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Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Von pechschwarzer Rabenfeder und farbenfrohem Kolibri
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 25 März 2024 17:19    Titel: Kapitel 76 - Bis unter die Haut
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Kapitel 76 - Bis unter die Haut


DAM DAM! DAM DAM! DAM! Atme Tayris, atme! Er ist verrückt, ganz eindeutig! Geisteskrank, Alatar hat seinen Kopf verdreht! Verrückt, verrückt, verrückt! Und jetzt atme, fall bloß nicht in Ohnmacht, untersteh dich! Tanai saß zusammengekauert unter Deck eines Schiffes nach Cabeza und konzentrierte sich darauf zu atmen… und auch darauf, sich nicht zu übergeben. Die blutende Wunde wurde mit aller Mühe abgedrückt, während sie ihren linken Arm steif in die Höhe streckte, damit das Blut nicht weiter daraus hervor floss. Ist das etwa der blutige Preis für meine Freiheit? Vindheim, du bist verrückt, Tetrarch hin oder her! Kurz schluckte der Strubbelkopf mit aller Macht die schwelende Übelkeit herunter, als sie die Wunde an ihrem Unterarm betrachtete. Ein zweifingerbreiter Schnitt entlang ihres gesamten Unterarmes, ein Streifen fehlender... Haut. Exotisches Leder?! Das ist ekelhaft! So hatte sich Tanai ihren Abend definitiv nicht vorgestellt, als sie zum Tempel nach Rahal aufgebrochen war. Eigentlich... Jaaa, eigentlich hatte sie nur ein Gespräch mit dem Tetrarchen führen wollen, um ein für alle Mal die Fesseln an ihren Handgelenken zu lösen. Gleichsam hatte sie diesen einen ganz speziellen Schwur ablegen wollen, besiegelt mit Blut. Die Kette mit dem Glasanhänger lag bei Mychael in der Werkstatt bereit, sie musste nur noch gefüllt werden... mit ihrem Blut. Und Blut gab es an diesem Abend mehr als genug. Völlig verstört griff Tanai in ihre Tasche und entkorkte eine kleine Phiole, um etwas von der Wunde aufzufangen. Krank, dass sie ausgerechnet jetzt daran dachte? Ohhh jaaa, er hat dafür gesorgt, dass auch dein Köpfchen vollkommen durcheinander ist und hat dich dazu gebracht! Hattest du Angst, Häschen? Was wäre passiert, wenn du die süße Nase auflehnend in die Luft gestreckt hättest? Hätte er dich dann selbst aufgeschlitzt? Hastig steckte Tanai die Phiole wieder in ihre Tasche und drückte die Wunde auf ein Neues ab. In jenem Moment war sie sich nicht sicher, ob der aufgeschlitzte Rücken des Clericus widerlicher war als das hier... Oh Alatar, gib mir Kraft. Lass mich nicht fallen. Sie war bereits so oft gefallen, doch war immer wieder aufgestanden. Man musste manchmal sehr schmerzhaft erst lernen zu fallen, um dann lernen zu können, dass man aufstehen konnte... Sie konnte es jetzt, beständig bleiben. Sie war stark genug dafür, sowohl der Vicarius als auch der Tetrarch hatten ihr das gesagt. Bleib standhaft, sei stark. Als Tanai endlich auf Cabeza ankam, ging sie mit bleiernen Schritten von Deck und zwang sich zu ihrer Hütte. Karamell begrüßte sie mit dem üblichen Gemaunze, doch im Moment musste das Tierchen warten, denn die Wunde musste dringend abgebunden werden.

Stunden später lag der Strubbelkopf erschöpft auf dem Boden neben ihrer Katze und träumte unruhig. "... ich garantiere euch, es war nicht der Herr, der von ihm gefordert hat, euch los zu werden..." Sie starrte den Tetrarchen an und schluckte schwer, während sich dunkle Schatten um sie herum sammelten. Dann ein einziger Wimpernschlag, und durch das Dunkel glitten seine Worte wie eine Klinge. "... es war seine Entscheidung, nicht die des Herren... Ihr möchtet dem Herren mit Blut schwören, keinen Mann mehr in euer Herz einzulassen?" Ein lautes Pochen, wie der Klang von Cailens Stab, doch dann wandelte es sich in einen rasenden Herzschlag, und der Tetrarch gab ihr seine Antwort. "Nein." Und dieses eine Wort war so schlicht wie bedeutungsvoll zugleich. Kiemsrote Funken strebten auf und nahmen Tanais Sichtfeld vollkommen ein. Sie konnte kaum atmen, als sie plötzlich Fesseln an ihren Handgelenken spürte. Keine Freiheit, keine Erlösung, nur... lautes, unaufhaltsames Pochen. Jeder Schlag gleich einer Pauke, bis sich die Schatten und Funken auflösten und sie wieder in das Gesicht des Tetrarchen sah. "...Ihr habt keinerlei Grund, der Schwäche auch nur eine weitere Träne zu opfern. Geschweige denn euer Blut. Und euer Herz." Tanai antwortete ihm nicht, doch in ihrem Strubbelkopf kamen verletzte Gedanken auf. 'Aber... Aber ich will nie wieder, nie nie wieder so fühlen, ich will es nicht. Er wird für immer mein Herz besitzen...' Ein Fauchen in den Schatten, dann drang seine Stimme in ihren Geist und zerrte an ihr. "Es wird allein euer Wille und euer Respekt sein, der euch an diesen Schwur bindet." Tanai knirschte mit den Zähnen, dann entkroch ihrem Mund eine Antwort, die einer ganz bestimmten Sache entbehrte. Tetrarch... Tetrarch, ohh jaaa, das Fehlen eines Titels. Ein dunkler Schatten erhob sich, dann folgte das Klirren eines Messers auf dem steinernen Boden des Tempels. "Eine Armlänge aus eurem Unterarm... Jetzt." Ihr Körper gehörte nicht mehr ihr, wurde verschlungen von diesem begehrenden Schatten und von peinigenden Schmerzen... Und Blut. So viel Blut, für den Herren? Oder doch für Vindheim? "Das Leder..." Sie spürte wie sich Haut von ihrem Unterarm löste, in seine gierigen Hände wanderte... Blut, so viel Blut. Schreiend wachte Tanai aus diesem Grauen auf und bekam kaum Luft, so schwer ging ihr Atem. Sie blickte an ihren Unterarm und wusste in jenem Moment, dass es Realität war... Er war ihr unter die Haut gekrochen. "Er wird nicht der letzte Templer sein, der dich peinigt, kleiner Kolibri. Du willst Freiheit? Die findest du nur in Nileth Azur." Die unbekannte Stimme trieb ihr Übelkeit in den Körper und sie sprang vom Boden auf, um sich vor der Haustür zu übergeben. Sie musste zu einem Heiler, um die Wunde versorgen zu lassen, und vielleicht auch die gepeinigten Gedanken. Und da kam ihr das Apfelmädchen in den Sinn... Was sie wohl von der Vindheimschen Wunde hielt?
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 27 März 2024 18:43    Titel: Kapitel 77 - Das Feuer und die Stärke
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Kapitel 77 - Das Feuer und die Stärke


26. Lenzing 267, La Cabeza, La Calma
Ich zittere noch immer, wenn eine Welle aus brennendem Feuer über meinen linken Unterarm brandet. Doch ich weiß, dass ich nicht das Feuer bin, es war seine Garstigkeit… hervorgerufen wie ein zorniger Flaschengeist, dessen Heim man zu stark gerieben hat. Vor zwei Abenden habe ich mich in die Höhle des Wolfes getraut und ich war zunächst froh, dass ich fand, wonach ich suchte. Das Apfelmädchen hat nicht schlecht geschaut, als sie meine Wunde gesehen hat. Hat sie das Wort "gegerbt" anfänglich überhört oder einfach nur überspielt? Noch bin ich mir nicht sicher, wie stark sie ist, und ob sie im Haushalt von Vindheim bestehen wird. Ich bin fast vom Stuhl gekippt, als er in das Kaminzimmer kam... Und ich glaube in seinen Augen Genugtuung gesehen zu haben, oder war es doch etwas anders? Die Wundbehandlung hat geschmerzt und leider kam mir Galle hoch, während Sae mit ihrer Pinzette Verunreinigungen aus der Wunde zog. Sie konnte nichts nähen, es ist... Schlicht keine Haut mehr da, die man zusammenzwingen könnte. Ich bin mir nun sicher, dass sie sehr erfahren ist in ihrem Handwerk, und da ist noch etwas anderes. Sie hat die Dynamik zwischen Vindheim und mir nicht übersehen, wie auch... Am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel gesprungen, aber ich habe mich dazu erklärt die Templer mit meinem Leben zu schützen. War das der Grund, weshalb ich seine Anweisung ohne zu zögern oder mit der Wimper zu zucken umgesetzt habe? Oder war es nur die ferne Erinnerung daran, was passiert, wenn man sich Templern widersetzt, gemahnt durch meine vernarbten Fußsohlen? Dass ich dem Tetrarch ohne zu zögern in den Tod hinterher springen würde, ist mir schon am Abend im Tempel klargeworden. Und nun bleibt es, was es ist. Ich werde geprüft, mit einer Garstigkeit, die ihresgleichen sucht. Wie hat Sae es gesagt...? Ich sei eine kluge und hübsche Person, die in den Augen des All-Einen auch etwas Besonderes ist? Dass ich geprüft werde... das... macht man nicht mit stumpfen, dummen Menschen, die sind die Mühe nicht wert? Ich sollte darüber nachdenken, warum er mich sieht und nicht andere. Meinte sie damit Alatar oder Vindheim? Es bleibt dabei, irgendwie ist das seltsam, will sie ihn haben oder nur wissen, in welche Wolfshöhle sie da geraten ist? Davon ab... Nein, es scheint mir Ironie in dieser ganzen Sache, ich bin es nicht wert geprüft zu werden, wieso sollte ausgerechnet ein einfältiges Fischermädchen aus Cantir etwas Besonderes sein. Wäre dem so, hätte der Herr dem Vicarius nicht gezeigt wie ich mit aufgeschlitzter Kehle am Boden liege... minderwertig, so wie meine ewige Liebe den Worten des Tetrarchen nach. Am Ende von Saes Behandlung hat mich Vindheim aus seiner Wolfshöhle geschmissen und das Kätzchen hat mich mit dem Rat entlassen, darüber nachzudenken, ob Vindheim meine Verachtung verdient hätte. "Es muss einen Grund haben, warum er dich heute nicht vor mir zerrissen hat und ich denke, dass er dich achtet und deine schillernden, starken Farben sieht, Tanai." Was redet sie da nur? Ich bin nicht stark, und ich bin auch kein Leuchtfeuer... Ich bin nur... verdammt...

Der gedankenverlorene Tagebucheintrag endete abrupt, als die Tür ihrer Hütte aufschwang. Ihre Mutter kam in die Küche, gerade noch rechtzeitig, nachdem das Tagebuch versteckt war, damit es die neugierigen mütterlichen Augen nicht zu Gesicht bekamen. "Na kleiner Kolibri, hast du gut geschla... bei Alatar, wie siehst du denn aus?" Coreyee besah sich die dunklen Augenringe unter Tanais Meeraugen und sog die Luft scharf ein. "Tanai, ist alles in Ordnung? Du siehst aus als hättest du tagelang nicht geschlafen." Da wollte der Strubbelkopf ausweichen, doch ihre Mutter griff sie am linken Unterarm und wollte sie zurückhalten, was kurz darauf mit einem tobenden Feuer in ihrem Körper belohnt wurde. "Was hast du angestellt? Rede!" Tanai zog den Arm zum Körper zurück, atmete mehrfach tief durch, bis das Feuer nicht mehr brannte und sah Coreyee kurz unschlüssig an. "Ich habe mich nicht widersetzt, ich schwöre es bei Alatar... Ich wollte nur... Ich wollte endlich frei sein und das hat der Tetrarch mir vergolten. Er hat mich aufgefordert… nachdem ich seinen Titel wegen seiner bissigen Kränkung verschluckt habe... Er... Es... Mutter, er hat mich meine Haut aus dem Körper schneiden lassen." Und da kamen plötzlich wie aus dem Nichts heiße Tränen aus ihr hervorgebrochen und bahnten sich unnachgiebig über ihre blassen Wangen, während ihr ganz Körper begann sich in einem heftigen Beben zu schütteln. Vorsichtig schloss Coreyee ihre Tochter in die Arme und wisperte ihr beruhigend zu. "Oh, mein kleiner Kolibri, du bist so stark, so so mutig. Du wirst sehen, dass du dazu gelernt hast und stärker daraus hervorgehst. Du bist das Feuer und die Stärke, die Alatar in seinen Gläubigen sehen will, lass dir nichts anderes weismachen. Hörst du? Und vielleicht wird er das auch noch erkennen." Leise schluchzend ließ Tanai ihre Gefühle heraus und schluckte schwer, bis sie wieder in Stande war zu sprechen. "Mutter, ich... Ich werde abschwören, es... ich will mich nicht mehr an einen Mann binden, nie wieder. Er hat mein Herz mit sich genommen, für immer. Ich verstehe jetzt, wieso Vater nie wieder eine Andere wollte, als du fort warst." Die unverhoffte Erinnerung an diesen Umstand ließ Coreyee kurz verstummen und das nutzte Tanai, um weiter zu sprechen. "Ja Mutter, er hatte nie mehr eine andere, er liebt dich noch immer. So wie ich Vincent ewig lieben werde, und nur der Respekt vor mir selbst lässt mich diesen Weg gehen, es ist die einzige Möglichkeit." Vorsichtig gab Coreyee ihrer Tochter einen Kuss auf den Schopf, bis sie ihre Arme von Tanai löste und sie lange forschend ansah. "Das Feuer und die Stärke, es bleibt dabei. Zeig der Welt, wer du bist, mein kleiner Kolibri." Kurz zuckten Tanais Mundwinkel da empor und sie nickte fest. "Ich werde mich nicht verstecken, ich stehe auf, wieder und wieder. Und jetzt muss ich aufbrechen, die Apothecaria hält heute im Hort des Wissens einen Vortrag über Tränke zur Erfrischung. Ich denke das wird nicht schaden, bestimmt kann ich so einen Trank grad gut vertragen, um wieder zu fliegen… wie ein schillernder Kolibri." Mit einem Kuss auf die Wange ihrer Mutter verabschiedete sich Tanai und trat dann den Weg nach Gerimor an. Und mit jeder schaukelnden Schiffsreise mehr überwand sie ihre Angst und ging daraus stärker hervor. Sie konnte bestehen, gleich welche Prüfung man ihr noch auferlegte.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 28 März 2024 19:17    Titel: Kapitel 78 - Der Dornenbusch
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Kapitel 78 - Der Dornenbusch


Irgendwas stimmt nicht mit dem Apfelmädchen… ihr stechend grüner Blick vielleicht, so als wäre sie irgendwie niedergeschlagen worden. Oder gebrochen. Während Tanai selbst gepeinigt von Schmerzen an ihrem linken Unterarm dem Unterricht der Apothecaria folgte, gingen durch den Strubbelkopf lauter wirre und unsortierte Gedanken. Demian, er wirkt noch immer in unverändert schlechter Verfassung, wird Alatar ihn das Überleben lassen? Ich sorge mich um ihn, und ich mag ihn, wirklich… es wäre bedauernswert, wenn er stirbt. Vindheim… ein garstiger Wolf, der seinesgleichen sucht. Macht er es absichtlich andere zu quälen, liegt das in seinem Naturell? Er macht mir noch immer Angst, es bleibt, was es ist. Mychael, sah man mal von seiner Art ab, dann war seine Handwerkskunst sondergleichen. Er ahnte nicht, was sein Kunstwerk für ein Geheimnis in sich tragen würde. Sae, sie war wie ein Spiegelbild und doch… irgendwie anders, verzerrt. Trotzdem mochte Tanai sie, und es fühlte sich von Mal zu Mal wie mit einer Schwester an… hmm hmm hmm. Und dann war da noch… nein, denk nicht dran… es ist vorbei… find dich damit ab. Etwas abgelenkt wurde dabei zugesehen wie der Rabendiener Kevke den Saft einer Orange in den Erfrischungstrank im blubbernden Kessel presste. Kurz darauf erntete der Strubbelkopf ein „Ich hasse euch ein wenig dafür“, nachdem der Pfeffer im Kessel versunken war. Viele Zutaten, viele Menschen, noch viel mehr Gedanken, Gefühle. So viel mehr in dieser Welt, was es zu entdecken galt. Und doch… eine Entscheidung die blieb fest. Der garstige Feinschmied würde schon sehr bald das Blut in dem Glasanhänger verschließen, für die Ewigkeit. Und nichts anderes als das war es. Sie war keine Närrin, nein. Am Ende blieb es auf das Simpelste reduziert. Absoluter Selbstschutz, denn die Schmerzen des Verlustes waren viel langlebiger und intensiver als jede körperliche Wunde. Beißend, erstickend… und am Ende dieser Entscheidung stand nun die Freiheit. Wenngleich nicht besiegelt unter dem Segen des All-Einen, doch ganz sicher unter einem heiligen Bann, den Tanai sich schon bald selbst auferlegte. Sobald sie den Anhänger in den Fingern hielt… Vielleicht würde es anfänglich stechen wie ein dorniges Gewächs, vielleicht floss auch Blut, doch all das war es ihr wert. Seufzend folgte Tanai den verabschiedenden Worten der Apothecaria und begab sich danach auf dem Heimweg. Das Geschaukel am Schiff gab ihr ordentlich zu denken, und die Wunde an ihrem linken Unterarm pochte wie die Wellen gegen die äußere Schiffswand.

Einen Tag später trat sie ihre Wachschicht in der Pilgerstätte an und sie war erstaunt, dass der Clericus im Bett saß, wenn auch eher zusammen gefallen. Sie bot sich ihm als Stütze, während er versuchte aus seinem Krankenlager zu entkommen, dabei immer zu seltsame Worte murmelnd. Vindheim gesellte sich irgendwann dazu, ebenso wie Noir, und… noch etwas vor den Türen der Pilgerstätte. Madenwurte, und obwohl Tanai wusste, dass der Kampf ihrer Wunde nicht zuträglich war, befolgte sie die Order des Tetrarchen und erschlug einen Madenwurt nach dem nächsten. Es ließ nicht lange auf sich warten und da schleppte sich Demian mit Noir als zierender Krückstock hinaus, und steuerte auf den Bergpass zu, welcher zum Alten Tempel führte. Da stand er, ein völlig unscheinbarer Dornenbusch und immer wieder faselte der Clericus etwas von Blut. Es blieb keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen, denn Blutmaden krochen aus der Erde, und wieder warf sie sich vor die Templer, um der schützende Schild zu sein, den sie versprochen hatte zu sein. Dass ihr Schildarm von der Anstrengung schon bald blutete, da die Wunde sich in der Bewegung geöffnet hatte, kam dem Clericus gerade recht, denn er forderte Tanais Blut ebenso wie das von Noir. Und was dann geschah, konnte man mit Worten nicht erklären, der Dornenbusch wuchs, verbreiterte seinen Stamm und bekam Blüten, die wie rote Bluttropfen gleich funkelnder Diamanten dort herabhingen. Selbst der Tetrarch gab sein Blut… und dann schien der Clericus vorerst zufrieden, bis er Tanai aufforderte ein Schreiben in seinem Namen aufzusetzen. Ausgerechnet sie… aber es schulte das Wort und man widersprach Templern nicht. Nie mehr. Und das prägte sich garstig in ihren Strubbelkopf, als Vindheim sie beiseite nahm und sie wegen des Abends in der Wolfshöhle sehr direkt zurechtwies. Nein, es war mehr als das, eine unmissverständliche Androhung einer Konsequenz, wenn sie nicht lernte diskret zu sein… verschwiegen. „Und das wird sich nicht wiederholen. Andernfalls lernt ihr den Busch näher kennen als euch lieb ist…“, klingelte es voller Dominanz in ihren Ohren. Schnell weg, bevor er mich auffrisst. Ich will nicht durch die Hand eines Templers sterben. Ich werde nicht sterben, die Genugtuung gebe ich ihm nicht. Niemals, vollkommen ausgeschlossen. Auf dem Heimweg wollte sie bei Sae vorbei, damit sie die blutende Wunde versorgen konnte, doch sie war nicht da und so führte ihr Weg sie über viele Kurven zum Feinschmied. Das Blut in der Phiole sollte endlich seinen Platz finden, schon bald… schon sehr bald.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 31 März 2024 12:07    Titel: Kapitel 79 - Der Blutschwur
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Kapitel 79 - Der Blutschwur


Was bedeutete es Blut zu geben für eine bestimmte Sache? Herzblut, wie man so manches Mal sagte, wenn man sich auf Etwas voll und ganz verschwor. Und das war nichts, das man leichtfertig tat, oder ohne Sinn und Verstand. Es war eine Entscheidung, die man für den Rest seines Lebens fällte und die es dann auch zu tragen galt. Vorsichtig tastete Tanai nach der vollendeten Halskette, die sie vor ein paar Nächten von Mychael mitgenommen hatte. Sie hing nun um ihren zarten Hals und zierte dort ihr reizend-weibliches Decollete. Der mit ihrem Blut gefüllte Glasanhänger in Form eines Tropfens fühlte sich warm auf der nackten Haut an, so als würde das Blut darin immer noch sanft pulsieren und von Leben gefüllt sein. Eingeschlossen für die Ewigkeit, geschützt von einer hauchfeinen Schicht aus Diamant. Mit einem tiefen Durchatmen ging Tanai aus ihrer Küche, und in ihrer Tasche wurden einige sehr wichtige Dinge mitgenommen. Ihr Ziel war klar, als sie ihre Hütte verließ, die flache Badebucht von La Cabeza sollte es werden. Dort, wo sie einst… die aufkommenden Erinnerungen schmerzten, doch sie verdrängte diese mit aller Macht und setzte sich nachdenklich in den feinen weißen Sand, die nackten Füße von sich streckend. Dann schnürte sie den Beutel auf und sah auf die Gegenstände dort. Ein Pyriandolch mit Balronleder am Griff umwickelt, mit einer Gravur auf der scharfen Klinge, die Worte sollten nun eine gänzlich andere Bedeutung bekommen. Ihr Tagebuch, geziert von einem farbenfrohen Kolibri, der aus unzähligen bunten Seidenfäden auf den Buchdeckel gestickt war. Eine zart duftende Blutorchidee, frisch aus ihrem Garten geschnitten, voll erblüht und bereit für das Kommende. Ein kleines Kristallglas für Tinte, noch ungefüllt und begleitet von einer schillernden Kolibrifeder. Mit vorsichtigen Fingergriffen legte Tanai alles in den Sand, sah dann einen Moment zum heute recht ruhigen Meer hinaus und fühlte, wie eine kühle Brise ihre Wangen zart streifte.

Es ist an der Zeit... Sie nahm die Halskette vorsichtig ab und legte sie zu den anderen Dingen in den Sand, dann wurde der Pyriandolch ergriffen. Blut bindet uns für immer. Und kaum war der Gedanke aus ihrem Geist entflogen wie ein kleiner Kolibri, da schnitt sie sich die linke Handfläche auf und ließ das Blut herunter tropfen, bis sie einen Teil davon in dem leeren Tintenfässchen sammelte. Tief wurde die salzige Meerluft in die Lungen eingesogen und kurz dachte sie daran, dass Sae äußerst unzufrieden sein würde, nach dem linken Unterarm nun noch die passend verletzte Handfläche… Vielleicht sprach sie doch bald von Amputation? Hm hm einerlei… Es war an der Zeit. Tanai tauchte die Spitze der Kolibrifeder in das Tintenfässchen mit ihrem Blut und begann zu schreiben.

31. Lenzing, La Cabeza, Strand von La Cabeza
Es ist soweit… Mein Schwur gegenüber mir selbst, wenngleich nicht durch Tetrarch Vindheim in Alatars Namen gesegnet, soll mein Leben verändern. Für immer. Es wird nichts mehr geben, außer der Dienst in der Tempelwache und mein Handwerk als Meisterschneiderin. So sei es denn… Ich bin Tanai Tayris, Tochter des Fischers Variun Tayris aus Cantir und des Freudenmädchens Coreyee Batari aus La Cabeza. Es ist mein Schicksal, dieses irdische Leben allein zu beschreiten und es in Seinem heiligen Namen zu vollbringen, bis ich dereinst in Nileth Azur eingehen möge. Ich schwöre, mich nicht mehr an einen Mann zu binden, nun da meine Verlobung gescheitert ist und ich am Ende doch keine Ravnseel werde. Ich bin und bleibe eine Tayris. Besiegelt mit meinem eigenen Blut, und versiegelt in meiner Halskette, die mich auf immer daran erinnern möge. Ich werde niemals in meinem Leben wieder einem Mann gehören, gleich ob in einer Beziehung, einer Verlobung oder gar einer Ehe. Dieser Schwur wird darin enden, dass ich mich weder mit Männern vergnüge, noch jene Freude in der Frucht meines Leibes aufgehen möge, sodass mit mir meine Blutlinie aussterben wird. Für Alatar, für die Ewigkeit. Tanai Tayris, Meisterschneiderin und Tempelwächterin Alatariens.

Vorsichtig wurde die blutende Handfläche wie ein Siegel auf das Papier gelegt und dann fest aufgedrückt, um den Schwur damit zu besiegeln. Dann griff sie nach der Blutorchidee, tränkte sie ebenso in ihrem Blut, so wie auch die Kolibrifeder, und griff noch nach dem Tintenfässchen mit ihrem Blut darin. Mit bedächtigen Schritten ging sie zum Wasser und ließ die Kolibrifeder als auch die Blutorchidee in den sanften Wellen verschwinden, bis der Rest ihres Blutes aus dem Tintenfässchen von ihr in die Wellen gekippt wurde. Es dauerte nicht lange, bis kleine Piranhas von dem süßen Blut angelockt wurden und alles gierig in die Tiefe rissen, um es zu verschlingen. Möge Alatar mir beistehen, auf dass ich ihm stets dienen werde ohne jede weltliche Ablenkungen. Tanai griff nach dem Tagebuch und dem Pyriandolch im Sand, ebenso wie nach ihrer Halskette, ehe sie mit leichten Schritten nach Hause lief und in ihrer Hütte verschwand. Sie trug ein befreites Gefühl in sich und auf ihren Lippen zeigte sich ein noch zartes, aber seliges Lächeln. Sie war hier auf Cabeza Zuhause und hatte endlich ihren Frieden gefunden. Und daraus schöpfte sie so viel Kraft, dass sie endlich den Mut fand ihren eigenen Weg zu gehen. Meisterschneiderin, Tempelwächterin, und vielleicht auch bald Mitglied im Ordo Trinitatis, so die Abstimmung denn zu ihren Gunsten ausfiel. „Tayris, du bist so viel wert, und es gibt keinen Grund mehr dein eigenes Licht in den Schatten von anderen zu stellen.“ Während diese Worte erstmals laut von ihren vollen Lippen glitten, kochte sie sich einen Kaffee und plante in ihrem Strubbelkopf bereits den weiteren Tag, den sie sehr beschwingt anging und dabei erstmals seit langer Zeit sogar leise vor sich hin summte.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 05 Apr 2024 05:46    Titel: Kapitel 80 - Der Damenabend
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Kapitel 80 - Der Damenabend
aus dem Quest-Beitrag „Blut für den Herren“


Tropfen für Tropfen. So viel Blut… Und so viel… Wahnsinn. Nachdenklich besah sich Tanai ihre Wunde an der linken Handfläche, die erst an diesem Abend wieder frisch aufgeschnitten worden war. Blutschwur, Blutspende, Blutgier… Alles lag so nah beieinander und führte zu Wunden, die nicht so schnell wieder heilten. Anders war es bei den Templern… der Herr schloss ihre Verletzungen auf seltsame Weise wieder, sie hatte es am Blutbecken bei Cailen zuletzt gesehen. Nicht aber bei Demian… nein, der blutete bald aus wie ein Schwein (und stank mittlerweile auch so furchtbar… wobei, nein, Schweine rochen besser als er, urghs…). Die Frauen des Tempels - namentlich bestehend aus Tetrarchin Aliyahna, Vicaria Velvyr’tae, Messdienerin Auriane und aus ihr selbst als Tempelwächterin - waren losgezogen, um ihm Blut zu bringen. In ihrer Vorstellung brauchte es Fässerweise davon, denn so viele Blutspenden waren schon geflossen, doch nichts half. Die Mission an diesem Abend war klar gewesen. Es ging als erstes nach Rahal, wo die Legionäre am Panthertor über die ernste Lage informiert wurden und dann einige von ihnen loszogen zur Pilgerstätte, um dort ihren Dienst an Alatar zu verrichten… oder viel mehr an dem Dornenbusch für den totgeweihten Clericus. Auch Qy’lhor war unter ihnen, fraglich jedoch, ob er sein Blut gab. Sie bekamen es schlicht nicht mit, denn es wurde weitergereist in jener illustren Damenrunde, das Ziel war Bajard. Auch dort galt es Freiwillige zu finden, die ihr Blut gaben (wenngleich der Gedanke Tanai nicht gefiel, als einzige Tempelwache über gleich zwei Templerinnen zu wachen).

Anfänglich war es ruhig vor Bajards Toren, doch dann tauchte ein Mann mit Bärenmütze aus dem Wald auf und die Vicaria nahm sich diesen zu Brust. Es wurde erklärt und überzeugt, abgewogen und gezweifelt, und dann doch zugesagt jenes seltene Dornengewächs am Alten Tempel zu betrachten. Dass man Blut spenden sollte, wurde natürlich unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit vorerst nicht erwähnt. Während die Vicaria den Mann nach Grünwaid zur Pilgerstätte brachte, verblieben Auriane, Aliyahna und sie selbst vor Bajard und griffen als nächstes zu, als ein Magier aus K’awi vorbeireiste. Auch ihm wurde durch die Tetrarchin von dem Dornengewächs berichtet und er wurde davon überzeugt die Pilgerstätte aufzusuchen. Beinahe sah es so aus, als würde der Damenabend seine blutigen Früchte tragen… wenn da nicht die Ketzerin aus dem Osten angekommen wäre. Die wiederrum schien Aliyahna zu kennen, oder Auriane… so ganz wusste sie das nicht, denn es ging alles ziemlich schnell. Irgendwie wirkte die Tetrarchin klerikal auf die Frau ein, die sich auf ihrem Pferd sitzend folglich vor Schmerzen krümmte. Indessen versuchte Tanai das Pferd zu beruhigen, damit die Frau absteigen konnte. Wenigstens war die Reitausbildung aus Cantir nun zu irgendwas gut, denn sie war von Kindesbeinen an mit den Tieren vertraut und wusste in der Regel, wie man die Tiere beruhigen konnte. Doch es half an diesem Abend nichts, denn das Tier trug seine Reiterin mit Aufbäumen zurück und so ergriff die Priesterin aus dem Kloster der Lichteinigkeit die Flucht. Indessen reisten die verbliebenen Damen zurück und führten den Magier von K’awi zum Alten Tempel. Dort stand Demian bereits wieder am Dornenbusch, mit dem Mann, der die Bärenmütze trug. Blut war wohl geopfert worden, doch sie sah keine Wunde an der Hand des Bärenmannes… viel Zeit sich darüber Gedanken zu machen, blieb nicht, denn sie ging an Demians Seite und spielte seinen Krückstock (verdammt nochmal… wo war eigentlich Noir?).

An jenem Abend floss zwar kein Blut mehr von dem Magier aus K’awi, aber Auriane und auch Tanai selbst gaben wieder etwas von dem süßen Lebenssaft in das Dornengewächs. Blut… so viel Blut. So viel Wahnsinn. Wenn Demian das überlebte, schuldete er den Damen, die ihm die Spender gebracht hatten, definitiv einen Abend in der Taverne! Seufzend sah Tanai auf ihre Schnittwunde an der Hand, doch es blieb keine Zeit die Alatar ungefälligen Gedanken an Entlohnung fortzudenken, denn Demian deutete Tanai an, wieder zur Pilgerstätte zu schlurfen, um sich dort auszuruhen. Das passierte auch, doch der Kerl wagte es, am Feuer angekommen, auf der Bank einfach zur Seite zu kippen. Mit aller Gewalt und Kraft, welche die schmale Tempelwächterin aufbringen konnte, wurde Demian wieder aufgerichtet und dann drohten die Damen ihm der Reihe nach hübsche Dinge an. Er schrie indessen nach mehr Blut, wild und unkontrolliert, wahnsinnig… “Jaja... mehr Blut! Wir haben euch 7 Opfer gebracht, mehr Blut, Blut, Blut! Während Tanai versuchte das Elend mit Blutmaden zu füttern, sprach die Tetrarchin davon, ob man den Clericus nicht endlich von seinem Leid erlösen sollte… Kurz darauf musste Auriane Blut aus dem Blutbecken im Alten Tempel holen, damit man es Demian über den Rücken kippen konnte. Demian wurde festgehalten (und biss auch noch nach Tanai… das würde sie sich definitiv merken, Templer hin oder her!), dann floß der rote Lebenssaft. Doch wieder nichts, außer zischenende Geräusche an der Wunde. Der Clericus fiel bald um, doch er wurde unbarmherzig festgehalten. “Wisst ihr, was man mit Fohlen macht, die lahmen? Sie werden erstochen.“ Fraglich, ob er Tanais Worte wirklich hörte, doch die Order der Tetrarchin ließ das blutende und modernde Elend zuletzt allein an der Pilgerstätte zurück. Er sollte sich ausruhen, und die Damen taten das auch. Fraglich blieb, wer an diesem Abend die erholsamere Ruhe hatte…
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 08 Apr 2024 16:29    Titel: Kapitel 81 - Der Ordo Trinitatis
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Kapitel 81 - Der Ordo Trinitatis


Und schon wieder Blut. Hörte das jemals wieder auf? Sie waren alle versessen, vielleicht auch ein bisschen irre? Und jetzt klebte auch noch das Blut des Tetrarchen an ihrer Stirn. Tanai blickte mit zusammengepietzten Meeraugen in den filigranen Handspiegel, der sonst in ihrem Schlafzimmer auf dem Tisch lag und nun ihre verschnittene linke Innenhand schmeichelte. Drei fingerbreite, blutrote Streifen zogen sich über ihre Stirn, für jede der Gottheiten einer davon, von oben nach unten. Immer ging es um Blut, und sie hatte tatsächlich gedacht, dass der Tetrarch sie umbringen wollte, als er sie nach dem Markt von Düstersee kurz vor den Hafentoren von Rahal festgesetzt hatte. Was anfänglich wie ihr letzter Gang wirkte, unterstützt durch Jexxes Griff an ihren verletzten Unterarm (Aua, das tat wirklich noch richtig mies weh…), sollte sich dann doch als die unerwartete Aufnahme in den Ordo Trinitatis erweisen. Sie hatten also abgestimmt… und leise fragte sich Tanai, ob deren Besuch am Abend in Düstersee anlässlich des Marktes die Vorhut gewesen war. Hm hm… einerlei. Jetzt trug sie die Insignien des Ordo und lächelte ein wenig, denn sie hatte zusammen mit dem Apfelmädchen dort am Schrein gekniet. Während Sae wohl offenbar als vollwertiges Mitglied den Namen „Phiole der Drei“ bekam, musste Tanai sich noch als „Getreue der Drei“ beweisen. Welch Ironie, dass sie im zurückliegenden Alatner so ihre Erfahrungen mit dem Raben gemacht hatte. Doch vielleicht war dies nun eine glückliche Fügung, wer wusste das schon so genau. Auch die Glutgeborene wurde im Ordo verehrt, und so war es nun an der Zeit diesem Triumvirat an Gottheiten in einer Einheit weiter näher zu kommen. Ein tiefes Durchatmen folgte, dann wurde der Handspiegel wieder auf den Tisch gelegt und sie ging aus dem Schlafzimmer. Auf dem Weg in den Garten griff sie nach ihrem Tagebuch und machte es sich dann in der Hängematte bequem, bis sie zu schreiben begann. Es fiel ihr immer leichter den Kopf freizumachen, nicht zuletzt durch die Struktur, die langsam in ihrem Leben entstand. Ordnung, Verantwortung und… die Gewissheit, dass sie wieder sie sein konnte.

08. Wechselwind 267, La Cabeza, La Calma
Es geht mir besser, vielleicht so gut wie nie in meinem Leben. Gestern war ich frühs bei den Dalvons und habe Sticknadeln gekauft, um neue Wandgobeline und Kleidung zu verschönern. Meine Laune muss wohl so gut gewesen sein, dass ich damit sogar Mychael irritiert habe. Ebenso wie Alexandria abends am Markt in Düstersee, die Heilerin hat nicht schlecht geschaut. Sie sollen doch froh sein, dass ich nicht mehr Trübsal blase, phä... Die gute Laune macht sich auch in den vielen Ideen bemerkbar, die ich für meine Schneiderarbeit nun habe. Es lässt mich den Schmerz an meinem linken Unterarm vergessen, die Haut wächst langsam nach... Vielleicht noch ein paar Tage mehr und dann wage ich mich wieder in die Höhlen. Bis dahin mach ich mich mit meiner neuen Position im Ordo vertraut, sie haben mich gestern in ihren Kreis aufgenommen. So ist es nun an mir mich mit dem Raben zu versöhnen und mit der Glutgeborenen vertraut zu machen. Wir werden sehen, wohin mich dieser neue Weg führt. Indessen fühle ich mich in der Tempelwache immer noch sehr wohl und bin außerdem erleichtert, dass der Clericus seine Prüfung vor dem Herrn bestanden hat. Er ist nun Tetrarch und ich habe eine Überraschung für ihn vorbereitet... Mal sehen, wie ihm diese zusagt. Außerdem habe ich einen Wandgobelin mit einer Tempelszene für die kommende Ausstellung von Darean gefertigt... Es ist mein bisher größtes Meisterwerk geworden, schöner noch als der Wandgobelin vom Alten Tempel mit dem Blutmond, den ich damals für ihn gemacht hab... es stimmt mich traurig, dass er noch immer fort ist, doch es hat alles seinen Sinn im Leben und ich sehe an dem neuen Wandgobelin, dass ich weiter über mich hinauswachse. Es tut gut, und es geht mir gut... so gut wie nie. Ich kann wieder lächeln und entdecke einen kleinen Teil von mir, den ich damals in Cantir verloren geglaubt habe. Doch es drängt sich langsam an die Oberfläche, wie ein zarter Sonnenstrahl mitten im erwachenden Frühling. Keine Unschuld mehr, die ist längst vergangen, aber etwas, dass mich strahlen lässt. Vielleicht bin ich doch ein Sonnenschein, verborgen hinter dunklen Wolken. Auf La Cabeza kann ich sein, wer ich sein möchte und das ist gut so. Es geht mir gut und ich habe endlich gelernt mich selbst zu lieben. Die Welt darf das nun auch sehen bei all der verzehrenden Finsternis.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 12 Apr 2024 09:06    Titel: Kapitel 82 - Die Spähmission
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Kapitel 82 - Die Spähmission
aus dem Beitrag „Wer den Zorn säht…“


Schlürfend und knirschend krochen sie im Schutz der Dunkelheit wie kleine Sandwürmer durch die Wüste. Drei Augenpaare glitten aufmerksam über die Dünen, inspizierten, suchten. Nur wonach? Und wie waren sie hierhergekommen? Eine Spähmission, so hatte es Jyn'drarr einen Tag zuvor verkündet, es galt das offenbar verschollene Artefakt des Tempels ausfindig zu machen. Und dafür hatten sie sich gut vorbereitet und nahezu meisterhaft getarnt... Jyn'drarr mit Hilfe von Tanai als wissbegieriger Baumeister Ron aus Bajard... Tanai mithilfe von Darean als die abenteuerlustige Marie Morgenstein aus Nharam... und die Vicaria Velvyr'tae als deren treue Freundin Kara (die karamellfarbenen Haare standen der Lethra aber auch wirklich gut). Und so waren sie bei Anbruch der Dämmerung über den Rahaler Hafen aufgebrochen nach Bajard, um von dort weiterzureisen nach Menek’Ur. Die Ankunft am dortigen Hafen war beinahe unbemerkt, denn sie gingen bei den Hafenwachen offenbar wirklich als die drei Reisenden durch, die sie heute verkörperten. Der erste Weg führte sie ohne Umschweife direkt zu dem Brunnen, in dem das Artefakt bis vor kurzem versteckt war. Dort suchten sie nach Spuren, doch sie konnten schlicht nichts finden, was auf den Verbleib des Artefakts etwaige Rückschlüsse gab. Gerade als sie sich weiter umsehen wollten, kamen drei Menekaner an den Brunnenplatz, zwei davon halbstarke Kinder mit der Größe eines Rehkitzes und ein ausgewachsener Menekaner. So schlüpften die drei Späher also in ihre Rollen und Ron verkündete voller Faszination, wie sehr die Bauweise des menekanischen Volkes ihn doch faszinierten. Es dauerte nicht lange, bis man ihnen eine Führung anbot, die über die Familienhäuser, die Taverne und schließlich die Akademie Leviathan führte. Genau hier lenkten sie ein, wie sehr die Wärme der Goldenen Stadt sie doch erschöpfte und so wurden sie zum Hafen geleitet, damit sie auch sicher abreisten.

Fluchend stieg Tanai in Bajard vom Schiff und griff in ihre Tasche. Sie war vorbereitet, natürlich. Eine andere Tarnkleidung musste her, und so schlüpften die Drei in fliederfarbene Kutten, um sich als demütige Pilger der Lichtherrin erneut über Grenzwarth in die Wüste einzuschleichen. Aufmerksam gingen sie über die Dünen, immer mit der lauernden Gefahr, von den Bewohnern der Wüste angegriffen zu werden. Hier und da wurde ein eben solches Wesen kurzerhand erschlagen, während sie versuchten den Ort ausfindig zu machen, an dem das Artefakt gebracht wurde. Doch ihre Suche sollte erfolglos bleiben… nirgends waren auch nur ansatzweise Spuren zu finden, gleich wo sie ankamen und suchten. Alatar steh uns bei, wir werden es finden. Wir müssen es finden. Durchaus nicht fern von einer gewissen Frustration brachen sie die Suche ab und machten sich wieder auf die Rückreise. Die Vicaria hatte noch den Gedanken, dass man das Artefakt vielleicht von Rahal aus im Alten Tempel wieder erwecken müsse, um es zu finden. Doch dies würde eine weitere Spähmission bedeuten, die sicher nicht mehr an diesem Abend stattfinden würde. Nachdem sich die Gruppe vor Grenzwarth getrennt hatte, machte sich Tanai zurück auf den Weg nach Rahal, um wieder mit dem Schiff nach La Cabeza zu reisen. Sie seufzte leise dabei… Schiffe, so viele Schiffe. Und da fiel ihr plötzlich ein, dass sie genau vor einem Jahreslauf in Rahal angekommen war, der 12. Wechselwind 266. Damals noch vorsichtig und scheu wie ein Häschen, denn Gerimor war ihr fremd gewesen. Doch mittlerweile… ja, sie war nun durch und durch in dieser Welt angekommen und war stolz darauf, dass sie nun so viele Aufgaben hatte, die größte davon zweifelsfrei in der Tempelwache. Möge dein Zorn mich immer leiten, All-Einer.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 14 Apr 2024 17:38    Titel: Kapitel 83 - Von Goldtürmchen und Hochstaplern
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Kapitel 83 - Von Goldtürmchen und Hochstaplern


Wie war es sich mit menschlichen Gefühlen konfrontiert zu sehen, darin zu ertrinken wie in gierig-schäumenden Meereswellen? Sie zu beobachten und zu versuchen daraus irgendwelche sinnvollen Schlüsse zu ziehen? Zweifelsfrei war es ein spannendes Manöver, dessen vermutlichen Ausgang man erst erkannte, wenn es vielleicht schon zu spät dafür war. Das Ganze trieb so langsam seltsame Blüten - definitiv eine Form von wilder Schönheit, die nicht unter Kontrolle zu bringen war. Und wenn man nicht aufpasste, dann stach man sich an den garstigen Dornen. Aber der kleine Strubbelkopf wollte sich nicht stechen, sie war viel zu widerspenstig dafür. Es gab davon ab ansonsten überhaupt keinen Grund dazu, weder hier noch anderswo. Und warum auch, schließlich hasste sie dornbewehrte Rosen, sie waren eitelbehaftete und stinkende Gewächse, die keinen besonderen Sinn im Leben erfüllten, weder in der Kräuterkunde noch sonst irgendwo... Sie waren nur eine einzige Sache. Schön. Und sie war nicht schön, allenfalls exotisch. Menschliche Reaktionen hatte Tanai in den letzten Tagen wahrlich zu Genüge beobachtet, und nun grinste sie insgeheim darüber und versuchte sich einen Reim daraus zu machen. Was, wenn man zu hoch stapelte, immer weiter die Grenzen nach oben auslotete und dann der mögliche Aufprall umso härter kam, sollte man wirklich fallen? Es würde schmerzhaft sein, gar keine Frage. Und Schmerzen kannte Tanai mittlerweile nur all zu gut. Wenngleich sie sich eingestehen musste, dass die seelischen Schmerzen langanhaltender waren. Körperliche Schmerzen hingegen… die waren irgendwie zu ertragen. Aber die Seele wieder zusammenflicken, das vermochte niemand, außer vielleicht die elende Zeit. Und Zeit war vergangen, viel zu viel. Mittlerweile fühlte sich die ferne und warme Stimme an wie ein sanftes Wellenrauschen an einem ruhigen Tag. Kaum noch da, aber irgendwie auch nie ganz weg. Bei dir, wo immer du bist.

Schwer atmend stand Tanai aus dem Sand auf, der in der letzten Stunde ihre narbigen Füße umfangen hatte. Hier am paradiesischen Strand von La Cabeza an der azurblauen Lagune zu sitzen, das war einfach nur entspannend. Da musste man keine menschlichen Gefühle begreifen, man konnte einfach nur sein und atmen. Keine Goldtürmchen, die umfielen und so manch wundersame Reaktionen hervorriefen. Keine unverhofften klerikalen „Befehle“, die einen zwangen, sich hinzusetzen, wenn man vor lauter Scheu und Angst nicht bereit dafür war. Kein Herzpochen, wenn man in guter Begleitung dem nächsten Balron gegenüberstand. Aber eines hatte dies alles gemeinsam… sie wuchs, immer weiter, schneller und mehr als je zuvor. Und Wachstumsschmerzen gab es hier nicht, allenfalls Neugierde, was wohl als nächstes passieren würde. Die Alatarischen Rüsttage standen an und Tanai spürte, dass sie einen gewissen Stolz in sich trug. Sie hatte es irgendwie geschafft, verschiedene Institutionen zusammenzutrommeln und in Alatars Sinne gleich eine ganze Themenwoche zum Thema Kampf auf die Beine zu stellen. Natürlich war es nicht sie selbst, die das organisiert hatte, es waren viele kleine und große Anker im tobenden Meer. Es würde sich zeigen, was daraus gedeihen würde. Was ebenfalls gedeihen würde, war die Festivität des Ordos zu Paias Niederkunft. Da würde es mit aller Sicherheit ziemlich heiß hergehen, hm hm… Sie beteiligte sich mit bestickten Masken, um die Intimität dieses Abends zu wahren. Keinesfalls aber würde sie sich… so beteiligen. Ausgeschlossen, niemals, unter gar keinen Umständen. Mein Schwur wird mich für immer binden, komme was wolle. Gedankenverloren zog Tanai die Tür zu ihrer Hütte auf und bereitete sich für den Abend vor. Menschliche Gefühle, so viele. So unbegreiflich und doch so… aufregend.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 22 Apr 2024 11:25    Titel: Kapitel 84 - Die Alatarischen Rüsttage
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Kapitel 84 - Die Alatarischen Rüsttage


Verdammte Alatarische Rüsttage… wer kam auf diese Schwachsinnsidee?! Die Antwort war deutlich, das war der kleine schillernde Kolibri selbst gewesen... Schwer seufzend rieb sich Tanai mit der Kernseife ein, die sie im Bad liegen hatte und schrubbte sich sehr penibel sauber. Sie hatte das Gefühl, dass jeglicher Dreck von Kampfübungen einfach nicht abgewaschen werden konnte, egal wie sehr sie auch schrubbte. Aber zu seinem Anfang… Alatarische Rüsttage, ihre Schnapsidee aus dem Eisbruch… wobei es mehr eine Eingebung gewesen war, als sie im Tempel von Rahal zum All-Einen gebetet hatte. Und nun hatte sie den Salat, eine ganze Woche, und an jedem dieser Abende war sie bisher als Schirmherrin anwesend. Es hatte angefangen mit der Messe am Tempelvorplatz in Rahal. Waffenweihe, natürlich… und wieder floss Blut, als sie ihre Hand vorstreckte und die Vicaria die Klinge blitzen ließ. Würde das je aufhören, immer zu nur… Blut? Einerlei… Sie alle hatten nur ein Ziel, dem Herren gefällig zu werden. Seufzend stieg Tanai aus dem wohligen Badewasser und trocknete sich ab, während sie an den feuchten Schlabberer von Krötling Qy’lhor dachte, der sie am zweiten Tag der Rüsttage zur Leibesertüchtigung der Legion getroffen hatte. Angetreten mit Lingor gegen Darean und einen anderen Letharf, wurden sie angetrieben von Hauptmann Jynela… und das alles mit Handfesseln. Treten, Schlagen, Schummeln, fiese Tricks - nur mit dem Ziel den Parcours als erstes zu meistern. Zu guter Letzt hatten sie Qy’lhor in Krötlingsform fangen sollen, und das war mehr als matschig gewesen. Spätestens bei dem Schlabberer, hatte sich Tanai mit einem Kuss gewehrt, der den Krötling offenbar so anwiderte, dass er bei Jynela Schutz suchte.

Vorsichtig glitt Tanai in ein blutrotes Kleid hinein, welches die Insignien des Ordo Trinitatis trug. Eigentlich war es für das Paia-Fest gedacht, doch irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es schon vorher getragen werden musste. Hier stand sie also, wusste nun, dass auch der dritte Veranstaltungstag mit der Übung der Bruderschaft in der Arena der Schattenpanther in Grünwaid sie einiges gelehrt, aber auch einiges gekostet hatte. Vor allem aber eines in ganz besonderem Maße… und hätte der garstige Lethrixor sie noch weiter angestachelt und damit regelrecht in gleißenden Zorn getrieben, dann wäre sie sicher auf ihn losgegangen. Wieso redete er immer zu vom Kinder ausbrüten? Sollte er doch lieber selbst tätig werden! Zu ihrem großen Glück hatte sie unerwartete Hilfe gefunden, und war an jenem Abend damit mehr als überrumpelt worden. Mit einem Kopfschütteln ging Tanai in voller Montur runter in die Küche und kochte sich einen Kaffee auf. Auch der folgende Rüsttag bei den Letharen mit dem Kampf- und Strategieübungen oberhalb des Axorns an der Klaue war mehr als lehrreich gewesen. Und spätestens da war ihr klar geworden, in welch gefährlicher Gesellschaft sie sich da eigentlich befunden hatte… Gifttränke werfen… nach ihr, und das von der letzten Person, mit der sie gerechnet hatte. Oh Qy’lhor, eines Tages wird die Rache kommen… irgendwann blutest du dafür. Brummend trank Tanai von ihrem Kaffee, gönnte sich noch einen Happen Kaffeetörtchen und machte sich danach auf den Weg Richtung Festland. Es stand Heilkunde am RaKun im Heilerhaus auf dem Programm und sie freute sich schon sehr darauf, was TikRassKrun für diesen vierten Abend zu den Rüsttagen auf die Beine gestellt hatte.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 24 Apr 2024 06:01    Titel: Kapitel 85 - Von Blutmondpanther und Silberdrache
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Kapitel 85 - Von Blutmondpanther und Silberdrache


Verdammt sollst du sein! Verdammt beim All-Einen. Du Dieb! Gib es wieder, ich schwör dir… ich bringe dich um. Aber, aber, aber… Nutze deinen Zorn für den Angriff gegen Lichtenthal. Tu es, und es wird ne entzückende Schlacht werden…. Und du wirst sie nie wieder in deinem Leben vergessen. Brummend zog sich Tanai ihre Rüstung an und zurrte die Waffengurte zurecht. Nach dem Abend im Heilerhaus des RaKuns war sie unendlich sauer auf sich, es hatte aber auch etwas sehr Lehrreiches gehabt. Aber eben auch etwas, das sie ins Wanken gebracht und auf den Boden hatte fallen lassen. In ihrem ganz konkreten Fall waren es harte Steinstufen, die sich nach dem Niedergang unbarmherzig in ihren Rücken gedrückt hatten. Und sich diese Niederlage einzugestehen, war unendlich schwer, denn sie kämpfte immer noch... Natürlich hatte sie beim Aufwachen an diesem Morgen auch noch das Ergebnis ihres Versagens vor Augen, nur um es noch unerträglicher werden zu lassen. Sie war geflüchtet (das beherrschte sie zumindest meisterhaft, wenn man sie nicht festsetzte), um sich auf La Cabeza wieder mal von Dreck zu befreien, doch wieder hatte sie das Gefühl all das Schrubben reichte nicht. Einerlei, sie musste nun ganz dringend zu Sae, bevor die Exkursion der Arkorither am Abend beginnen würde. Und das Apfelmädchen schaute wenig später nicht schlecht drein. Apfelgrün, Lindgrün, Meergrün. Natürlich ging sie ihrer Arbeit als Apothecaria pflichtbewusst nach und doch… da kamen Fragen, die sich Tanai noch nicht gestellt hatte und die sie auch nicht beantworten konnte, oder wollte? War auch am Ende irgendwie nicht wichtig, oder? Ihre Enttäuschung über sich selbst wurde ein paar Stunden später im Kampf ertränkt, denn es war ihr ein höchst willkommenes Ablenkungsmanöver, ehe sie sich am Abend nach Grenzwarth aufmachte… wieder einmal Grenzwarth hm hm. Es schien als wäre die Siedlung verflucht und so war sie froh, dass die Arkorither sie über halb Gerimor scheuchten und ihre Geschichte erzählten. Bis zu dem Moment, wo sie wieder nach La Cabeza zurück reiste, denn da… konnte sie sein, wer sie sein wollte, es einfach geschehen lassen, ohne dass sie sich Gedanken machen musste. Es war friedlich dort, und so entspannend, es tat ihr einfach nur gut, und das war es doch am Ende, was zählte.

Am nächsten Morgen wachte sie entspannter auf und wollte die wohlige Wärme in ihrem Bett einfach nicht missen, aber der große Tag stand an… der Angriff auf Lichtenthal und hierbei stand sie an der Seite der Templer, so wie es sein sollte. Und hätte man ihr am Morgen gesagt, dass sie gegen einen silbergrünen Drachen antreten würde, sie hätte gelacht. Aber es war nicht zum Lachen, denn der Kampf an der Seite des Tetrarchen gegen diesen Liedwirker war alles andere als witzig. Immer und immer wieder waren sie gegen ihn vorgegangen, Cailen in Form eines Blutmondpanthers und sie auf Tane reitend, um dem Ketzer den Gar auszumachen. Dass sie am Ende fast vom dem Silberdrachen zerquetscht wurde, und der Tetrarch auf dessen Rücken einen Ausflug in luftige Höhe machte, das war definitiv etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sauer über ihr Versagen hatte sie sich dem Rest der Alatarischen Truppe wieder angeschlossen, bis der verlustige Templer etwas später wieder wie aus dem Nichts auftauchte. Man zog geschlossen gen Rahal ab und der Kampf an diesem Abend schien unentschieden. Ritter Drapenstein sprach noch am Panthertor über die Schlacht und unerwartet ehrte er da auch den Strubbelkopf mit seinen Worten. Doch all das half nichts, als sie sich wieder zurückzog und in ihrer eigenen Wut schäumte, bis sie eine andere Schlacht auszufechten hatte. Dieb, elender Dieb! Gib es zurück, hör auf mich zu reizen, du spielst mit dem Feuer. Aber es gab keine Verbrennungen an diesen Händen, die spürte sie nur selbst in höchstem Maße, denn in der Dunkelheit der Nacht gab es eine einzige Flamme. Und diese Flamme schürte nicht ihre Wut, sondern wärmte schlussendlich. Manchmal, da tat sich eine Tür zu, doch dafür ging eine neue Tür auf. Und sie wollte sehen, wohin der Weg dahinter sie führen würde… Wenn sie eines gelernt hatte, dann dass die Idee der Alatarischen Rüsttage sie selbst überrascht hatte und neben mehr Wissen und Kampfwille ihr noch etwas geschenkt hatte, mit dem sie nie im Leben gerechnet hatte. Und sie war dankbar dafür, denn es war… ein neues Kapitel in ihrem Leben.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 30 Apr 2024 13:43    Titel: Kapitel 85 - Das Paia-Fest
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Kapitel 86 - Das Paia-Fest


PAAIIAAAA! PAAAIAAAA! Laut und merklich berauscht drang diese rauchige Stimme vor zum noch schlafenden Geist. Aber es war nicht nur ein Traum. Vindheim hatte wirklich laut gerufen während des Paia-Festes und verfolgte Tanai selbst jetzt noch bis in den Schlaf. Da mischte sich das Schreien mit einem leisen Wispern, das sich heimlich in den ruhenden Geist einwob wie ein frecher Dieb. Nur ganz zart… und doch da, bis es irgendwann dazu führte, dass der Strubbelkopf erwachte. Es war schon weit nach Mittag dem Licht nach zu urteilen, welches sich sanft durch die verglasten Fenster stahl. Die Mundwinkel zuckten dezent und dann schlich sie sich heimlich aus dem viel zu warmen Bett. Irgendwo musste doch… ahh… Kaffee musste her, um den müden und von Eindrücken überfluteten Geist zu wecken. Sie stahl sich hinaus aus dem Haus und machte im Garten ein kleines Feuer, auf welches ein Topf mit heißem Wasser gestellt wurde. Während dieses so vor sich hin blubberte, musste sie mit verzogenem Grinsen an das Paia-Fest denken. So viele Eindrücke… zunächst natürlich die Tatsache, dass sie dort nicht allein gewesen war und damit so einige Blicke auf sich zog. Dann auch die Sache mit Vindheim, als er zu der Festgesellschaft gesprochen hatte… sie erlebte den Tetrarchen langsam von einer neuen Seite (und später noch mehr als er mit der Absinthflasche recht gelöst über das Festgelände… lief? War es noch laufen? Hm hmmm). Dass sie das nochmal erlebte… Der Herr hatte wohl Pause an jenem Abend, und ihre Angst vor Vindheim war ein bisschen weniger geworden. Leise seufzend kippte Tanai etwas gemahlenen Kaffee in den Topf und dachte weiter nach, da war noch so viel mehr… die Geschichte von Auriane über Paia, die Worte von Sae über sinnliche Berührungen (und ja, da war ihr erst klar geworden, dass sie an ihrem linken Unterarm noch sehr lange ein Missempfinden dank Vindheim spüren würde), die Rauschkristall Einführung von Qy’lhor… Eindrücke, so unendlich viele davon, ohhh jaa!

Wohlig seufzend wurde der fertige Kaffee vom Feuer genommen und sie goss sich eine Tasse davon ein, ehe sie ins Haus zurückschlurfte. Irgendwie sah sie den Raum mit einem anderen Blick an, und sie wusste auch, wieso das so war. Du wurdest bestohlen und du magst es, nicht wahr? Du fühlst dich wohl, gib es endlich zu. Ein leises Lachen erklang, und sie fühlte sich als würde sie in dem inneren Zwiegespräch nur der Zuschauer sein. Zumindest hatten es gestern alle sehen können, was da vorging, und sie stand dazu. Es fühlte sich einfach nur gut an, und das hatte selbst Alexandria gesehen. Der Strubbelkopf lernte gerade wieder zu leben, und das hatte wahrlich lange genug gedauert und die richtige Person erfordert. “Pass mir gut auf meine Schneiderin auf. Ich weiß, wo dein Haus wohnt.“ Die Drohung war mit einer Bestätigung quittiert worden… er tat es sowieso schon? Hm hmmm… du bist und bleibst ein Dieb. Neben dieser Offenbarung war da noch das neuerliche Erlebnis mit den Rauschkristallen… und was hatten sie für eine desorientierende Wirkung gehabt, als ein Stück davon auf sehr unerwartetem Weg in ihren Mund gelangt war. Zum Glück ist Vindheim nicht wirklich ein Balron. Oder… vielleicht ja doch? Bevor sich die Halluzinationen weiter ausbreiten konnten, war sie weggetragen worden. Ein leises Lachen hatte den angrenzenden Wald erfüllt, bis es nach und nach leiser wurde und schließlich gar nicht mehr zu hören war. Nur ein Laut erklang da noch, es waren die kirschförmigen Glöckchen an der Hose, die jeden seiner Schritte verrieten. Er konnte sich nicht mehr leise fortbewegen und anschleichen, das hatte die gewitzte Schneiderin mit voller Absicht so eingerichtet. Definitiv war es ein interessantes Paia-Fest gewesen, und ein obendrein heißes ob der Feueraufführung der Rashar an den hoch lodernden Flammen sowieso. Und jene Feuer loderten noch weiter, hell und warm… und so wohltuend. Doch von all dem bekam Tanai an jenem Abend nichts mehr mit, denn sie wurde glücklich quietschend an der Zitadelle vorbeigetragen und da schlackerten selbst den Letharen die Ohren.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 06 Mai 2024 16:24    Titel: Kapitel 87 - Der Häschenzorn
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Kapitel 87 - Der Häschenzorn


Papier flatterte knitternd umher wie ein kleiner Schwarm aufgeschreckte Insekten. Dann ein dumpfes „Dong“ als würde der Deckel von irgendwas mit zu viel Gewalt zugeschlagen werden. Ein Aufstreben von blutroten Funken und verzehrenden Schatten, heraufziehende Finsternis. Ein klammes Gefühl im Leib und dann ein Funkeln von leuchtend roten Augen. Der Blick zorneskrank, während sich die Nase des weißen Häschens verpönend in die Höhe streckte. Es lefzte die Zähne und dann drang eine rauchige Stimme zum schlafenden Geist vor. „Kleine Sünden bestraft der Herr sofort.“ Tanai schreckte mit einem heftigen Ruck aus dem Schlaf auf und spürte, wie sich ihr Herz beinahe überschlug, während es ihr bis zu den Ohren pochte. Sie hatte nicht geschrien, welch Glück, und doch… er war wachgeworden (oder war er nur wieder vor ihr wachgewesen und hatte sie beim Schlafen beobachtet?). Ein einziger seitlicher Blick aus den Lindaugen, dann zogen sich seine Arme sanft um sie. „Ist gut, ich bin hier, er ist nicht da. Du hast nur geträumt.“ Der Strubbelkopf spürte regelrecht wie beruhigend seine Nähe war, seine schützenden Arme und selbst seine neckische Stimme, denn sie atmete wieder langsamer und ihr Herzschlag ging nicht mehr so schnell. Als würde sie sich erklären müssen, begann sie leise zum Rotschopf zu wispern, auch wenn es vielleicht nicht nötig war, dennoch brauchte sie es in jenem Moment und sie hatte nichts vor ihm zu verbergen. „Das kleine Buch aus meiner... Haut... lag auf einem Holztisch… es flatterte hin und her, der eine Satz war aber nirgends mehr geschrieben. Stattdessen... hab ich ein weißes Häschen gesehen, dass vor Zorn mit roten Augen funkelte und seine rauchige Stimme hatte... aber ich glaube… das Häschen stand für mich, für meinen Zorn, den Vindheim in mir schürt.“ Langsam strich ihr der Dieb mit einer Hand über ihre Stirn und schob ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, dann folgte ein diebisches Grinsen. „Du hast die Stärke dagegen zu stehen, vertrau auf dich. Ich tu es. Du wirst nicht fallen, und wenn doch… fang ich dich auf.“ Da entfuhr dem Strubbelkopf ein dezentes Lächeln, bis sie dann leise wisperte. „Hmm noch mehr Stärke mit dir, frecher Kussdieb. Aber ohne Frühstück… keine Stärke, nicht nach gestern Abend.“ Sie stahl sich aus dem Bett, noch ehe zwei Hände sie gierig packen konnten wie ein Kraken, um dann das allmorgendliche Ritual zu begehen.

Doch soweit kam sie nicht, als sie im Wohnbereich plötzlich Coreyee neben Karamell entdeckte. „Guten Morgen, kleiner Kolibri. Du scheinst wieder gut zu schlafen… und in bester Gesellschaft wie mir scheint.“ Ihre Mutter deutete auf das hauchdünne Nachthemd und grinste beinahe zufrieden. „Es eeehhmmmm… nein, ich war gestern nur lange mit dem Ordo unterwegs, wir haben die neue Kathedrale erkundet in den tiefen Wäldern Gerimors. War anstrengend…“ Da erntete Tanai ein erheitertes Lachen und Meergrün starrte in Meergrün. „Verkauf mich nicht für dumm, Tochter. Dein Hals ist gerötet und deine Haare etwas… nennen wir es unförmig. Aber es geht mich nichts an, solange wie er dir nicht das Herz bricht. Pass auf dich auf, versprich es mir. Und versprich mir noch was… wenn du das nächste Mal nach Cantir reist, um Stoffe zu handeln, besuch deinen Vater. Er kommt sicher um vor Sorge.“ Zwinkernd stand Coreyee auf und drückte Tanai etwas in die Arme. „Und wasch dich, du riechst nach ihm…“ Tief durchatmend wurde der kleine Kolibri entlassen und dann verzog sich Coreyee wieder aus der Hütte, wusste sie doch um die Intimität der Zweisamkeit. Gerade als Tanai in der Küche Frühstück vorbereiten wollte, entdeckte sie einen gedeckten Tisch mit allerlei Leckereien, und einen kleinen Zettel mit der Handschrift ihrer Mutter. Du kannst nicht nur von Luft und Liebe leben, ihr könnt das nicht. Aber ich freue mich für dich und Darean. Lasst es euch schmecken, Coreyee. Ein Lächeln zeigte sich auf Tanai ihren Lippen und für kurz vergaß sie den Horror, der ihr am Vorabend durch Vindheim in Form dieses kleinen Buches mit dem „Leder“ aus ihrem eigenen Unterarm zugespielt wurde. Die letzten Wochen waren so gut gewesen, und sie wollte sich das jetzt nicht von dem garstigen Templer versauen lassen, ganz gleich wie widerlich seine Gabe an sie in ihren Augen gewesen war. Gerade als sich Tanai umdrehte, stand der Rotschopf vor ihr, denn er hatte sich wieder einmal leise angeschlichen. „Glöckchen, das nächste Mal kannst du dich nicht anschlei…“ Doch soweit kam der Strubbelkopf gar nicht, denn sie wurde geschnappt und dann wieder überaus frech bestohlen, noch ehe das gemeinsame Frühstück beginnen konnte.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 15 Mai 2024 19:00    Titel: Kapitel 88 - Die Grenzwarther Kunstausstellung
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Kapitel 88 - Die Grenzwarther Kunstausstellung


Du bist und bleibst ein elender Dieb. Ein Dieb in Perfektion vor dem All-Einen. Du wirst es mir nicht wieder geben, hab ich recht? Nie wieder? Dann leb gefälligst auch mit den Konsequenzen. Du wirst mich nicht mehr los. Nie wieder… Leise seufzend griffelte Tanai an der neuen Halskette aus Obsidian mit dem Blutorchideen Anhänger und fragte sich, wo Darean ihre Blutschwurkette wohl aufbewahrte. Einerlei, es war nicht wichtig. Er hatte sie bestohlen, und nun musste er mit dem Ergebnis leben. Doch jenes war (zumindest in Tanais Augen) durchaus willkommen, und es zeigte sich in so vielen Dingen, dass es gut so war, wie es nun eben war. Alatarische Rüsttage, Paia-Fest, Grenzwarther Kunstausstellung… so vieles zu erleben, und gerade die Kunstausstellung hatte Tanai auch in einer Weise gefordert, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Die Kunst der Gobelinweberei beherrschte sie mittlerweile meisterlich, und aus jener Essenz war etwas hervorgegangen, das selbst den Wandgobelin mit dem Blutmond über dem Alten Tempel für Vincent noch weit übertroffen hatte. Über tiefschwarze Basaltstelen mit den eingemeißelten 10 heiligen Geboten des All-Einen floss von oben nach unten dickflüssiges menschliches Blut herab. Die Basaltstelen waren umgeben von grotesk geformten menschlichen Schädeln, aus deren leblosen Augenhöhlen dicke Maden und wendige Würmer herauskrochen. Tanai schüttelte sich noch immer, wie erschreckend real der Wandgobelin mit der Darstellung dieser Tempelszene geworden war. Dennoch musste sie lächeln, denn die Kunstausstellung war ein einzigartiges Erlebnis gewesen und sie war dankbar, dass sie ihren Wandgobelin dort hatte ausstellen dürfen. Und dass sie den Dieb dabei begleitet hatte, wo es eben ging, an seiner Seite. So viel Vorbereitung und dann war der Abend so schnell vorbei gewesen… doch er würde ihr in Erinnerung bleiben, und ihm mit Sicherheit auch, denn der Abend war regelrecht verzaubert gewesen. Nicht zuletzt blieb eine Gabe, die nun im Haus der Obskuritäten an der Wand hing, welche Ironie!

Ein wenig wog Tanai den Strubbelkopf auf ihren Schultern hin und her, dabei gähnte sie müde (die Jagden nach Balrons und anderen Monstern waren anstrengend, jaaa wirklich). Bei so einer zurückliegenden, ereignisreichen Zeit war es ja kein Wunder, dass sie erschöpft war. Sah man mal von der Gabe des Tetrarchen ab, die noch immer in Windeseile Tanais kompletten Ekel heraufbeschwor, so waren da noch einige andere Dinge, die sie Kraft kosteten. Zunächst einmal die Gedanken an die anstehende Reise nach Cantir. Sie brauchte wieder Stoffe, und sie wollte (nein, sie musste) ihren Vater besuchen. Er hatte es verdient, dass er in Kenntnis darüber war, was sein einziger Spross alles trieb und das waren nun wirklich Dinge, die sie ihm persönlich sagen musste. Kein Brief der Welt konnte all das erklären. In der Zeit ihrer Abwesenheit würde sie Karamell in die Finger ihres Diebes geben, und sie wusste, dass die kleine Katze wahrscheinlich noch mehr verwöhnt werden würde als sie selbst… Verwöhnung, noch so ein Thema. Kaffeetörtchen, Küsse… und noch so manch anderes. Wie konntest du mir das nur antun? Sie musste an das neue Obsidianschild denken, dass er ihr im RaKun zuletzt bei einem RasharHo gekauft hatte. Der Wert… unschätzbar. Die Gefühle… zorneswütend und dann doch zutiefst gerührt. Die Gravur auf dem Obsidianschild war ein Panther mitten im Sprung, der von Cabezianischen Blutorchideen eingerahmt war. Es passte perfekt, und sie konnte den Schild mit Stolz auch in der Tempelwache tragen. Und doch… es war so viel, vielleicht zu viel? Nein, denn sie spürte nun mit jeder Faser ihres Körpers, dass sie damals in Grenzwarth das falsche Haus betreten hatte und diese Finte des All-Einen nun dazu beitrug, dass sie nun sein konnte, wer sie sein wollte. Wer sie schon immer hatte werden sollen, und sie lächelte dabei glücklich auf. Gerade als sie sich Kaffee machen wollte, spürte sie ein warmes Hauchen an ihrem Ohr, und wieder hatte er sich angeschlichen. “Guten Morgen, mein Raubkätzchen. Der Kaffee muss jetzt warten, du gehörst jetzt mir… so lange wie du noch da bist.“
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 19 Mai 2024 17:37    Titel: Kapitel 89 - Unter Lanisands Sonne
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Kapitel 89 - Unter Lanisands Sonne


Möwenschreie und Wellenrauschen. Hafenluft und Kaffeetörtchenduft. Salznote und… Diebesgeschmack. Tanai atmete tief durch, als sie endlich die Schiffsreise nach Cantir überstanden hatte. Der Hafen von Trigolsburg hatte sich seit der letzten Reise quasi nicht verändert und das rege Treiben an den üppigen Kornspeichern wie den zahlreichen Kontoren war wie eh und je… aufregend. Aufregend war zweifelsfrei auch der Gedanke daran, dass sie hier ein paar Tage an den belebten Märkten handeln würde. Sie freute sich darauf, denn die Qualität der unzähligen Stoffe, kostbaren Meeresperlen und so manch anderer Schneiderutensilien war überragend, zumindest in ihren bescheidenen Augen. Es war Heimat, ganz klar. Und es fühlte sich gut an, so wie… hm hmm hmmm, chrm! Sie drehte seufzend den hochwertigen Ohrring aus Gold zwischen ihren zarten Fingern, der mit feinen Details von meisterlicher Machart aus Lindas Händen stammte. Eine filigrane Schlange biss sich mit geöffnetem Maul nach dem eigenen Schwanzende, und Tanai grinste frech, als sie daran dachte, wie jener Ohrring nun an anderer Stelle fehlte. Er hat es gewollt, ein Talisman für meine Reise, vielleicht, oder? Seufzend ging sie von Deck des Schiffes, das sie sicher nach Trigolsburg gebracht hatte, und bahnte sich ihren Weg durch die bekannten Straßen der Hauptstadt Cantirs. Hier war alles abenteuerlich, aufregend, wild… Ohhhh ja, definitiv wild, und sie fragte sich, was sich im Goldenen Hasen erst abspielen würde. Die strubbelhaarige Schneiderin kehrte wenig später in der vertrauten Taverne nahe des Hafens ein und mietete sich ein gutbürgerliches Zimmer an, nur um danach den restlichen Abend bei gutem Landwein und wildromantischer Bänkelmusik ausklingen zu lassen. Sie musste dabei an Tom denken, wie gut seine Musik war, und natürlich auch an ihren Dieb… wie gut seine Arme nun wohl wären. Doch sie hatte ein Ziel und das war recht eindeutig. Handel treiben, Stoffe und Perlen kaufen… und dann ihren Vater aufsuchen, mochte Alatar ihr beistehen. In dem unbedeutenden Fischerdorf namens Lanisand, das seinen Namen nur dem traumhaften Strand zu verdanken hatte, der sich einmal gesehen in den Geist einbrannte wie eine unwirkliche Oase. Und ihr alter Herr würde nicht schlecht schauen, wenn sie ihm den Dispens eines Tetrarchen übergeben würde… ja, sie hatte es so gewollt, denn die Angst war zu groß gewesen, dass ihr Vater sie eigenhändig erwürgte, weil die hervorragende Partie in der Verlobung mit einem Templer gescheitert war. Der Strubbelkopf ließ den Abend bei ganz viel Cantirer Landwein ausklingen und fiel am Ende der Nacht erschöpft (und durchaus auch etwas besoffen) ins Bett ihres Tavernenzimmers.

“Ich werde dir jede schlechte Erinnerung stehlen und durch was Schönes ersetzen. Du bist mein und ich werd‘ dich nie wieder hergeben. Aber am schönsten bist du, wenn du frei fliegst, kleiner Kolibri, nicht gefangen in einem Käfig. Deshalb ist’s meine Aufgabe dich zu beschützen.“ Blinzelnd wachte Tanai am nächsten Morgen auf und fragte sich, ob sie nur geträumt hatte oder es Wirklichkeit war. Doch sie hatte nicht viel Zeit sich darüber Gedanken zu machen, denn sie wollte bis zum Mittag noch etwas handeln (urghs, und das mit wummerndem Schädel), und dann… nach Lanisand aufbrechen. Sie packte alle ihre Sachen und verschwand aus dem Goldenen Hasen, gekleidet in ihre Balronleder Rüstung, denn sie wusste, dass eine längere Reise auf dem Rücken eines Pferdes sie erwartete. Vor der Taverne lungerten ein paar zwielichtige Kerle, die Tanai auch prompt wenig charmante Sätze zuriefen „Naaa, für wie viel kann man dich denn haben? Allein deine Rüstung ist 'nen Vermögen wert, gar nicht dran zu denken, was da drunter wartet, hehehe!“ Die Meeraugen starrten den Matrosen an, der relativ abgewetzte Kleidung trug und auf seinen Armen jede Menge Hautbilder hatte. „Noch ein Wort und ich zieh dir 'nen Streifen Haut von den Armen, kenn da 'nen Tetrarchen, der da Bücher draus macht.“ Und wie zur Demonstration zog sie den Ärmel ihres Hemdes hinauf und gab den Anblick auf ihren gegerbten Unterarm preis. Da fiel dem Matrosen nichts mehr ein und er ließ den Strubbelkopf urplötzlich in Frieden. Zufrieden seufzend setzte Tanai ihren Weg fort, Richtung Markt, um dort weitere Stoffe und Perlen zu kaufen, ebenso einiges an Seeschlangenleder und Leder von anderen Meerestieren. Das alles wurde beim Hafenmeister angemeldet, damit Tanais Einkäufe sicher nach Rahal überschifft wurden. Jetzt gab es also kein zurück, die Reise nach Lanisand duldete nicht den geringsten Aufschub. Sie kaufte sich einen Trigolsburger Rappen, der bei ihrem Vater im Dorf sicher seinen Nutzen haben würde, und machte sich auf die Reise. Gedanken umspielten ihren Geist während dieser gesamten Zeit, eines aber pochte an anderer Stelle wild an ihrem Arm, und sie wusste, dass mit Templern nicht zu scherzen war. Dann aber übertrug sich das Pochen in ihre Brust und sie lächelte wieder vorsichtig. “Wenn ich mir 'n Ziel setze, dann schaff‘ ich das. Selbst wenn ich den Kampf heut‘ vielleicht nicht gewinnen könnt‘, ich bereit‘ mich drauf vor und wenn’s so weit ist, dann siege ich. Weil du das Kostbarste in meinem Leben bist. Und du weißt, dass ich viel zu gierig bin, um das aufzugeben.“ Sie hatte vor ein paar Tagen eingelenkt, oh ja… er war gierig aber kostbar, sie? Nein… auch wenn der Dieb das anders sah. „Du bist kostbar. So verdammt kostbar. Mehr, als dir bewusst ist, mein Raubkätzchen.“ Die Reise verging plötzlich so schnell, weil sie sich in ihrem Strubbelkopf tausende Gedanken machte, und da sattelte sie schon von dem Trigolsburger Rappen ab und stand dort… da war es, Lanisand.

Er wird dich nicht umbringen, ganz sicher nicht. Atme tief durch, du kannst das schon. Aber vielleicht wird er ihn umbringen… Alatar steh mir bei, oder besser gesagt ihm. Tanai lief über den alten Holzsteg am Strand und blickte auf die vielen vertrauten Fischerhütten. Lanisand hatte sie wieder, zumindest für kurz. Die Reise nach Cantir hatte sie über Trigolsburg wieder in ihr Heimatdorf geführt, und sie wusste genau, dass ihr Vater Variun nicht besonders erfreut über die Entwicklungen sein würde, die sich seit ihrem letzten Auftauchen ergeben hatten. Zumindest nicht über die mit der gescheiterten Verlobung, dem Umzug nach Cabeza und dem Kennenlernen ihrer Mutter Coreyee… Absolut in Gedanken verfangen blickte Tanai auf, als eine alte Stimme ihr entgegenschlug. „Ach du meene Güte! Bist das du, Tanai? Ich hab dich ja fast nich' erkannt, bei Alatar! Du siehst ja aus wie een Kampfschwein, beim All-Einen! Variun ist am Strand, holt grad die Netze ein. Na los, geh schon zu ihm, er vermisst dich, eh? Und sei nich‘ so hart zu ihm.“ Der Strubbelkopf nickte Merdi zu und kurz war sie dankbar dafür, dass die alte Frau noch immer lebte, denn sie war ihrem Vater seit jeher eine gute Freundin gewesen. Mit anmutigen Schritten bewegte sich Tanai weiter über den Steg und landete dann am Strand von Lanisand. Ihr Vater verstaute die Netze vom Fischen gerade an einigen großen Holzständern und war recht vertieft in seine Arbeit. Das ist deine Meditation, so wie für mich das Schneidern, nicht wahr? Die Gedanken waren kaum zu Ende gedacht, als sich Variun herumdrehte und gerade den Steg hinauf laufen wollte. Da stockte er und starrte Tanai mit einer Inbrunst an, die beinahe vermuten ließ, das der All-Eine vor ihm stand. Ob Tanais Balronleder Rüstung, den rabenschwarzen Strubbelhaaren und ihrem roten Gesicht musste sie wohl eher wie ein Rabenküken wirken, oder wie irgendein Dämon… wer wusste das schon so genau. „Liebling, wieso hast du dich nicht angekündigt? Ich hab nicht mit dir gerechnet… ist etwas passiert?“ Da zogen sich Tanais Lippen bei der Frage seltsam zusammen und sie wisperte ihrem Vater zu. „Alles zu seiner Zeit, Vater… ist 'ne ganze Menge, gib mir Zeit, und dir auch eh?“ Variun nickte seiner Tochter zu und drückte sie in die Arme, als er dicht zu ihr getreten war. „Gut dich zu sehen, aber solltest du nicht mitten in den Vorbereitungen für die Hochzeit sein?“ Tanai seufzte leise und wisperte dann. „Lass uns was essen, ich wird dir alles erzählen. Bitte… die Reise war wirklich lang.“ Da nickte ihr Vater und deutete auf den Holzsteg. Der noch immer so knarzte wie eh und je. Hier hatte sich wirklich nichts verändert. Aber sie hatte es, mehr denn je in ihrem Leben.
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Tanai Tayris





 Beitrag Verfasst am: 22 Mai 2024 10:51    Titel: Kapitel 90 - Der Rabenvater
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Kapitel 90 - Der Rabenvater


22. Eluviar 267, Cantir, Strand von Lanisand
Leere, und so viel Stille. Nur das Sirren ist geblieben, welches die nahende Gefahr mit sich trug. Er hat es wieder getan, und ich weiß, dass ich mich hätte wehren sollen. Natürlich, denn ich bin kein Kind mehr. Es hat ihm nicht geschmeckt, dass die Verlobung gescheitert ist, am liebsten hätte er mich nach der Hochzeit mit vielen Kindern gesehen, die ich dem All-Einen bereitwillig gebäre. Doch es war nicht mein Wille, dass es so kam, wie es jetzt nun mal ist. Er wollte mich nicht mehr, und wenn ich an die Worte von Vindheim darüber denke, die ich meinem Vater entgegenwarf, dann machte es alles nur noch schlimmer. Nicht mal der Dispens hat ihn interessiert, nichts von dem Servierten schmeckte ihm. Noch viel weniger hat es ihm geschmeckt, dass ich meine Mutter gefunden habe, Verbitterung war in seinen Sturmaugen zu sehen, und vielleicht auch Schmerz. Er liebt sie noch immer, und der Zorn darüber, dass ich Kontakt zu ihr habe, hat die Peitschenhiebe noch garstiger gemacht. Ich will nicht daran denken, er weiß nun alles, selbst die Entwicklungen rund um meinen gestohlenen Blutschwur, um ihn… Oh ja, und mit wie viel Selbstbewusstsein und Freude ich Vater davon erzählt habe. Er sollte es ruhig wissen, dass ich nicht gebrochen bin, dass man mich nicht unterkriegen kann oder einsperren in den berüchtigten goldenen Käfig. Er soll sehen, wie stark ich geworden bin, selbst jetzt noch, wo die Striemen auf der Haut am Rücken brennen wie das Salz im Meer. Davon ab ist er sowieso der Meinung, in der Tempelwache ginge es viel zu lasch zu, wenn ich bisher meinen Dienst ordentlich verrichtet habe und seitdem keine einzige Strafe auf mich lud. Es ist recht bedauerlich, dass ihn auch nicht interessiert hat, wie gut ich die Rüsttage organisiert habe, um dem Reich vorbildlich zu dienen. Auch meine Aufnahme in den Ordo war nichts, das sein Interesse geweckt hat, ihm zeigte, wie gut ich mich mittlerweile integrieren kann. Ganz gleich, was ich mache, ich werde nie die Tochter sein, die er haben will. Unterwürfig, willenlos, ohne eigenes Ziel - am Ende eine leere Marionette, die man nach Belieben führen kann. Mich wird nie wieder jemand führen, weder mein Vater, noch die Templer in Cantir oder auf Gerimor, und am allerwenigsten er. Ein Spielzeug, am Ende genau das. Und ich bin dem frechen Dieb so dankbar, dass er mich aus meinem endlos erscheinenden Schlaf erweckt hat. Er will mich frei sehen, und in dieser Freiheit kann ich die unterdrückten Gefühle endlich zulassen, die so aufregend sind und mir so viel mehr geben. Was man liebt, das soll man freigeben… Und wenn es zurückkehrt, dann gehört es einem für immer. Du hast mich bestohlen, und doch liebe ich dich dafür. Ich komme zurück zu dir, und gehöre damit für immer nur dir.

Seufzend schlug Tanai ihr Tagebuch zu und blickte raus auf das offene Meer. Nur leises Wellenrauschen war zu hören und daneben ihr eigener, beschleunigter Herzschlag. Sie wusste nicht so recht, ob es von der Aufregung des Tages kam (der Streit mit ihrem Vater war wirklich unangenehm gewesen) oder von dem leisen Gedanken daran, dass sie schon bald wieder heimkehren würde, zu ihm, nach Hause. Natürlich war Lanisand auch ihr Zuhause… irgendwie, daran gab es keinen Zweifel. So oft wie sie damals weggelaufen war, wem konnte man es schon verübeln, dass die Strafen dafür sie so hart getroffen hatten. Die vielen Neuigkeiten aus jüngster Zeit hatten ihren Vater natürlich nicht erfreut, die meisten zumindest. Wenngleich sie fand, dass der größere Teil davon erfreulicher Natur war. Und doch waren da so einige Vorwürfe gefallen, garstige Anklagen gar. „Wärst du auch nur ein bisschen schlauer gewesen, dann hätte er dich niemals verlassen! Aber nun machst du die Beine breit für einen Niemand. Ist dir eigentlich klar, wie sehr sich deine Situation verschlechtert hat?“ Oh jaaa, sie war kurz davor gewesen ihrem Vater an die Kehle zu springen, zornig und feurig mit allen kochenden Gefühlen, die sich da in ihr zusammengebraut hatten. „Du hast keine Ahnung!!! Er wollte mich nicht mehr, es war nicht Alatars Wille, hörst du?! Hörst du mir zu, verdammt nochmal! Er hat mich nie geliebt, nie! Hat’s mir vom ersten Tag an gesagt, dass seine Liebe dem Herren gehört, und keinem sonst! Mit Darean ist’s anders, er liebt mich und würde alles für mich tun, gleich welche Prüfungen der Herr auch bereithält! Wenn ich könnte, würd ich irgendwann seine Frau werden, denn zusammen sind wir stärker, gleich was auch kommt… jaa, ich mach meine Beine gerne breit, denn er gibt mir alles, Gefühle, Zuflucht, Liebe. Dinge, die du mir als mein Vater auch hättest geben sollen, aber du bist viel zu verbittert, um zu sehen, dass deine Tochter dich liebt, egal wie beschissen du sie behandelst!“ Das war der Moment gewesen, in dem alte Muster wieder hervorgekommen waren, und zu den Striemen geführt hatten, die sie nun pochend am Rücken spürte. Sie wusste, dass er es nie sehen würde, nie erkennen konnte, wie sehr sie sich unter den Geboten des All-Einen verändert hatte.

Schwer atmend ging Tanai vom Strand zurück und zur Fischerhütte ihres Vaters. Der saß mit Anisschnaps und einem Glimmstängel auf der Veranda und sah mit seinen sturmgrauen Augen finster zu ihr hin. „Es tut mir leider, Nai… hörst du? Das hast du nicht verdient. Die Enttäuschung darüber, dass du nicht die Frau eines Templers wirst, sitzt tief. Mit dir wäre in unserer Familie endlich wieder ein Templer gewesen. Ich hatte alle Hoffnung in dich gesetzt, nachdem dein Großvater vor Seinem Angesicht versagt hat.“ Tanai wusste in jenem Moment nicht, ob sie schreien oder lachen sollte, stattdessen kam nur ein unbeholfenes und kleinlautes „Was?“ aus ihrem Mund. „Jetzt schau nicht so. Warum hab ich dich von Kindesbeinen an versucht streng im Glauben an den All-Einen zu erziehen? Dein Großvater war Templer, und er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dich nun sehen würde.“ Und da wurde plötzlich so vieles so klar, so nachvollziehbar, so einfach. „Er war… was… Templer? Und das sagst du mir ausgerechnet jetzt? Hast du eigentlich eine Idee wie viel Ärger uns das erspart hätte, wenn du einfach mal deine Klappe aufgemacht hättest?“ Kopfschüttelnd griff Tanai nach dem Anisschnaps und trank direkt einen großen Schluck aus der Flasche. „Von irgendwem musst du es ja haben, nie die richtigen Worte zu finden, eh? Von deiner Mutter jedenfalls nicht, denn die konnte ihren Mund schon immer hübsch weit öffnen für so allerhand… Dinge.“ Was dann geschah, konnte man vielleicht als eine Handlung im Affekt bezeichnen, aber sie ging zu ihrem Vater und umarmte ihn schlicht ohne etwas zu sagen. „Er macht dich glücklich, hmm? Wirklich?“ Da nickte der Strubbelkopf leicht und wisperte zu ihrem sitzenden Vater etwas herunter. Was es auch war, es brachte ihn am Ende zum Lächeln und da war das Eis ein für alle mal gebrochen. Den Rest des Abends verbrachten sie damit, dass Tanai die Geschichte von dem Dieb und dem gestohlenen Blutschwur erzählte, bis es an der Zeit für einen friedlichen Schlaf wurde. Die Striemen brannten noch immer, als sie sich ins Bett legte, doch sie erinnerten sie auch daran, dass ihr Rabenvater sie auf seine ganz eigene Weise liebte. Am Ende also doch und das war es, was wirklich zählte.
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