Caelodis Carribas
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Verfasst am: 01 Jul 2009 01:11 Titel: Der Geschmack der Freiheit |
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Ein paar Seiten dünnen Pergaments flattern aus einer mit allerlei persönlichen Schriftstücken gefüllten, ledernen Mappe hervor. Eilig greift eine schlanke, gepflegte Hand mit gefeilten Nägeln, die nie harte Arbeit sah, danach und hob sie raschelnd auf. Der Blick aus hellgrünen Augen, dezent umrahmt vom dunklen Kohlestift, gleitet über die kürzlich schwungvoll und säuberlich niedergeschriebenen Zeilen und der Blick verliert für einen Moment an Klarheit, gewinnt an Sehnsucht, Heimweh und widmet sich einen Moment den Erinnerungen, die vor dem geistigen Auge vorüberziehen...
Ach, Mercaria!
Geliebte Heimat, Stadt der prachtvollen Paläste auf unzähligen Inseln, durchfurcht von dunklen Kanälen und durchzogen von beklemmend engen Gassen; geschmückt mit weiten, eleganten Plätzen, welche gesäumt werden von imposanten Statuen zu Ehren des lichten Pantheons, doch auch der einstigen Stadtherren. Kein Ort dieser Welt reicht an dir heran und nun, so fern von dir mit deinen mörderisch dunklen Ecken, verschwiegenden Nischen, friedlichen Hinterhöfen und am Abend quirligen Festsälen sehne ich mich zurück in deinen vielfarbigen Schoß, welcher mich geborgen aufnimmt und wo du mir doch ständig was von der Vergänglichkeit des Lebens zuflüsterst.
Doch nicht nur zurück zu dir, die von manch verzweifelten und verarmten Dichter in Momenten tiefster Hassliebe als "Buhle des dreckigen Mammons und der vergänglichen Illusionen" beschimpft wurde. "Blut ist dicker als Wasser" war einst das inbrünstig zitierte Motto meines Hauses und auch wenn es nicht mehr für alle Zweige meiner umfangreichen Familie gilt - möge Temora sie richten - so gilt es doch denen, die mich all die Jahre begleitet haben. Nunmehr hier in der Ferne, auf diesem Land namens Gerimor, spüre ich schmerzlich, wie wichtig und verbunden sie mir doch eigentlich sind.
Innig, fest, fast schon die Luft abschnürend - so empfand ich nicht selten die Bindung zu meiner Familie, wenngleich meine Eltern für die Verhältnisse unseres Hauses ein wenig liberaler sind. Dennoch beugten auch sie sich der Tradition meines Hauses und so stand ich schon in jungen Jahren einem wenig begeistert anmutenden Jüngling gegenüber, derweil blödsinnig lächelnde Tanten und Basen ihn mir besonders schön zu reden versuchten. Blumige Worte, schmachtende Lobhudeleien - es war wie ein amüsant anzusehender, doch schlecht choreographierter Tanz um das eigentliche Thema herum, nämlich meine baldige Verlobung und, möglichst rasch natürlich, Heirat.
Doch nicht hier begann mein Drang nach Freiheit, die für mich noch so süß zu schmecken schien. |
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