Der Aufstieg und die Pflicht

[Karina DelMur]

Aufsteige bedeuten mehr Verantwortung

Mit einem etwas flauen Gefühl in der Magengegend war Karina Del´Mur, frische Mutter und alleinige Gutshofleiterin, auf Geheiß der Frau von Seranyth zum Rathaus gekommen. Als deren Schreiben in Karinas Hände fand, war das Erstaunen groß gewesen. Was mochte Azu – wie sie außerhalb aller Förmlichkeit genannt wurde und wie sich auch Karina angewöhnt hatte, die Adelige zu nennen – nur von ihr wollen?
In der ausgemachten Stunde musste der werte Gatte sich daheim mit dem Nachwuchs-Del´Mur herumschlagen, während die Mutter sich also auf in die Stadt machte.
Die Straßen kamen ihr sehr leer vor… wenig war los in Rahal, gesunde Krieger hatten stets etwas zu tun, Handwerker verreisten oder zogen sich fast vollständig zurück. Selbst die Hofläden blieben weitestgehend geschlossen. Doch eigentlich war Vieles am Laufen; der Kampf gegen die Ketzer, die Dirnenanhänger in vollem Gange; die Verwaltung der Stadt damit beschäftigt Politik zu betreiben, Verbündete zu finden, Verräter zu entlarven.
An sich so gar nicht Karinas Gebiet.

Im Gespräch mit Baronin Azucinnia von Seranyth jedoch zeigte sich, dass auch eine Landwirtin soetwas stark betreffen konnte.
„Das Gremium hat sich über Eure Person unterhalten… Wir sind übereingekommen, dass Ihr die Vertretung von Alexa übernehmen sollt.“
Karina wusste genau, dass ihr damit eine große Ehre zuteil wurde. Bürgersprecherin auf Treffen des Gremiums sollte sie sein. Ansprechpartnerin in Sachen des einfachen Volkes. Unglaublich! Wenn das Ivan erfährt…!
Doch in die offensichtliche Freude mischte sie recht schnell eine gewisse Unsicherheit. Ein ziemlich großer Schritt für einen kleinen Menschen… Sie hatte es zwar auch geschafft, einen Gutshof zu leiten und tat dies schon eine ganze Weile, doch in der Politik tätig zu sein, soviel Verantwortung zu haben – das war nun doch etwas gänzlich Anderes.
„Ich werde mich bemühen, in dem Amte gute Dienste zu leisten, verehrte Baronin.“
Den Satz sprach Karina nicht ohne Sorgen aus. Und dass sie gleich eine erste Aufgabe aufgedrückt bekam, trug auch nicht gerade zu einem großen Selbstbewusst sein bei.

Was sollte sie tun? Die Schiffe Rahals, welche Neuhaven für die Burg Eisenwart anlaufen würden, benötigten Verpflegung – eine ganze Menge sogar. Azu hatte Recht, vorzuschlagen, dass Karina deshalb mit sämtlichen Höfen des Reiches reden sollte. Vieles galt es zu bedenken – Art und Menge der Waren, deren Transport und Aufteilung auf die Schiffe, die zeitlichen Distanzen zwischen den Lieferungen und den Anlieferungsort. Bürokratie vom Feinsten, die eine Landwirtin mit wenig wissenschaftlichen Kenntnissen zu erfüllen hatte. Neben den Pflichten als Gattin, Hausfrau, Mutter und Gutsbesitzerin.
Zumindest das Gremium schien davon überzeugt zu sein, dass Karina Del´Mur mit größeren Aufgaben wachsen würde. Mit dem Willen Alatars.

Schon selbstsicherer im Gemüt trat Karina den Heimweg an. Sie würde noch bis tief in der Nacht die Erfüllung der neuen Pflicht planen, Briefe an Alexa und die Höfe schreiben, welche am nächsten Tage abgeschickt werden würden, und erst dann in einen kurzen Schlaf sinken.

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