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Der Gesichter viele
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Alathair - Online Rollenspielshard Foren-Übersicht » Allgemeines Rollenspiel » Der Gesichter viele
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Bluttangare





 Beitrag Verfasst am: 18 Okt 2017 10:22    Titel: Der Gesichter viele
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Der Schlafplatz bot nicht viel Komfort, aber das hatte er auch nicht erwartet. Es gab hier nichts zu holen, aber hier störte auch keiner. Er befand sich schlicht und ergreifend am Arsch dieser verdammten Insel, wo sich Kauz und Fuchs gute Nacht sagten und er seine Ruhe hatte. Ruhe vor unbequemen Fragen, Ruhe vor Verrückten, Ruhe vor Menschen, vor allem vor Menschen.
Doch waren die Menschen es, die ihn beschäftigten, so gerne er sich von ihnen distanzierte, wenigstens gedanklich. Der Alte hatte stets von ihm behauptet, er hätte ganz besondere Gaben. Nun würde sich zeigen, ob er Recht behielt.

Er saß in dieser kleinen Kammer mit einem Licht, einem Bett, in dem vermutlich die Wanzen mitschliefen, und einem Tisch nebst Stuhl. Vor ihm auf dem Boden ausgebreitet lag eine bestimmte Anzahl an Pergamenten. Genau abgezählt, kein Blatt mehr. Der lederne Einband, der sie zuvor gefasst hatte, lag nur noch halb befüllt neben seinem Bein. Jedes einzelne Blatt hatte er beschriftet. Jedes Mal fing die Beschriftung an mit „Akte“ und die Überschrift endete mit dem Namen desjenigen, den sie beinhalten sollte. Da hatte er eine ganze Sammlung an Menschen, sogar Elfen waren darunter geraten, besondere Menschen und weniger besondere. Mehrmals hatte er hier und dort ein „langweilig“ vermerkt, oder ein „uninteressant“, ein Kommentar brachte es sogar auf „hat Angst vor Annäherung, wünscht sie sich aber inniglich“.
Er suchte nach etwas Bestimmten. Noch hatte er keine Ahnung wofür es gut sein würde, aber das wusste er selten vorher. Reizen und überfordern klappte gut, es musste aber auch noch eine andere Prise mit hinein, nach diesem vielversprechenden Beginn. Sechsundvierzig Blätter in zwei Tagen. Das war enorm und hinterließ eine tiefe Zufriedenheit. Das war fast so befriedigend wie eine kleine Wildkatze bei sich liegen zu haben.

Mit einem Blick vergewisserte er sich, dass sich im Bett nichts mehr regte. Nach der letzten gesetzten Notiz auf den vielen Pergamenten, sammelte er sie sorgfältig, sortiert und geordnet auf und legte sie in seinen Ledereinband zurück. Der wirkte danach noch dicker als vorher, obschon die Seiten aus diesem entnommen worden waren. Andererseits war es nun auch voller. Es lag Wissen darin. So viele Kleinigkeiten, auf die niemand achtete.
Er kam zu dem Schluss, dass er die Menschen hier mochte, auf eine ganz spezielle Art. Sie waren in großen Teilen einfältig, und die Herausforderungen schnell gefunden. Die würden aber umso interessanter werden. Spannend, ob es noch mehr gab, die eine Herausforderung waren. Irgendwann würde er seine Pergamente danach sortieren und von vorn beginnen. Gezielter. Bislang gab es zwei, vielleicht drei Herausforderungen. Vielleicht auch vier. Eigentlich fünf. Aber die fünf würde er nicht anrühren. Sie wusste, wie das lief. Dafür hatte er ein Gespür. Darauf hörte er stets, auch wenn ihm dadurch etwas durch die Lappen ging. Es hatte ihn oft genug gerettet und seine Brüder und Schwestern umgebracht, weil sie es trotzdem getan hatten.

„Ein Kardinal!“ hörte er die leise, verschlafene Stimme der Erkenntnis hinter sich im Bett. „Du bist ein Kardinal.“ – „Du bist so klug“, säuselte er zurück und versteckte das Buch notdürftig unter der Strohmatratze, bevor er zur Stimme der Erkenntnis unter das Laken kroch. Für eine Decke reichte es nicht immer.


Zuletzt bearbeitet von Bluttangare am 20 Nov 2017 12:55, insgesamt einmal bearbeitet
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Bluttangare





 Beitrag Verfasst am: 30 Okt 2017 22:13    Titel:
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Nobelstes Bett, nobelste Bleibe, zu gefährlich für die Aufbewahrung von erarbeiteten, netten, kleinen Dingen. Also war er wieder hierhergekommen, in das kleine, nicht viel hergebende Zimmerchen. Wieder hatte er all die Zettel um sich herum ausgebreitet, ging sie durch, studierte und sortierte sie. Das ein oder andere Zettelchen war dazu gekommen, oder ergänzt worden. Langsam, ganz langsam, wurde es interessanter. Langsam näherte er sich dem, was er zu finden hoffte, unter all der Einfältigkeit, all der Leichtfertigkeit und Naivität, die ihm begegnete. So viel Hochmut, so viel Selbstüberschätzung, so wenig Wachsamkeit.
Nur ein Schatten war sehr tief und dunkel. Nur ein Schatten war eine allzu große Gefahr. Noch immer. Ein zweiter Schatten machte sich still bemerkbar. Noch nicht so tief, wie der eine, aber auf dem besten Wege dorthin zu gelangen.

Menschen redeten. Sie hatten viel zu erzählen, immer, überall, mal Nonsens, mal Unterhaltsames, mal Gewichtiges. Menschen waren so schön bunt und farbenfroh, eine Vielfalt von Grautönen, eine Vielzahl von allen Farben des Regenbogens.
Wer lauschen konnte, wusste um die feinsten Nuancen. Nuancen in der Stimme, in der Lautstärke, in der Betonung. Das leiseste Flüstern, der lauteste Schrei, ein verschluckter Buchstabe, sehr klare Aussprache, raue Stimme, hohe Stimme, dunkles Timbre. Eine Komposition!

Oh ja, er liebte die Menschen. Sie redeten gerne. Und jeder für sich erzählte so viel, auch wenn er glaubte, gar nichts zu sagen. Jede noch so kleine Belanglosigkeit erzählte eine Geschichte über den Sprechenden. Interessant wurde es mit den Stummen. Die Stummen waren auch sehr beredt. Von ihnen hatte er gelernt, dass der Körper mindestens genauso viel zu sagen hatte, wie eine lose Zunge. Der Körper sprach, mal leise, mal laut, mal klar, mal versteckt, mal sicher, mal unsicher.
Erst die Blinden! Die so viel mehr sahen. Da waren die Sehenden blind, das wusste er sehr gut! Die Tauben, die mehr hörten und spürten, als so manch ein Hörender. Oh ja, das waren ganz besondere Menschen, alle drei Gattungen davon. Aber bislang war er keinem davon hier begegnet.
Der Rest aber, der große Rest, der begegnete ihm jeden Tag.
Mal großmäulig, mal schüchtern, mal dramatisch, mal verspielt, mal fröhlich, mal traurig, mal heiter, mal sonnig, mal gewittrig, mal stürmisch.

Die Zettel raschelten, als er sie zusammenraffte und in die Ledermappe einsortierte. Es wurden mehr und mehr und mehr. Die Aufträge kamen rein, wollten erledigt sein. Es war so wichtig zu wissen, damit er sie gut erledigen konnte, so unsäglich wichtig. Dahingehend hatte er noch sehr viel zu tun. So viel. Aber es war eine gute Arbeit. Eine sehr gute Arbeit.
Es war Zeit, Zeit mehr zu hören, mehr zu sehen, mehr zu spüren, mehr zu reden, mehr, mehr, mehr.
Die Mappe fand in ihr Versteck zurück, er danach ins schmale Bett, vorgewärmt, besetzt, ein Murren ging von dort aus, der Störung wegen. Willkommen Störung.
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Bluttangare





 Beitrag Verfasst am: 20 Nov 2017 16:27    Titel:
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Er, der Kardinal, hatte das kleine schäbige Zimmerchen vorübergehend aufgegeben, auch wenn es ihm bei aller Schäbigkeit gut gefiel. Für den Winter war es dort trotzdem zu kalt, so dass es nur als Notunterkunft dienen konnte.
Die kommenden Tage widmete er den Vorbereitungen, die er sich zu treffen vorgenommen hatte. Gesammelt hatte sich einiges, manches konnte er bereits gewinnbringend einsetzen. Anderes taugte höchstens zur persönlichen Erheiterung und brachte keinen reellen Nutzen.

Jetzt gab es aber Pläne zu schmieden. Zwei Personen waren in den Fokus seiner Aufmerksamkeit gerückt. Zwei. Nun, inzwischen war er auch nicht mehr allein unterwegs. Die Welt war im steten Wandel. Für die weiteren Vorbereitungen der kommenden Pläne war ein Gesicht besonders gut geeignet. Er war genau die Art Mensch, die nun gebraucht wurde.
Der Kardinal erhob sich und ging hinüber zum Bett, legte ihm Kleidung bereit für diese Zwecke. Sauber, ordentlich und adrett wurden die Stücke aufgehängt und ausgebürstet. Jede einzelne Falte wurde penibel geprüft und gelegt. Alles musste stimmen, das Gesamte sollte für Gemälde geeignet sein. Wie der Namensgeber selbst legte der Kardinal den Kopf auf die Seite und beäugte die Garderobe noch einmal gründlich und gab sich am Ende damit zufrieden.

Der erste Schritt war getan. Jetzt musste der Erwählte nur noch seine Arbeit machen, und er sollte sie gut machen. Das Problem musste aus der Welt geschafft werden. Da gab es nur zwei Möglichkeiten: Der harte Weg, oder der Tödliche. Es lag nur bedingt an dem Erwählten, ob die zweite Option erforderlich wurde.
Aber zunächst einmal musste der Kardinal noch einige Gespräche führen.


Zuletzt bearbeitet von Bluttangare am 20 Nov 2017 16:28, insgesamt einmal bearbeitet
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Bluttangare





 Beitrag Verfasst am: 05 Sep 2018 14:43    Titel:
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Es kostet immer einen Preis. Alles hatte einen. Das wusste er nur zu gut. Es lag an ihm darauf zu achten, dass der Preis nicht zu hoch ausfiel, oder dass es das kostete, was ihm selbst inzwischen teuer war. So war das mit den Aufträgen immer. Irgendwas zahlte er jedes Mal auch selbst, nicht nur die Auftraggeber. Darum war es nicht billig, Aufträge an ihn zu vergeben. Er hatte ihn nicht allein erhalten. Es gab noch jemanden mit den gleichen Zielen, wie ihn, was ihm nur zu Recht war an dieser Stelle. Vier Augen und Ohren hörten und sahen mehr als zwei und sie hatten eine Menge abzudecken. Vielleicht sollten sie sich ernsthaft überlegen auch den dritten im Bunde mit ins Boot zu holen.

Da saß er wieder, in der kleinen Kammer, an dem alten ranzigen Tisch, auf der inzwischen durchgebogenen Bank. Die Fenster waren samt und sonders zugenagelt oder verhangen. Wenn Lichtschein hinaus fiel, dann nur sehr spärlich unter der Türritze hindurch, oder den undichten Bretterwänden. Allesamt Ritzen, die zu schmal waren zum Durchspitzeln.
Da saß er und vervollständigte seine Notizen, die er gut verschlossen in einer sehr stabilen Truhe aufbewahrte, die ein ebenso solides Schloss besaß und darüber hinaus noch über einige andere eingebaute kleine Tricks verfügte, damit neugierige Nasen und Finger viel zu tun hatten, um zu finden, was sie suchten.
Und weil er nun einmal ein findiger Kardinal war, schloss er nie alles dort ein, nur ein Blatt, ein anderes brachte er an einem zweiten Platz unter, und so weiter und so fort. Zu riskant. Im Stillen amüsierte er sich darüber, wie nah gewisse Menschen diesen Notizen kamen, ohne auch nur davon zu ahnen. Es war ein Spiel. Ein Spiel, das seinen Preis hatte.

Sein Blick verlor sich einige Zeit an der gegenüberliegenden schäbigen Bretterwand, die von einer
daneben stehenden maroden Steinwand gehalten wurde. Irgendwann würde dieses Loch einfach in sich zusammenbrechen, davon war er überzeugt. Aber was sollte es. Auch das konnte ihm nur gelegen kommen. Wer glaubte schon daran, dass jemand in Ruinen hauste, noch dazu freiwillig?

Unter leisem Knarren stand er auf und bewegte sich zielsicher durch den kleinen schäbigen Raum, schob ein Holzbrett in der Wand beiseite und zog eine Pergamentrolle heraus, schob das Brett wieder vor und rollte das Pergament auf. Die Augen flogen über die Seite, die darauf gesetzten Notizen. Regeln. Das Pergament war alt. Vergilbte schon, wurde brüchig von der unsachgemäßen Lagerung.
Es spielte an sich keine Rolle, er wusste genau, was dort stand. Jedes einzelne Wort dort hatte er zutiefst verinnerlicht. Sie zu lesen war mehr ein Ritual als eine Notwendigkeit. Ja, ein Ritual, dass ihm half sich diese Dinge wieder in Erinnerung zu rufen, die er schon ein Stück weit beiseite geschoben hatte, weil hier alles so anders war.

Er gönnte sich einige gedankenverlorene Momente, in denen er herumwälzte, was hier anders war als dort, wo er herkam, was sich für ihn und was davon ihn selbst verändert hatte. Vom Narren zum Raben, zu Asche verbrannt, wie der Phönix auferstanden und als Kardinal in den Geschicken dieses Eilands einen Platz gefunden. Das Leben war voller schicksalhafter Wendungen, ein Abenteuer an und für sich, eine immerwährende Prüfung und ein nie endender verschlungener Pfad.
Das Verwirrende für ihn stellte sich in der Tatsache dar, dass er nicht mehr alleine war. Ein Umstand, den er noch immer versuchte zu verarbeiten und überein zu bekommen. Sein ganzes Leben war er nur auf sich gestellt gewesen. Hier war alles anders. Auch, dass es sich ganz von allein so ergeben hatte. Keiner hatte dafür gesorgt, keiner es verlangt, keiner es erpresst. Es war einfach so passiert.
Aber darauf zu vertrauen, dass es Bestand behalten würde, das fiel schwer. Sehr schwer.

Zeit, sich wieder der Aufgabe zu widmen. Das brüchige Pergament fiel dem kleinen Herdfeuer anheim, das in der Feuerstelle brannte. Welche Gottheit war eigentlich für das Herdfeuer verantwortlich? Wieder ließ er sich von dem Gedanken vom Eigentlichen forttragen. Dabei sollte er sich konzentrieren. Aber dieser Tage war nur wenig so, wie es sein sollte.
Er musste noch herausfinden, wer über ihn gesprochen hatte. Wer es war, der diese Lüge über ihn in die Welt setzte. Der Ärger darum war geringfügig und könnte ihm eigentlich egal sein, aber da ging es einfach ums Prinzip. Das musste geklärt werden.
Also machte er sich an die Arbeit.
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