Ausruf in Menek'Ur

[Der Erzähler]

*Emsige Boten verlassen den Palast, strömen druch die Gassen
Menekur's und verkünden dort bald schon Jederorts:*

Salam Alaikum,

unser ehrenwerter Emir Aaram Omar ist auf der Suche
nach einer Wüstenblume, die fortan an seiner Seite weilen wird,
bis ans Ende aller Tage.

Um sich die Eine zu erwählen, wünscht der Erhabene,
am 11. Wechselwind zur achten Abendstunde eine große
Brautschau im Palast.

Kommt in euren besten Gewändern,
gebt ihm einen Einblick in eure Talente.

Jede, im heiratsfähigem Alter sei geladen.

Möge die Mara ihre schützende Hand über das Volk halten.

[Yasmeen]

Ungläubig lauschte sie der Kundgabe einem der emsigen Boten. Ein neuer Emir??? Sie schob ihre Hände hinter den Rücken ineinander als diese unwillkürlich zu zittern begannen. Wo war ihr Ranim? Vom Thron gestoßen... Verschollen?... Etwa Tod?... Tausend Gedanken schossen Yasmeen durch den Kopf. Ihr Herz überschlug sich beinahe durch unzählige rasende Schläge - das schmerzende Gefühl und die nachdrängende Furcht. Das Gefühl der ersten Risse in ihrem Brustkorb, der Sprung ihres trauernden Herzens aus ihrer Brust heraus.
Die Neuigkeit versprach ihr die endgültige Freiheit. Kein goldener Käfig, in dem sie länger sitzen musste. Und dennoch zerbrach es ihr das Herz, wenn die Gedanken zu Ghadir Tazim zurück schweiften. Er war ein wunderbarer Mann, den sie nicht verdient hatte. Rechtschaffen, liebenswürdig, ehrlich und gütig. Redegewandt, aber auch bestimmt, der sein Volk mit allen Mitteln versuchte zu beschützen. Wie oft sie Zweifel hegte und ihm sagte, dass sie vor dieser großen Verantwortung seine Esra zu werden Angst hatte. Und nun stand sie dort, aus dem Käfig durch diese Verkündung freigelassen. Zerbrochen. Einsam.

Mit ihrem Rücken an der Hauswand gelehnt, sank sie durch ihre aufkeimenden Schuldgefühle auf die Knie. Schon eine geraume Zeit war sie Ghadir keine gute Frau mehr. Von seiner Abwesenheit verletzt - mit dem Gefühl von ihm zurückgelassen und vergessen worden zu sein. Mit Herzschmerz und Tränen in den Augenwinkeln eingeschlafen und am nächsten Morgen mit einer Wut aus Frust und Trauer den Tag durchkämpft. Und nun ist sie frei - ohne ihn... nicht mehr greifbar für sie. Leere. Nun war sie endgültig das, zu was sie sich selbst durch ihr Gefühlschaos getrieben und zu was sie Kadir gezwungen hatte; eine Menekanerin ohne Mann, ohne Familie. Hauslos. Ehrlos.

Noch eine ganze Weile saß sie am Straßenrand im Sand und an der Hauswand gelehnt. Der Schleier verdeckte ihren starren, emotionslosen Blick und die geröteten Wangen. Während die warmen salzigen Tränen wie kleine Perlen über ihre bronzene Haut rannen.