mit den Eledhrim kommunizierten hatten. Etwas schien in der Erde zu lauern. Eine Bedrohung, die ihr im Moment sehr viel näher erschien, als der scheinbar zerstrittene Westen und damit noch ein Grund mehr, sich lieber während des Zeit des Konflikts auf Ered Luin und seine neuen, kristallinen Bewohner zu konzentrieren. Zumal Merileth realistisch genug war, um zu erkennen, dass sie in einer Schlacht keinen sonderlichen Nutzen hatte, aber als Wächter in Ered Luin schon eher. Dies grämte sie auch nicht - eine Schlacht konnte selbst einem ewiglebenden Wesen die Endlichkeit der Existenz zeigen und zu sehr genoss sie noch das Leben in der stofflichen Welt.

Vor allem mit ihm.
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Merileth Ilanorel





 Beitrag Verfasst am: 22 Aug 2018 20:11    Titel:
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Aus: Stein um Stein

Als Merileth langsam wieder aus ihren Traumklängen erwachte und noch eine Weile liegen blieb, um der Harmonie Ered Luins zu lauschen - das Zwitschern der Vögel, die Nähe zu ihren Geschwistern, der Duft der vielen Blumen und des reifen Obstes, dem Summen der Bienen, dem Rauschen des Windes und dem Brechen der Wellen des Meeres an den nahen Klippen; all das unterlegt vom Grundton einer Einigkeit und Vollkommenheit - fühlte sie sich angenehm schwer und gleichzeitig erholt. Es war ihr so, als wäre ein inneres Gleichgewicht wiederhergestellt, das sie nötig gehabt hatte und doch musste sie im gleichen Zug an die Geschwister denken, die im Lager vor den Disharmonien Varunas weilten.
Tief atmete sie nochmals die frische, duftende Morgenluft ein, die der sanfte Sommermorgenwind in die Schlafnische hauchte und die zarten Vorhänge bauschte, dann erhob sie sich - vorsichtig jedoch, denn die Pfeilwunde am Bein schmerzte noch ab und an, kribbelte aber auch manchmal etwas, was wohl ein Zeichen für Genesung war.

Behutsam inspizierte sie die Wunde, an der sie nach Saverandlirs Anraten nur noch Luft ließ - jedenfalls solange sie hier in Ered Luin bleiben würde. Den heutigen Tag wollte sie die Wunde noch etwas heilen lassen, vielleicht ab und an selber im Lied behutsam eingreifen und die Heilung unterstützen. Morgen jedoch, das hatte Merileth sich vorgenommen, wollte sie zurückkehren ins Lager und schauen, wo sie helfen konnte und vielleicht erste Notizen beginnen.
Eigentlich hatte sich Merileth ursprünglich dafür entschieden, in Ered Luin zu wachen. So oft war der Nebelwald schon Angriffen der Letharen ausgesetzt gewesen und vor allem sah sich Merileth auch kaum in der Lage, halbwegs von Nutzen zu sein, wenn es in eine Schlacht ging. Dann jedoch war etwas passiert, was zumindest den letzten Punkt entkräftete ...

Schon seit einer Weile passierte in Ered Luin etwas Sonderbares - Kristalle wuchsen aus dem Boden, begannen sogar mit den Elfen zu kommunizieren. Zwei Sorten von Kristalle zeigten sich - blaue und rote. Die Worte, die die blauen Kristalle aussandten, wurden im Verlauf der Zeit klarer und es offenbarte sich, dass tief in der Erde eine Bedrohung lauerte. Dieser gingen die Eledhrim nun kürzlich nach, erreichten ein Gewölbe, was einst wohl von ihren Ahnen errichtet und offenbar schlagartig verlassen wurde.
Hier kämpften sie nun gegen die Bedrohung und vor allem gegen das Vergessen. Just in dem Moment, als ein schwebender Kristall Merileth angriff, vollzog sie einen Eingriff ins Lied, den sie eigentlich für die nähere Zukunft in einer kontrollierten Situation als halbwegs gefahrlose Übung geplant hatte - sie formte einen kleinen Feuerball, mehr ein Feuerpfeil, und schleuderte ihn dem Kristall entgegen. Etwas flackernd und noch nicht vollends kontrolliert, doch dieser Angriff zeigte seine Wirkung und abgesehen von einem etwas angekokelten Handschuh war ihr nichts weiter passiert.
Am nächsten Tag besuchte sie diesen Ort erneut und probierte sich weiter in der Nutzung dieses Zaubers. Sie wurde ein wenig sicherer - keine Verletzungen, sogar ihre Rüstung überstand diese Eingriffe im Lied und als Merileth dann durch Saverandlir vernahm, dass einige Angehörige des lichten Heeres in einer Festung eingeschlossen waren, ringsherum der Feind lauernd, entschied sie sich, sich den Lichtenthalern und ihren Verbündeten anzuschließen.

Merileth hatte ja keine Ahnung, was das bedeuten würde.
Was wusste sie schon über Kriege und Schlachten, über das Leben in einem Kriegslager? Sie kannte bloß die Geschichten und Legenden, die sie gelesen hatte, die meisten stammten von anderen Völkern.
Oft war die Rede von glorreichen Kämpfen, ehrenhaften Kriegern und wie Frieden ins Land kehrte. Es wurde von Kameradschaft und einem Bund fürs Leben geschrieben, wenn man Seite an Seite gekämpft hatte. Wenn es Abbildungen in Form von Kupferstichen gab, dann zeigten diese edle, unverletzte Kämpfer mit vollständigen Gliedmaßen, die in einer prunkvollen Rüstung steckten und auf einem sich munter aufbäumenden Pferd, vorzugsweise weiß, saßen. Meist hatten sie noch genug Kraft, um ein Banner zu recken und all die anderen Menschen um sie herum jubelten ihnen zu, derweil ein Adler über ihnen seine Flügel ausstreckte.
Sicher, irgendwo war es auch Merileth klar, dass es nicht ganz der Realität entsprechen würde. Die erste Erkenntnis - ein über ein Heer schwebender Adler wird unter Umständen abgeschossen, weil er ein Spion sein könnte.
Nein, den Schützen machte sie da keine Vorwürfe. Es war ja auch vernünftig so, auch wenn ihr die Tierwelt, abgesehen von den wohl nun allmählich wohlgenährten Krähen und anderen Aasfressern, nahe Varuna leid tat.
Das Bild der glorreichen Schlachten und heldenhaften Krieger fand sie nirgendwo in diesem Lager oder Drumherum. Das war nicht so ernüchternd für sie, wie man wohl meinen könnte - mehr noch sah sie so die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen. Die Erfahrung, dass an einem Krieg oder eine Schlacht nichts glorreich, edel oder ehrenvoll war. Es war einfach nur schmutzig - wortwörtlich und sprichwörtlich zugleich.
Das Lagerleben war ihr ein Graus - immer schrie irgendwer, sei es vor Schmerz oder sei es in einem Streit und die Nächte, die sie dort verbracht hatte, hatten ihr kaum richtigen Schlaf beschert. Dann diese Gerüche - Schweiß, Dreck, Blut, Alkohol und diverse andere Ausscheidungen waberten wie ein widerliches Miasma durch die Luft. Den Menschen schien es wohl kaum etwas auszumachen, aber sie stopfte sich bisweilen ein paar frische Kräuter in ihre Maske rein, um so den Gestank, den diverse Völker, die dicht aufeinander hockten und kaum Platz hatten, verursachten, zu übertünchen. Zu guter Letzt waren da noch die Ruinen Varunas - es hätte wohl kaum einen übleren Ort geben können, in dessen Nähe man das Lager aufschlug. Gewiss - viele Möglichkeiten gab es wohl nicht und welcher Kämpfer vernahm schon die Disharmonien, die von diesem Ort ausgingen? Kaum versuchte sich Merileth auf das Lied einzustimmen, mischten sich schräge, schauderhafte Töne ein, die ihr bisweilen eine Gänsehaut bescherten. So tat sie das nur noch, wenn sie wirklich unbedingt im Lied wirken musste und das überlegte sie sich in der Zeit wirklich gut.

Still bewunderte sie Saverandlir dafür, dass er es dort so lange aushielt und das war auch ein Grund, warum sie unbedingt wieder zurück wollte. Ja, wegen ihm. Aber vor allem auch, weil sie sich an ihm messen wollte - auch sie wollte all das aushalten, auch sie wollte zeigen, dass sie nicht schwankte, selbst wenn die Umstände drumherum schwer auszuhalten waren. Es galt Erfahrungen zu sammeln, daran zu wachsen und vor allem galt es für das Licht und die Harmonie zu kämpfen, egal, wie dreckig das nun werden würde.

Einzig eine Angst blieb - vor einem oder mehreren Letharen zu stehen, nicht mehr wissend, was zu tun war, da überwältigt von Gefühlen, die sie nicht kannte - Hass, Wut und Schmerz, der über den Körper hinausging. Vielleicht auch eine Erfahrung, die sie machen muss.
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Merileth Ilanorel





 Beitrag Verfasst am: 21 Jul 2019 10:56    Titel:
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Musikalische Untermalung

Gemächlich streifte Merileth durch Ered Luin, genoss die Ruhe, die frische Brise vom Meer. Ab und an schloss sie die Augen, um noch ein wenig besser auf das Lied ihrer Umgebung zu achten. Die zarte Blüte einer weißen Orchidee klang anders, als das krautige Blatt einer wehrhaften Brennessel und nicht weit entfernt jagten sich zwei junge Eichhörnchen verspielt an der rauen Borke eines alten Apfelbaumes, dessen Früchte langsam, doch stetig wuchsen und Farbe annahmen, gegenseitig hinauf.
Nach einer Weile ließ sie sich dann nahe der Klippen nieder, nahm den Ruf eines Adlers in der Nähe wahr und blickte zufrieden und entspannt aufs ewig wirkende Meer mit seinen vom Wind angetriebenen Wellengang.

Einige Tage lang hatte Merileth sich von den Menschen zurückgezogen. Nicht aus Frustration oder Enttäuschung. Sie brauchte immer mal wieder diese Auszeit von der Welt derer, die die Zeit zählten und einteilten. Die Welt der Menschen war immer ein wenig anstrengend für sie. Alles ging schneller, es war nicht selten laut und wo viele Menschen waren, strömten viele Gerüche und noch mehr Eindrücke auf sie ein, so dass sie sich leicht erschöpft fühlte. Sie versuchte es sich möglichst nie anmerken zu lassen, denn die wenigsten mochten das wohl verstehen. Für die Menschen war diese Art zu leben ganz normal und sie befürchtete, sie konnte manch einen damit vor den Kopf stoßen.
Sich ganz von ihnen zurückzuziehen, war aber auch keine Option in ihren Augen. Allen voran die Menschen schienen die Welt anzutreiben, nicht nur mit Kriegen. Irgendwas ging immer bei ihnen vor, was ihre Neugierde antrieb und so kurz auch die Lebensspanne eines Menschen war, so spannend war es doch zu sehen, was dieser in der kurzen Zeit vollbrachte.

Im Geiste ließ Merileth die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit Revue passieren.

Da war ihr Vortrag und die Vorstellung der Geistheilung im Hospital gewesen. Sie war im Rückblick damit zufrieden gewesen. Keiner war eingeschlafen, also war es nicht zu langatmig für einen Menschen - ihre größte Sorge. Stattdessen hatten sich alle beteiligt und waren interessiert. Sogar Notizen konnte sie ausmachen. Sie hatte es also wohl richtig gemacht, entschied sie für sich und nahm sich vor, in Bälde einen weiteren Abend anzubieten, vielleicht mit etwas Meditation oder anderen Übungen.
Dieser Abend hätte so ausklingen können und sie wäre zufrieden zurückgekehrt, aber es war noch etwas passiert, woran sie mit einem Lächeln zurückdenken musste.
Gerade, als alle gegangen waren und sie allein mit dem jungen Menschenkind Rheaonna im Hospital stand und noch etwas mit ihr redete, klingelte es. Sie gingen zur Tür, doch war niemand zu sehen. Wieder klingelte es und während das Kind nach oben ging und nachschaute, warf Merileth einen kurzen Blick auf der Liedebene auf die Glocke. Irgendwas haftete ihr an.
Die Elfe ging dann ebenso hinauf, denn etwas war hier im Gange und gerade das Hospital war ein Ort, den sie sicher und unversehrt wissen wollte, ehe sie ging.
Oben, im Versammlungsraum, wo Merileth auch ihren Vortrag abgehalten hatte, stand Rheaonna in einer Ecke, vor ihr ein teils durchsichtig wirkendes, großes Wesen, einem Schemen gleich. Vorsichtiger näherte sich Merileth den beiden, den Schemen dabei wachsam im Auge haltend, um möglichst rasch eingreifen zu können, sollte er dem jungen Menschenkind etwas tun.
Doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil. Was nun passierte, zeigte Merileth, warum es richtig war, die Menschen, die dem Licht zugetan waren, zu unterstützen. Vor allem die jungen. Die Antwort, die Rheaonna dem Schemen auf seine Frage gab, zeigte der Elfe wieder einmal, warum sie gerade die Kinder der Menschen mochte. Sie waren noch so rein und auf ihre Art besonders weise, was sie am liebsten bewahren würde, wenn sie nur könnte. Merileth hielt sich zurück, beobachtete ruhig, bis der Schemen verschwand. Einen Moment sprach sie noch mit dem jungen Mädchen und sorgte noch mit einer leichten Liedmanipulation der Luft mit Hilfe von Wasser und Wind für eine dezente Abkühlung bei ihrem Gegenüber. In diesem Moment kam in Merileth jedoch eine besonderes Gefühl, eine Art Erkenntnis auf - das Gefühl vollster Zufriedenheit, als hätte sie alles, was sie in dieser Welt brauchte. Erst, als sie die Einstimmung aufs Lied verließ, ebbte das Gefühl langsam ab.
Am Ende riet sie Rheaonna noch, mit anderen über dieses Ereignis zu sprechen. Nicht, weil sie den Schemen für böse hielt. Aber wie mochte er reagieren, wenn andere eine Antwort gaben, die ihm nicht gefiel? Baumgeister beschützten den Nebelwald, doch wehe jemand wagte es, dem Wald Schaden zuzufügen. Vermutlich verhielt es sich auch so mit dem Schemen.
Vergessen hatte Merileth das angenehme, zufriedene Gefühl jedenfalls nicht und dafür in sich bewahrt. Das Gefühl der vollen Zufriedenheit kam ihr selbst wie ein Geschenk vor und sie würde es nutzen in Momenten, in diesen sie zweifeln würde.

Ob die Zweifel und Sorgen irgendwann einkehren würden? Bisher hatte Merileth in ihrem Leben eher Glück gehabt. Als Ered Luin zerstört wurde, war sie auf Reisen und nur eine kurze Ahnung, ein Gefühl von Unwohlsein, hatte sie an den Tagen überkommen, aber sie hatte es damals nicht auf die Geschehnisse in Ered Luin zurückgeführt. Sie war zu weit weg, um davon Kunde zu erhalten.

Dennoch gab es da etwas, was ihr Sorge bereitete, aber nicht in einem Maß, in dem sie das Gefühl hätte, sie würde starr zusehen, wie der Schrecken seinen Lauf nahm. Noch war es möglich, zu handeln und etwas gegen das Panthermal nahe Bajard zu unternehmen. Ganz gleich, ob es nun der Brudervergifter selbst war, der dort ein Zeichen hinterlassen hatte oder eine Finte, um den Osten zu verwirren - unbeachtet wollte sie das Mal nicht lassen. Glücklicherweise gab es Menschen und Kaluren, die diese Sichtweise teilten. Auch Shalaryl nahm das Mal nicht auf die leichte Schulter und sprach von der Gefahr, dass der Westen sich weiter ausdehnen konnte.
Die Lindilschwester rief ihr ins Gedächtnis, wie klein der Westen einst war - nur die Stadt Rahal. Doch nun war es ein größeres Reich, was neben einem gut geschützten Rahal noch aus einem gesicherten Ort namens Düstersee und zwei Siedlungen bestand. Regelmäßig trieben sich die Vergifteten und ihre verblendeten, menschlichen Begleiter jenseits ihrer Reichsgrenzen herum und nachdem das Mal auftauchte, sah man sie offenbar öfter in Schwingenstein.
Nicht zu handeln und bloß zu warten, bis etwas passierte, erschien ihr falsch. Mussten erst sinnlos Leben vergeudet werden, ehe etwas getan wurde? Wenn nicht genau das schon passiert war, laut dem Bericht des Daron Elonas'. Ein Leben, vermutlich gezeugt aus Liebe, aufgewachsen, vielleicht behütet, geschützt, geliebt und geschätzt. Vielleicht ein Leben, was von Zufriedenheit und Glück gekennzeichnet war. Oder von Hoffnung auf etwas Besseres. Ein Leben, was dann letztlich ein schreckliches Ende fand. Vielleicht saß nun irgendwo ein Mensch und fragte sich, wo der andere blieb.

Der Blick Merileths war hinab zum Wasser des Meeres geglitten, blickte hinab in die dunkel wirkenden Fluten, deren Wellen an den rauen Felsen mit ihren scharfen, harten Kanten brandete. Die sonst eher zufriedene Mimik wich allmählich auf, wurde ernster, während sie weiter über die jüngsten Ereignisse nachdachte.

Menschen waren grausam, wahnsinnig. Täuschten vertrauensselige, gute Menschen, um in ihr Haus einzutreten und ihnen solch ein Leid anzutun, dass man daran verzweifeln konnte. Dass Merileth schon fast verzweifelte, in ihrem Versuch den Opfern zu helfen.
Sie konnte es nicht verstehen, warum man so etwas tat. Die Letharen waren eine Sache - sie stammten von den Brüdern ab, die einst von dem Vergifter verdreht und ihrer lichten Seele beraubt worden waren. Es war eben ihre Natur, so traurig das zurückliegende Ereignis auch war. Doch die Menschen hatten zumindest eine Wahl. Wann passierte es schon mal, dass eine Gottheit so direkt auf die Menschen einwirkte und sie verdrehte? Nein, es war die eigene Schwäche der Menschen, dass sie sich falschen Versprechungen von Macht und Einfluss hingaben oder sich aus Enttäuschung über irgendetwas auf die Seite Alatars schlugen und ihre Augen vor der Vernichtung der Schöpfung verschlossen.

Für einen Moment erschauderte Merileth, aber genau das riss sie aus diesem Anflug von trüben Gedanken wieder heraus und unbewusst umgab sie sich wieder mit angenehmer Wärme, wie sie es von kleinauf gewohnt war.
Sie hatte ja vorher schon geahnt, dass sie mit dieser Arbeit im Hospital auf Seiten der Menschen stoßen würde, die sie belasten könnten. Was sie nun brauchte, war etwas Ablenkung und Hoffnung.

So erhob sich die Elfe mit raschelndem Gewand und lenkte ihre Schritte nun auf den Abschluss ihres heutigen Spaziergangs zu. Unterwegs konzentrierte sie sich wieder auf ihre Umgebung, auf den Klang ihrer Brüder und Schwester, die wachend und schützend diese lichte Stadt durchstreiften. Auf den Klang der plätschernden Bäche, dem Duft der Blumen, das Rauschen der Bäume, wenn der Wind durch sie strich, bis sie die Höhle erreicht hatte.
Langsamer trat sie näher, neigte das Haupt, wie sie es immer vor jedem tat, immer gleichmäßig höflich und respektvoll und raunte leise und freundlich "Mae Govannen, Seline." zum größtenteils versteinerten Drachen.

Ich weiß nicht, worauf das hier hinauslaufen wird, aber ich freue mich auf dich.


Zuletzt bearbeitet von Merileth Ilanorel am 21 Jul 2019 17:56, insgesamt einmal bearbeitet
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Merileth Ilanorel





 Beitrag Verfasst am: 03 Nov 2019 21:41    Titel:
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Behutsam wandelte ein kleines Irrlicht über die Felsen Ered Luins. Fast wirkte es, als würde es - trotz fehlender Füße - seine ersten Schritte wagen: vorsichtig, bei etwas unsicherem Gelände manches Mal etwas ausharrend, ehe es sich weiter bewegte. Auf sicheren Boden jedoch schien es, als wenn es heller strahlen würde, wagte ein paar Sprünge, drehte sich und schwebte etwas beschwingter weiter.
Einmal jedoch, auf einer selbst zu dieser Jahreszeit noch immer mit Blumen übersäten Wiese, hielt es inne, rührte sich einen längeren Moment nicht, während die Gestalt kurz etwas zu schwanken schien. Für einen Augenblick flimmerte das Licht, die Gestalt schien in etwas Größeres aufzugehen, doch kehrte dann rasch wieder in die Irrlichtform zurück. Vereinzelte Tropfen des letzten Regens auf den Blättern der Blumen und Grashalme regten sich, strebten kreisförmig auf das Irrlicht langsam zu und auch die Luft rund um das Wesen schien an einer Stelle an Feuchtigkeit zu gewinnen und Tropfen für Tropfen bildete sich vor (oder dahinter oder daneben - bei Irrlichter ist das schwer zu sagen) dem Wesen eine Pfütze, die schon bald rascher anwuchs.
Bisweilen flackerte die Gestalt des Irrlichtes, doch dann war offenbar das vollbracht, was sich das Wesen aus Licht wohl erhofft hatte und nun ging es recht rasch - die Gestalt wuchs, das Licht verging und die Form wurde schnell humanoid, ehe Merileth anstelle des Irrlichts dort stand, leise, doch erleichtert aufatmete und zufrieden hinabblickte auf die kleine Pfütze am Boden.

Während es in ihrer eigentlichen Gestalt, die sie nun wieder innehatte, keine Schwierigkeit mehr darstellte, eine Pfütze zu erschaffen, war es in dieser Form etwas, was durchaus noch Konzentration von ihr verlangte. Einerseits Konzentration auf ihre Form, die einem Irrlicht glich, aber auch die Konzentration darauf, sich dem Lied sehr weit anzunähern, ohne darin endgültig aufzugehen.
Es war wie bei dem Ritual mit all den anderen Geschwistern und Seline, als sie gemeinsam mit der Silberdrachin ein Leuchtfeuer über das Lied in die Welt geschickt hatten, in der Hoffnung, andere Silberdrachen oder sogar Slain zu finden.
Ein Gefühl von berauschender Macht, verlockender Freiheit, von Kraft, aber auch versehen mit einem gewissen Gefühl von Heimat, Sicherheit und Ewigkeit. Gerade noch so hatte sie bei dem Ritual innehalten können, um nicht im Lied aufzugehen, und genoss dafür das, was folgte - das Gefühl über diese Welt zu schweben und zu sehen, wie ein Leuchtfeuer nach dem anderen aufglomm. Silberdrachen, aber auch andere Elfen, die ihnen antworteten, ganz gleich ob auf dem Festland oder auf fernen, fremden Inseln. Vielleicht war auch Slain darunter oder andere Elfen, die bei ihm lebten, wie die Elfen Gerimors mit Seline.

Nachdenklich wanderte Merileth in ihrer eigentlichen Gestalt über die Wiesen, vorbei an den Bauwerken Ered Luins, die sich nahtlos in die Landschaft einfügten, ehe ihr Blick von drei Fuchswelpen eingefangen wurde. Lächelnd beobachtet sie die Jungtiere und erst dann schweifte ihr Blick zu den beiden bläulichen Kristallen, zwischen denen die aufgeweckt-fröhlichen Tiere herumtollten. Langsam näherte sie sich den Dreien und ließ sich in ihrer Nähe im Gras nieder. Einer von ihnen tappste heran und sie kraulte sanft sein weiches Fell hinter den kleinen Ohren, während sie zu den Kristallen blickte.

Es war noch nicht lange her, als sie die alte Bibliothek besucht hatte, um zu sehen, ob sich die roten Kristalle erneut ausgebreitet hatten. Zumindest hielt sich deren Wachstum in Grenzen. Dennoch zeigte das alte Gewölbe deutlich, dass das Vergessen nie verschwinden würde. Es blieb ein steter Kampf und nun betraf es nicht nur mehr das Volk der Elfen. Auch die Menschen hatten schon Bekanntschaft mit dieser Gefahr gemacht, die so bedacht darauf war, all das Wissen um die Vergangenheit der Elfen und des Drachenhüters zu vernichten. Immerhin - all diese Geschehnisse ließen sie, Menschen und Elfen, wohl langsam näher zusammenrücken. Hoffentlich.

Verspielt biss der kleine Fuchs Merileth in einen ihrer Finger rein. Nicht fest, eher um sie zu necken und wohl auch um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, was ihm gelang. Milde musste sie lächeln und begann ihn forscher zu kraulen, während der Welpe sich auf den Rücken rollte und sie seinen Bauch so kraulte, als würde sie ihn kitzeln wollen. Auch die anderen beiden Füchse hoppsten heran und tobten um sie herum, derweil die Ithron diesen Moment des Friedens genoss.
Dann jedoch, als zwei der drei Welpen miteinander wieder balgten und sich einer herzhaft gähnend an ihrer Seite nieder- und sich von ihr streicheln ließ, ging ihr Blick nochmals nachdenklich zu den beiden blauen Kristallen.

Faszinierend waren diese Kristalle durchaus. Egal, ob sie nun als Klangsteine dienten und die Eledhrim vor Gefahr warnten, von den Bauern der Menschen in einem Topf gezüchtet wurden oder sich als Zeichen einer abstrakten Gefahr entpuppten. Vielleicht waren sie auch noch für anderes nützlich? Einer der früheren Ithron namens Lharan soll sich mit ihnen und vor allem mit den Klangsteinen beschäftigt haben, hatte ihr kürzlich Ari'eildae erzählt. Bedauerlicherweise hatte Merileth nichts Schriftliches dazu in der Bibliothek Ered Luins gefunden und auch im Hort des Wissens bei Kronwalden fand sie nur wenig über Kristalle. Sogar die schwimmende Bibliothek in Bajard hatte sie aufgesucht, aber da war offenbar rein gar nichts über das Thema Kristalle zu finden. Eine Möglichkeit gab es da noch, aber da brauchte sie Hilfe und sie wusste schon, an wen sie sich vielleicht erfolgreich wenden könnte.

Einen Moment saß sie da noch in ihren Plänen versunken, ehe die zwei aufgeweckten Füchse spielend über ihre Beine tobten und sie aus ihren Gedanken rissen. Lächelnd kraulte sie die drei Welpen nochmals, erhob sich dann aber behutsam und ließ die Jungen, die ihr aus ihren Knopfaugen nachschauten, zurück. Bald würde sie sich wieder so einen Moment der Ruhe gönnen, aber nun galt es erstmal etwas Neues zu beginnen.
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