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Veilchen blühen auch im Unkraut
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Chargeschichten » Veilchen blühen auch im Unkraut
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Linnet Nelarth





 Beitrag Verfasst am: 27 März 2018 23:01    Titel: Veilchen blühen auch im Unkraut
Antworten mit Zitat

And these children that you spit on
As they try to change their worlds
Are immune to your consultations
They're quite aware of what they're going through
Ch-Ch-Ch-Ch-Changes...

David Bowie, Changes





„Spieglein, Spieglein an der Wand... wer ist diese Person, sie ist mir unbekannt!?“
Wahrscheinlich lag es nicht zuletzt an der Seuche, die ganz Gerimor für wenige Wochen in Angst und Schrecken versetzt hatte und auch ihr den Schlaf, sowie ein klein wenig Kraft, geraubt hatte. Noch lagen leichte Schatten unter den Augen und setzten sich von der blassen Haut des Mädchens ab, das Gesicht wirkte weniger rund und kindlich als zuvor, doch dafür hatte es nur ein paar Tage voller Lenzensonnenschein gebraucht, um die Sommersprossen auf Wangen, Nasen und auch der Stirn sprießen zu lassen. Im Tageslicht, wenn sie mit halbgeschlossenen Augen der Sonne entgegenblinzelte, hatte sie die Veränderung nicht wirklich bemerkt und sowieso war es nicht ihre Art in den Spiegel zu sehen und sich lange dabei in der eigenen Eitelkeit zu suhlen. Doch jetzt, einige wenige Momente vor dem sechzehnten Wiegentag, der für sie eine immense Bedeutung hatte, wollte sie sich dem eigenen Anblick mit all seinen Metamorphosen stellen.
Der flackernde Schein einer einzigen Kerze spielte mit den Schatten in der Verkaufsstube und jagte abwechselnd diese oder rotorangene Lichtzungen über die noch immer etwas fremd wirkenden Züge. Dass ihr Haar wieder ein gutes Stück gewachsen war, hatte sie bereits vor kurzem bemerkt, als der Zopf, den sie beim Appell trug, irgendwie immer länger wurde und die ein oder andere Strähne nun schon sehr vorwitzig wieder über die Schultern nach vorne rutschte, sobald sie das Haupt neigte. Auch schienen sie nicht mehr so glatt wie noch vor einem Jahr, sondern struppelten am Morgen in alle Himmelsrichtungen, ließen sich schlecht bändigen und kringelten sich im Nacken. Es wirkte fast ein wenig so, als hätte der kupferfarbene Schopf auf ihrem Haupte beschlossen, dass die Pubertät im Hirn darunter nun abfärben musste und Widerspenstigkeit ganz groß im Kommen wäre. Na, danke auch!
Dabei war der Schopf hier tatsächlich ein klein wenig spät dran, denn die Tücken des Heranwachsens hatte sie schon vor gut drei Jahren kennengelernt und selbst wenn sie sich sicherlich auch mit dem neuen Lebensjahr nicht vollends erwachsen oder gar fraulich fühlen würde, so tobten doch nicht nur unreife, kindische Gedanken oder Dramagänschenmomente in ihrem Kopf. Vor wenigen Stunden erst saß sie plaudernd und unbefangen neben dem Mann, der vermutlich wirklich vor etwa einem Jahr die erste Liebe einer kleinen Rotzgöre gewesen war. Nunja, die Zweite, denn ihren Vater verehrte sie bis heute innig, wenngleich das auch eine ganz andere Art der Liebe war. Vertrauter, ungefährlich und rein wie Schnee. Sie kannte das Herzgeklopfe, das Gesteche der Eifersucht und die kreischenden Momente der Peinlichkeit bis dato also nicht und umso unbeholfener und wirklich saudämlich ging sie damit um. Es endete in gekränktem Stolz und heißen, heimlich geheulten Kleinmädchentränen, inklusive einem gebrochenen Herzen. Doch wer jung und schnell liebt, der heilt auch rascher – eine Erkenntnis, die sie nur ahnte und noch nicht wirklich von Erfahrung sprechen konnte. Im Moment war es nur gut, dass die wenigen männlichen Wesen, die ihre Gedankenwelt erobert hatten, dort nicht mit amourösen Anwandlungen geistig verknüpft waren.
Nein, zur Zeit fehlte ihr diese Art der Liebe nicht. Wohl aber die Familie und ohne es wirklich zu wissen, hatte sie bestehende Bilder über die vertrauten Gesichter des Alltages gestülpt. In den meisten Fällen hätte es besagte „Opfer“ sicher nicht erfreut zu erfahren, dass einem die Vaterrolle oder die der Brüder in Linnets emotionalem Gefüge zugesprochen oder gar zugestempelt worden war. Sie selber war sich dessen aber nicht einmal wirklich bewusst, ahnte nicht, wie sehr sie ihr alle fehlten... bis auf Riah. Riahs Verschwinden tat weh, sehr grässlich weh. Es war ein wenig dunkler und ein bisschen kälter geworden, die Herzenssonne des Veilchens fehlte und daran konnte nicht einmal der Lenz etwas ändern. Auch die Spatzen waren still geworden und so kam es eben, dass sie nun alleine den letzten Momenten bis zum sechzehnten Geburtstag entgegen wartete.
Sechzehn – neue Schritte in eine alte Welt, die aber plötzliche mit anderen Gassen und zuvor versteckten Zielen aufwarten konnte. Sie hatte jene bereits aus der Ferne betrachtet und sich vielleicht ein wenig zu viel vorgenommen aber irgendwann musste es sich ändern. All das, was in den letzten Jahren vermasselt worden war, all die kläglich gescheiterten Versuche etwas zu erreichen, aufzubauen und all die Augenblicke in welchen sie sich kurz gewünscht hatte, Glasgaoth, die Insel ihrer Familie, nie verlassen zu haben... eine Zeitreise zurück in die unbeschwerte Zeit der sehr frühen Kindheit.
Sie schüttelte langsam den Kopf und sorgte mit der Bewegung für einen weiteren Flackerschauer des Kerzenlichts. Nein, das war zwar bequemes aber auch unglaublich feiges Denken. Sie war Linnet, das zu klein und zu flach geratene, beinahe sechzehnjährige, sture, bissig-spöttische, mit Sarkasmus gesegnete, große Wörter liebende, nicht auf den Kopf gefallene Gör, mit all den dazugehörigen Stärken und Schwächen eben nur, weil ihr Leben bisher so verlaufen war, wie es der Herr ihr nun einmal zugespielt und sie dann darauf reagiert hatte. Na, und hätte ihr Weg sie nicht nach Gerimor geschickt, so hätte sie auch nie all die Personen kennengelernt, die ihr ihr jetzt gerade, abgesehen von der eigenen Familie, fehlten.
Fehlten, weil es schwer war diesen letzten Schritt in einen neuen Lebensabschnitt alleine zu gehen.
Vor allem, wenn man diesem so viel Bedeutung und Hoffnung zugesteckt hatte.
Tja, selber schuld.
Ein schiefes Lächeln zog einen Mundwinkel weiter nach oben und der Blick aus dem Fenster bestätigte ihr das, was sie bereits geahnt hatte:
Von wegen letzter „Schritt“ zu gehen, man hatte sie bereits in den neuen Abschnitt bugsiert!
„Nundenn, alles Gute für deine weitere Zukunft, Linnet, mach was draus...“
Dann holte sie Luft und löschte sanft pustend die Kerze.
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Linnet Nelarth





 Beitrag Verfasst am: 29 Mai 2018 17:42    Titel:
Antworten mit Zitat

Don't you know, girl, you'll be a woman soon
Please, come take my hand
Girl, you'll be a woman soon
Soon, you'll need a man

Urge Overkill, Girl You'll Be a Woman Soon


Wenn die Sonne hoch am Himmel stand, dann brannte die Hitze durch ihren Glutatem feurig herab und verwandelte die zuvor noch so hellgrünen, vorwitzig wippenden Kornähren in ein Meer aus purem Gold. Vereinzelt ragten aus dem Güldenfeld Farbkleckse hervor. Ein moosiger Halm da, dunkelbraune Ästchen hier und immer wieder Riahs Farben: herzwärmend roter Klatschmohn und die zarten, doch intensiv blauen Kornblumen, die an ihre leuchtenden Augen erinnerten.
War Riah der strahlende Tag mit all seiner Wärme und lebhaften Offenheit, so war Ide die Nacht. Auf ihrem rosigen Teint glänzte der cremige, filigrane Hauch des Silbermondes und in dem dunklen Asterblau ihrer Augen vermochten Sterne zu glitzern, wenn sie mit Vergnügen etwas ausheckte. Mehrfach hatte es die Schwester geschafft, sowohl dem wachsamen Blick der Eltern als auch den ausgefuchsten älteren Brüdern, mit Hilfe des Deckmantels der Nacht, wieder einmal in die Freiheit außerhalb des Hofes zu entwischen.

Ja, das waren die beiden Nelarth-Fräulein: verschieden wie Tag und Nacht und doch gleichermaßen jung, erquickend lebhaft und schön.
Doch da war auch noch sie, Linnet, das dritte Mädchen. Eine unerwartete aber willkommen geheißene Nachzüglerin und offenbar ewig jene, die ihren Platz in diesem ganzen, wundersam abgestimmten Gefüge noch suchte. Mit ein klein wenig innerem Stolz konnte sie dann doch sagen, dass sie zumindest beruflich ihren Weg entdeckt hatte und der Spruch "Ich habe wohl meine Berufung verfehlt", der ihr am letzten Abend so salopp über die Lippen kam, war keineswegs ernst gemeint. Im Gegenteil! Sie steckte jede müde Münze in den Ausbau der Hütte, die einst nicht nur Heim, sondern auch Apotheke werden sollte. Auch über den nur allzu logischen Namen war sie nicht böse.

Kobold Apotheke

Blinzelnd ließ sie zu, dass die Gedanken sie wieder einmal in die Vergangenheit lotsten und sie sich in der großen, so unendlich vollgestopften Küche des Gutshauses ihrer Familie befand. Lorcan saß breit grinsend am Tisch und strich mit schwieligen Fingern über einen Tonbecher, aus welchem der Duft von herben, erwärmten Rotwein in dünnen Dampfwolken entstieg. Am Herd stand ihre Máthair und schwenkte den Kochlöffel drohend, während sie vor sich herlamentierte.
"Warum kann dieses Mädchen nicht wenigstens zum Abendbrot pünktlich erscheinen? Ich wundere mich ja nicht einmal, dass sie sich beim Weben davongeschlichen hat. Wäre auch nur zu schön gewesen, wenn sie einmal einer Handarbeitsunterweisung bis zum Ende folgen würde..."
Nun platzte das Lachen aus der Kehle des großen Bruders wie die Bläschen bei einem überschäumenden Bierkrug und erst als er sich wieder gefasst hatte, erklärte er der entrüsteten Máthair weit schmunzelnd.
"Máh, es ist Ide über die du da sprichst. Hast du denn wirklich erwartet, dass sie sich nun nach all den Jahren ganz plötzlich mit Feuereifer an den Webstuhl setzt und ihre Liebe zum Schneiderhandwerk entdeckt? Vermutlich hat sie sich eher so sehr gelangweilt, dass sie nun die nächsten Tage lieber wieder in der Stadt umherscharwenzelt und am Hafen den Schiffen nachsieht, die..."
"Red nicht über Schiffe, mo mhac. Es ist schlimm genug, dass Riah nun bereits seit einem Mondlauf fort ist..." Ihre Stimme nahm einen weinerlichen Unterton an und wieder war es der Bruder, der nun mit sanften Worten, die mütterlichen Wogen sicher durchsegelte.
"Sie hat aber doch gleich eine Anstellung gefunden und ich weiß, dass du stolz auf unseren Sonnenschein bist. Sie ist nun eben eine junge Frau und auch wenn es dir schwer fällt sie alle gehen zu lassen, tut es doch auch gut zu sehen, dass sie unabhängige, frei denkende Menschen sind, wie der All-Eine es lehrt." Es war eine ganze Weile still im Raum, doch ein leises Seufzen entwich noch der Brust der Mutter, ehe sich beide Augenpaare auf sie, die Kleinste und Jüngste, richteten.
"Und du, éan beag, flatterst du mir auch bald davon?"
"Achwas," erlaubte Lorcan sich zu antworten und streckte die Arme nach ihr aus, "Mein kleiner Kobold wird nicht so bald flügge - hoffe ich zumindest, kann mich ja nicht alleine lassen mit all den fleißigen Bienen."
Sie hörte die Mutter noch tadeln und Lorcan erneut auflachen, dann war diese Reise in die Vergangenheit vorbei.

Tja! Damals hatte keiner geahnt, dass sie bereits ein Jahr später Riah nachreisen würde, weil ihr Zuhause die Decke auf den Kopf fiel und die Eltern keineswegs glücklich über ihre bisherigen Entscheidungen als Heranwachsende waren. Insbesondere nicht, was die Freundschaft zu Mirtan betraf. Es geziemte sich offenbar nicht mehr mit einem Burschen befreundet zu sein, wenn eine gewisse, sehr diffuse Altersgrenze erreicht war, selbst wenn sich ihr die Gründe hierfür nach wie vor nicht recht erschließen lassen wollten. Ihre Eltern mussten glauben, dass da die erste Liebelei in ihrem Herzen heranwuchs und sie deshalb so an dem Bengel hing, doch als er sich verlobte, tat sich ein ganz anderer Abgrund unter ihren Füßen auf. Er zog fort. Verließ die Insel für immer und selbst die Zwille, die er ihr zum Abschied in die Hand drückte, täuschte nur sehr schlecht über den schalen, bitteren Abschiedsgeschmack im trockenen Mund hinweg. Da ging er, der beste Freund und auch wenn sie ihre Brüder und Eltern liebte, waren doch die vielen Jahre Unterschied nur schwer überbrückbar, um sich richtig zu verstehen.

Was war sie also froh, als man sie fortschickte und wie viel mehr atmete sie auf, als die Spatzen in ihr Leben traten. Sie bat den All-Einen inständig, dass sie diese Freundesbande nie gekappt sehen müsste und doch... doch war es diesmal anders, weniger unbefangen, weil sie eben alle keine ganz kleinen Kinder mehr waren.

"He Bursche!"
"Ich geb dir gleich ein 'He Bursche' auf deine blinden Augen, du Trottel!"
Im Nachhinein musste sie über diese ersten miteinander gewechselten Worte lachen und dann wiederum zogen sie auch heute noch seltsam unangenehm in den Eingeweiden.
Flacher, kleiner Kobold...

"Lin?"
"Hmm?"
"Ich nenne dich jetzt immer so, ja? Auch in Gedanken."
"Pff, wie hast du mich vorher bitte genannt?"
"Mmm... hmm...Mädchen mit den lilablassblauen Augen..."
"Hä? Das is nich nur viel zu lang, sondern auch noch reichlich komisch."
"Wieso? Du hast besondere Augen."
"Besonders komisch?"
"Nein, besonders schön..."
Und was hatte sie ihm wiederum antworten sollen? Dass sie solche Komplimente verunsicherten? Sie nur einen flapsigen Scherz parat hatte, der ihn wiederum wahrscheinlich verletzen würde? Dass sie Angst hatte Freundschaften zu zerbrechen?

"Ich find'... du bis' schon gut so, wie du bis'."
"Brust spannt bisschen, vielleicht bleib ich zumindest kein Brett. Müssen ja keine Kürbisse werd'n aber kleine Äpfel, wären in Ordnung."
Stille... und erst da dämmerte es ihr, welchen gequirlten Blödsinn sie hier eben gesagt hatte. Zu spät, zu spät. Befangenheit und seither stand irgendetwas zwischen ihnen. Vielleicht war es deshalb... nein, gar nicht an so einen neuen Mist denken! An Anderes, an irgendwas, an, äh alles!

Der Wunsch wurde ihr erfüllt und kurz danach überschlug es sich alles auf einmal in wildem Holterdipolter, als würde irgendwer in ihrem Kopf mit all den Gedanken und Erinnerungen johlend einen Hang herunterrollen.
"Niedlich, die kleinen Wonneproppen!" stieß sich dabei ziemlich an "Na, komm doch noch ein wenig näher, Kleine. Darfst sogar auf meinem Schoß sitzen. So schönes rotes Haar und ein hübsches Gesicht - sag, warst du schon einmal in Menek'Ur?" und auch Momentaufnahmen wie ein langer, drückender Griff auf Schultern und eine Berührung im Nacken bissen sich mit dem verhassten Alttantenkniff in die Wangen. Von Blicken, die mal eindringlich und seltsam lauernd schienen, über Blicke, die sie sanft und beinahe zärtlich striffen bis hin zu jenen die sie schlichtweg ansahen, als wäre sie sechs und nicht sechzehn.

"Kerle, was? Aber da muss man durch!"
"Du hast 'nen Guten verdient."

Möglich.
Nur wer fragte, wen, was und ob sie denn überhaupt wollte?
Niemand.
Nicht einmal sie selbst - aus Angst vor der Antwort dazu.


Zuletzt bearbeitet von Linnet Nelarth am 29 Mai 2018 17:42, insgesamt einmal bearbeitet
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